Aktenzeichen Au 4 K 16.525
Leitsatz
1. Ob eine Anlage im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert wurde, beurteilt sich grundsätzlich nach dem Recht zum Zeitpunkt der Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde über die Beseitigungsanordnung. (redaktioneller Leitsatz)
2. Ob ein Bauvorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb dient (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) richtet sich danach, ob ein vernünftiger Landwirt auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs das Bauvorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für seinen Betrieb errichten würde. (redaktioneller Leitsatz)
3. Wer ein Gebäude ohne die oder abweichend von der erforderlichen Baugenehmigung bzw. ohne die Voraussetzungen für die Verfahrensfreiheit errichtet hat, muss die damit verbundenen Risiken selbst tragen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Nachdem der Kläger die Klage in der ersten mündlichen Verhandlung vom 7. September 2016 in Bezug auf Ziffer II und V zurückgenommen hat (Az. Au 4 K 16.1285, betreffend den Lagerplatz und eine entsprechende Zwangsgeldandrohung), war nun noch über Ziffer I und IV des streitgegenständlichen Bescheides (Beseitigungsanordnung gegen einen Stadel, Androhung von Zwangsgeld) zu entscheiden.
Die als Anfechtungsklage zulässige Klage ist unbegründet, da der Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für die Beseitigungsanordnung ist Art. 76 Satz 1 BayBO. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die Beseitigungsanordnung setzt dabei grundsätzlich die formelle und materielle Rechtswidrigkeit der jeweiligen Anlage voraus (BVerwG, U.v. 10.12.1982 – 4 C 52/78 -, juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 20.01.2003 – 20 ZB 99.3616 -, juris Rn. 3; Decker in: Simon/Busse, BayBO, Art. 76 Rn. 79 m.w.N.). Das heißt, eine genehmigungsbedürftige Anlage ist dann im Sinne von Art. 76 Satz 1 BayBO im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert, wenn sie ohne die hierfür erforderliche Baugenehmigung errichtet oder geändert wurde und sie gleichzeitig auch so wie sie errichtet oder geändert wurde nicht (nachträglich) genehmigungsfähig ist. Ob eine Anlage im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert wurde, beurteilt sich grundsätzlich nach dem Recht zum Zeitpunkt der Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde über die Beseitigungsanordnung (vgl. nur BayVGH, U.v. 17.10.2006 – 1 B 05.1429 -, juris Rn. 24).
Der Bescheid erging formell rechtmäßig, insbesondere erfolgte eine Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 3. September 2015 (Bl. 112 Verfahrensakte). Der Bescheid erweist sich auch als materiell rechtmäßig. Der Stadel ist formell- und materiell-rechtlich illegal und liegt zweifelsfrei im Außenbereich.
Es handelt sich nicht um ein verfahrensfreies Bauvorhaben i.S. des Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 c) BayBO. Danach ist für ein freistehendes Gebäude ohne Feuerungsanlagen mit den dort genannten Maßen Voraussetzung, dass es einem land- oder fortwirtschaftlichen Betrieb i.S. des § 35 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, § 201 BauGB dient, um verfahrensfrei zu sein. Der Kläger ist unstrittig kein Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs (vgl. Stellungnahme des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 23. Dezember 2015, Bl. 141 Verfahrensakte). Der verfahrensgegenständliche Stadel dient auch nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb i.S. des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB des Pächters Herrn *. Der Begriff des Dienens erfordert nicht, dass das Vorhaben notwendig oder unentbehrlich ist. Es genügt jedoch auch nicht, dass das Bauvorhaben der Bodenbewirtschaftung und Bodennutzung des konkreten Betriebs förderlich ist. Die ständige Rechtsprechung stellt vielmehr darauf ab, ob ein vernünftiger Landwirt auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs das Bauvorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für seinen Betrieb errichten würde (vgl. VG München, U.v. 13.7.2016 – M 9 K 15.3259 – juris Rn. 15).
Nach den jüngsten Stellungnahmen des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten * vom 10. Oktober 2016 und vom 31. Oktober 2016 (Bl. 75-80 Gerichtsakte), welche auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2017 waren, liegen die Voraussetzungen für eine Privilegierung des Stadels nach § 35 Abs. 1 BauGB für den landwirtschaftlichen Betrieb des Herrn * nicht vor. Dieser ist zwar Landwirt. Dabei nutzt Herr * jedoch -formell rechtswidrig, vgl. Bl. 81 Gerichtsakteeine Maschinenhalle als Bewegungshalle für seinen Bestand an Pferden, die entsprechenden Platz verbrauchen. Er verfügt jedoch bereits seit März 2015 über eine Baugenehmigung für den Bau einer Reithalle (Bl. 81 Gerichtsakte). Diese Reithalle würde den Pferden ausreichend Platz verschaffen. Aus den Stellungnahmen des Amtes geht klar hervor, dass Herr * angesichts dieser Baugenehmigung den Platz im Stadel für die Einlagerung von Futter/Heu nicht benötigt (Bl. 79 Gerichtsakte). Vielmehr würde die Maschinenhalle – gegebenenfalls nach Herstellung gewisser baulicher (Ab-)trennungen von den Maschinen – ausreichend Platz für die Einlagerung von Futter bieten, zumal die Halle bereits jetzt nicht für die Unterbringung von Pferden genutzt werden dürfte. Die Errichtung einer „Bergehalle“ erscheint daher nicht notwendig. Ein vernünftiger Landwirt würde daher nach Würdigung der Stellungnahmen des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nicht auf den größtmöglich zu schonenden Außenbereich (vgl. BayVGH, B.v. 15.9.2005 – 1 ZB 05.305 – juris Rn. 13) zugreifen, sondern die Lagerungsvoraussetzungen auf seiner Hofstelle schaffen. Dies wäre dem Pächter des Klägers angesichts der Baugenehmigung für die Reithalle und den übrigen Gebäuden möglich (vgl. Stellungnahme des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten * vom 31, Oktober 2016).
Auf die weiteren Tatbestandsmerkmale in Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 c) BayBO (Fläche des Stadels, Eingeschoßigkeit) kam es daher nicht mehr an.
Eine Befangenheit der mit dem Fall befassten Behörden kann nicht gesehen werden. Hierfür verlangt Art. 21 BayVwVfG zumindest „bösen Schein“ aus Sicht des Betroffenen. Nicht ausreichend ist lediglich eine subjektive Befürchtung eines Beteiligten. Erforderlich ist ein vernünftiger Grund, der auf einer rationalen Tatsachengrundlage beruht (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Auflage 2013, § 21 Rn. 16). Hierzu ist jedoch nichts vorgetragen. Auch nach gründlicher Durchsicht der Akten kann kein „Fehlverhalten“ des Landratsamtes bzw. der mit der Beurteilung der Privilegierung der beauftragten Landwirtschaftsoberrätin * ausgemacht werden.
Der Stadel genießt – entgegen der Behauptung des Klägers – keinen Bestandsschutz. Zum einen wurde er nach Aktenlage nie genehmigt. Zum anderen ändert daran auch nicht die Tatsache etwas, dass ein früherer Pächter, Herr, offenbar privilegiert den Stadel nutzte. Ob eine Anlage im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert wurde, beurteilt sich grundsätzlich nach dem Recht zum Zeitpunkt der Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde über die Beseitigungsanordnung (vgl. nur BayVGH, U.v. 17.10.2006 – 1 B 05.1429 -, juris Rn. 24). Für die Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 c) BayBO reicht eine frühere Privilegierung daher nicht aus, wenn diese später -wie hier – erkennbar weggefallen ist. Würde man dies anders sehen, würde eine kurzzeitig geschaffene Privilegierung unter Umgehung von Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 c) BayBO bzw. ohne nötige Baugenehmigungen weitreichende Baumöglichkeiten im Außenbereich schaffen, die vom Gesetzgeber nicht gewollt sind. Ein Bestandsschutz nach § 35 Abs. 4 BauGB liegt ebenfalls erkennbar nicht vor.
Die Beseitigungsanordnung erging auch ermessensfehlerfrei. Dabei ist nach der ständigen Rechtsprechung unbeachtlich, dass der Kläger vorbringt, ihm würden hohe wirtschaftliche Schäden durch die Beseitigung entstehen. Wer ein Gebäude ohne die oder abweichend von der erforderlichen Baugenehmigung bzw. ohne die Voraussetzungen für die Verfahrensfreiheit errichtet hat, muss die damit verbundenen Risiken selbst tragen (vgl. BVerwG B.v. 30.8.1996 – 4 B 117/96 – juris Rn. 7; BayVGH, U.v. 28.6.2010 – 1 B 09.1911 – juris Rn. 81 m.w.N.)
Aus der in der mündlichen Verhandlung behauptetet „Duldung“ des Stadels über lange Zeit ergeben sich ebenfalls keine Ermessensfehler des Beklagten. Diese (behauptete) „Duldung“ ist zum Einen der früheren Privilegierung des Stadels durch die Nutzung des Pächters * geschuldet und ersetzt keine Baugenehmigung bzw. die Einhaltung der Bauvorschriften, Art. 55 Abs. 2 BayBO. Zum anderen war der Stadel wiederholt Gegenstand von Baukontrollen. Der Kläger ist auch richtiger Maßnahmenadressat, da er laut Baukontrollbericht vom 24. November 2006 den Stadel selbst komplett abgebrochen und neu saniert hat. Er ist damit als Doppelstörer (Handlungs- und Zustandsstörer aus Eigentum an den Flächen) analog Art. 9 LStVG richtiger Maßnahmeadressat.
Der Stadel ist auch nicht nachträglich genehmigungsfähig, da er zurzeit als sonstiges Vorhaben (§ 35 Abs. 2 BauGB) Belange nach § 35 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 5 BauGB beeinträchtigt. Eine Nutzungsuntersagung als milderes Mittel käme ebenfalls nicht in Betracht, da sich die materielle Rechtswidrigkeit der Nutzung nicht von der Bausubstanz trennen lässt (vgl. Jäde, bauaufsichtliche Maßnahmen, 4. Auflage 2012, Rn. 158)
Die Androhung von Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR stützt sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG. Die Höhe erscheint angemessen, da sie sich am unteren Rand des Rahmens (zwischen 15,00 EUR und 50.000,00 EUR) orientiert. Die gesetzte Frist zur Beseitigung innerhalb von 6 Monaten ab Bestandskraft des Bescheides entspricht der Billigkeit, Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG.
Nach allem war daher die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.