Baurecht

Ökologische Verflechtung des Gewässers mit den Landbereichen

Aktenzeichen  14 B 19.765

Datum:
9.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NuR – 2020, 640
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayNatSchG Art. 39
BayVwVfG Art. 13, Art. 28, Art. 46

 

Leitsatz

Die vor Ausübung des Vorkaufsrechts (Art. 39 BayNatSchG) unterlassene Anhörung (bzw. notwendige Beiziehung) des Käufers ist ausnahmsweise unbeachtlich, wenn jeglicher Zweifel daran ausgeschlossen ist, dass die Behörde ohne den Verfahrensfehler genauso entschieden hätte (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2010 – 3 C 14.09 – BVerwGE 137, 199 Rn. 40 f.; B.v. 18.4.2017 – 9 B 54.16 – juris Rn. 5). (Rn. 16)

Verfahrensgang

RN 4 K 17.1651 2018-06-12 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage zu Recht als unbegründet abgewiesen, da der Vorkaufsrechtsbescheid vom 29. August 2017 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Verfahrensfehler bezüglich der unterlassenen Anhörung (bzw. notwendigen Beiziehung) des Klägers ist jedenfalls gemäß Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich (1.). Die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Vorkaufsrechtsausübung bezüglich der Gesamtgrundstücke nach Art. 39 BayNatSchG liegen vor (2.). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich (3.).
1. Der Verfahrensfehler der unterlassenen Anhörung (bzw. notwendigen Beiziehung) des Klägers als Käufer der Grundstücke ist jedenfalls gemäß Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich.
Da Art. 46 BayVwVfG für sämtliche Verfahrensfehler gilt, kann offenbleiben, ob ein Verfahrensfehler vorliegend darin zu sehen ist, dass der Kläger als Käufer der Grundstücke als Beteiligter des Verwaltungsverfahrens gemäß Art. 28 Abs. 1 i.V.m. Art. 13 Abs. 1 BayVwVfG hätte angehört werden müssen, oder darin, dass er wegen der rechtsgestaltenden Wirkung des Vorkaufsrechtsbescheids gemäß Art. 13 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG jedenfalls notwendig hätte beigezogen werden müssen. Offenbleiben kann folglich auch, ob die Heilung eines Anhörungsmangels nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG anzunehmen ist.
Denn die Voraussetzungen des Art. 46 BayVwVfG liegen vor. Danach kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach Art. 44 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
Vorliegend ist ausnahmsweise jeglicher Zweifel daran ausgeschlossen, dass das Landratsamt ohne den Verfahrensfehler genauso entschieden hätte (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2010 – 3 C 14.09 – BVerwGE 137, 199 Rn. 40 f.; B.v. 18.4.2017 – 9 B 54.16 – juris Rn. 5). Es kann nämlich mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Kläger bei einer Anhörung im Verwaltungsverfahren ebenso wie später im Ortstermin des Verwaltungsgerichts vom 9. Februar 2018 ausgeführt hätte, er sei Forstwirt und wolle auf dieser Fläche einen Wald (wohl Laubwald, nicht Mischwald, wie im Augenscheinsprotokoll des Verwaltungsgerichts vermerkt) anpflanzen, was er mit dem zuständigen Förster bereits in einem Vorgespräch abgeklärt habe. Die Anpflanzung eines Waldes widerspricht aber ersichtlich den Zielen und Maßnahmen der im Bescheid genannten Pläne, deren Verwirklichung die Ausübung des Vorkaufsrechts dient (vgl. hierzu unten unter 2. b) bb) (2)). Hieraus ergibt sich ohne Weiteres, dass das Landratsamt keine andere Entscheidung als die Ausübung des Vorkaufsrechts zu Gunsten der Stadt M. getroffen hätte, die um die Ausübung ihres Vorkaufsrechts ersucht hatte. Selbst wenn man unterstellt, dass der Kläger – wie nun im Gerichtsverfahren der zweiten Instanz – zusätzlich vorgetragen hätte, dass er bereit sei, den Laubwald so zu pflanzen, dass die Voraussetzungen des Biotopverbundkonzepts der Stadt M. erfüllt wären, ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass das Landratsamt nicht anders entschieden hätte. Dies folgt schon aus der im Bescheid zum Ausdruck gebrachten Erwägung, dass die angestrebten Verbesserungsmaßnahmen nur gesichert verwirklicht werden könnten, wenn sich die Grundstücke im Eigentum der öffentlichen Hand befinden (vgl. hierzu auch unten unter 2. b) bb) (3); 3. b) aa)). Damit ist jeglicher Zweifel daran ausgeschlossen, dass das Landratsamt ohne den Verfahrensfehler das Vorkaufsrecht zugunsten der Stadt M. ausgeübt hätte.
2. Die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Vorkaufsrechtsausübung bezüglich der Gesamtgrundstücke nach Art. 39 BayNatSchG liegen vor.
a) Bedenken formeller Art gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts bestehen nicht, insbesondere ist die Zweimonatsfrist des Art. 39 Abs. 7 Satz 1 BayNatSchG gewahrt.
b) Auch die materiellen Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts für die Gesamtgrundstücke liegen vor.
aa) Gemäß Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG stehen unter anderem den Gemeinden Vorkaufsrechte zu beim Verkauf von Grundstücken, auf denen sich oberirdische Gewässer einschließlich von Verlandungsflächen, ausgenommen Be- und Entwässerungsgräben, befinden oder die daran angrenzen.
Vorliegend grenzen die Grundstücke an den Öchslhofer Bach, ein oberirdisches Gewässer dritter Ordnung. Durch den Verkauf dieser Grundstücke durch Kaufvertrag vom 3. Juli 2017 ist ein Vorkaufsfall gegeben. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.
bb) Belange des Naturschutzes rechtfertigen die Ausübung des Vorkaufsrechts für die Gesamtgrundstücke.
Gemäß Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG darf das Vorkaufsrecht nur ausgeübt werden, wenn dies gegenwärtig oder zukünftig die Belange des Naturschutzes oder der Landschaftspflege oder das Bedürfnis der Allgemeinheit nach Naturgenuss und Erholung in der freien Natur rechtfertigen. Dabei beurteilt sich nach der ständigen Rechtsprechung des Senats die Frage, bis zu welcher Größe bzw. Tiefe die an das Gewässer angrenzenden Landbereiche dem Vorkaufsrecht unterliegen, im Einzelfall nach Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG, also nach der ökologischen Verflechtung von Gewässer- und Uferbereich mit den weiteren Landflächen, also letztlich nach den Belangen, nach denen das Vorkaufsrecht gerechtfertigt wird (vgl. zuletzt BayVGH, U.v. 1.10.2019 – 14 BV 17.419 – NVwZ-RR 2020, 593 Rn. 31 m.w.N.).
(1) Die zur Rechtfertigung der Vorkaufsrechtsausübung angeführten Vorstellungen der Behörde über durchzuführende Optimierungsmaßnahmen müssen noch nicht in einer entsprechenden Planung konkretisiert sein. Es genügt, dass beispielhaft genannte Möglichkeiten als geeignete Maßnahmen einer ökologischen Optimierung in Betracht kommen (stRspr, vgl. z.B. BayVGH, U.v. 22.5.1995 – 9 B 92.1183 u.a. – NuR 1995, 554/556).
Das tatbestandliche Vorliegen der Rechtfertigungsgründe für die Ausübung des Vorkaufsrechts unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung. Anders als eine Enteignung, die nur zulässig ist, wenn das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert und der Enteignungszweck auf andere zumutbare Weise nicht erreichbar ist, kann die Ausübung des Vorkaufsrechts schon dann gerechtfertigt sein, wenn der Erwerb eines Grundstücks vorteilhafte Auswirkungen auf die in Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG genannten Belange hat. Als Rechtfertigungsgründe sind nicht nur die von der Behörde innerhalb der Frist von zwei Monaten benannten, sondern auch die im weiteren Verfahren vorgetragenen bzw. sich heraus stellenden Gründe heranzuziehen. Da maßgebend für die Rechtswirksamkeit und Rechtmäßigkeit der Ausübung der Zeitpunkt des Entstehens des Vorkaufsrechts mit Abschluss eines wirksamen Kaufvertrags ist, ist allerdings Voraussetzung, dass diese Rechtfertigungsgründe nicht erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind (vgl. zu all dem BayVGH, U.v. 3.5.2016 – 14 B 15.205 – BayVBl 2016, 846 Rn. 41). Bei Aufwertungskonstellationen muss das objektive Aufwertungspotential zum Zeitpunkt des Entstehens des Vorkaufsrechts gegeben sein, zugehörige Aufwertungsvorstellungen spätestens im Zeitpunkt des Bescheiderlasses. Diese Unterscheidung ist gerechtfertigt, weil das objektive Aufwertungspotential grundstücksbezogene Umstände betrifft, die auch für die Kaufvertragsparteien zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses (vgl. hierzu grundlegend BayVGH, U.v. 11.5.1994 – 9 B 93.1514 – NVwZ 1995, 304/307) feststellbar sind. Dagegen ist es gerechtfertigt, für die zugehörigen Aufwertungsvorstellungen auf den Zeitpunkt der Vorkaufsrechtsausübung abzustellen, weil sich diese Vorstellungen, die erst zu einem konkreten Belang im Sinne des Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG führen, in aller Regel erst nach Kenntnis des Vorkaufsrechts innerhalb der Zweimonatsfrist nach Art. 39 Abs. 7 BayNatSchG, § 469 Abs. 2 Satz 1 BGB bilden können, was das Gesetz gestattet, auch wenn dies für die Kaufvertragsparteien nicht schon von vorneherein erkennbar ist (vgl. BayVGH, U.v. 1.10.2019 – 14 BV 17.419 – NVwZ-RR 2020, 593 Rn. 34 f.).
(2) Gemessen an diesen Maßstäben ist eine hinreichende ökologische Verflechtung des Bachs mit dem übrigen Landbereich der streitgegenständlichen Grundstücke gegeben und es rechtfertigen hinreichende (künftige) Belange des Naturschutzes die Ausübung des die gesamten Grundstücke umfassenden Vorkaufsrechts.
Vorliegend bestehen für die streitgegenständlichen Grundstücke bereits fachliche Pläne, deren Verwirklichung durch die Ausübung des Vorkaufsrechts zugunsten der Stadt M. angestrebt wird und auf die bereits im Bescheid hingewiesen wurde. Vor allem von Bedeutung ist dabei das Biotopverbundkonzept der Stadt M., das die Grundstücke als zum Kernbereich 36 gehörend vollständig erfasst. Auf Seite 125 des daraus vorgelegten Auszugs (Bl. 123 der VGH-Berufungsakte) werden für diesen Bereich Ziele mit sehr hoher Priorität beschrieben, wie etwa die Errichtung eines durchgehenden beidseitigen Uferschutzstreifens entlang des Öchslhofer Bachs, die Ablösung von Kleingärten durch die Stadt, die Optimierung der Teichkomplexe im Bereich der Kleingärten sowie die Pflege der aus naturschutzfachlicher Sicht bedeutsamen Flächen. Im in der mündlichen Verhandlung vorgelegten weiteren Auszug aus dem Biotopverbundkonzept, der Entwicklungsziele und Maßnahmen unter anderem für die dort explizit genannten streitgegenständlichen Grundstücke auflistet, wird dies wie folgt näher konkretisiert: Entwicklungsziele sind danach hier insbesondere die Anlage einer artenreiche Frischwiese, extensiv genutzt, einer Streuwiese sowie eine Gehölzsukzession oder ein Kleingarten; als diesbezügliche Maßnahmen werden genannt die Umwandlung einer Acker- und Brachfläche im Grünland, eine alljährliche Mahd mit Abtransport des Mähgutes nach dem 1. Juli (keine Düngung und kein Pflanzenschutz) oder eine abschnittsweise Mahd mit Abtransport des Mähgutes im 2- bis 3-jährigen und flächenmäßigen Turnus (Hochstaudenflur, Großseggenried, nicht mehr genutzte, seggenreiche Nasswiese, Krautsaum, Altgrastrockenflur etc.) oder/und eine gelenkte Sukzession (oder/und eine extensive Kleingartennutzung). Die Anpflanzung eines Laubwaldes ist weder bei den Entwicklungszielen noch bei den Maßnahmen aufgeführt.
Zu den Zielen und Maßnahmen des Biotopverbundkonzepts der Stadt M. hat die fachliche Naturschutzkraft des Landratsamts in der mündlichen Verhandlung ergänzend Stellung genommen. Danach hat dieses das Ziel, eine möglichst hohe Strukturvielfalt in einem Feuchtbiotopkomplex zu erreichen. Das Konzept erlaube zwar auch Gehölzbestände, aber es verlange auch Offenlandbereiche wie Wiesen und Röhrichtbestände, die nur durch gezielte Pflege (etwa 1 bis 2-malige Mahd bzw. eine Mahd alle 1 bis 2 Jahre) entwickelt werden könnten. Nur dadurch könne erreicht werden, dass sich die angestrebte Strukturvielfalt entwickle und eine nicht in allen Teilbereichen erwünschte Gehölzentwicklung unterbunden werde. Von dieser Strukturvielfalt profitiere die dort vorhandene Artenausstattung, insbesondere Amphibien und Libellen.
Auch zur ökologischen Verflechtung des südlichen Grundstückteils mit dem Bach hat die fachliche Naturschutzkraft des Landratsamts in der mündlichen Verhandlung ergänzende Ausführungen gemacht. Danach gibt es im nördlichen Bereich der Grundstücke Hangquellen, die ebenso wie der Bach gespeist werden durch Sickerwasser, das aus dem südlichen Bereich kommt, was bedeutet, dass der südliche Bereich das Einzugsgebiet für diese Sickerwässer darstellt. Das Sickerwasser fließe über das hängige Gelände vorwiegend unterirdisch, teils aber auch oberirdisch (insbesondere bei starkem Regen) in die nördlichen Bereiche ab. Die Teiche seien angelegt worden, weil dort entsprechend Wasser vorhanden sei, das aus dem südlichen Einzugsbereich stamme und als Hangquelle (Schichtwasseraustritt) hervortrete, was auch die dort vorhandene Pumpenanlage belege. Aus der Menge des Wassers sei zu schließen, dass dieses nicht nur aus dem nördlichen Bereich bis hin zum Moosweg komme. Auch eine Speisung nur durch Wasser aus dem Westen oder Osten sei unwahrscheinlich, da auch auf den westlichen und östlichen Grundstücken Teiche vorhanden seien, die vom Süden her gespeist würden, sodass das Wasserdargebot zwischen den einzelnen Teichen aus diesen Bereichen nicht ausreichen dürfte. Weiter seien die Gesamtflächen auch für die für Feuchtgebiete typischen Organismusgruppen (hier Amphibien wie Erdkröte, Teichmolch, Bergmolch, Grasfrosch und Libellen wie Prachtlibellen) von Bedeutung. Diese bräuchten nicht nur das Gewässer, sondern auch Landlebensräume, etwa um Nahrung zu finden oder um diese als Ruhestätten bzw. für die Winterruhe zu nutzen. Je größer diese Landlebensräume seien und je mehr Strukturvielfalt diese aufwiesen bzw. je naturnäher sie seien, umso besser sei dies für die Tiere.
Nach diesen nachvollziehbaren ergänzenden Darlegungen in der mündlichen Verhandlung ist eine hinreichende Rechtfertigung der die gesamten Grundstücke umfassenden Ausübung des Vorkaufsrechts gemäß Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG gegeben. Die herausgehobene Bedeutung eines Biotopverbunds ergibt sich auch aus § 20 Abs. 1, § 21 BNatSchG. Nach § 20 Abs. 1 BNatSchG wird ein Netz verbundener Biotope geschaffen, das mindestens 10% eines jeden Landes umfassen soll. § 21 BNatSchG, der insbesondere auch § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 3 BNatSchG näher ausfüllt, konkretisiert dies dahingehend, dass der Biotopverbund der dauerhaften Sicherung der Populationen wild lebender Tiere und Pflanzen einschließlich ihrer Lebensstätten, Biotope und Lebensgemeinschaften sowie der Bewahrung, Wiederherstellung und Entwicklung funktionsfähiger ökologischer Wechselbeziehungen dient. Gemäß § 21 Abs. 5 BNatSchG sind unbeschadet des § 30 BNatSchG die oberirdischen Gewässer einschließlich ihrer Randstreifen, Uferzonen und Auen als Lebensstätten und Biotope für natürlich vorkommende Tier- und Pflanzenarten zu erhalten und so weiter zu entwickeln, dass sie ihre großräumige Vernetzungsfunktion auf Dauer erfüllen können. Diese Ziele verfolgt im Übrigen auch das Arten- und Biotopschutzprogramm des Landkreises Kelheim, in dessen Bereich sich der Öchslhofer Bach und die streitgegenständlichen Grundstücke befinden.
(3) Die Rechtfertigung der Vorkaufsrechtsausübung entfällt nicht deshalb, weil das Ziel eines Biotopverbunds erst nach und nach verwirklicht werden kann, da sich nicht sämtliche Grundstücke im Eigentum der Stadt M. befinden. Die Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts ist nach Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG sowohl auf gegenwärtige als auch auf künftige Gestaltungen gerichtet. Die Rechtfertigungsgründe dieser Vorschrift sind demnach auf langfristige Wirkung angelegt. Die Stadt M. hat aus dem Kernbereich bereits mehrere Grundstücke gekauft und hat das Ziel, noch weitere Grundstücke anzukaufen; sie will die schon in ihrem Eigentum befindlichen Grundstücke zeitnah entsprechend ihrem Biotopverbundkonzept bewirtschaften. Die ersten Schritte zur Durchführung dieses Konzepts sind demnach getan, was ausreichend ist (vgl. BayVGH, U.v. 11.5.1994 – 9 B 93.1514 – NVwZ 1995, 304/308; U.v. 24.2.2006 – 9 BV 03.3058 – juris Rn. 33). Nicht gegen die Rechtfertigung für die Ausübung des Vorkaufsrechts spricht schließlich der Einwand des Klägers, ihm selbst gehe es nicht um Gewinnerzielung, sondern um Erhaltung der Natur, und er wolle den Laubwald entsprechend den vorliegenden fachlichen Plänen anlegen. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist es eine allgemeine Erfahrungstatsache, dass Grundstücke im Eigentum der öffentlichen Hand die Verwirklichung der Ziele von Naturschutz und Landschaftspflege besser und sicherer gewährleisten als Grundstücke in der Hand von Privatpersonen, deren privatnützige Interessen leicht in Konflikt mit den Anforderungen von Naturschutz und Landschaftspflege geraten können (vgl. zuletzt BayVGH, U.v. 1.10.2019 – 14 BV 17.419 – NVwZ-RR 2020, 593 Rn. 46 m.w.N.; vgl. auch OVG MV, B.v. 27.8.2013 – 1 L 241/12 – NordÖR 2014, 43/45). Auch im Hinblick auf diese allgemeine Erfahrungstatsache rechtfertigen die hier im Raum stehenden Naturschutzbelange (s.o.) die Ausübung des Vorkaufsrechts.
3. Die Vorkaufsrechtsausübung nach Art. 39 BayNatSchG erfolgte auch ermessensfehlerfrei (§ 114 Satz 1 VwGO).
a) Im Bereich des Art. 39 BayNatSchG gelten für die Ermessensausübung folgende Maßstäbe (vgl. zuletzt BayVGH, U.v. 9.7.2020 – 14 B 19.96 – n.v. Rn. 30 ff., zur Veröffentlichung vorgesehen):
Eine Vorkaufsrechtsausübung ist nicht nur gegenüber dem Verkäufer, sondern auch gegenüber dem Käufer jedenfalls ein Eingriff in die von Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Privatautonomie (vgl. schon BayVGH, U.v. 31.5.2001 – 9 B 99.2581 – VGH n.F. 54, 151/159), wobei die Grundrechte gemäß Art. 1 Abs. 3 GG auch im Kontext von Ermessensentscheidungen unmittelbar verbindlich sind. Nicht zuletzt aus Grundrechten ergeben sich dabei einerseits die gesetzlichen Grenzen des Ermessens (Art. 40 Alt. 2 BayVwVfG und § 114 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) und andererseits Vorgaben dafür, welche privaten Belange ermessensrelevant und wie sie zu gewichten sind (vgl. Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 114 Rn. 184 m.w.N.; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 40 Rn. 63, 85 ff. m.w.N.).
Allerdings ist dabei die Besonderheit zu sehen, dass bei Vorliegen der in Art. 39 Abs. 1 und 2 BayNatSchG vorgesehenen Tatbestandsvoraussetzungen das jeweils betroffene Grundstück von vornherein mit dem naturschutzrechtlichen Vorkaufsrecht „belastet“ ist (BayVGH, U.v. 31.5.2001 – 9 B 99.2581 – VGH n.F. 54, 151/159) und bei einem ganz oder teilweise vorkaufsrechtsbelasteten Grundstück bis zum Ablauf der Ausübungsfrist (Art. 39 Abs. 7 BayNatSchG i.V.m. § 469 Abs. 2 Satz 1 BGB) auch mit der Ausübung dieses Vorkaufsrechts gerechnet werden muss. Dieser Aspekt mindert das Gewicht des Eingriffs in die Privatautonomie des Käufers (Art. 2 Abs. 1 GG), der mit der Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts stets verbunden ist. Nur mit diesem geminderten Gewicht ist der (grund) rechtlich geschützte private Käuferbelang der Privatautonomie den jeweiligen Naturschutzbelangen gegenüberzustellen, die bei hinreichendem Gewicht eine Schranke der Privatautonomie darstellen und den mit der Vorkaufsrechtsausübung verbundenen Eingriff rechtfertigen können.
Diese regelmäßig angezeigte Minderung des Gewichts des Eingriffs in die Privatautonomie als eines privaten Belangs entbindet jedoch die Behörde nicht pauschal davon, sich damit sowie mit weiteren gegebenenfalls im jeweiligen Einzelfall im Raum stehenden (grund) rechtlich geschützten privaten Belangen im Rahmen ihrer Ermessensausübung selbst zu befassen und im Rahmen ihres Ermessens eine eigene Abwägung mit den im Raum stehenden Naturschutzbelangen vorzunehmen, wenn auch die besagte Minderung des Gewichts des Eingriffs in die Privatautonomie regelmäßig die Intensität der insoweit gebotenen behördlichen Argumentationstiefe verringern wird.
Für die Frage, ob im Einzelfall die gebotene Ermessensausübung pflichtgemäß oder fehlerhaft erfolgte, ist die nach Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG erforderliche Begründung des Bescheids über die Vorkaufsrechtsausübung in den Blick zu nehmen – anders als dies etwa bei der rein objektiven Prüfung der Rechtfertigung nach Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG der Fall ist. Diese Begründung des Bescheids hat den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ermessensausübung zu entsprechen (vgl. BayVGH, U.v. 1.10.2019 – 14 BV 17.419 – NVwZ-RR 2020, 593 Rn. 59 m.w.N.). Es ist kein Fall des intendierten Ermessens gegeben (vgl. BayVGH, U.v. 9.7.2020 – 14 B 19.96 – n.v. Rn. 35 f., zur Veröffentlichung vorgesehen).
b) Die behördliche Ermessensausübung im streitgegenständlichen Bescheid wird diesen Anforderungen angesichts der nur als geringfügig zu bewertenden Interessenlage des Klägers gerecht.
aa) Das Landratsamt hat erkannt, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts eine Ermessensentscheidung darstellt und hat auf Seite 3 unten bis 4 oben seine Ermessensentscheidung begründet. Dabei wurden die maßgeblichen Sachverhaltsbestandteile bewertet und auch im Verhältnis zueinander ermessensfehlerfrei gewichtet, auch was den Aspekt der die gesamten streitgegenständlichen Grundstücke umfassenden Vorkaufsrechtsausübung betrifft; denn bereits die Gründe des angegriffenen Bescheids beziehen sich durchgängig auf die gesamten streitgegenständlichen Grundstücke. Es hat zu Recht herausgestellt, dass die von der Stadt verfolgten Maßnahmen nicht zwangsweise durchgesetzt werden können, sondern nur möglich sind, wenn sich die Grundstücke im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, zumal der Kläger sich zwar an gesetzliche Vorschriften halten müsse, nicht aber zur Durchführung aktiver Maßnahmen oder deren Duldung verpflichtet werden könne. Aufgrund dessen, dass der Kläger im Laufe des Verfahrens selbst angegeben hat, ihm gehe es bei der Pflanzung des Laubwaldes nicht um Gewinnerzielung, sind seine wirtschaftlichen Interessen am Erwerb der Grundstücke als so gering zu betrachten, dass sie gegenüber den im Bescheid dargestellten öffentlichen Interessen am Erwerb der Grundstücke nicht überwiegen können. Soweit der Kläger im Laufe des Verfahrens angeführt hat, ihm gehe es selbst um die Erhaltung der Natur und er wolle den Laubwald entsprechend den vorliegenden fachlichen Plänen anlegen, kann auch dies zu keinem Ermessensfehler führen. Das Landratsamt hat insoweit im Bescheid darauf hingewiesen, dass eine gesicherte Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes nur möglich ist, wenn sich die Grundstücke im Eigentum der öffentlichen Hand befinden. Diese Erwägung spricht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats für eine Rechtfertigung der Vorkaufsrechtsausübung (s.o. 2. b) bb) (3)) und ist auch im Rahmen der Ermessensausübung legitim.
bb) Ein Ermessensfehler ist auch nicht darin zu sehen, dass ein Vorkaufsrecht beim Verkauf anderer Grundstücke trotz Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht ausgeübt wurde. Der Freistaat Bayern ist nicht verpflichtet, vom Vorkaufsrecht in jedem Fall Gebrauch zu machen; er kann die in seinem Ermessen stehende Entscheidung durchaus davon abhängig machen, ob ein anderer Vorkaufsberechtigter im Hinblick auf von ihm verfolgte naturschutzrechtliche Zwecke die Ausübung verlangt, etwa weil diesem zum entsprechenden Zeitpunkt die erforderlichen Haushaltsmittel für den Grunderwerb gerade zur Verfügung stehen (stRspr, vgl. BayVGH, U.v. 3.5.2016 – 14 B 15.205 – BayVBl 2016, 846 Rn. 58 m.w.N.).
Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO (mangels Antragstellung kein Kostenrisiko für Beigeladene).
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Nichtzulassung der Revision: § 132 Abs. 2 VwGO.


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