Baurecht

Kein Anspruch auf Genehmigung der Fällung einer Thuja

Aktenzeichen  M 19 K 19.3766

Datum:
10.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 25177
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BNatSchG § 67
Baumschutzverordnung der Landeshauptstadt München (MüABl. Nr. 4/2013 – BaumSchVO)

 

Leitsatz

1. Eine unzumutbare Beeinträchtigung liegt regelmäßig nur vor, wenn die mit einem geschützten Baum verbundenen Auswirkungen nach Art und Intensität den Bestand oder die Nutzbarkeit des Grundstücks oder eines vorhandenen Gebäudes erheblich beeinträchtigen. Die Beeinträchtigungen müssen deutlich über das Maß bloßer Belästigungen hinausgehen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist grundsätzlich Aufgabe und Verantwortung des Eigentümers, anspruchsbegründende unzumutbare Beeinträchtigungen zumindest zu substantiieren. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Gewährung einer Befreiung (§ 67 BNatSchG) kommt nur in vom Normgeber nicht bedachten atypischen Fallkonstellation aufgrund einer Einzelfallprüfung in Betracht. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2019, mit dem der Antrag auf Genehmigung der Fällung der nur mehr streitgegenständlichen Thuja abgelehnt wurde, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Er hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung zur Fällung des Baumes.
Das Grundstück des Klägers liegt innerhalb des in § 1 Abs. 5 BaumSchVO umschriebenen räumlichen Geltungsbereichs der Verordnung. Nach § 1 Abs. 1 BaumSchVO sind alle Gehölze (Bäume und Sträucher), die einen Stammumfang von 80 cm und mehr in 100 cm Höhe über dem Erdboden haben, unter Schutz gestellt. Es ist verboten, lebende Gehölze, die hiernach geschützt sind, ohne Genehmigung der Beklagten zu entfernen, zu zerstören oder zu verändern (§ 3 Abs. 1 BaumSchVO). Die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen ein Entfernen oder ein Verändern geschützter Bäume auf Antrag genehmigt werden kann, sind in § 5 BaumSchVO normiert. Keiner der dort genannten Genehmigungstatbestände ist vorliegend erfüllt.
1. Ungeachtet dessen, dass es sich bei der Vorschrift des § 5 Abs. 1 BaumSchVO um eine Ermessensvorschrift handelt und somit für die Beklagte eine Ermessensreduzierung auf Null gegeben sein müsste, um dem Antrag des Klägers zum Erfolg zu verhelfen, liegen hier bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht vor.
1.1. Der für den unstreitig gesunden Baum allein in Frage kommende Genehmigungstatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BaumSchVO ist nicht erfüllt. Durch den streitgegenständlichen Baum wird weder der Bestand oder die Nutzbarkeit des klägerischen Grundstücks noch des darauf errichteten Einfamilienhauses unzumutbar beeinträchtigt.
Eine unzumutbare Beeinträchtigung liegt regelmäßig nur vor, wenn die mit dem geschützten Baum verbundenen Auswirkungen nach Art und Intensität den Bestand oder die Nutzbarkeit des Grundstücks oder des vorhandenen Gebäudes erheblich beeinträchtigen. Die Beeinträchtigungen müssen deutlich über das Maß bloßer Belästigungen hinausgehen. Die von dem Kläger vorgetragenen Beeinträchtigungen rechtfertigen eine Entfernung des Baumes nicht.
Weder eine unzumutbare Beschattung des Gebäudes, ein unzureichender Gebäudeabstand noch ein zu starker Kronenüberhang zum Nachbargrundstück stehen streitgegenständlich im Raum.
Hinsichtlich der vorgetragenen oder jedenfalls künftig befürchteten Beschädigung von unter dem Grundstück liegenden Kanalleitungen oder des Gehwegbelags auf der gartenangrenzenden Straße fehlt es bereits an einem substantiierten Vortrag. Es ist grundsätzlich Aufgabe und Verantwortung des Eigentümers, anspruchsbegründende unzumutbare Beeinträchtigungen zumindest zu substantiieren. Es fehlen Anzeichen für eine unmittelbar bevorstehende Beschädigung von Kanalleitungen und des außerhalb des Grundstücks liegenden Gehwegs. Ein (drohender) Schaden lässt sich insbesondere nicht aus der wenige Zentimeter sichtbaren Wurzel auf der Rasenoberfläche herleiten, die sich in ca. ein Meter Entfernung zur streitgegenständlichen Thuja befindet. Auch existiert kein allgemein gültiger Erfahrungssatz, dass Thujen, die in der Nähe von Kanalleitungen oder Gehwegen wachsen, in diese typischerweise eindringen oder zu Beschädigungen führen, so dass möglicherweise insoweit eine konkrete Substantiierung durch den Kläger entbehrlich wäre. Anlass zu einer weiteren Sachaufklärung bestand diesbezüglich nicht (vgl. OVG Schleswig-Holstein, U.v. 17.6.1993 – 1 L 282/91 – juris Rn. 44). Die Frage, ob und in welchem Umfang eine Verwurzelung einer Leitung oder eines Gehwegs eine Fällungsgenehmigung rechtfertigen kann, stellt sich somit vorliegend gar nicht erst.
2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Fällung zu, weil möglicherweise die CO2-Gesamtbilanz bei Fällung des Baums und gleichzeitiger Neugestaltung des Gartens durch Neupflanzung von zwölf Scheinzypressen und fünf Thujen durch die erhöhte Bindung des Kohlendioxyds besser ausfiele als bei Erhalt des Baumes. Abgesehen davon, dass diese Betrachtung andere ökologische Wirkungen eines Baumes – etwa als Lebensraum für Tierarten (vgl. § 2 Nr. 3 BaumschVO) – von vornherein ausblendet, knüpfen auch die Genehmigungstatbestände nicht an eine solche „Öko-Bilanz“ an. Der Bestand oder die Nutzbarkeit des klägerischen Grundstücks oder des darauf errichteten Einfamilienhauses hängt nicht von der CO2-Gesamtbilanz ab.
3. Ebenso ohne Belang für die Frage der Genehmigungsfähigkeit eines Fällungsantrags ist, ob dem Baum eine das Ortsbild belebende Wirkung zukommt und ob deshalb einer der in § 2 BaumSchVO genannten Zwecke verwirklicht wird. Die in § 5 Abs. 1 BaumSchVO normierten Genehmigungstatbestände knüpfen hieran nicht an. Abgesehen davon, geht von einem einzelnen, in einem Garten liegenden Baum noch keine das Ortsbild prägende Wirkung aus.
4. Die vom Kläger vorgetragenen Beeinträchtigungen stellen auch bei einer Gesamtbetrachtung und -würdigung keine Belastung dar, die sich zu einer nicht beabsichtigten Härte im Sinne des § 5 Abs. 3 BaumSchVO i.V.m. § 67 BNatSchG verdichten würde. Die Gewährung einer Befreiung kommt nur in vom Normgeber nicht bedachten atypischen Fallkonstellation aufgrund einer Einzelfallprüfung in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 8.12.2014 – 14 ZB 12.1943 – juris Rn. 10; B.v. 9.11.2012 – 14 ZB 11.1597 – juris Rn. 16).
Ein atypischer Fall in diesem Sinne ist vorliegend nicht gegeben. Mag der Baum auch im Falle der Fällung seines Baumnachbars optisch unansehnlich wirken, so kann der Kläger die Herbeiführung dieses Zustands bereits durch Nichtfällung der anderen Thuja vermeiden. Jedenfalls aber stellt die optische Unansehnlichkeit einer Thuja, deren Äste entfernt werden oder die wie hier im Falle der Entfernung der Nachbartuja halbseitig unbegrüntes Geäst aufzeigen würde, keine atypische Seltenheit dar. Zudem erscheint auch ein Nachwachsen grün benadelter Äste denkbar.
Da die Voraussetzungen für eine Baumfällung nicht vorliegen, kommt es auf die vom Kläger vorgebrachten Möglichkeiten einer Ersatzpflanzung nicht an.
5. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).


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