Baurecht

Bestimmtheit der Betriebsbeschreibung für bordellartigen Betrieb

Aktenzeichen  M 8 K 15.1355

Datum:
25.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 34
BauNVO BauNVO § 8, § 15 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Eine Betriebsbeschreibung eines Bordells ist zu unbestimmt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Mieterinnen die Räumlichkeiten nicht nur zu gewerblichen Zwecken nutzen können, sondern teilweise auch zum Wohnen nutzen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Trotz Qualifizierung eines Bordellbetriebs als Gewerbebetrieb aller Art im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO kann aufgrund der Rücksichtnahmegebots das Vorhaben im Einzelfall unzulässig sein. (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein großdimensionierter Bordellbetrieb mit angegliederter Spielhalle kann zu einem “tradingdown-Effekt” für das umliegende Gewerbegebiet führen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Verpflichtungsklage bleibt in der Sache ohne Erfolg, da die Beklagte die Erteilung der beantragten Baugenehmigung zur Nutzungsänderung zu Recht abgelehnt hat (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Es kann dahinstehen, ob das streitgegenständliche Vorhaben verfahrensmäßig im vereinfachten Verfahren nach Art. 59 BayBO oder als Sonderbau im Sinne von Art. 2 Abs. 4 Nrn. 8, 20 BayBO im umfassenden Genehmigungsverfahren nach Art. 60 BayBO zu behandeln wäre. Die beantragte Nutzungsänderung des streitgegenständlichen Gebäudes in einen bordellartigen Betrieb ist jedenfalls nach Art. 68 BayBO i. V. m. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO nicht genehmigungsfähig, da sie bauplanungsrechtlich unzulässig ist.
1. Bauplanungsrechtlich beurteilt sich das Vorhaben nach § 34 Abs. 1 BauGB. Danach ist innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung (BauNVO), beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der BauNVO in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre, § 34 Abs. 2 BauGB.
Vorliegend stellt sich die Umgebungsbebauung unstreitig auch nach dem Sachvortrag der Parteien als Gewerbegebiet im Sinne von § 8 BauNVO dar, so dass gemäß § 34 Abs. 2 BauGB das Einfügensmerkmal der Art der baulichen Nutzung allein anhand des Maßstabes des § 8 BauNVO zu beurteilen ist. Zur maßgeblichen näheren Umgebung gehört dabei nicht mehr die gegenüber liegende Seite der …straße, da diese eine deutlich anders geartete Bebauung aufweist. Während das Geviert, in dem das streitgegenständliche Vorhaben gelegen ist, durch mehrgeschossige größere Bürogebäude geprägt ist, befinden sich auf der östlichen Straßenseite der …straße auf vergleichsweise großen Grundstücken kleine ein- und zweigeschossige (Wohn-)Gebäude.
Die beantragte Nutzungsänderung widerspricht im Hinblick auf die Art der baulichen Nutzung unter zwei Aspekten den Vorgaben des § 8 BauNVO.
Zum einen ist die Betriebsbeschreibung vom 1. August 2014 zu unbestimmt, da wegen der Ausstattung der einzelnen Geschosse bzw. der dort befindlichen Bordellbetriebe mit Küchen/Aufenthaltsräumen und Sanitärräumen nicht ausgeschlossen ist, dass die Zimmer von den Mieterinnen nicht nur zu gewerblichen Zwecken genutzt werden, sondern darüber hinaus zumindest teilweise auch um dort zu wohnen. Zum anderen widerspricht das beantragte Vorhaben aufgrund der in der näheren Umgebung bereits zahlreich vorhandenen Bordellbetriebe gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO der Eigenart des Baugebiets und verstößt insoweit auch gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot.
2. Die eingereichte Betriebsbeschreibung vom 1. August 2014 ist zu unbestimmt, insbesondere schließt sie eine Wohnnutzung oder zumindest wohnartige Nutzung in einem reinen Gewerbegebiet nicht hinreichend bestimmt aus.
Gemäß § 8 Abs. 1 BauNVO dienen Gewerbegebiete vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Zulässig sind gemäß § 8 Abs. 2 BauNVO Gewerbebetriebe aller Art, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe, Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude, Tankstellen sowie Anlagen für sportliche Zwecke. Gemäß § 8 Abs. 3 BauNVO können ausnahmsweise Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter zugelassen werden, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche und Baumasse untergeordnet sind. Die einzig ausnahmsweise zulässige Wohnnutzung besteht somit für Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter. Ansonsten sind in Gewerbegebieten keinerlei wohngenutzte Anlagen oder Einrichtungen zulässig. Von daher widerspricht die nach der Betriebsbeschreibung maßgebliche beantragte Nutzung schon im Hinblick auf die danach mögliche und nicht lediglich untergeordnete Nutzung der Räumlichkeiten auch zum Wohnen bzw. als Wohnungsersatz der Mieterinnen den Vorgaben des § 8 BauNVO (vgl. BVerwG, U. v. 29.4.1992 – 4 C 43/89, BVerwGE 90, 140 – juris Rn. 21; BayVGH, B.v. 2.5.2006 – 2 BV 05.1739 – juris Rn. 14).
2.1 Die Betriebsbeschreibung vom 1. August 2014 enthält zum einen keine Angaben, wie viele Zimmer in dem streitgegenständlichen Gebäude für die Bordellnutzung bereit gehalten werden, und auch keine Angaben dazu, wie diese Zimmer ausgestaltet sind. Nach den eingereichten Eingabeplänen sollen in dem Gebäude …straße 19 – Vordergebäude – 15 Zimmer für die Bordellnutzung bereitgestellt werden. In den Betriebsbeschreibungen wird dargelegt, dass im streitgegenständlichen Vordergebäude ca. 12 Damen beschäftigt werden sollen. Damit kann jeder der weiblichen Beschäftigten ein Zimmer überlassen werden. Nach den eingereichten Eingabeplänen stehen zugleich in jedem der drei streitgegenständlichen Geschosse (1. bis 3. Obergeschoss) für jeweils fünf Zimmer eine Küche/Aufenthaltsraum, ein Personalumkleide/Spindraum, zwei Bäder sowie ein WC zur Verfügung. Damit entspricht die Ausstattung durchaus derjenigen eines Wohnheimes und ist zumindest für eine vorübergehende Wohnnutzung ausreichend. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, wozu in einem Bordell in jedem Geschoss mit fünf Zimmern eine über 10 m² große (Wohn-)Küche erforderlich sein soll.
Weiter soll nach der Betriebsbeschreibung um 22.00 Uhr in jeder Nacht ein sog. „Schichtwechsel“ stattfinden, ohne dass erläutert wird, was darunter zu verstehen ist, insbesondere ob die Prostituierten nach der Schicht die Zimmer verlassen müssen. Weiter gibt es keine Angaben dazu, ob die Beschäftigten in … und Umgebung ansässig sind oder ob die Zimmer auch an Interessentinnen von Auswärts überlassen werden sollen. Zumindest im letzteren Fall erscheint es unwahrscheinlich, dass diese sich für den Zeitraum ihrer Tätigkeit in einem der Bordelle noch eine weitere Unterkunft in … beschaffen werden. Unter derartigen Bedingungen wird sich zumindest eine nicht in … ansässige Beschäftigte kaum um eine anderweitige (weitere) Unterkunft nach Ende ihrer Schicht bemühen.
Die Betriebsbeschreibung enthält jedenfalls keine Angaben dazu, dass und auf welche Weise eine Wohnnutzung der Räume verhindert werden soll bzw. wird. Durch den bloßen Umstand, dass es sich um „Zimmer“ handelt, ist eine solche Wohnnutzung nicht aufgeschlossen. Damit können die Zimmer ohne Verstoß gegen die Betriebsbeschreibung auch zu Wohnzwecken genutzt werden.
2.3 Dies alles nötigt zu dem Schluss, dass den Prostituierten nicht nur die Ausübung ihres Gewerbes ermöglicht wird, sondern ein für nicht nur kurzfristige Übernachtungen geeigneter Wohnersatz geboten werden soll. Auch die den Prostituierten zur Verfügung gestellte Sauna sowie das Solarium im Dachgeschoss des streitgegenständlichen Vordergebäudes …str. 19 (vgl. Protokoll des Augenscheins) deutet darauf hin, dass diese in den Räumlichkeiten nicht nur arbeiten, sondern auch wohnen.
Die Gesamtumstände der Ausstattung der vorgesehenen Räumlichkeiten einerseits sowie die Betriebszeiten lassen eine entsprechende Wohnnutzung, wie sie die Beklagte auch als Ablehnungsgrund anführt, durchaus naheliegend erscheinen (vgl. BayVGH, B.v. 2.5.2006 – 2 BV 05.1739 – juris Rn. 14).
In einer derartigen Konstellation müsste die Betriebsbeschreibung, um diese naheliegende Nutzungsart zu verhindern, ausdrücklich eine entsprechende Wohnnutzung ausschließen, was vorliegend aber nicht der Fall ist.
2.4 Aber auch wenn man die Nutzung zum Aufenthalt durch die Mieterinnen nicht als Wohnnutzung qualifizieren wollte, so läge in jedem Fall eine wohnungsähnliche Nutzung vor.
Im Gewerbegebiet sind auch Beherbergungsbetriebe, in denen gewohnt wird oder die wohnähnlich genutzt werden, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unzulässig (BVerwG, U.v. 29.4.1992 – 4 C 43/89, BVerwGE 90, 140 – juris Rn. 20 f.; vgl. auch BayVGH, B.v. 2.5.2006 – 2 BV 05.1739 – juris Rn. 14). Die Betriebsbeschreibung ist jedenfalls, was die Frage der Wohnnutzung betrifft, nicht eindeutig, ein Wohnen oder doch zumindest eine Nutzung der Räume im Sinne eines Beherbergungsbetriebes werden nicht ausdrücklich ausgeschlossen.
Mit dieser mit der gewerblichen Nutzung einhergehenden Wohnnutzung bzw. wohnähnlichen Nutzung ist das Vorhaben nicht mit § 8 BauNVO vereinbar und damit nach der Art der baulichen Nutzung unzulässig.
3. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Bordelle oder bordellähnliche Betriebe nach der Art der Nutzung grundsätzlich „Gewerbebetriebe aller Art“ im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO (BVerwG, B. v. 2.11.2015 – 4 B 32/15 – juris Rn. 4; B. v. 5.6.2014 – 4 BN 8/14 – juris Rn. 10; U. v. 25.11.1983 – 4 C 21.83, BVerwGE 68, 213 – juris Rn. 9).
3.1 Trotz der grundsätzlichen Einordnung eines Bordellbetriebs als „Gewerbebetrieb aller Art“ im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO kann ein Bordellbetrieb im Einzelfall im Gewerbegebiet gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO unzulässig sein, wenn er „nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widerspricht“ oder wenn von ihm „Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind“. „Nach Anzahl“ kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Bordell der Eigenart eines Gewerbegebiets widersprechen, wenn in dem Gebiet bereits ein solcher Betrieb oder gar eine Mehrzahl vorhanden ist (BVerwG, U. v. 25.11.1983 – 4 C 21/83, BVerwGE 68, 213 – juris Rn. 14). Diese auf den Einzelfall bezogene Beschränkung aufgrund des Rücksichtnahmegebots gilt auch für unbeplante Gebiete, deren Eigenart gemäß § 34 Abs. 2 BauGB einem Plangebiet der Baunutzungsverordnung entspricht (BVerwG, B.v. 12.2.1990 – 4 B 240/89 – juris Rn. 7).
3.2 Nach den dem Gericht vorliegenden Behördenakten sowie dem Ergebnis des Augenscheins befinden sich in der näheren Umgebung des streitgegenständlichen Vorhabens folgende Bordelle bzw. bordellartige Nutzungen:
…str. 19 a Gartenhaus: ein Betrieb mit vier Zimmern (genehmigt);
…str. 19 b Rückgebäude: ein Betrieb mit fünf Zimmern (genehmigt);
…str. 19 b: acht Betriebe mit 34 Zimmern (nicht genehmigt).
Die Genehmigungen für den Betrieb für erotische Massagen im Gartenhaus …str. 19 a datiert vom 20. Oktober 2001, die Genehmigung für den Betrieb im Kellergeschoss der …str. 19 b vom 9. August 2004. Sämtliche Betriebe befinden sich auf dem streitgegenständlichen Grundstück. Hinzu kommt der Betrieb …str. 22 mit 5 genehmigten Zimmern auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Dabei kann dahinstehen, ob dieser Betrieb hierbei Berücksichtigung findet, da jedenfalls auch ohne dessen Berücksichtigung zwei Betriebe mit insgesamt 9 Zimmern genehmigt und 11 weitere Betriebe mit zusammen 48 Zimmern ohne die erforderliche Genehmigung betrieben werden, von denen vorliegend 15 Zimmer streitgegenständlich sind.
3.3 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Bordell der Eigenart eines Gewerbegebiets widersprechen, wenn bereits ein Bordellbetrieb oder gar eine Mehrzahl von ihnen vorhanden ist. Ausreichend ist insoweit, dass das Gebiet durch die Zulassung des beantragten Bordells eine Prägung erlangen könnte, die es nach seiner Eigenart und Zweckbestimmung gleichsam als ein Sondergebiet für Bordellbetriebe erscheinen ließe (BVerwG, U. v. 25.11.1983 – 4 C 21/83; BVerwGE 68, 213 – juris Rn. 14).
Die Zulassung des beantragten Vorhabens mit 15 zusätzlichen Zimmern würde dazu führen, dem streitgegenständlichen Grundstück und seiner Umgebung das Gepräge eines Sondergebiets „Bordellbetriebe“ zu verleihen, was innerhalb der vorgegebenen örtlichen Verhältnisse städtebaulich nicht mehr verträglich wäre. Anstelle von 9 genehmigten Zimmern, die sich auf zwei Gebäude verteilen, würde sich das Angebot auf 24 Zimmer belaufen. Dies entspricht beinahe einer Verdreifachung der Bordellzimmer. Dazu kommt, dass sich das streitgegenständliche Vorhaben unmittelbar an der Straße befindet und damit sozusagen unübersehbar ist. Eine derartige Konzentration von Bordellnutzungen kann weder nach dem objektiven Umfang her noch nach der nach Außen hin in Erscheinung tretenden Wirkung als mit dem vorliegenden Gewerbegebiet vereinbar angesehen werden.
Ferner werden im Hintergebäude …str. 19 b derzeit 34 weitere Bordellzimmer ohne Genehmigung betrieben, so dass sich allein auf dem streitgegenständlichen Grundstück insgesamt 58 Bordellzimmer befinden. Die nach Außen wahrnehmbare Wirkung dieser Vielzahl von Bordellzimmern auf einem einzigen Grundstück wird dadurch verstärkt, dass alle Gebäude auf dem klägerischen Grundstück entweder ausschließlich oder zumindest überwiegend als Bordelle genutzt werden. Allein im vorliegend streitgegenständlichen Vordergebäude wird neben der Bordellnutzung in den Obergeschossen eine ca. 144 m² große Spielhalle im Erdgeschoss und im Untergeschoss betrieben.
Ein solch großer Spielsalon erhöht nicht nur die Attraktivität der in den oberen Geschossen befindlichen Bordellbetriebe, sondern zieht auch Personenkreise an, die in Kombination mit den Kunden des Bordellbetriebs negative städtebauliche Auswirkungen erwarten lassen.
Ein mehrstöckiges Großgebäude, das insgesamt als Bordell genutzt wird, wirkt darüber hinaus erkennbar in größerem Umfang auf seine Umgebung ein als mehrere kleine und schon deshalb weniger „präsente“ Bordellbetriebe, die sich auf unterschiedliche Gebäude auf unterschiedlichen Grundstücken erstrecken.
3.4 In seinem Urteil vom 25. November 1983 (4 C 31/83 – juris Rn. 12) hat das Bundesverwaltungsgericht einige negative Auswirkungen von Bordellbetrieben auf ihre Umgebung benannt, wonach ein derartiger Betrieb zwar keine so erheblichen Nachteile oder Belästigungen für die Umgebung bringe, dass er schlechthin im Gewerbegebiet unzulässig wäre. Von einem Bordellbetrieb gehen aber gleichwohl Nachteile, Belästigungen und Unzuträglichkeiten wie „Lärm des Zu- und Abgangsverkehrs“, „milieubedingte Unruhe“, „mögliches anstößiges Verhalten von Besuchern des Betriebs“ sowie eine „mögliche dem Ansehen anderer Unternehmen in dem Gebiet abträgliche Wirkung“ aus. In seinem Beschluss vom 2. November 2015 (4 B 32/15 – juris Rn. 4) hat das Bundesverwaltungsgericht die tatrichterlichen Feststellungen der Vorinstanz (OVG Hamburg, U.v. 6.5.2015 – 2 Bf 2/12 – juris Rn. 55) unbeanstandet gelassen, dass bei gewerblicher Prostitution bei der gebotenen typisierenden Betrachtung mit milieutypischen Begleiterscheinungen wie Belästigungen durch alkoholisierte oder unzufriedene Kunden, organisierte Kriminalität, Menschen- und Drogenhandel, ausbeutender Zuhälterei, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Verstößen gegen das Waffenrecht und Gewaltkriminalität bis hin zu Tötungsdelikten zu rechnen sei. Dies belegt, dass ein Bordellbetrieb wegen seiner Zweckbestimmung und der „sich aus dem Milieu ergebenden Begleiterscheinungen“ kein Gewerbebetrieb üblichen Zuschnitts ist. Seine baurechtliche Zulassung bedarf daher einer zwar aufgeschlossenen, aber die von ihm ausgehenden Unzuträglichkeiten nicht ausblendenden Betrachtung und Bewertung (vgl. VG München, U.v. 16.11.2015 – M 8 K 14.2393). Die genannten Unzuträglichkeiten mögen noch keine unzumutbaren Belästigungen und Störungen für ihre Umgebung erwarten lassen, wenn es sich um einen kleineren Bordellbetrieb mit einer beschränkten Anzahl von Prostituierten handelt. Die Summierung derartiger negativer Auswirkungen durch mehrere Bordellbetriebe mit einer erheblichen Zahl darin arbeitender Prostituierter und einem entsprechenden Kundenandrang widerspricht aber der Eigenart des vorhandenen faktischen Gewerbegebiets. Auch wäre die Zulassung eines weiteren Bordells für die dort ansässigen normalen Gewerbebetriebe abträglich, denn sie müssen um ihren Ruf fürchten, wenn sie unter der Anschrift eines stadtbekannten Rotlichtbereichs firmieren. Auch der Gesichtspunkt der Verhinderung der Verdrängung anderer gewerblicher Nutzungen mag in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen, wenn – wie hier – bereits zwei Bordellbetriebe auf dem streitgegenständlichen Grundstück genehmigt sind und darüber hinaus ein Spielsalon mit 144 m2 Spielfläche im Vorhabengebäude betrieben wird.
3.5 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin zugleich mit dem vorliegend streitgegenständlichen Vorhaben auf ihrem Grundstück ein zweites Bordellvorhaben zur Genehmigung beantragt hat. Es handelt sich um das Hinterhaus … Str. 19 b, in dem bereits 8 Bordellbetriebe mit 34 Zimmern ungenehmigt betrieben werden (Verfahren M 8 K 15.1354). Aufgrund dieses Umstandes ist davon auszugehen, dass die Klägerin ihr gesamtes Grundstück ausschließlich für eine umfassende Sondernutzung mit insgesamt 58 Bordellzimmer und einer 144 m2 großen Spielhalle verwenden möchte, die mit dem Charakter des Gewerbegebiets nicht mehr zu vereinen ist und infolge der Größe und der Intensität der Nutzung erhebliche Auswirkungen auf die umliegenden nähere Umgebung haben würde.
Es kann nicht außer Acht gelassen werden, dass die Attraktivität und damit auch die städtebaulichen Auswirkungen des Vorhabens über die eines einfachen Bordellbetriebes bzw. mehrerer Bordelle auf benachbarten Grundstücken hinausgeht. Vorliegend sollen auf ein und demselben Grundstück mehrere selbstständig betriebene Bordelle und bordellähnliche Nutzungen in einem Gebäude über mehrere Geschosse sowie ein weiterer bordellähnlicher Betrieb im Mittelgebäude und dazu eine 144 m² große Spielhalle verwirklicht werden. Die dadurch gegebene städtebaulichen Auswirkungen sind ungleich größer als bei zahlenmäßig gleichen Bordellbetrieben, die sich auf mehrere Gebäude und damit auch auf mehrere Grundstücke in einer gewissen Entfernung voneinander verteilen, abgesehen davon, dass eine solche Anzahl wie im vorliegenden Fall per se nicht mehr zulassungsfähig wäre.
3.6 Angesichts dieser Umstände ist auch ein sogenannter „tradingdown-Effekt“ in Bezug auf die umliegende gewerbliche Nutzung naheliegend. Ein „tradingdown-Effekt“ liegt vor, wenn es aufgrund der Verdrängung der bisherigen Nutzung zu einem Qualitätsverlust des Gebietes kommt. Insbesondere die unmittelbare Umgebung und die dort ansässigen Gewerbebetriebe würden nach Ansicht des Gerichts durch die Entwicklung eines „Sondergebiets Bordelle und Vergnügungsstätten“ in Mitleidenschaft gezogen werden. Das Argument der Klagepartei, bislang sei eine solche Abwanderung nicht festzustellen, kann nicht überzeugen. Es verkennt einmal, dass unternehmerische Entscheidungen über einen Standortwechsel nicht leichtfertig getroffen werden, sondern aus rechtlichen wie organisatorischen Gründen einen nicht unbeträchtlichen zeitlichen Vorlauf benötigen. Zum anderen liegt bereits eine Beschwerde vom 17. März 2014 vor und das Gebäude …str. 23 steht nach dem Ergebnis des Augenscheins abgesehen von der dort befindliche Kindertagesstätte bereits teilweise leer.
3.7 Zudem verstößt das streitgegenständliche Vorhaben nicht nur gegenüber den in der näheren Umgebung vorhandenen Gewerbebetrieben sondern auch gegenüber den Wohnnutzungen auf der gegenüberliegenden Straßenseite und insbesondere gegenüber der Kindertageseinrichtung auf dem unmittelbar angrenzenden Nachbargrundstück, …str. 23, 25 aufgrund der grundsätzlichen Unvereinbarkeit des Bordellbetriebes mit diesen Nutzungen gegen das Gebot der Rücksichtnahme.
Das Vorhaben ist daher planungsrechtlich nicht zulassungsfähig, weil es unter Berücksichtigung der vorhandenen Bordellbetriebe nach Anzahl und Umfang der nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung des gegenständlichen Gewerbegebiets widerspricht und rücksichtslos ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 75.000 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i. V. m. dem wirtschaftlichen Interesse des Bauherrn an der Baugenehmigung, das sich an den jährlichen Mieteinnahmen von 5.000 € je Zimmer orientiert).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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