Baurecht

Grenzen der angemessenen Erweiterung eines im Außenbereich errichteten gewerblichen Betriebes

Aktenzeichen  M 11 K 15.3514

Datum:
16.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 34, § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 6

 

Leitsatz

Eine angemessene Erweiterung eines im Außenbereich zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs im Sinne des § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 6 BauGB dürfte im Regelfall nur bei einer Erweiterung von maximal um etwa 25% vorliegen, keinesfalls aber bei einer flächenmäßigen Erweiterung um 50 %. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Landratsamts vom 13. Juli 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, da der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind; im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren (vgl. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO) prüft die Bauaufsichtsbehörde die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB.
Danach war die beantragte Baugenehmigungen nicht zu erteilen, da das beantragte Vorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig ist.
Zur Begründung nimmt das Gericht gemäß § 117 Abs. 5 VwGO zunächst auf die Begründung des Bescheids des Beklagten vom 13. Juli 2015 Bezug.
Ergänzend ist auszuführen:
Vorliegend kann offenbleiben, wo genau die Grenze des Bebauungszusammenhangs und mithin zwischen Innenbereich gemäß § 34 BauGB und Außenbereich gemäß § 35 BauGB verläuft, ob also der genehmigte Bestandsbetrieb südlich des jetzigen Vorhabens sich noch im Innenbereich befindet oder der klägerische Gewerbebetrieb bereits gänzlich dem Außenbereich zuzuordnen ist. Jedenfalls ist der geplante Standort des streitgegenständlichen Vorhabens auf dem klägerischen Grundstück, unter Würdigung des beim Augenschein gewonnenen Eindrucks, dem Außenbereich zuzuordnen. Der Bebauungszusammenhang von Süden her endet spätestens hinter dem genehmigten Büro- und Lagergebäude des klägerischen Betriebs, da sich hieran keine Gebäude, die zum dauerhaften Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, anschließen. Nördlich und östlich des Vorhabengrundstücks befindet sich keine Bebauung. Bei dem vom Kläger genannten gewidmeten Weg handelt es sich um einen schmalen, ca. 2 bis 3 Meter breiten, unbefestigten Feldweg, der nicht geeignet ist, eine topographische Grenze im Sinne der vom Kläger zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darzustellen, da er keine große Breite aufweist und auch sonst keinerlei Geländehindernis darstellt. Vielmehr verläuft er komplett ebenerdig zwischen dem klägerischen Grundstück und der sich östlich anschließenden, landwirtschaftlich genutzten Fläche. Im Übrigen erweist sich nach dem beim Augenschein gewonnenen Eindruck auch die unbebaute Freifläche westlich des Vorhabengrundstücks, die sich zwischen der … Straße und der in etwa auf Höhe des klägerischen Grundstücks gelegenen Schule befindet, als zu breit, um als bloße Baulücke angesehen werden zu können.
Der Beklagte geht zutreffend davon aus, dass der öffentliche Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB beeinträchtigt ist, da das Vorhaben mindestens zu einer Erweiterung der Außenbereichsnutzung zu gewerblichen Zwecken und somit zu einer städtebaulich grundsätzlich unerwünschten Zersiedelung des Außenbereichs führen würde.
Auch hat der Kläger keinen Anspruch auf Genehmigung des Vorhabens nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB. Zwar könnte dem Vorhaben hiernach der öffentliche Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB nicht entgegengehalten werden. Allerdings scheitert die Anwendung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB vorliegend daran, dass die vorgesehene Erweiterung nicht angemessen im Sinne dieser Vorschrift ist. Soweit ersichtlich, wird in der Rechtsprechung im Regelfall eine Erweiterung von maximal in etwa 25% als angemessen angesehen. Selbst unter Berücksichtigung sämtlicher baulicher Anlagen auf dem klägerischen Grundstück als zum genehmigten Gewerbebetrieb des Klägers gehörig, betrüge die vorgesehene Erweiterung bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers flächenmäßig ca. 50%. Die Kammer ist der Auffassung, dass eine Erweiterung eines bestehenden Betriebs um nochmals die Hälfte, unter Berücksichtigung des in der Regelung des § 35 BauGB zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Grundanliegens der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs, im Regelfall nicht angemessen ist (vgl. zu all dem auch Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 122. EL August 2016, § 35, Rn. 162c m.w.N.). Besondere Umstände, die eine vom Regelfall abweichende Beurteilung rechtfertigen, liegen nicht vor. Insbesondere führt die bereits über Jahrzehnte bestehende Nutzung, auch in Anbetracht des großen Umfangs der geplanten Erweiterung sowie der bereits bestehenden Lagernutzung auf dem nördlichen Grundstücksteil des Vorhabengrundstücks, nicht zum Vorliegen derartiger besonderer Umstände.
Da die geplante Erweiterung schon nicht angemessen ist (s.o.), musste vorliegend auch nicht entschieden werden, ob § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB auch auf die Fälle anwendbar ist, in denen ein zulässigerweise errichteter Gewerbebetrieb teilweise im Innenbereich und teilweise im Außenbereich liegt.
Die Klage war nach all dem abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1, § 162 Abs. 3 und § 154 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, sodass ihre außergerichtlichen Kosten nicht erstattungsfähig sind. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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