Baurecht

Plakatwerbeanlage im faktischen allgemeinen Wohngebiet

Aktenzeichen  AN 3 K 16.00679

Datum:
7.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 34, § 35
BauNVO BauNVO § 4, § 23

 

Leitsatz

In ein faktisches allgemeines Wohngebiet, das von einer in der näheren Umgebung einheitlich homogen vorhandenen Wohnbebauung geprägt wird, fügt sich eine Werbeanlage, die eine gewerbliche Hauptnutzung darstellt, nicht ein. (redaktioneller Leitsatz)
Zur Konkretisierung der Anforderungen des Einfügens in die nähere Umgebung im Sinn des § 34 BauGB kann bezüglich überbaubarerer Grundstücksflächen auf die Regelung des § 23 BauNVO zurückgegriffen werden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Gegenstand vorliegender Klage ist das Begehren der Klägerin, die beantragte Baugenehmigung zur Errichtung einer zweiseitigen Plakatwerbeanlage im Euroformat als unbeleuchtete freistehende Sandwichtafel auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung … zu erhalten.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung nicht zu; sie wird durch den Versagungsbescheid vom 23. März 2016 nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Dem beantragten Vorhaben stehen planungsrechtliche Gründe entgegen.
1. Sollte sich die planungsrechtliche Zulässigkeit vorliegend, wie der Beklagte meint, für das unbeplante Gebiet nach § 35 BauGB beurteilen, so würde das Vorhaben als sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB den öffentlichen Belang des § 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB beeinträchtigen, weil es mit der das Baugrundstück und dessen Umgebung betreffenden Darstellung des einschlägigen Flächennutzungsplanes als „Fläche mit besonderer Bedeutung für das Landschafts- und Ortsbild“ nicht in Einklang gebracht werden könnte, da die mit der beantragten Werbeanlage erzielte (und beabsichtigte) optische Aufmerksamkeit zweifelsohne dieser Flächennutzungsplandarstellung widerspräche.
2. Ob das Baugrundstück Teil eines für die Annahme einer Innenbereichslage, § 34 BauGB, erforderlichen Bebauungszusammenhangs ist und ob jener Bebauungszusammenhang Teil eines Bebauungskomplexes im Gemeindegebiet ist, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht hat und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (vgl. z. B. BVerwG v. 7.6.2016 – 4 B 47.14 – juris; v. 30.6.2015 – 4 C 5.14 m. w. N. – juris) mag dahingestellt sein, denn auch bei Annahme einer Innenbereichslage des Baugrundstücks erweist sich das streitgegenständliche Bauvorhaben als unzulässig.
a) Angesichts der im entscheidungsrelevanten Umfeld des Bauvorhabens („nähere Umgebung“ im Sinn des § 34 BauGB) unbestritten vorhandenen, nahezu ausschließlichen Wohnnutzung ergibt sich die Unzulässigkeit des Bauvorhabens bereits seiner Art nach aus § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 4 BauNVO.
Das auf dem Baugrundstück vorhandene Gebäude, welches vom Grundstückseigentümer … gewerblich genutzt wird, vermag als nicht prägende Einzelanlage die im Übrigen in der näheren Umgebung einheitlich homogen vorhandene Wohnbebauung und die sich daran anknüpfende Einordnung der relevanten Umgebung als faktisches allgemeines Wohngebiet nicht zu beeinflussen. Überdies handelt es sich dabei, so das Ergebnis des Augenscheins, um einen sonstigen, nicht störenden Gewerbebetrieb im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO, der als ausnahmsweise zulässiges Vorhaben Teil des als faktisches allgemeines Wohngebiet zu beurteilenden Gebietes ist.
In dieses fügt sich die eine gewerbliche Hauptnutzung darstellende streitgegenständliche Werbeanlage nicht ein.
b) Unabhängig vom Nichteinfügen nach der Art der Nutzung folgt vorliegend die planungsrechtliche Unzulässigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens auch daraus, dass es sich hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, § 34 Abs. 1 BauGB.
Für den Planbereich enthält § 23 BauNVO Regelungen zur überbaubaren Grundstücksfläche.
So darf nach § 23 Abs. 3 BauNVO eine festgesetzte Baugrenze durch bauliche Anlagen nicht überschritten werden.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass zur Konkretisierung der Einfügensanforderungen des § 34 BauGB bezüglich überbaubaren Grundstücksfläche auf § 23 BauNVO zurückgegriffen werden kann (vgl. z. B. BayVGH v. 25.4.2005 – 1 CS 04.3461 – juris; v. 11.11.2014 – 15 ZB 12.2765 – juris).
„Nähere Umgebung“ im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist die Bebauung in der Nachbarschaft des Baugrundstücks, auf die sich das geplante Vorhaben in städtebaulicher Sicht auswirken kann und die ihrerseits das Baugrundstück prägt oder doch beeinflusst (vgl. z. B. BVerwG v. 26.5.1978 – 4 C 9.77 – juris).
Der demnach maßgebliche Bereich ist bei dem Einfügensmerkmal der überbaubaren Grundstücksfläche in der Regel enger zu begrenzen als etwa bei dem Merkmal der Art der baulichen Nutzung (vgl. z. B. BayVGH v. 25.4.2005 – 1 CS 04.3461).
Wie die Augenscheinseinnahme ergeben hat, ist als solchermaßen relevante Umgebung der Bereich zwischen dem Baugrundstück, dem sich daran nördlich anschließenden Grundstück FlNr. … und dem nördlich davon, jenseits der nicht trennend wirkenden Straße „…“, gelegenen Grundstück heranzuziehen.
Die in diesem Bereich vorgefundene städtebauliche Situation ist geprägt durch das Vorhandensein eines Grünstreifens zwischen der Bebauung und der Straße, ohne dass es darauf ankommt, ob dieser von Bebauung freigehaltene Bereich jeweils gleich breit ist (vgl. BayVGH v. 6.2.2006 – 26 ZB 05.1470 – juris; v. 7.7.2004 – 26 B 03.2798 – juris).
Trotz unterschiedlicher Breiten erscheinen im relevanten Umgebungsbereich die überbauten Grundstücksflächen klar abgegrenzt von den zur Straße hin vorgelagerten unbebauten Flächen.
Damit überschreitet die geplante Werbeanlage als Hauptnutzung eindeutig den hinsichtlich des Merkmals „überbaute Grundstücksfläche“ in der näheren Umgebung vorhandenen Rahmen.
Eine ausnahmsweise Zulässigkeit dieses rahmenüberschreitenden Vorhabens kommt nicht in Betracht; es würde städtebauliche Spannungen hervorrufen.
Solche sind dadurch gekennzeichnet, dass das Vorhaben die vorhandene Situation in bauplanungsrechtlich erheblicher Weise verschlechtert, stört bzw. belastet und das Bedürfnis nach Bauleitplanung schafft (vgl. z. B. BVerwG v. 16.9.2010 – NVwZ 11.436).
Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben.
Die Zulassung des in der näheren Umgebung vorbildlosen Vorhabens würde für nachfolgend vergleichbare Bauwünsche (auf den zur näheren Umgebung gehörenden Grundstücken) einen Ansatz bieten und dadurch zu städtebaulichen Spannungen im oben aufgezeigten Umfange führen (vgl. z. B. BVerwG v. 26.5.1978 – 4 C 9.77 – juris; BayVGH v. 11.11.2014 – 15 B 12.2765 – juris).
Damit erweist sich das streitgegenständliche Vorhaben als nicht genehmigungsfähig.
Somit war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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