Aktenzeichen AN 3 K 16.00874
Leitsatz
1 § 246 Abs. 9 BauGB setzt u.a. voraus, dass das Vorhaben in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit nach § 30 Abs. 1 BauGB oder § 34 BauGB zu beurteilenden Flächen innerhalb des Siedlungsbereichs realisiert wird. Mit § 246 Abs. 9 BauGB soll keine Ausweitung des Innenbereichs in den offenen Außenbereich hinein erfolgen. Dies ergibt sich u.a. schon aus dem Wortlaut der Vorschrift („innerhalb des Siedlungsbereichs“) als auch aus dem Grundsatz der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs. (Rn. 70 – 71) (redaktioneller Leitsatz)
2 Trotz des gesetzgeberischen Willens, erleichtert Flüchtlings- bzw. Asylbewerberunterkünfte zu schaffen, soll demnach der Außenbereich auch weiterhin größtmöglich geschont werden. Dieser – auch in § 13a BauGB zum Tragen kommende – Gesichtspunkt schließt es nach Auffassung des Gerichts aus, Flächen, die unmittelbar an den Innenbereich anschließen, ohne von diesem umgeben zu sein, als unter den Rechtsbegriff „innerhalb des Siedlungsbereichs“ fallend zu beurteilen. (Rn. 70 – 71) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten.
Gründe
Streitgegenstand vorliegender Klage ist der vom Kläger beantragte Vorbescheid bezüglich der planungsrechtlichen Zulässigkeit (einschließlich Erschließung) der Errichtung einer Asylunterkunft (zwei Mehrfamilienhäuser, 14 Wohnungen, Erschließung über Grundstück FlNr. …).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung des beantragten Vorbescheids nicht zu; eine Rechtsverletzung des Klägers durch den seinen Antrag ablehnenden Bescheid des Landratsamtes … vom 28. April 2016 ist nicht gegeben, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Dahinstehen kann, ob sich die planungsrechtliche Zulässigkeit nach § 30 Abs. 1 BauGB beurteilt oder nach § 35 BauGB, denn in beiden Fällen ist die Zulässigkeit des mittels Vorbescheids beantragten Vorhabens in planungsrechtlicher Hinsicht zu verneinen.
I.
Bei – unterstellter – Wirksamkeit des Bebauungsplans Nr. … „…“ ergibt sich die planungsrechtliche Unzulässigkeit daraus, dass das streitgegenständliche Vorhaben der für das Baugrundstück getroffenen Festsetzung „private Grünfläche mit der Zweckbestimmung Gartenland“ widerspricht.
Eine verpflichtende Zulassung des Vorhabens käme in planungsrechtlicher Hinsicht daher nur in Betracht, wenn bezüglich der Nichteinhaltung der Festsetzung „private Grünfläche mit der Zweckbestimmung Gartenland“ durch das streitgegenständliche Vorhaben ein Anspruch auf Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB bestünde.
Nach dieser Vorschrift kann von Bebauungsplanfestsetzungen befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde, und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Vorliegend würden durch das klägerische Vorhaben bereits die Grundzüge der Planung berührt werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. z.B. BVerwG v. 19.5.2004 – 4 B 35.04 – juris, umschreibt § 31 Abs. 2 BauGB mit dem Begriff „Grundzug der Planung“ die planerische Grundkonzeption, die den Bebauungsplanfestsetzungen zugrundeliegt und in ihnen zum Ausdruck kommt.
Zur Frage, wann die Grundzüge der Planung berührt werden, führt das Bundesverwaltungsgericht z.B. im Beschluss vom 5.3.1999 – 4 B 5.99 – juris, u.a. aus:
„Der Bebauungsplan, der nach § 10 Abs. 2 BauGB als Satzung zu beschließen ist, hat Rechtsnormcharakter (…). Die Festsetzungen sind für das Baugenehmigungsverfahren grundsätzlich strikt verbindlich. Der Gesetzgeber stellt mit § 31 Abs. 2 BauGB ein Instrument zur Verfügung, das trotz dieser Rechtsbindung im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit und der Wahrung der Verhältnismäßigkeit für Vorhaben, die den Festsetzungen zwar widersprechen, sich mit den planerischen Vorstellungen aber gleichwohl in Einklang bringen lassen, ein Mindestmaß an Flexibilität schafft (vgl. BVerwG, B.v. 20.11.1989 – BVerwG 4 B 163.89 – a.a.O.). Er knüpft die Befreiung indes an die genau umschriebenen Voraussetzungen. Durch das Erfordernis der Wahrung der Grundzüge der Planung stellt er sicher, dass die Festsetzungen des Bebauungsplans nicht beliebig durch Verwaltungsakt außer Kraft gesetzt werden. Die Änderung eines Bebauungsplans obliegt nach § 2 Abs. 4 BauGB unverändert der Gemeinde und nicht der Bauaufsichtsbehörde. Hierfür ist in den §§ 3 und 4 BauGB ein bestimmtes Verfahren unter Beteiligung der Bürger und der Träger öffentlicher Belange vorgeschrieben, von denen nur unter den in § 13 BauGB genannten Voraussetzungen abgesehen werden kann. Diese Regelung darf weiterhin nicht durch eine großzügige Befreiungspraxis aus den Angeln gehoben werden. Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist (…). Die Befreiung kann nicht als Vehikel dafür herhalten, die von der Gemeinde getroffene planerische Regelung bei Seite zu schieben. Sie darf – jedenfalls von Festsetzungen, die für die Planung tragend sind – nicht aus Gründen erteilt werden, die sich in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle oder gar für alle von einer bestimmten Festsetzung betroffenen Grundstücke anführen ließen (vgl. BVerwG, B.v. 8.5.1989 – BVerwG 4 B 78.89 – …).“
Unter Zugrundlegung dieser Anforderungen ist vorliegend festzustellen, dass durch das klägerische Vorhaben die der hier inmitten stehenden und einen Grundzug der Planung darstellenden Festsetzung „private Grünfläche mit der Zweckbestimmung Gartenland“ zugrundeliegenden erkennbaren planerischen Erwägungen und Zielsetzungen des Bebauungsplanes I/17 „…“ berührt würden.
Wie sich deutlich aus der Begründung des Bebauungsplans ergibt (vgl. z.B. Ziffer 2 „Ziel des Bebauungsplans“) stellen die Sicherung des Ortsrandes und die Einbindung in die Landschaft Gründe für die Aufstellung jenes Bebauungsplans dar, wobei für die Sicherung des Ortsrandes eine klare Trennung von Wohn- und Grünflächen für erforderlich gehalten wird. Durch die Festsetzung „private Grünfläche“ bezüglich der sich westlich an die Wohnbebauung anschließenden Grundstücke – worunter auch das Baugrundstück fällt – soll der Zugang zur Landschaft sowie die Eigenart und Schönheit des Landschaftsraumes bzw. der Kulturlandschaft, wie sie sich zum Zeitpunkt des Aufstellungsbeschlusses zeigte, gesichert werden. Der Landschaftsraum am westlichen Ortsrand soll wieder seiner ursprünglichen Funktion eines dorftypischen Übergangsbereichs zwischen Siedlung und Landschaft zugeführt werden. Entlang des Ortsrandes soll ein durchgängiger Gürtel aus gärtnerisch genutzter Grünfläche entstehen, der ein weiteres Element der graduellen Abstufung von Wohngebiet zur offenen Landschaft darstellen soll.
Der aus der Planbegründung deutlich zum Ausdruck kommende Planungswille der Gemeinde, nämlich die Sicherung des Ortsrandes und die Einbindung in die Landschaft durch Schaffung entsprechender Grünflächen im Anschluss an die östlich gelegene Wohnbebauung ist ganz wesentlicher Teil des planerischen Grundkonzepts und stellt demnach ohne Zweifel einen Grundzug der Planung dar.
Dieser Grundzug der Planung würde durch die – nur mittels Befreiungserteilung mögliche – erstrebte Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern in den dem geplanten durchgängigen Grüngürtel zur freien Landschaft hin unterfallenden Bereich berührt werden.
Auch handelt es sich vorliegend nicht um eine lediglich nur untergeordnete Planabweichung, vielmehr lässt sich das begehrte Vorhaben nicht mit der oben angeführten planerischen Vorstellung der Gemeinde, wie sie sich aus der Begründung des Bebauungsplans ergibt, in Einklang bringen.
Überdies darf eine Befreiung auch nicht aus Gründen erteilt werden, die sich für eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle anführen ließe, so dass die Festsetzung außer Kraft gesetzt würde (vgl. BVerwG a.a.O.).
Genau dies wäre vorliegend für die weiteren der Festsetzung „private Grünfläche“ unterfallenden Grundstücke, so z.B. auch für das sich ebenfalls im Eigentum des Klägers befindliche Grundstück FlNr. …, welches westlich an das Baugrundstück angrenzt, zu besorgen.
Liegen demnach schon die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer zur Realisierung des streitgegenständlichen Vorhabens nötigen Befreiung nicht vor, da die Grundzüge der Planung berührt werden, kommt es weder darauf an, ob die anderen Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB gegeben sind noch auf die Frage eines ordnungsgemäß ausgeübten Ermessens des Beklagten insoweit.
Demnach ist festzustellen, dass das beabsichtigte Bauvorhaben wegen Verstoßes gegen den Bebauungsplan … „…“ – seine Wirksamkeit unterstellt – unzulässig ist.
II.
Sollte der Bebauungsplan Nr. … „…“ nicht wirksam sein, so wäre die planungsrechtliche Zulässigkeit des klägerischen Bauvorhabens an § 35 BauGB zu messen, denn das Grundstück ist im Falle der Unwirksamkeit des Bebauungsplans zweifelsohne dem planungsrechtlichen Außenbereich zuzurechnen.
Insoweit darf auf das Urteil der 18. Kammer vom 29. Juli 2010, AN 18 K 10.00492, verwiesen werden, wo u.a. Folgendes ausgeführt wird:
„Dennoch weist die Kammer darauf hin, dass insbesondere auf Grund des vor Ortes gewonnenen Eindrucks vom Baugrundstück und dessen Umgebung kein Zweifel an der Lage des Grundstücks FlNr. … im planungsrechtlichen Außenbereich besteht, denn das streitgegenständliche Grundstück nimmt an keinem einem Ortsteil unterfallenden Bebauungszusammenhang im Sinne des § 34 BauGB teil.
1. Ausschlaggebend für das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs nach § 34 BauGB ist, inwieweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) an diesem Zusammenhang teilnimmt (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 18.6.1997 – 4 B 238.96).
Wo die Grenze eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils und demnach die Grenze zwischen Innen- und Außenbereich verläuft, lässt sich nicht unter Anwendung von geografisch-mathematischen Grundsätzen bestimmen, sondern bedarf einer Beurteilung auf Grund einer Wertung und Bewertung der konkreten örtlichen Gegebenheiten, bei welcher darauf abzustellen ist, ob der einem Ortsteil angehörende Bebauungszusammenhang sich auch auf das streitgegenständliche Grundstück erstreckt.
Dabei ist zunächst zu ermitteln, welche Bebauung den Zusammenhang darstellen kann; in der Regel ist dies die im entscheidungserheblichen Zeitpunkt (hier dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung) vorhandene Bebauung (BVerwG, U.v. 19.9.1986 – 4 C 15.84).
Da unter den Begriff der Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB jedoch nicht jede beliebige bauliche Anlage fällt, sondern vielmehr nur Bauwerke gemeint sind, die für die angemessene Fortentwicklung der vorhandenen Bebauung maßstabsbildend sind und diese Voraussetzung ausschließlich für Anlagen zutrifft, die optisch wahrnehmbar und nach Art und Gewicht geeignet sind, ein Gebiet als Ortsteil mit einem bestimmten städtebaulichen Charakter zu prägen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 17.6.1993 – 4 C 17.91), fallen darunter grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (vgl. BVerwG, U.v. 17.2.1984 – 4 C 55.81). Baulichkeiten, die nur vorübergehend genutzt werden, sind unabhängig davon, ob sie landwirtschaftlichen Zwecken, Freizeitzwecken oder sonstigen Zwecken dienen, in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen als ein für die Siedlungsstruktur prägendes Element zu Buche schlagen.
Demnach sind vorliegend die beiden sich auf dem streitgegenständlichen Grundstück befindlichen baulichen Anlagen, das Gerätehäuschen sowie das „Behelfsheim“, für die Beurteilung des Bestehens eines Bebauungszusammenhangs nicht zu berücksichtigen.
Anknüpfungspunkt für die Frage des Vorliegens eines Bebauungszusammenhangs kann damit nur die südöstlich des Baugrundstücks auf den Grundstücken FlNrn. …, …, … sowie auf den nordöstlich des Baugrundstücks gelegenen Grundstück FlNr. … befindliche Bebauung mit Wohnhäusern sein.
Jedoch sind vorliegend keine topografischen Besonderheiten erkennbar, die ein Abweichen von dem vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsatz, wonach mangels Vorliegens entsprechender Besonderheiten/Merkmalen der Bebauungszusammenhang mit dem letzten Haus endet (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 18.12.1987 – 4 B 249.87), gebieten würden. Vielmehr unterstreicht der Beginn des abfallenden Geländes ab der östlichen Grundstücksgrenze des streitgegenständlichen Grundstücks den Eindruck, dass das Baugrundstück in keinerlei Bebauungszusammenhang steht mit der sich östlich und nördlich anschließenden Wohnbebauung.“
1. Da das Vorhaben keine nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierte Nutzung für sich in Anspruch nehmen kann, beurteilt sich seine planungsrechtliche Zulässigkeit nach § 35 Abs. 2 BauGB, wonach ein „sonstiges Vorhaben“ zugelassen werden kann, wenn dadurch keine öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigt werden und die Erschließung gesichert ist.
Im Urteil der Kammer vom 29. Juli 2010, AN 18 K 10.00492, wurde unter Zugrundelegung der beim durchgeführten Augenschein gewonnenen Erkenntnisse hierzu Folgendes festgestellt:
„Die sich somit nach § 35 BauGB beurteilende planungsrechtliche Zulässigkeit des streitgegenständlichen Bauvorhabens würde – gäbe es die wirksame Veränderungssperre nicht – an § 35 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 BauGB scheitern, denn das Bauvorhaben würde die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert, § 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BauGB beeinträchtigen. Dieser Belang dient dem Schutz des Außenbereichs vor dem Eindringen einer der freien Landschaft „wesensfremden“ Bebauung. Ein nicht privilegiertes Vorhaben beeinträchtigt diesen Belang nur dann nicht, wenn das Baugrundstück wegen seiner natürlichen Beschaffenheit weder einen Erholungswert hat noch sich für die Bodennutzung eignet oder wenn es seine Schutzwürdigkeit bereits durch andere Eingriffe eingebüßt hat (vgl. z.B. BVerwG v. 11.4.2000, NVwZ 2002, 1250).
All dies trifft vorliegend nicht zu. Die beim durchgeführten Augenschein festgestellte natürliche Eigenart des (derzeitigen) Wiesengrundstücks würde durch die geplante Wohnbebauung eindeutig beeinträchtigt werden.
Auch ließe das klägerische Vorhaben die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB) befürchten. Eine im Sinne dieser Vorschrift siedlungsstrukturell negativ zu beurteilende Entwicklung stellt z.B. das – vorliegend anzunehmende – „Ausufern“ bzw. die Ausweitung eines Ortsteils über den Bebauungszusammenhang hinaus in den Außenbereich dar (vgl. BVerwG v. 11.10.1999, BauR 2000, 1175). Eine nicht durch Bauleitplanung geordnete Ausweitung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils in den Außenbereich hinein ist grundsätzlich ein städtebaulich unerwünschter Vorgang; ihn zu vermeiden ist ein öffentlicher Belang im Sinne von § 35 Abs. 2, Abs. 3 BauGB (vgl. z.B. BayVGH v. 3.2.2009 – 1 ZB 07.1079). Der Ausnahmefall, dass ein in einer Ortsrandlage geplantes Vorhaben nicht negativ zu beurteilen ist, weil es keine Vorbildwirkung für andere Bauvorhaben in vergleichbarer Lage hat, liegt im hier zu entscheidenden Fall eindeutig nicht vor. Die hier zu bejahende unerwünschte Vorbildwirkung ergibt sich nicht zuletzt aus dem das ebenfalls dem Kläger gehörende Grundstück FlNr. … betreffenden Vorbescheidsantrags zur Errichtung einer Wohnbebauung.
Auch für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit einer nicht privilegierten Bebauung der Grundstücke FlNrn. …, … sowie … wird die Errichtung mehrerer Gebäude auf dem Grundstück FlNr. … aller Voraussicht nach nicht ohne Folgen bleiben, so dass vorliegend davon auszugehen wäre, dass das klägerische Bauvorhaben zu einer missbilligenden Splittersiedlung im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB führen würde.“
2. An dieser auch für das streitgegenständliche Vorhaben Gültigkeit beanspruchenden Beurteilung als planungsrechtlich unzulässig, § 35 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 BauGB, wäre nur dann nicht festzuhalten, wenn die genannten öffentlichen Belange dem geplanten Bauvorhaben wegen der Teilprivilegierung gemäß § 246 Abs. 9 BauGB nicht entgegengehalten werden dürften.
Nach dieser Vorschrift gilt die Rechtsfolge des § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB entsprechend für Vorhaben, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, wenn das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit nach § 30 Abs. 1 oder § 34 BauGB zu beurteilenden bebauten Flächen innerhalb des Siedlungsbereichs errichtet werden soll. Nach § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB kann demnach Vorhaben, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen und die im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit nach § 30 Abs. 1 oder § 34 BauGB zu beurteilenden bebauten Flächen innerhalb des Siedlungsbereichs liegen, die Beeinträchtigung von Darstellungen des Flächennutzungsplanes, der natürlichen Eigenart der Landschaft, der Widerspruch zu einem Landschaftsplan oder die Befürchtung der Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung nicht entgegengehalten werden, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich sind im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB. Die Vorhaben für die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden sind demnach als sonstige Vorhaben im Außenbereich teilprivilegiert, sodass ihnen die genannten öffentlichen Belange nicht entgegengehalten werden können.
a) Vorliegend scheitert die Anwendung von § 246 Abs. 9 BauGB schon am Nichtvorliegen eines der Teilprivilegierung unterfallenden Vorhabens.
Wie das Landratsamt … mit Schriftsatz vom 3. Mai 2017 gegenüber dem Verwaltungsgericht mitgeteilt hat, besteht derzeit sowohl aus Sicht der Regierung von Mittelfranken als auch des Landkreises … im Bereich des Marktes … kein Bedarf an Asylbewerberunterkünften.
Die Voraussetzungen der Teilprivilegierung des § 246 Abs. 9 BauGB müssen – entgegen der Ansicht des Klägervertreters – im Hinblick auf den entscheidungserheblichen Beurteilungszeitpunkt der vorliegenden Verpflichtungsklage auch noch zur Zeit der mündlichen Verhandlung vorliegen.
Die Beweislast hinsichtlich des Vorliegens der Teilprivilegierungsvoraussetzungen, hier des Bedarfs der vom Kläger geplanten Asylbewerberunterkünfte, trägt grundsätzlich der Kläger. So hat z.B. zur Frage der Beweislast hinsichtlich der Voraussetzung des Vorliegens einer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 BauGB das Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung vom 17. November 1998, 4 B 100.98 – juris, ausgeführt, dass der Kläger (Bauherr) die Beweislast trägt, soweit er sich darauf beruft, als Nebenerwerbslandwirt in den Genuss der gesetzlichen Privilegierung zu kommen (vgl. auch BVerwG v. 5.8.1991 – 4 B 130.91 – juris).
Im Urteil vom 12. April 2011, 4 B 6.11 – juris, hat das Bundesverwaltungsgericht diesbezüglich ausgeführt, dass in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt ist, dass es Sache des Bauantragstellers ist, in Fällen, in denen sich die Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens nicht bereits aus den gegenwärtig erkennbaren objektiven Tatsachen ergibt, durch die Darlegung eines entsprechenden Konzepts die Bedenken gegen die Genehmigung bezüglich der Privilegierung des Vorhabens im Außenbereich auszuräumen.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat z.B. am 30. März 2017 entschieden (9 ZB 15.785 – juris), dass der Kläger (Bauantragsteller) die Beweislast trägt, soweit er sich auf die Inanspruchnahme der gesetzlichen landwirtschaftlichen Privilegierung beruft.
Diese Grundsätze lassen sich nach Auffassung des Gerichts auch auf Fälle einer Genehmigung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB übertragen, wenn das Vorhaben im überwiegenden allgemeinen Interesse liegt. Es ist dann Sache des Bauherrn, das Vorhandensein dieses öffentlichen Interesses zu belegen und damit verbundene Genehmigungshindernisse auszuräumen (vgl. BVerwG v. 12.4.2011 – 4 B 6.11 – a.a.O.).
Dem ist der Kläger vorliegend nicht einmal ansatzweise nachgekommen. Sein diesbezügliches Vorbringen beschränkt sich vielmehr darauf zu behaupten, zum Zeitpunkt der Antragstellung seien die Teilprivilegierungsvoraussetzungen gegeben gewesen. Zur Frage des Bedarfs an Asylbewerberunterkünften im Bereich der Beigeladenen zum jetzigen Zeitpunkt und zu entsprechenden Zusagen, Vereinbarungen oder wenigstens den Bedarf bejahenden Erklärungen der zuständigen Stellen (Regierung von Mittelfranken, Landkreis …*) wird hingegen nichts vorgetragen, geschweige denn vorgelegt.
b) Jedoch auch bei unterstelltem Vorliegen eines derzeit noch bestehenden Bedarfs an Unterbringungsmöglichkeiten für Asylbewerber/Flüchtlinge würde vorliegend § 246 Abs. 9 BauGB nicht zur Anwendung kommen.
§ 246 Abs. 9 BauGB setzt u.a. voraus, dass das Vorhaben in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit nach § 30 Abs. 1 BauGB oder § 34 BauGB zu beurteilenden Flächen innerhalb des Siedlungsbereichs realisiert wird.
Mit § 246 Abs. 9 BauGB soll keine Ausweitung des Innenbereichs in den offenen Außenbereich hinein erfolgen. Dies ergibt sich u.a. schon aus dem Wortlaut der Vorschrift („innerhalb des Siedlungsbereichs“) als auch aus dem Grundsatz der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs. Z.B. ergibt ein Vergleich von § 246 Abs. 9 mit Abs. 13 BauGB, dass im „echten“, d.h. offen an den Innenbereich anschließenden Außenbereich nur die befristete Errichtung mobiler Unterkünfte möglich sein soll. Trotz des gesetzgeberischen Willens, erleichtert Flüchtlings- bzw. Asylbewerberunterkünfte zu schaffen, soll demnach der Außenbereich auch weiterhin größtmöglich geschont werden. Dieser – auch in § 13a BauGB zum Tragen kommende – Gesichtspunkt schließt es nach Auffassung des Gerichts aus, Flächen, die unmittelbar an den Innenbereich anschließen, ohne von diesem umgeben zu sein, als unter den Rechtsbegriff „innerhalb des Siedlungsbereichs“ fallend zu beurteilen (vgl. z.B. BayVGH v. 27.4.2010 – 1 N 08.2703).
Das Gericht schließt sich insoweit der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg an, der im Beschluss vom 23. Februar 2017 – 3 S. 149.17 – juris, dazu Folgendes ausführt:
„Der mit dem Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen vom 20. November 2014 in § 246 BauGB eingefügte Abs. 9 geht auf eine von den Ländern Hamburg, Baden-Württemberg und Bremen beantragte Gesetzesinitiative des Bundesrats zurück. Hintergrund dieser Gesetzesinitiative waren die bereits im Jahre 2014 gestiegenen Flüchtlingszahlen und die insbesondere in Ballungsgebieten verzeichneten Schwierigkeiten bei der Bereitstellung von Unterkünften (BR-Drs. 419/14, S. 4, BT-Drs. 18/2752, S. 7 f.). In der Einzelbegründung heißt es zu dem – § 246 Abs. 9 BauGB entsprechenden – Art. 1 § 2 Abs. 3 des Gesetzentwurfs des Bundesrats, die Errichtung von Anlagen zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbewerberinnen und Asylbewerbern im Außenbereich nach § 35 BauGB sei allenfalls im Ausnahmefall möglich. Gerade in Ballungszentren sei es notwendig, zur Bewältigung der Zuwanderung in geeigneten Fällen auch die sogenannten „Außenbereichsinseln im Innenbereich“ also die im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit bebauten Flächen gelegenen Außenbereichsflächen zu nutzen. Um dies zu erleichtern, würden die Anlagen zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbewerberinnen und Asylbewerbern für den Fall der Errichtung im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit einem bebauten Ortsteil innerhalb des Siedlungsbereichs den teilprivilegierten Vorhaben gleichgesetzt (BR-Drs. 419/14, S. 5 f., BT-Drs. 18/2752, S. 7 f.). Der erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg hat hierzu in der Plenardebatte im Bundesrat vom 19. September 2014 (Plenarprot. 925. Sitzung S. 283) ausgeführt, die Unterscheidung zwischen unbeplantem Innenbereich und Außenbereich sei „manchmal nur eine Lücke zwischen vielen Häusern und Gebäuden, die ohnehin da stehen“. Dem entspricht die Begründung der Stellungnahme der Bundesregierung zum Gesetzentwurf des Bundesrates, wonach die Vorschrift insbesondere auf Flächen in Ortsteilen ziele, die mangels Bebauungszusammenhang nicht nach § 34 Abs. 1 BauGB bebaubar seien (BT-Drs. 18/2752, S. 11 zur seinerzeit als § 246 Abs. 7 BauGB vorgesehenen Neuregelung).
Die sich hieraus ergebende Zielrichtung des Gesetzgebers, für die in § 246 Abs. 9 BauGB bezeichneten Zwecke die Bebaubarkeit von durch Gebäude umgebenen größeren und kleineren Außenbereichsflächen zu erleichtern, dürfte zugleich die äußerste Grenze einer Bebauung „innerhalb des Siedlungsbereichs“ beschreiben. Denn dieses Erfordernis lässt eine Erweiterung des äußeren Umgriffs vorhandener Siedlungsbereiche, also eine „Entwicklung nach außen“ wohl nicht zu (vgl. hierzu: Battis/Mitschang/Reidt, „Das Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen“, NVwZ 2014, 1609 ff. sowie zu § 13a Abs. 1 Satz 1 BauGB: BVerwG, U.v. 4.11.2015 – 4 CN 9.14 – BVerwGE 153, 174). Dies dürfte – anders als der Antragsgegner und die Beigeladene meinen – selbst dann gelten, wenn eine Außenbereichsfläche so stark von der angrenzenden Bebauung geprägt ist, dass sie sich als deren organische Fortsetzung darstellt und damit für eine Einbeziehungssatzung nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 BauGB in Betracht käme (vgl. auch hierzu: BVerwG, U.v. 4.11.2015, a.a.O.). Denn im Unterschied zu § 246 Abs. 9 BauGB enthält § 34 Abs. 4 Nr. 3 BauGB nicht das Erfordernis einer Lage innerhalb des Siedlungszusammenhangs.“
Somit ist festzuhalten, dass vom Anwendungsbereich des § 246 Abs. 9 BauGB nur solche Flächen erfasst werden, die im Siedlungsbereich liegen, jedoch die Voraussetzungen einer Zuordnung in den planungsrechtlichen Innenbereich, § 34 BauGB, wegen des fehlenden Bebauungszusammenhangs nicht erfüllen und aus diesem Grunde als dem planungsrechtlichen Außenbereich zugehörig zu beurteilen sind (vgl. z.B. Battis/Mitschang/Reidt, NVwZ 2014, 1609, 1613).
Beim streitgegenständlichen Baugrundstück handelt es sich unter Zugrundelegung der im Verfahren vorgelegten Pläne und der im Verfahren AN 18 K 10.00492 durch den dortigen durchgeführten Augenschein gewonnenen Erkenntnisse um ein Außenbereichsgrundstück, das an den Innenbereich anschließt, jedoch nicht in einem als „Außenbereich im Innenbereich“ zu beurteilenden Gebiet situiert ist und damit auch nicht „innerhalb des Siedlungsbereichs“ im Sinne des § 246 Abs. 9 BauGB liegt.
c) Jedoch selbst dann, wenn man den „Hinweisen zur bauplanungsrechtlichen Beurteilung von Standorten für Unterkünfte von Flüchtlingen und Asylbegehrenden in den verschiedenen Gebietskulissen“ der Fachkommission Städtebau (Gesetzgebungsstand 24.10.2015) sowie dem Schreiben des Bayerischen Innenministeriums vom 6. März 2015 zu den Hinweisen der Fachkommission Städtebau (Stand 3.2.2015) folgen wollte, wonach „auch Abrundungen der vorhandenen Siedlungsentwicklung in Randbereichen in Betracht kommen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des direkt angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind, vgl. § 34 Abs. 4 Nr. 3 BauGB“, würde auch dies nicht zur planungsrechtlichen Zulässigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens führen.
Vom Vorliegen einer § 34 Abs. 4 Nr. 3 BauGB unterfallenden Grundstückssituation ist vorliegend nicht auszugehen.
Wie das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 18. Mai 1990, 4 C 37.87 – juris, ausgeführt hat, werden vom Begriff „Abrundung“ im Sinne des § 34 Abs. 4 Nr. 3 BauGB (früher § 34 Abs. 2 Satz 2 BauGB) schon vom Wortlaut her nur solche Fälle erfasst, in denen die räumliche Grenzziehung vereinfacht und damit die Grenze „begradigt“ wird. Sinn und Zweck der Abrundungssatzungen ist es vor allem, für künftige Bauvorhaben Streitigkeiten über die Zugehörigkeit eines Baugrundstücks zum Innen- oder Außenbereich auszuschließen. Die mit einer Abrundungssatzung verbundene konstitutive Erweiterung des Innenbereichs darf regelmäßig – zur Vermeidung der Umgehung sonst nötiger regulärer Bebauungsplanverfahren – nur aus Anlass einer Zweifelsfragen ausräumenden Satzung erfolgen.
Von „Abrundung“ im Sinne des § 34 Abs. 4 Nr. 3 BauGB kann – in Ansehung der oben angesprochenen Gründe eng auszulegenden Begriffs – grundsätzlich nur dann die Rede sein, wenn durch Einbeziehung einzelner kleiner Außenbereichsflächen eine Vereinfachung der Abgrenzung in Gestalt einer klareren Grenzlinie zwischen Innen- und Außenbereich erzielt wird.
Diese Anforderungen für den vorliegend zu beurteilenden Fall der Einbeziehung des Baugrundstücks in den Innenbereich zugrunde gelegt, zeigt sich nach Auffassung des Gerichts, dass es sich bei der streitgegenständlichen Baufläche auch nicht um eine unter Heranziehung des § 34 Abs. 4 Nr. 3 BauGB dem § 246 Abs. 9 BauGB unterfallende Fläche handelt.
Somit verbleibt es – mangels Anwendbarkeit der zu einer Teilprivilegierung führenden Vorschrift des § 246 Abs. 9 BauGB – bei der oben II. 1. dargestellten planungsrechtlichen Unzulässigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens als „sonstiges Vorhaben“ nach § 35 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 BauGB.
Nach alldem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.