Baurecht

Betriebsprüfung – Beitragsnachforderung – Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem auf dem Bau tätigen angelernten Eisenflechter

Aktenzeichen  L 3 R 418/19

Datum:
23.9.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Thüringer Landessozialgericht 3. Senat
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:LSGTH:2021:0923.L3R418.19.00
Normen:
§ 28p Abs 1 SGB 4
§ 7 Abs 1 SGB 4
Spruchkörper:
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Verfahrensgang

vorgehend SG Gotha, 6. März 2019, S 48 R 1821/16, Gerichtsbescheid

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 6. März 2019 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 31.692,71 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über eine Gesamtbeitragsnachforderung i.H.v. 31.692,71 €, Säumniszuschläge inkludiert.
Der Kläger betreibt als Einzelunternehmer die D Bau Eisenflechterei.
Im Mai 2010 wurde durch das Hauptzollamt B das Bauvorhaben „N BND-Z“ bezüglich möglicher Schwarzarbeit geprüft. Im Herbst 2010 gingen bei dem Hauptzollamt E Hinweise ein, dass bei dem Bauvorhaben „J A“ bulgarische Einmannunternehmer tätig seien. In diesem Zusammenhang wurden die Behörden auf den Kläger und seine Zusammenarbeit mit bulgarischen Eisenflechtern aufmerksam.
Nach einem Bericht über eine Lohnsteuer-Außenprüfung des Finanzamtes I vom 30. März 2011 erklärten die nunmehr beigeladenen und auf der Baustelle in A angetroffenen Eisenflechter, dass sie in der Regel zwischen 7:30 Uhr und 17:00 Uhr gearbeitet hätten. Ihnen seien 130,00 € für jede Tonne verlegten Stahls oder 18,00 € bis 19,00 € pro Stunde gezahlt worden. Arbeitsmittel und Arbeitskleidung habe die Firma D Bau gestellt. Die Arbeitskleidung habe deren Logo getragen. Treffpunkt sei bei dem Kläger gewesen, die Weiterfahrt mit dem Firmenbus sei zu den entsprechenden Baustellen von dort aus erfolgt. Ein eigenes Büro habe es nicht gegeben. Die Rechnungen seien von dem Kläger geschrieben worden. Die Arbeit könne nicht allein verrichtet werden. Der Auftrag hätte nicht weitergegeben werden dürfen. Chef auf der Baustelle sei der Kläger oder aber ein S gewesen.
Unter 1.3. Preise und Vergütung eines vorliegenden Blanko-Werkvertrages wurde zu den Einheitspreisen/Pauschalpreisen ausgeführt: Stahlverlegen 130,00 € je Tonne, Matte verlegen 120,00 € je Tonne, Stundenlohn 19,00 € je Stunde. Zudem war geregelt, dass der Auftragnehmer, wenn er den Fertigstellungstermin oder etwaige Zwischentermine überschreite und dies zu vertreten habe, für jeden Arbeitstag der Überschreitung eine Vertragsstrafe in Höhe von 8 v.H. der Vertragssumme zu zahlen habe.
Im Rahmen der Ermittlungen vernahm das Hauptzollamt E Zeugen (eine Mitarbeiterin des Klägers sowie die Beigeladenen zu 1, 2 und 4; der Beigeladene zu 3 wurde vom Hauptzollamt R befragt). Im Übrigen wurden von den Beigeladenen ausgestellte Rechnungen herangezogen.
Unter dem 9. November 2013 wurde ein Beitragsschaden durch die Beklagte i.H.v. 92.237,53 € festgestellt. Der Kläger wurde dazu angehört.
Mit Bescheid vom 10. August 2019 forderte die Beklagte von dem Kläger für die Zeit von Mai bis November 2010 Sozialversicherungsbeiträge i.H.v. 31.692,71 € einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 9.680,00 €. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass im Rahmen von Baustellenprüfungen mehrere bulgarische Arbeitskräfte angetroffen worden seien, die im Rahmen von Gewerbeanmeldungen für den Kläger als Einzeleisenflechter tätig geworden seien. Die Auswertung der beweisrelevanten Unterlagen in Form der Eingangsrechnungen der Einzelunternehmen, der Gewerbeanmeldung und Werkverträge sowie der Befragung und Vernehmung der Einzelunternehmen habe ergeben, dass eigenständige werksvertragliche Leistungen der vermeintlichen Auftragnehmer mangels Fachkenntnissen, aber auch mangels Vorlage von Bauplänen bzw. konkreten Leistungsverzeichnissen nicht erkennbar seien. Deutschkenntnisse seien nicht vorhanden gewesen. Die eingesetzten Arbeitskräfte seien lediglich als einfache Arbeiter auf dem Bauvorhaben tätig gewesen.
Den Widerspruch des Klägers, dass die Subunternehmer jeweils selbständig gearbeitet und ein eigenes Unternehmerrisiko getragen hätten, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2016 zurück.
Noch während des Widerspruchsverfahrens verurteilte das Amtsgericht E den Kläger mit Urteil vom 3. September 2015 wegen Vorenthaltung von Arbeitsentgelten zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10,00 €. Dabei ging das Amtsgericht in seiner Entscheidung davon aus, dass der Kläger auf den Baustellen bulgarische Arbeitskräfte beschäftigt habe, die nur zum Schein selbständig gewesen seien. Bei der Strafzumessung werde berücksichtigt, dass die Tatvorwürfe vom Kläger nicht bestritten worden seien.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht hat sich der Kläger dahingehend geäußert, dass die Beigeladenen als Subunternehmer selbständig tätig gewesen seien. Es seien einzelvertragliche Werkverträge zwischen ihm und den Beigeladenen geschlossen worden. Jeder Subunternehmer habe die Arbeiten selbständig durchgeführt. Die Beigeladenen hätten in Deutschland ein Gewerbe angemeldet. Die Rechnungen seien auf Tonnage abgestellt gewesen. Eine Abgrenzung der Tonnagen sei möglich gewesen. Jede Rechnung sei einzeln nach der Auftragsbearbeitung von dem Subunternehmer gestellt worden. Weisungen hätten er oder sein Vorarbeiter den Subunternehmern nicht gegeben, sie seien nicht in die Unternehmensstruktur des Auftraggebers eingegliedert gewesen. Die Beigeladenen hätten eigene Entscheidungen zu treffen gehabt, hätten eigene Krankenversicherungen und auch eine Steuernummer erhalten. Die Säumniszuschläge seien unzulässig geltend gemacht worden. Er habe keine Kenntnis von der Zahlungsverpflichtung gehabt. Trotz intensiver Nachfrage bei entsprechenden Stellen wie Finanzamt, IHK E, Gewerbeamt und Steuerberaterin, sei ihm die Auskunft gegeben worden, dass die Beigeladenen als Subunternehmer und somit als Selbständige tätig sein dürften.
Das Sozialgericht hat Beiladungen ausgesprochen und im Termin vom 26. November 2018 die Zeuginnen R (Steuerberaterin) und F (Mitarbeiterin des Klägers) vernommen.
Mit Gerichtsbescheid vom 6. März 2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung der Entscheidung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtmäßig seien. Grund und Höhe der Beitragsforderung seien nicht zu beanstanden. Die Beigeladenen seien als Arbeitnehmer für den Kläger tätig geworden.
Mit der dagegen eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts seien die Subunternehmer nicht pro forma Unternehmer, sondern tatsächlich Unternehmer mit eigenem Risiko, eigener Rechnungsstellung und eigener Steuernummer gewesen, die auch tatsächlich frei hätten entscheiden können, ob sie Verträge annehmen oder auch nicht. Im Vorfeld und in dem hier betroffenen Zeitraum seien von den Behörden keine Einwendungen erfolgt; diese seien erst später getroffen worden, als die Problematik offen zutage getreten sei. Wenn aber selbst das Finanzamt oder die Beklagte die gesetzliche Regelungen nicht korrekt auslegen könnten, sei ihm ein entsprechender Vorwurf nicht zu machen. Jeder einzelne Beigeladene habe frei entscheiden können, ob er Aufträge annehme oder nicht. Es sei dabei nicht um einzelne Aufgaben gegangen, wie das Sozialgericht meine, sondern um konkrete Werkverträge, die mit jedem einzelnen Beigeladenen für einzelne Bauvorhaben geschlossen worden seien. Woraus das Gericht seine Erkenntnis ziehe, es wären Aufgaben verteilt und diese wären von ihm (dem Kläger) festgelegt worden, entziehe sich seiner Kenntnis. Aus dem Vortrag und den Zeugenaussagen bzw. der Aussage des Beigeladenen zu 1 ergebe sich dies nicht. Der Beigeladene zu 1 habe in der Verhandlung eindeutig erklärt, dass ihm keine Vorgaben gemacht worden seien, von wann bis wann er habe arbeiten sollen. Er habe weiter ausgeführt, dass ihm Pläne für Baustellen vorgelegt worden seien. Nach Prüfung habe er selbst entscheiden können, ob er den Auftrag annehme oder nicht. Der Beigeladene zu 1 habe sich die Arbeit so einteilen können, wie er gewollt habe. Es sei auch unzutreffend, dass die Werkverträge für alle Beigeladenen gleichlautend gewesen seien. Entgegen der Darlegung des Gerichts seien die Verträge einzeln zwischen den Parteien ausgehandelt worden. Es sei ebenfalls unrichtig, dass die Verträge nur Angaben von Bauvorhaben und keine konkreten Aufträge beinhaltet hätten, sodass kein konkretes Werk, sondern nur die Arbeitskraft geschuldet gewesen sei. Mit Schriftsatz vom 13. Juli 2016 seien Aufmaße und Skizzen vorgelegt worden. Zu den dargelegten Bauplänen für jedes Bauvorhaben hätten die Subunternehmer zusätzlich Vordrucke der Biegeform erhalten. Die Biegeform sei daraus erkennbar. Dies diene zur Konkretisierung des Auftrages, ebenso die ganz konkrete Vorgabe, welcher abgegrenzte Bereich für jeden Beigeladenen zu bearbeiten gewesen sei. Wenn ein größerer Auftrag angestanden habe, so hätte der Auftrag zwischen einigen Subunternehmern geteilt werden können. So etwa sei eine Decke, in der zehn Tonnen lägen, auf vier Personen aufgeteilt worden. Jeder habe 2,5, Tonnen abrechnen können. Es sei eine Selbstverständlichkeit, dass der Vorarbeiter gewusst habe, wie lange der Beigeladene zu 1 auf der Baustelle gearbeitet habe. Wenn sich die Subunternehmer wegen einer Baumaßnahme in einer GbR kurzfristig zusammengeschlossen hätten oder interne Vereinbarungen dahingehend hatten, dass eine anteilige Abrechnung nach erbrachter Tonnageleistung und Subunternehmer erfolgen solle, so sei dies kein Beweis für eine Arbeitskolonne. Am Ende stehe ein Werk, das eine GbR erstellt habe. Es sei auch nicht überzeugend, wenn das Gericht behaupte, eigene wesentliche Entscheidungsräume der Beigeladenen hätten nicht bestanden. Unrichtig sei die Darstellung des Gerichts, für die Abrechnung seien die geleisteten Stunden in Tonnen umgerechnet worden. Das Gericht übernehme ungeprüft Ermittlungsversuche des Hauptzollamtes, ohne auf die begründeten Einwände der Klägerseite einzugehen und auch ohne konkrete Nachfrage bei den Beigeladenen zu halten. Selbst der Beigeladene zu 1 habe eindeutig erklärt, dass er – entgegen der Darstellung des Gerichts – ein Risiko zu tragen gehabt habe. Dies habe er so erklärt, dass gerade die Frage der Schlechtleistung des Öfteren diskutiert worden sei. Auch habe er erklärt, dass er, falls eine Arbeit schlecht geleistet worden wäre, dies auf eigene Kosten hätte nachbessern müssen. Der Beigeladene zu 1 habe zusätzlich darauf hingewiesen, dass er selbst schon in seiner beruflichen Laufbahn als Selbständiger tätig gewesen sei und ihm also bewusst sei, was Selbständigkeit bedeute. Er habe weiter darauf hingewiesen, dass er sowohl im Auftrag der Firma des Klägers als auch für eine weitere Firma M Bau gearbeitet habe und zwar im selben Zeitraum. Bei der Firma M Bau handele es sich richtigerweise um die Firma M Bau in A. Auch hinsichtlich der Rechnungslegung habe sich der Beigeladene zu 1 positioniert und erklärt, dass die Steuerberaterin R die Rechnung bearbeitet habe. Die Zeugin R könne ebenfalls erklären, dass sie nach ihrer Überprüfung die Beigeladenen als selbständig und als Unternehmer qualifiziert behandelt habe. Auch wegen des eigenen Risikos, das diese hätten tragen müssen. Der Beigeladene habe auch eine Krankenversicherung gehabt. Darüber hinaus habe eine Gewerbegenehmigung vorgelegen. Dies gelte unstreitig für alle Beigeladenen. Die Steuerberaterin habe sogar darstellen können, dass die Beigeladenen teilweise mit einer Steuernummer beim Finanzamt registriert gewesen seien. Das Gericht verkenne auch den Sachvortrag, dass die Beigeladenen erst am Beginn ihrer unternehmerischen Tätigkeit als Selbständige gewesen seien und hier gewisse Merkmale gerade nicht so vorgelegen hätten. So sei die Frage des Firmenfahrzeugs zu beurteilen, zu der der Beigeladene zu 1 erklärt habe, dass er sich erst später ein Fahrzeug habe leisten können und auch der Umstand, dass kein großer Kapitaleinsatz möglich gewesen sei. Entgegen der Auffassung des Gerichtes habe es durchaus Unterschiede zwischen den angestellten Mittarbeitern und den Subunternehmern gegeben, denn diese hätte, so die eindeutigen Aussagen der Zeugin F, ja eigene Bereiche bekommen, wo gearbeitet worden sei. Dies jedoch nur deshalb, damit eine saubere Trennung zwischen Arbeitnehmern und Subunternehmern gegeben gewesen sei. Die Zeugin F habe auch ausgesagt, dass die Beigeladenen Möglichkeiten gehabt hätten, ihrerseits Mitarbeiter einzustellen, um Aufträge abzuarbeiten. Außerdem habe die Zeugin F auch eindeutig erklärt, dass bei der Auftragsverteilung üblich gewesen sei, dass sich bei manchen Aufträgen auch mehrere der Beigeladenen um denselben Auftrag bemüht hätten und nur einer den Auftrag bekommen habe. Soweit das Gericht meine, dass der Beigeladene zu 1 mit dem Firmenfahrzeug von und zur Baustelle gefahren worden sei, sei das unzutreffend. Der Beigeladene zu 1 habe erklärt, dass er selbst mit einem Fahrzeug des Klägers gefahren sei, also aufgrund des Umstandes, dass er noch kein eigenes Fahrzeug gehabt habe, eben dieses habe nutzen dürfen. Mit anderen sei er nicht gefahren. Hinsichtlich des Strafurteils und der Umstände, wie dies tatsächlich zustande gekommen sei, werde dahingehend vorgetragen, dass das Urteil eine Indizwirkung nicht entfalten könne, zumal auch der Beigeladene zu 4 nicht von diesem Urteil umfasst sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 6, März 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. August 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die erstinstanzliche Entscheidung nicht zu beanstanden sei. Maßgebliches Tatbestandsmerkmal sei nach § 7 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV), die Ausübung einer nichtselbständigen Arbeit. Demgegenüber sei eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Maßgeblich sei stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Vorliegend hätten die Beigeladenen zu 1 bis 4 nach den übereinstimmenden Aussagen in den Vernehmungen durch das Hauptzollamt E eine Arbeitsleistung als angelernte Eisenflechter nach Weisungen des Klägers bzw. seiner Vorarbeiter erbracht. Sie hätten keine spezifischen Erfahrungen im Baubereich bzw. als Eisenflechter und seien auch angesichts fehlender Sprachkenntnisse nicht in der Lage gewesen, Baupläne und die formell abgeschlossenen Werkverträge zu verstehen und eigenständig umzusetzen. Sie hätten sich als Arbeiter und nicht als Unternehmer angesehen. Verträge und Rechnungen hätten sie unterschrieben, weil ihnen vermittelt worden sei, dies sei Voraussetzung, um in Deutschland arbeiten zu können. Gleiches gelte für die jeweilige Gewerbeanmeldung, der jedoch ohnehin keine maßgebliche Bedeutung beizumessen sei. Zu beachten sei ferner, dass die Beigeladenen zu 1 bis 4 kein unternehmerisches Risiko getragen hätten. Maßgebendes Kriterium sei der Einsatz eigenen Kapitals. Im strafrechtlichen Verfahren habe der Kläger die Tatvorwürfe (Scheinselbständigkeit der bulgarischen Arbeitskräfte) nicht bestritten und nunmehr im sozialversicherungsrechtlichen Verfahren werde geltend gemacht, die Beschäftigten seien tatsächlich selbständig gewesen. Dies könne nicht unberücksichtigt bleiben
Am 18. September 2019 hat der Beigeladene zu 1 im Rahmen eines Erörterungstermins vor der Berichterstatterin ausgeführt: „Ich habe keine Ausbildung zum Eisenflechter absolviert. Ich habe die Tätigkeit hier in Deutschland gelernt. Ich habe das hier 2010 im Rahmen meiner Selbständigkeit gelernt. Ich habe im Mai 2010 mein Gewerbe angemeldet. Ich hatte damals einen Bekannten in A. Den habe ich gefragt, ob es hier Arbeit gibt. Das hat er bejaht. Ich bin dann nach A gekommen, habe mit D gesprochen und danach mein Gewerbe angemeldet. Ich bin zu D gegangen und habe gesagt, ich brauche einen Steuerberater. Er hat mir unter anderem R genannt. Er hat mir auch gesagt, dass das seine Steuerberaterin ist“.
Im Nachgang zum Erörterungstermin sind seitens des Klägers Unterlagen vorgelegt worden (Kopie des Lohnjournals bis 12/2010, Kopie der Liste der als Subunternehmer tätigen Firmen, Kopie Liste Bauleitungen nach § 13 b VSt März bis Oktober 2010, Kopie des Schreibens vom 15. September 2010 bezogen auf einen Subunternehmer S, Kündigung des S vom 8. Oktober 2010, Kopie des Schreibens der Firma R Bau, mit dem eine Vertragsstrafe von dem Kläger i.H.v 108.365,06 € gefordert wurde).
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist statthaft, sie ist jedoch unbegründet. Die erstinstanzliche Entscheidung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Sie verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist verpflichtet, die Beiträge nebst Nebenforderungen zu begleichen.
Die im Rahmen der Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV von der Beklagten sozialversicherungsrechtlich vorgenommene Einstufung der Beigeladenen zu 1 bis 4 als Beschäftigte ist korrekt.
Nach § 7 Abs. 1 SGB IV wird Beschäftigung als die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis definiert. Beschäftigung im Sinne der Bestimmungen meint in erster Linie die Abgrenzung zu einer selbständigen Tätigkeit. Dabei geht das Gesetz jeweils von einer versicherungspflichtigen Beschäftigung aus (vgl. Seewald in Kassler, Kommentar, Band I, Stand September 2013, § 4 SGB IV, Rn. 2, 5 ff.; § 7a Rn. 11; Segebrecht, Juris PK-SGB IV, 2. Auflage 2011, § 7 Rn. 23 ff.; Pietrek, Juris PK-SGB IV, 2. Auflage 2011, § 7a Rn. 28 ff.).
Das Gesetz bedient sich bei den Tatbeständen der Versicherungs- und Beitragspflicht nicht des tatbestandlich scharf kontrollierten Begriffs, der auf eine einfache Subsumtion hoffen ließe, sondern der Rechtsfigur des Typus; die versicherten Personen werden nicht im Detail definiert, sondern ausgehend vom Normalfall in der Form eines Typus beschrieben. Den jeweiligen Typus und dessen Kenntnis setzt das Gesetz stillschweigend voraus; es übernimmt ihn so, wie ihn der Gesetzgeber in der sozialen Wirklichkeit realtypisch, d. h. im Normal- oder Durchschnittsfall vorfindet. Es ist nicht erforderlich, dass stets sämtliche als idealtypisch erkannten, d. h. den Typus kennzeichnende Merkmale (Indizien) vorliegen. Diese können vielmehr in unterschiedlichem Maße und verschiedener Intensität gegeben sein; je für sich genommen haben sie nur die Bedeutung von Anzeichen oder Indizien. Entscheidend sind jeweils ihre Verbindung, die Intensität und die Häufigkeit ihres Auftretens im konkreten Einzelfall. Maßgeblich ist das Gesamtbild (vgl. BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Dementsprechend hat das Bundessozialgericht den Typus des versicherungspflichtigen Arbeitnehmers als den definiert, der von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist, das bedeutet die Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers, insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung (vgl. u. a. BSG SozR 3-4100 § 141 b Nr. 17). Demgegenüber wird die selbständige Tätigkeit durch das Unternehmerrisiko und durch das Recht und die Möglichkeit gekennzeichnet, über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei zu verfügen. In Zweifelsfällen kommt es darauf an, welche Merkmale überwiegen. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Vordergrund steht, die allerdings zurücktritt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend davon abweichen (vgl. BSG a. a. O.).
Das Vertragsverhältnis und die danach praktizierte tatsächliche Abwicklung der schriftlich getroffenen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und den Beigeladenen zu 1 bis 4 sprechen für ein Beschäftigungsverhältnis.
Das Beschäftigungsverhältnis ist dadurch geprägt, dass jemand im Dienste eines anderen eine Leistung in weisungsgebundener, fremdbestimmter Art in persönlicher Abhängigkeit erbringt. Die (vertraglich geschuldete) Leistung ist im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere darin, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners unterliegt. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Dem steht entgegen, wenn jemand im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Daher ist selbständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.
Für Tätigkeiten, die sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses erbracht werden können, gilt der Grundsatz, dass bei untergeordneten, einfachen Arbeiten eher eine Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation anzunehmen ist als bei gehobenen Tätigkeiten. Beschäftigungen, die wenige Weisungen erfordern, verlieren ihre Qualifikation als Arbeitsverhältnis nicht dadurch, dass die Weisungen bereits in den Vertrag aufgenommen werden.
Das Eisenflechten ist eine Tätigkeit, die regelmäßig als solche nur bedingt Gestaltungsmöglichkeiten zulässt. Eisenflechter arbeiten auf Baustellen im Hoch-, Tief- bzw. Betonbau sowie in Firmen für Bewehrungstechnik und Betonstahlarmierung. Sie kennen sich aus mit Betonstählen und Baustahlmatten. Sie messen, schneiden und biegen Bewehrungsstahl zu Bewehrungen für Bauwerksteile. Nach Zeichnung bündeln sie Stähle und teilen diese ein und für die Herstellung von Spannbeton spannen sie Betonstähle mit maschinellen Einrichtungen vor. Sie bringen Positionsetiketten an fertige Bewehrungsteile an, wählen Abstandhalter aus und verankern maßgenau Bewehrungen nach Plan. Teilweise verlegen sie vorgefertigte Bewehrungsteile oder bauen Einbauteile wie Lehrrohre, Verankerungshülsen oder Installationselemente ein (vgl. Bundesagentur für Arbeit „berufenet“, Tätigkeitsbeschreibung Eisenflechter).
Da es sich um Arbeiten im Rahmen der Statik des Bauvorhabens handelt, ist präzises Arbeiten nach den Plänen des Statikers (den sogenannten Bewehrungsplänen) erforderlich. Um eine solche Arbeit auszuüben, muss nicht zwangsläufig eine Ausbildung mit Facharbeiterabschluss absolviert worden sein. Über eine solche Ausbildung verfügt auch der Kläger eher nicht. Erforderlich ist aber, dass ein vorgegebener Plan gelesen, verstanden und umgesetzt werden kann. Wird an diesem Punkt unsauber gearbeitet mit der Folge des Schadenseintritts, hat dies nicht nur haftungsrechtliche, sondern unter Umständen sogar strafrechtliche Konsequenzen für bestimmte Personen zur Folge (für den Statiker, wenn die Pläne nicht ausgereift, in jedes Detail gehend und rechnerisch korrekt sind; für den Architekten, dem der Bauingenieur zuarbeitet und der gleichfalls für die Richtigkeit der Planung einsteht; für den Bauleiter, der die konkrete Umsetzung der Bewehrungsarbeiten überwacht, und die Firmen für die korrekte Ausführung der Bewehrungsarbeiten). In diesem Geflecht von Zuständigkeiten, Risiken und Anforderungen wäre es unrealistisch, dem Vortrag des Klägers zu folgen, dass die Beigeladenen weisungsfrei auf der Baustalle gearbeitet haben sollen. Dies war ihnen schon deshalb nicht möglich, weil sie die deutsche Sprache damals nicht beherrschten. Es ist auch realitätsfremd zu behaupten, einer der Beigeladenen hätte im hier maßgeblichen Zeitraum ohne Einweisung und Anleitung die Pläne lesen, verstehen und eigenverantwortlich umsetzen können. Die Beigeladenen sind als „ungelernte Kräfte“ auf der Baustelle tätig geworden, was einer fachlichen Unabhängigkeit vom Auftraggeber, die für die Abgrenzung selbständige Tätigkeit und abhängige Beschäftigung in Bereichen des Sozialversicherungsrechts von entscheidender Bedeutung ist, entgegensteht.
Ausweislich der Vernehmungen vor dem Hauptzollamt E und R waren die Beigeladenen zu 1 bis 4 demzufolge ausschließlich auf Anweisung anderer tätig. Das ist überzeugend, denn sie hatten gerade nicht das fachliche Wissen, um eigenständig und eigenverantwortlich tätig werden zu können
So hat der Beigeladene zu 1 bei der Vernehmung durch das Hauptzollamt dargelegt, dass er im Jahr 2010 nach Deutschland gekommen ist. Er hatte sich zuerst in St nach Arbeit umgehört und dabei auch in einem Dönerladen nachgefragt, weil er die türkische Sprache beherrscht. Von dort wurde ihm der Kläger genannt. Der Kläger sagte ihm bei Kontaktaufnahme, dass er für ihn auf der Baustelle arbeiten kann, wenn er nach A kommt. Dies hat der Beigeladene zu 1 getan und sich, wie besprochen, in einer Pension gemeldet. In der Pension ist er auf andere Arbeiter getroffen, die für den Kläger arbeiten und ihm gesagt haben, was sie mit dem Kläger vereinbart haben. Einen solchen Vertrag hat der Beigeladene dann auch, ohne eigene Verhandlung, geschlossen. Er ist einfach mit den anderen zur Baustelle mitgefahren und hat das gemacht, was die anderen ihm gesagt haben. Er hat anfangs nur Eisen geholt und ist in die Arbeit eingewiesen worden. Da er und andere kein Deutsch sprachen und keinen Plan lesen konnten, wurden sie von Vorarbeitern auf der Baustelle eingewiesen. Er hat mit den Beigeladenen zu 2 bis 4 zusammengearbeitet, die genauso wie er die Anweisung auf der Baustelle von den Vorarbeitern erhalten haben. Im Berufungsverfahren hat der Beigeladene zu 1 dann bestätigt, dass er keine Ausbildung zum Eisenflechter absolviert hat. Er hatte auch keine vorherigen Berufserfahrungen auf diesem Gebiet des Eisenflechtens aufzuweisen, was den Vortrag des Klägers, der Beigeladene habe weisungsunabhängig gearbeitet, ins Leere laufen lässt. Er hat letztlich gesagt, dass er die Tätigkeit in Deutschland gelernt hat und zwar 2010 im Rahmen seiner Selbständigkeit. Dies bedeutet aber, dass er angelernt werden musste und auch angelernt worden ist und dies geht nicht ohne Weisungsgebundenheit und Eingliederung in den Betrieb des Klägers.
Die Beigeladenen zu 2 bis 4 sahen sich ausweislich ihrer Vernehmungen als Arbeiter, wussten, aber, dass sie in Deutschland nur arbeiten konnten, wenn sie ein Gewerbe anmelden.
Insofern macht es auch Sinn, dass die Beigeladenen zu 1 bis 4 nach außen Dritten gegenüber durch das Tragen von Westen mit der Aufschrift „D Bau“ dem Kläger zugeordnet waren und auch zugerechnet werden sollten.
Allein der Vortrag des Klägers, dass ein „Auftrag“ von den Beigeladenen hätte abgelehnt werden können macht aus dieser Art der Tätigkeit noch keine Selbständigkeit.
Es ist vom Kläger vorgetragen worden, dass die Beigeladenen zusammen gearbeitet haben, wenn es um das Verlegen von Decken gegangen ist. Dass die gerade erst nach Deutschland eingereisten und in rechtlichen Angelegenheiten unerfahrenen bulgarischen Eisenflechter im Rahmen eines zwingend notwendigen Zusammenarbeitens der Einbringung von notwendigen Bewehrungen auf der Baustelle Gesellschaften bürgerlichen Rechts (als Arbeitsgemeinschaften) gebildet haben sollen, so der Kläger in der Berufungsbegründung, ist nicht überzeugend. Ohne einen Rechtsbindungswillen kommt auch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht wirksam zustande. Wenn den bulgarischen Eisenflechtern aber die Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts noch nicht einmal bekannt gewesen sein dürfte, sie auch die Konsequenzen einer solchen in haftungsrechtlichen Fragen nicht erkannt haben können, kann eine solche auch nicht durch bloßes, tatsächliches Zusammenwirken (konkludent) erreicht werden. Es handelt sich hier in Anbetracht der Konsequenzen bei Teilnahme am Rechtsverkehr nicht um eine solche Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die durch konkludentes Handeln entsteht (etwa wie eine Wohn- oder Fahrgemeinschaft), sondern um den Ausdruck dafür, dass alle vier Beigeladenen bei D Bau integriert waren.
Die vier bulgarischen Eisenflechter wollten letztlich in Deutschland arbeiten, in welcher Form war ihnen dabei gleichgültig. Der Kläger hat, so seine eigenen Angaben, nach einem legalen Weg gesucht, die im Weg stehenden Schwierigkeiten zu umgehen, weil eine Arbeitserlaubnis für bulgarische Arbeitnehmer als Voraussetzung für eine abhängige Beschäftigung damals nicht zu erwirken war. Der Versuch, dies über die Selbständigkeit des Einzelnen zu regeln, konnte nicht gelingen, weil sich weder die für die Selbständigkeit ausgewählten Personen noch die Tätigkeit als solche hierfür eignen.
Ob eine Arbeit im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit oder einer abhängigen Beschäftigung erbracht wird, richtet sich – wie zuvor schon dargestellt – danach, welche Arbeiten wann und in welcher Form notwendigerweise am Bauwerk zu erbringen sind und welche fachlichen Voraussetzungen der Betroffene dafür mitbringt. Freiheiten hinsichtlich der Möglichkeit, überhaupt einen Auftrag anzunehmen oder nicht, begründen per se noch keine selbständige Tätigkeit, wobei ein Selbständiger natürlich nur jemand sein kann, der frei über seinen Arbeitseinsatz verfügt. Es kommt nicht darauf an, ob eine Gewerbeanmeldung erfolgt, eine Steuernummer vergeben oder eine private Krankenversicherung gegeben ist. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Beteiligten den Willen zur Selbständigkeit hatten oder nicht. Nicht entscheidend ist auch, dass der Kläger vorträgt, sich bemüht zu haben, eine legale Möglichkeit zur Beschäftigung der bulgarischen Eisenflechter zu erreichen, und sich bei verschiedenen Behörden dahingehend erkundigt und Absagen erhalten hat. Fehlende Urlaubsgewährung und fehlende Lohnfortzahlungsvereinbarung machen aus einer rechtlich als abhängige Beschäftigung zu qualifizierenden Tätigkeit durch Nichtbeachtung der damit gesetzlich verbundenen Konsequenzen auch noch keine selbstständige Tätigkeit. Ebenso wenig macht die rechtliche Einstufung durch die Steuerberaterin als selbständige Tätigkeit daraus eine selbständige Tätigkeit. Es wurde vielmehr versucht, das Beschäftigungsverbot für Bulgaren, das 2010 bestand, durch eine Selbständigkeit zu umgehen. Dem Kläger war klar, dass die Beigeladenen zu 1 bis 4 nur als Selbständige für ihn tätig sein konnten. Daher hat er versucht, durch Vertragsgestaltung eine Selbständigkeit der Beigeladen zu 1 bis 4 herbeizuführen. Daher haben die Beigeladenen zu 1 bis 4 Rechnungen geschrieben, weil dies aus Sicht des Klägers zur Selbständigkeit dazu gehört. Allein der äußere Anschein einer Selbständigkeit kann aber nicht überzeugen, weil die Beigeladenen zu 1 bis 4 letztlich wie auch Arbeitnehmer tatsächlich nur in fachlicher und persönlicher Abhängigkeit tätig geworden sind und auch nur tätig werden konnten.
Die Beigeladenen zu 1 bis 4 tragen in der Gesamtschau im Übrigen kein – für eine selbständige Tätigkeit unerlässliches – unternehmerisches Risiko. Bis auf den Erwerb einer einfachen Zange hatten sie keinen Kapitaleinsatz. Sie mussten keine Betriebstätte vorhalten, kein Fahrzeug anschaffen, keine Kosten für Material verauslagen und keine Mitarbeiter einstellen. Vertraglich war zwar eine Vertragsstrafe vereinbart, eine solche ist aber nicht zum Tragen gekommen und wäre in Anbetracht der wirtschaftlichen Situation der Beigeladenen zu 1 bis 4 auch nicht einklagbar gewesen. Insofern dürfte auch dieser Punkt wiederum als von dem Kläger und seiner Steuerberaterin als ein für eine Selbständigkeit notwendiges Erfordernis im Rahmen der Überzeugungsbildung angesehen worden sein, wohl wissend, dass es an der Umsetzbarkeit fehlen wird.
An dieser Einschätzung ändern auch nichts der tatsächliche Wille des Klägers und der vermutliche Wille der Beigeladenen zu 1 bis 4, eine selbständige Tätigkeit begründen zu wollen. Die gesetzlichen Regelungen greifen unabhängig vom Willen der Betroffenen ein. Insofern hat das Gesetz gerade auch Schutzfunktion. Den Beigeladenen zu 1 bis 4 kam es nur darauf an, in Deutschland arbeiten zu können. Ihnen war es gleichgültig, wie dies geschieht. Sie haben dabei auf den Kläger vertraut und unreflektiert alles getan, um überhaupt arbeiten zu können. Insofern bestehen allein schon deshalb Bedenken, ob man in dieser Form überhaupt eine Selbständigkeit begründen kann, wenn man noch nicht einmal weiß, dass man selbständig tätig wird, wie hier wohl (teilweise) geschehen.
Richtig ist, dass das Urteil des Amtsgerichts für das hier streitig Verfahren keine direkten Auswirkungen hat. Es lässt sich aber nicht hinwegdiskutieren, dass das im Strafverfahren gezeigte Verhalten des Klägers dem hier getätigten Vortrag entgegensteht. Es ist nicht zu erklären, dass im Strafverfahren der Vorwurf der Vorenthaltung von Beiträgen nicht bestritten wird, im Beitragsrecht aber, wo es für den Kläger um höhere Summen geht, mit aller Entschiedenheit bekämpft wird und zwar mit Argumenten, die auch im strafrechtlichen Verfahren von Relevanz gewesen wären. Der Vortrag des Klägers im hiesigen Verfahren ist rechtlich konstruiert, ebenso wie die Vertragsgestaltung, mit der der Kläger eine Selbständigkeit der Beigeladenen zu 1 bis 4 erreichen wollte, während es den Beigeladenen zu 1 bis 4 nur darauf ankam, arbeiten zu können .
Dabei ist für den Senat nicht von Bedeutung, woraus das Sozialgericht seine Überzeugung herleitet und ob diese Einschätzung den Kläger überzeugt, sondern dass die tatsächlichen Gegebenheiten in den Personen und Fähigkeiten der Beigeladenen und den Anforderungen an die Erstellung eines Bauwerkes liegend, sich nicht argumentativ verändern lassen und nur den Rückschluss auf eine abhängige Beschäftigung zulassen. Alles andere wäre realitätsfremd.
Die Höhe der Beiträge ist nicht zu beanstanden. Auch die Voraussetzungen für die Erhebung der Säumniszuschläge liegen vor. Rechtsgrundlage dafür ist § 24 Abs. 1 SGB IV. Die Annahme des § 24 Abs. 2 SGB IV, dass die Säumniszuschläge dann nicht zu erheben sind, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hat, greift vorliegend nicht ein. Dem Kläger ist die Gestaltung der Verträge mit den Beigeladenen bekannt gewesen. Weiterhin war ihm bewusst, dass es sich um den Versuch eines Ausweges aus dem Verbot der Beschäftigung von bulgarischen Arbeitnehmern gehandelt hat und demgemäß eigentlich Sozialversicherungspflicht besteht. Eine Verjährung der Betragsforderung ist nicht eingetreten. Nach § 25 Abs.1 Satz 2 SGB IV verjähren Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beitrage in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden seien. Dieser Zeitraum ist noch nicht verstrichen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Der Streitwert ergibt sich aus § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG).


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Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
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