Baurecht

Benutzungsgebühren für öff. Entwässerungseinrichtung, Frischwassermaßstab, Erforderlichkeit einer gesonderten Niederschlagswassergebühr (verneint), Erheblichkeitsgrenze von 12%

Aktenzeichen  B 4 K 18.749

Datum:
24.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41686
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 8 Abs. 4

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg. Der Gebührenbescheid der Beklagten vom 11.01.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts … vom 21.06.2018, mit dem gegenüber dem Kläger für den Abrechnungszeitraum 01.12.2016 bis 30.11.2017 Abwassergebühren in Höhe von 619,67 EUR festgesetzt wurden, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Soweit der Kläger letztlich die Einführung einer gesonderten Niederschlagswassergebühr anstrebt, hat er darauf keinen Anspruch.
1.1 Der Bescheid der Beklagten ist formell rechtmäßig, da die Stadtwerke als Eigenbetrieb der Stadt … gemäß Art. 88 Abs. 1 GO eine eigene Behörde darstellen, der gemäß § 2 Abs. 5 der Betriebssatzung vom 09.12.2010 in der ab 01.01.2016 geltenden Fassung der Erlass von kommunalabgabenrechtlichen Bescheiden übertragen wurde.
1.2 Der Gebührenbescheid ist auch in materieller Hinsicht rechtmäßig.
1.2.1 Nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 KAG können die Gemeinden für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen Benutzungsgebühren erheben. Zu diesen Einrichtungen gehören auch öffentlich betriebene Entwässerungsanlagen. Von dieser Ermächtigung hat die Stadt … durch den Erlass ihrer Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 27.06.2017 (GSEWS) Gebrauch gemacht.
Gegen das wirksame Zustandekommen der Satzung wurden keine Einwände erhoben. Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht hält die Gebührensatzung einer gerichtlichen Überprüfung stand. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf ihre Regelungen zum Gebührenmaßstab und zur Gebührenhöhe in §§ 1 a und 2 GSEWS.
1.2.2 Nach Art. 8 Abs. 2 Satz 1 KAG soll das Gebührenaufkommen die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten einschließlich der Kosten für die Ermittlung und Anforderung von einrichtungsbezogenen Abgaben decken. Gemäß Art. 8 Abs. 4 KAG sind die Gebühren nach dem Ausmaß zu bemessen, in dem die Gebührenschuldner die öffentliche Einrichtung benutzen; sonstige Merkmale können zusätzlich berücksichtigt werden, wenn öffentliche Belange dies rechtfertigen.
Um diesen Vorgaben Rechnung zu tragen hat die Beklagte in § 2 Abs. 1 Satz 1 GSEWS bestimmt, dass sich die Einleitungsgebühr nach der Menge der Abwässer berechnet, die der Entwässerungseinrichtung von den angeschlossenen Grundstücken zugeführt werden. Als Abwassermenge gelten gemäß § 2 Abs. 2 GSEWS die dem Grundstück aus der Wasserversorgungsanlage und aus der Eigengewinnungsanlage zugeführten Wassermengen abzüglich der nachweislich auf dem Grundstück verbrauchten oder zurückgehaltenen Wassermengen, soweit der Abzug nicht ausgeschlossen ist (sog. Frischwassermaßstab).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs eignet sich der Frischwassermaßstab grundsätzlich uneingeschränkt für die Gebührenbemessung des Abwassers. Solange keine genaue oder annähernd genaue Erfassung der von den angeschlossenen Grundstücken abfließenden Abwassermenge möglich oder zumutbar ist, stellt der Frischwassermaßstab für die Berechnung der Einleitungsgebühr im Mischsystem einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab dar. Hierbei steht die Überlegung im Vordergrund, dass, wer eine bestimmte Menge Frischwasser bezieht, auch einen bestimmten Anteil davon der Entwässerungseinrichtung wieder zuführen wird, wobei unter Zugrundelegung vergleichbarer Verhältnisse die endgültig auf dem Grundstück verbrauchten Wassermengen nicht in nennenswertem Maße voneinander abweichen, dass also umso mehr Schmutzwasser der Entwässerungseinrichtung zugeführt wird, je mehr Frischwasser bezogen wird (vgl. BayVGH vom 31.03.2003, Az. 23 B 02.1936 m.w.N., juris, Rn. 31).
Die bezogene Frischwassermenge ist auch bei zusätzlicher Einleitung von Niederschlagswasser ein grundsätzlich geeigneter Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte bei der Wahl des Gebührenmaßstabs unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes, des Äquivalenzprinzips und des Grundsatzes des sachgerechten Vorteilsausgleichs (vgl. Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 BV) einen weiten Ermessensspielraum hat und sich nicht für den zweckmäßigsten, vernünftigsten, wahrscheinlichsten oder gerechtesten Maßstab entscheiden muss. Eine getrennte Gebühr für die Niederschlagswasserbeseitigung und die Schmutzwasserbeseitigung (gesplittete Abwassergebühr) muss in der Regel aber dann eingeführt werden, wenn eine homogene Siedlungsstruktur im Entsorgungsgebiet nicht besteht oder der Grundsatz der Typengerechtigkeit verletzt wird (BayVGH vom 17.02.2005, Az. 23 BV 04.1732, juris). Wenn eine Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung für die Einleitung des Niederschlagswassers im Entsorgungsgebiet – wie hier – trotzdem keine gesonderte Erhebung von Gebühren vorsieht, so ist dies nur dann unbedenklich, wenn die durch Gebühren zu deckenden Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung geringfügig sind, wobei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs die Erheblichkeitsgrenze bei einem 12%-igen Anteil an den der Gebührenkalkulation zugrunde gelegten Gesamtkosten der Entwässerungseinrichtung liegt (BayVGH vom 31.03.2003, a.a.O., Rn. 32 mit Hinweis auf BVerwG vom 27.10.1998, Az. 8 B 137/98, BayVGH vom 16.12.1998, Az. 23 N 94.3201, juris; zuletzt BayVGH vom 27.09.2018, Az. 20 N 16.1422, 20 N 18.1975, juris Rn. 30).
1.2.3 Um diese Erheblichkeitsschwelle von 12% streiten die Beteiligten. Da die Beklagte ein Mischwassersystem betreibt, ist eine exakte Zuordnung der Kosten der Abwasserbeseitigung auf Schmutzwasserbeseitigung und Niederschlagswasserbeseitigung nicht möglich. Es ist im Einzelfall den Anlagenbetreibern überlassen, selbst zu entscheiden (auch unter pauschalierenden Gesichtspunkten), wie eine solche Aufteilung sachgerecht vorzunehmen ist. Die Geringfügigkeitsgrenze hat also die Gemeinde selbst durch eine geeignete Berechnung zu bestimmen, um den Kostenanteil an den jährlichen Gesamtkosten der Entwässerungsanlage für die Ableitung des Oberflächenwassers im Gemeindegebiet zu ermitteln (VG Regensburg vom 18.06.2012 – RN 8 K 12.410, juris, Rn.21 m.w.N.).
Die Kammer legt ihrer Entscheidung die Berechnungen der Beklagten zugrunde, die im Anschluss an den Erörterungstermin vom 14.10.2020 mit Schriftsatz vom 06.11.2020 vorgelegt wurden (Bl. 256 ff. Gerichtsakte) und stellt maßgeblich auf die 1. Alternativberechnung mit dem Ansatz des tatsächlich geleisteten Straßenentwässerungsanteils 2016 ab. Die in den Berechnungen enthaltenen Zahlen (kalkulatorische Kosten und Betriebskosten) sind identisch mit denen, die bereits mit Schriftsatz vom 30.01.2019 (Bl. 90 ff. Gerichtsakte) vorgelegt wurden, mit Ausnahme der Betriebskosten für Kanäle und Sonderbauwerke. Hier hat sich eine Berichtigung von 713.261 EUR auf 824.261 EUR ergeben, weil die Beklagte die Abwasserabgabe für Niederschlagswasser in Höhe von 111.000 EUR irrtümlich ein weiteres Mal abgezogen hat (Schriftsatz vom 06.11.2020, S. 2). Ansonsten haben sich nur Modifikationen hinsichtlich einzelner Aufteilungsschlüssel ergeben.
Nicht mehr relevant sind die Berechnungen, die im Widerspruchsverfahren dem Landratsamt … vorgelegt wurden (Beiakte I), und die die Klägerseite in ihren Einwendungen im Rahmen der Klagebegründung zugrunde gelegt hat. Die Beklagte hat nach Vorlage der Klagebegründung eine Nachkalkulation auf der Grundlage der für das Jahr 2016 gebuchten Kosten und maßgeblichen Fakten erstellt, in der sie einige Ansätze und Ermittlungswege gegenüber der früheren Kalkulation noch genauer berechnet und untersucht hat. Eine Nachkalkulation begegnet keinen Bedenken. Nach der Rechtsprechung des BayVGH ist sie sogar zulässig, wenn zuvor nur eine überschlägige Kalkulation mit gegriffenen Werten vorlag (BayVGH vom 16.12.1998 – 23 N 94.3201, juris, Rn. 31; VG München vom 25.07.2012 – M 10 K 11.984, juris, Rn. 63 ff.). Damit liegt im gerichtlichen Verfahren eine neue Datenlage vor.
1.2.4 Anhand der dargestellten Unterlagen ist für die Kammer eine Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle von 12% für den hier streitgegenständlichen Zeitraum nicht festzustellen.
Die in der Klagebegründung vom 08.11.2018 erhobenen Einwände und die eigenen Berechnungen des Klägers zu einem Kostenanteil von mindestens 18% sind – ungeachtet deren Schlüssigkeit – hinsichtlich der angesetzten Zahlen durch die aktuelle Neuberechnung der Beklagten überholt. Im gerichtlichen Verfahren hat sich der Kläger im Wesentlichen darauf berufen, dass die angesetzten Werte nicht nachvollziehbar seien und der Kläger nicht über die Sachkunde verfüge, im Detail zur Unrichtigkeit der einzelnen Posten der Kalkulation vorzutragen. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wäre es aber Sache des Klägers, die Richtigkeit der von der Beklagten gewählten Kostenaufteilung substantiiert in Frage zu stellen und hierzu konkret darzulegen wie viele befestigte Grundstückflächen im Gemeindegebiet vorhanden sind, wie hoch der Regenwasseranfall auf diesen Flächen ist, der in die Entwässerungsanlage der Beklagten gelangt und welchen Kostenanteil die Beseitigung dieses Regenwassers gemessen an den Gesamtkosten der Entwässerungsanlage in Anspruch nimmt. Hierzu müsste sich der Kläger ggf. der Hilfe eines Sachverständigen bedienen (BayVGH vom 17.06.1998 – 23 B 95.4088, juris, Rn. 45t; VG Ansbach vom 01.03.2011 – AN 1 K 09.00002, juris, Rn. 180).
Bei der Prüfung, ob die Erheblichkeitsschwelle von 12% eingehalten ist, sind sowohl der Investitionsaufwand (kalkulatorische Kosten), als auch die Betriebs- und Unterhaltungskosten für die Abwassereinrichtung in den Blick zu nehmen.
Investitionskosten (kalkulatorische Kosten):
Die kalkulatorischen Kosten, bestehend aus den angemessenen Abschreibungen und kalkulatorischen Zinsen (Art. 8 Abs. 3 Satz 1 KAG) hat die Beklagte in Anlage 1 (Gerichtsakte Bl. 259) zusammengestellt. Bei der maßgeblichen Neuberechnung beträgt der Zinssatz für die kalkulatorischen Zinsen 3,5% (nicht 5,5%). Abzüglich der erhaltenen staatlichen Zuwendungen nach Anlage 2 (Art. 8 Abs. 3 Satz 2 KAG) ergeben sich kalkulatorische Gesamtkosten von 3.333.280 EUR. Diese Zusammenstellung des Anlagevermögens und die Berechnung der Abschreibungen und Zinsen für die einzelnen Anlagenteile der Abwassereinrichtung hat der Kläger nicht substantiiert in Frage gestellt. Wenn er einzelne Ansätze bezweifelt, hätte er Einsicht in die Unterlagen der Beklagten nehmen müssen, wie ihm das immer wieder angeboten wurde. Da sowohl der Kläger als auch sein Prozessbevollmächtigter in … ansässig sind, wäre es am Einfachsten gewesen, vor Ort bei den Stadtwerken Einsicht in die Unterlagen zu nehmen und ggf. einzelne Berechnungen substantiiert in Frage zu stellen. Das Rechenwerk ist in sich stimmig. Für das Gericht bestand kein Anlass zu weiteren Nachforschungen.
Für die Aufteilung der Kosten der Abwasserbeseitigung auf Schmutzwasser (SW) und Niederschlagswasser (NW) hat die Beklagte externe Beratung durch ein sachverständiges Ingenieurbüro in Anspruch genommen. Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 29.04.2019 rügt, mangels Vorlage der von den externen Beratern bzw. Ingenieurbüros erstellten Unterlagen und Informationen könne nicht nachvollzogen werden, ob die genannten Ingenieurbüros wirklich für die Beklagte tätig gewesen seien und ob sie die genannten Berechnungsgrundlagen ermittelt hätten, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Beklagte immer wieder eine umfassende Akteneinsicht angeboten hat. Das Gericht hatte von sich aus keinen Anlass, an der Einschaltung des Ingenieurbüros und dessen Berechnungen bzw. Einschätzungen zu zweifeln.
Die Ermittlung der Aufteilungsschlüssel der kalkulatorischen Kosten der Kläranlage zwischen SW und NW (siehe Anlage 3, Bl. 261 Gerichtsakte) hat nach Angaben der Beklagten das Ingenieurbüro … vorgenommen. Die Bewertungen des anerkannt sachkundigen Ingenieurbüros sind nachvollziehbar.
Der Kläger rügt, dass die Kosten der Schlammbehandlung zu 100% dem SW zugeordnet wurden. Diese Einschätzung hat das von der Beklagten beauftragte Ing.-Büro vorgenommen. Es leuchtet ein, dass der Klärschlamm keinen Niederschlagswasseranteil mehr enthält und daher keine Kostenanteile (weder kalkulatorische noch Betriebskosten) auf NW entfallen. Ob einzelne Industriebetriebe eigene Schlammbehandlungsanlagen betreiben, um einer Starkverschmutzungsgebühr zu entgehen, spielt keine Rolle, weil dies schon im Vorfeld der Einleitung geschieht und keine Auswirkungen auf die Kosten der allgemeinen Abwasserbeseitigung hat, die von den Gebührenzahlern zu leisten sind.
Eine gesonderte Ausweisung und Aufteilung der Kosten für die Beseitigung des Fremdwassers, also des in die Kanalisation eindringenden Grundwassers, unerlaubt eingeleiteten Drainagewassers sowie einem Schmutzwasserkanal zufließendes Oberflächenwasser, wird in Bayern kostenmäßig nicht gesondert berücksichtigt, ein Fremdwassereintrag ist bei den allgemeinen Betriebskosten der Entwässerungseinrichtung zu erfassen (BayVGH vom 31.03.2003 a.a.O., juris, Rn. 41; VG München vom 25.07.2012 – M 10 K 11.984, juris, Rn. 88). Der von der Beklagten geschätzte Fremdwasseranteil von 30% bewegt sich im durchschnittlichen Bereich. Von einer unwirtschaftlichen Betriebsführung zulasten der Gebührenzahler ist daher nicht auszugehen.
Den Aufteilungsschlüssel für die Investitionskosten der Mischwasserkanäle von 60% für SW und 40% für NW hat die Beklagte ermittelt, in dem sie die Herstellungskosten für einen Mischwasserkanal den Herstellungskosten für ein getrenntes System aus Schmutzwasserkanal und Niederschlagswasserkanal gegenübergestellt und die Kostenersparnis für das Mischsystem rechnerisch auf SW und NW aufgeteilt hat (Anlage 4, Bl. 262 Gerichtakte). Gegen diese Berechnung bestehen keine Bedenken.
Die Investitionskosten für Regenüberlaufbecken (RÜB) sind in der Zusammenstellung der kalkulatorischen Kosten (Anlage 1) enthalten. Sie sind Teil des Kanalsystems, weshalb die Aufteilung der Investitionskosten für die RÜB zu 60% auf SW und 40% auf NW nach der Berechnung in Anlage 4 erfolgte, in der ein Zuschlag für Sonderbauwerke enthalten ist. Soweit der Kläger eine pauschale Aufteilung der Investitionskosten für die Kanäle auf je 50% für SW und NW für richtig hält, kann er damit die nachvollziehbare Berechnung der Beklagten nicht erschüttern.
Betriebs- und Unterhaltungskosten:
Die Betriebskosten der Abwassereinrichtung in Höhe von 2.409.420 EUR umfassen die Betriebskosten für die Kläranlage, für die Kanäle einschließlich Sonderbauwerke und für die Verwaltungskosten (Anlage 6, Bl. 264 Gerichtsakte). Konkrete Festlegungen pauschalierender Art, wie die Betriebskosten einer Entwässerungsanlage auf die einzelnen Bereiche zu verteilen sind, wurden in der Rechtsprechung bislang nicht getroffen, sondern es in jedem Einzelfall dem Anlagenbetreiber überlassen, selbst zu entscheiden, auch unter pauschalierenden Gesichtspunkten, wie eine solche Aufteilung sachgerecht vorzunehmen ist.
Den Aufteilungsschlüssel für die Betriebskosten der Kläranlage in Höhe von 1.329.206 EUR zwischen SW und NW (siehe Tabelle Anlage 8, Bl. 266 Gerichtsakte) hat wiederum das Ingenieurbüro … vorgenommen. Es hat alle maßgeblichen Ausgaben prozentual auf SW und NW aufgeteilt und dabei nach den verschiedenen Anlagenteilen und Ausgabenstellen differenziert. Beispielsweise wurden die Kosten der Klärschlammbehandlung und -entsorgung zu 100% dem SW zugeordnet, die Betriebskosten für das Einlaufhebewerk zu je 50% aufgeteilt. Der gewichtete Durchschnittswert aller Kosten beträgt 96,18% für SW und 3,82% für NW. Das Ergebnis ist aufgrund der differenzierten Aufstellung durch ein sachkundiges Ingenieurbüro nachvollziehbar. Der Einwand der Klägerseite, dass die Betriebskostenaufteilung der Kläranlage mit nur 3,82% auf NW zu gering sei, ist ohne nähere Darlegung nicht geeignet, die detaillierte Einschätzung des Ingenieurbüros, das über den nötigen Sachverstand verfügt, in Frage zu stellen.
Den Aufteilungsschlüssel für die Betriebskosten der Mischwasserkanäle in Höhe von 824.261 EUR hat die Beklagte mit 75% für SW und 25% für NW angesetzt (Anlage 3). Sie ist von ihrer vorigen Aufteilung von 92% zu 8% (Schriftsatz vom 30.01.2019, S. 8) abgerückt. Der Berechnung legt die Beklagte die Abwassermengenverhältnisse in Relation zu den Niederschlagsmengen (Deutscher Wetterdienst) zugrunde, wobei sie davon ausgeht, dass die Betriebskosten der Kanäle, insbesondere Reparaturkosten, Kosten für die Dichtigkeitsprüfungen, TV-Untersuchungen, und Kanalspülungen weit überwiegend durch die Schmutzwasserbeseitigung verursacht werden. Soweit die Beklagte damit das VEDEWA-Berechnungsmodell, das pauschal von einer Aufteilung der jährlichen Abwassermengen von 50% SW und 50% NW ausgeht, durch Berücksichtigung konkret festgestellter Niederschlagsmengen pro Regentag modifiziert und mit nachvollziehbarer Begründung die hohen Unterhaltungskosten überwiegend dem SW zuordnet, ist dies nicht zu beanstanden, da die umfangreichen Detailberechnungen (Anlage 9, Bl. 267 ff. Gerichtsakte) der tatsächlichen Gegebenheiten den realen Verhältnissen näherkommt, als eine pauschale Annahme.
Dem Einwand des Klägers, dass die Kosten der Kanäle nicht von der Anzahl der Regentage abhängen, ist hinsichtlich der Investitionskosten zuzustimmen. Bei diesen wurde die Aufteilung – wie bereits ausgeführt – nach dem Verhältnis der Herstellungskosten vorgenommen (Anlage 4: 60% zu 40%).
Die Aufwendungen für Abwasserabgaben (sowohl für SW als auch für NW) spielen keine Rolle mehr. Sie sind in den Betriebskosten nicht mehr enthalten, da sie nach Angaben der Beklagten nachträglich erstattet bzw. verrechnet wurden.
Die Verwaltungskosten in Höhe von 255.953 EUR hat die Beklagte zu 85% dem SW und zu 15% dem NW zugeordnet. Da Verwaltungskosten für die Berechnung und Erhebung von Niederschlagswassergebühren (insb. Aufwand für die Aktualisierung der abflussrelevanten Grundstücksflächen und Bescheiderteilungen) nicht anfallen, ist es nachvollziehbar, dass nur ein geringer Anteil der allgemeinen Verwaltungskosten dem NW zugeschlagen wird.
Straßenentwässerungsanteil:
Die Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung sind auf die Grundstücks- und auf die Straßenentwässerung aufzuteilen, wobei auch hier die kalkulatorischen Kosten und die Betriebskosten gesondert zu betrachten sind.
Die Investitionskosten für den Straßenentwässerungsanteil bemisst die Beklagte grundsätzlich nach der Hälfte der auf den Niederschlagswasseranteil entfallenden kalkulatorischen Kosten, d. h. auf 20%. Im streitgegenständlichen Jahr hat die Beklagte die kalkulatorischen Kosten der Straßenentwässerung mit 597.455 EUR angesetzt. Dieser Betrag entspricht einem Anteil von 25% (vgl. Anlage 11 der 1. Berechnungsalternative Bl. 277 Gerichtsakte) In dieser Höhe hat die Stadt … als Trägerin der Straßenbaulast der Beklagten die errechneten Straßenentwässerungskosten erstattet. Richtig wäre wohl nur ein Betrag von 489.031 EUR gewesen (Anlage 11 der Berechnungsalternative „Kostenanteil für die kalkulatorischen Kosten 50%“, Bl. 282 Gerichtsakte). Da der tatsächlich geleistete höhere Betrag die Gebührenzahler im maßgeblichen Zeitraum entlastet hat, ist er der Berechnung auch zugrunde zu legen.
Bei den Betriebskosten der Straßenentwässerung ist die Beklagte von der weitgehend üblichen pauschalen Aufteilung der Kosten von 50% für die Beseitigung von Niederschlagswasser von Grundstücken und 50% für die Straßenentwässerung nach dem VEDEWA-Modell abgewichen und hat eine gesonderte Berechnung nach den tatsächlichen Verhältnissen vorgenommen. Durch das Ingenieurbüro … wurden die befestigten Grundstücksflächen, die in den Kanal entwässern mit 295 ha und die an den Kanal angeschlossenen Straßenflächen mit 180 ha ermittelt. Es ergibt sich ein Verhältnis von 62,11% Grundstücke zu 37,89% Straßen. Der Straßenentwässerungsanteil an den Betriebskosten der Kläranlage, der Kanäle und an den Verwaltungskosten ist demnach jeweils mit 37,89% abgezogen worden. Die Höhe der Kosten und den Umfang der jeweiligen Flächen hat der Kläger nicht substantiiert in Frage gestellt.
Als Ergebnis errechnet sich nach alledem der prozentuale Kostenanteil der Oberflächenentwässerung privater Grundstücke an den Gesamtkosten der Abwasserbeseitigung von 10,89% (Aufstellung der 1. Alternativberechnung, Bl. 275 Gerichtsakte).
1.2.5 In der mündlichen Verhandlung vom 24.03.2021 hat die Klägerseite daran festgehalten, dass die Erheblichkeitsschwelle von 12% überschritten sei, und ein Sachverständigengutachten beantragt. Dies hat die Kammer abgelehnt, weil sie die beigebrachten Berechnungen der Beklagten als tragfähig für die Unterschreitung der 12%-Schwelle erachtet. Aus den Unterlagen und dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich, dass sie sich bewusst an den rechtlichen Vorgaben zur gesplitteten Abwassergebühr orientiert und hierzu ergebnisoffen fachkundige Unterstützung eingeholt hat. Demgegenüber ist der Kläger der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht, sich mit Kalkulationen, für die ein umfangreiches Akteneinsichtsrecht besteht, konkret selbst auseinanderzusetzen, nicht nachgekommen. Infolgedessen brauchte das Gericht eine weitere Sachaufklärung durch Sachverständigenbeweis nicht vorzunehmen.
Die Beklagte überprüft nach eigenen Angaben regelmäßig die Einhaltung der 12% Grenze. Da die Beklagte keine Herstellungsbeiträge erhebt, sondern alle Investitionen über Gebühren abrechnet, erwartet sie für die folgenden Jahre aufgrund umfangreicher Sanierungsmaßnahmen an der Kläranlage, dass der rechnerische Anteil der Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung erheblich sinken wird (Schriftsatz vom 06.11.2020).
Der Klägerseite kommt es im Ergebnis auf die Einführung einer gesplitteten Abwassergebühr aus ökologischen Gründen an, damit der weiteren übermäßigen Versiegelung der Grundstücke entgegengewirkt wird. Streitgegenstand im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist jedoch ausschließlich die Rechtmäßigkeit der beim Kläger erhobenen Abwassergebühr. Solange die Rechtsprechung die Erheblichkeitsgrenze bei einem 12%-igen Anteil der Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung an den Gesamtkosten der Entwässerungseinrichtung akzeptiert (zuletzt BayVGH vom 27.09.2018, Az. 20 N 16.1422, 20 N 18.1975, juris Rn. 30), hat der Kläger keinen Anspruch darauf, dass im Entsorgungsgebiet der Beklagten eine gesplittete Abwassergebühr eingeführt wird.
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.11.2019 (9 CN 1/18, juris), in der eine Fehlertoleranzschwelle von 12% bei Gebührenkalkulationen zulasten der Gebührenschuldner als nicht mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar gehalten wird, betrifft nicht unmittelbar einen vergleichbaren Fall. Vorliegend geht es nicht um eine Kostenüberdeckung bei der Gebührenkalkulation und eine entsprechend überhöhte satzungsmäßig festgesetzte Gebühr. Die Beteiligten haben in ihren Stellungnahmen vom 09.03. und 10.03.2021 die Entscheidung übereinstimmend nicht für einschlägig erachtet. Allenfalls der Gesetzgeber könnte die generelle satzungsrechtliche Einführung gesplitteter Abwassergebühren verlangen.
Gegen die Höhe der im Bescheid vom 11.01.2018 festgesetzten Gebühr von 619,67 EUR wurde nichts eingewandt. Sie entspricht der satzungsmäßigen Höhe (§§ 1a, 2 Abs. 1 GEWS).
Die Klage war daher abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V. m. § 708 Nr. 11 ZPO.


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