Baurecht

Verbesserungsbeitrag, Kanal, Anschlussrecht, fiktive Geschossfläche

Aktenzeichen  W 2 K 21.1166

Datum:
30.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 10510
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 5 Abs. 1
VES/EWS. des Marktes Triefenstein vom 16.10.2018
BGS/EWS. des Marktes Triefenstein vom 17.10.2017
EWS. vom 13.9.2016 des Markes Triefenstein
BGS/EWS. des Marktes Triefenstein vom 10.3.2020

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der Verbesserungsbeitragsbescheid vom 16. November 2018 und der Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2021 sind im verfahrensrelevanten Umfang rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Gemäß Art. 5 Abs. 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. April 1993 (GVBl S. 264, BayRS 2024-1-I), zuletzt geändert durch Art. 10b des Gesetzes vom 10. Dezember 2021 (GVBl. S. 638), können die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Zu diesen Einrichtungen zählt auch die vom Beklagten öffentlich-rechtlich betriebene Entwässerungsanlage.
Von dieser Ermächtigung hat der Beklagte durch den Erlass der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS/EWS) vom 17. Oktober 2017 und der Beitragssatzung für die Verbesserung und Erneuerung der Entwässerungsanlage (VES/EWS) vom 16. Oktober 2018 Gebrauch gemacht. Anhaltspunkte für formelle oder materielle Fehler dieser Satzungen wurden weder vorgetragen, noch sind solche Fehler ersichtlich. Insbesondere wurden beide Satzungen ausweislich der Bekanntmachungsvermerke vom 23. November 2017 und vom 22. Oktober 2018 jeweils gem. Art. 26 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 Alt. 1 der Gemeindeordnung (GO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 1998 (GVBl. S. 796, BayRS 2020-1-1-I), zuletzt geändert durch § 1 des Gesetzes vom 9. März 2021 (GVBl. S. 74), ordnungsgemäß bekannt gemacht.
Auch der Maßnahmenbeschrieb gem. § 1 VES/EWS genügt den rechtstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen. Die der Beitragserhebung zugrunde liegenden Maßnahmen der Verbesserung und Erneuerung sind in Art und Umfang so konkret aufgeführt, dass sowohl eine Abgrenzung gegenüber Maßnahmen der Herstellung oder Instandhaltung möglich, als auch der Zeitpunkt von Beginn und Abschluss der Maßnahmen feststellbar und die Kalkulierung des Aufwandes nachvollziehbar ist (zu den entsprechenden Anforderungen vgl. Wuttig/Thimet, Gemeindliches Satzungsrecht und Unternehmensrecht, Teil IVa, Frage 20, Ziff. 6.5 m.w.N.).
Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die auf Art. 23 und Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 und 3 GO beruhende Satzung für die öffentliche Entwässerungseinrichtung des Beklagten vom 13. September 2016, die Anschluss und Benutzung der vom Beklagten als öffentliche Einrichtung i.S.v. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO betriebenen Entwässerungseinrichtung regelt, fehlerbehaftet wäre.
Mit der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS/EWS neu) vom 10. März 2020 hat der Beklagte die Herstellungsbeitragssätze unter Einbeziehung der am 18. Dezember 2017 technisch abgeschlossenen Erneuerungs- und Verbesserungsmaßnahmen i.S.v. § 1 VES/ESW neu festgesetzt und damit dem Grundsatz der gleichmäßigen Beitragsbelastung von Alt- und Neuanschließern Rechnung getragen (vgl. dazu: Wuttig/Thimet, ebenda, Teil IVa, Frage 20, Ziff. 6.3 m.w.N.). Mithin lag im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung, also des Widerspruchsbescheides vom 4. Juni 2021 eine angepasste Beitrags- und Gebührensatzung vor, ohne dass es auf eine Rückwirkung dieser Beitragsanpassung ankäme.
Mithin liegen die satzungsrechtlich notwendigen Grundlagen zur Erhebung eines Verbesserungs- und Erneuerungsbeitrags vor.
2. Formelle Mängel sind weder für den Verbesserungsbeitragsbescheid vom 16. November 2018 noch für den Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2021 vorgetragen oder ersichtlich.
Die Erhebung des Verbesserungsbeitrags ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
2.1. Das Grundstück des Klägers erfüllt den Beitragstatbestand des § 2 Abs. 1 VES/EWS, der u.a. eine Beitragspflicht für bebaute, bebaubare oder gewerblich genutzte oder gewerblich nutzbare Grundstücke vorsieht, wenn für sie nach § 4 EWS ein Recht zum Anschluss an die Entwässerungseinrichtung besteht. Für das klägerische Grundstück besteht ein solches Anschlussrecht. Es ist gem. § 4 Abs. 1 und 2 EWS durch den parallel zum Grundstück durch den anliegenden W* … W** führenden Kanal erschlossen, der nach Aktenlage auch im Kanalbestandsverzeichnis des Beklagten als Bestandteil der Entwässerungsanlage geführt wird und damit i.S.v. § 4 Abs. 2 Satz 2 EWS durch den Beklagten zur Erschließung der anliegenden Grundstücke öffentlich gewidmet ist.
Das klägerische Grundstück ist auch nicht gem. § 4 Abs. 3 Nr. 1 EWS vom Anschluss- und Benutzungsrecht ausgeschlossen, weil das Abwasser wegen seiner Art oder Menge nicht ohne Weiteres von der Entwässerungseinrichtung übernommen werden kann. Da gem. § 3 Nr. 1 EWS unter Abwasser i.S.v. § 4 Abs. 3 Nr. 1 EWS sowohl das Schmutzwasser als auch das Niederschlagswasser zu verstehen ist, liegt – selbst wenn man die aktuelle tatsächliche Nutzung des Grundstücks als Bereitplatz mit Pferdehaltung zugrunde legt – auch unter Berücksichtigung von § 14 Abs. 2 Nr. 8 (Einleitungsverbot von Abwasser aus Tierhaltung) kein Ausschluss vom Anschlussrecht gem. § 4 Abs. 3 Nr. 1 EWS vor, weil jedenfalls für das Niederschlagswasser ein Anschlussrecht besteht. Da § 2 Abs. 1 VES/EWS ausdrücklich an das Recht zum Anschluss an die Entwässerungseinrichtung anknüpft, gilt dies unbeschadet eines möglicherweise gem. § 5 Abs. 6 ESW nicht bestehenden Anschluss- und Benutzungszwangs für das Niederschlagswasser. Mithin kommt es weder darauf an, ob gem. § 5 Abs. 1 und 6 EWS ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht oder ob die die Voraussetzungen für eine Befreiung gem. § 6 Abs. 1 EWS vorliegen. Es verbleibt dabei, dass für das Grundstück gem. § 4 EWS ein Recht zum Anschluss an die Entwässerungsanlage besteht.
Das klägerische Grundstück ist beitragspflichtig i.S.v. § 2 Abs. 1 VES/EWS.
2.2. Der mit Bescheid vom 16. November 2018 erhobene Verbesserungs- und Erneuerungsbeitrag ist auch in seiner Höhe rechtmäßig.
Gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 VES/EWS wird der Beitrag nach der Grundstücksfläche und der Geschossfläche der vorhandenen Gebäude berechnet. Dabei werden Gebäude oder selbständige Gebäudeteile, die nach der Art ihrer Nutzung keinen Bedarf nach Anschluss an die Schmutzwasserleitung auslösen oder die nicht angeschlossen werden dürfen, gem. § 5 Abs. 2 Satz 6 VES/EWS nicht zum Geschossflächenbeitrag herangezogen, wenn sie nicht tatsächlich an die Schmutzwasserleitung angeschlossen sind. Gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 und 2 VES/EWS wird bei Grundstücken, bei denen die für die Beitragsbemessung maßgebliche vorhandene Bebauung im Verhältnis zur gewerblichen Nutzung nur untergeordnete Bedeutung hat, ein Viertel der Grundstücksfläche als Geschossfläche in Ansatz gebracht.
Das klägerische Grundstück hat eine Fläche von 6.027 m². Gem. § 6 Abs. 1 Buchstabe a VES/EWS beträgt der Beitragssatz pro m² Grundstücksfläche 0,06 EUR. Der Grundstücksflächenbeitrag für das klägerische Grundstück beläuft sich damit auf die im Bescheid vom 16. November 2018 festgesetzte Höhe von 361,62 EUR.
Auch der gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 und 2 VES7EWS mit einem Viertel der Grundstücksfläche als Bezugsgröße angesetzte Geschossflächenbeitrag ist in der Höhe nicht zu beanstanden.
Das Grundstück ist nach dem maßgeblichen Bebauungsplan gewerblich nutzbar. Es wird als B.platz und zur Pferdehaltung auch tatsächlich gewerblich genutzt. Die auf dem Grundstück vorhandene Bebauung darf gem. § 5 Abs. 2 Satz 6 VES/EWS nicht zum Geschossflächenbeitrag herangezogen werden, weil sie entweder keinen Anschlussbedarf auslösen (Weidehütte, Scheune, leerstehende Stallungen – soweit sie aufgrund Rückbaus tatsächlich nicht mehr als Stallung nutzbar sind; vgl. dazu: Thimet in: Kommunalabgaben- und Ortsrecht in Bayern, Bd. 1, IV, Frage 12 Nr. 3.2.8.) oder weil sie wegen des Einleitungsverbots für Abwasser aus Tierhaltung gem. § 14 Abs. 2 Nr. 8 EWS nicht an die Schmutzwasserleitung angeschlossen werden dürfen (Pferdestall). Mithin ist auf dem klägerischen Grundstück keine für die Beitragserhebung i.S.v. § 5 Abs. 3 Satz 2 VES/EWS maßgebliche Bebauung vorhanden, so dass gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 und 2 VES/EWS ein Viertel der Grundstücksfläche, also 1.506 m², als fiktive Geschossfläche zu veranschlagen ist. Bei einem Beitragssatz von 1,62 EUR pro m² (vgl. § 6 Abs. 1 Buchstabe b VES/EWS) beträgt der Geschossflächenbeitrag damit die im Bescheid vom 16. November 2018 korrekt festgesetzten 2.424,66 EUR.
Anhaltspunkte dafür, dass das Heranziehen zu einem solchen Geschossflächenbeitrag im Allgemeinen oder im besonderen Einzelfall unverhältnismäßig sein könnte, sind weder vorgetragen, noch ersichtlich. Insbesondere ist die Veranlagung mit einer fiktiven Geschossfläche von einem Viertel der Grundstücksfläche rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. bereits BayVGH, B.v. 1.12.2005 – 23 ZB 05.2083; U.v. 28.20.1999 – 23 N 99.1354) und angesichts der auch im konkreten Einzelfall auf dem klägerischen Grundstück nach Maßgabe des Bebauungsplans zulässigen Bebauung nicht unverhältnismäßig.
Der mit Bescheid vom 16. November 2018 erhobene Verbesserungs- und Erneuerungsbeitrag ist mithin auch in der Höhe rechtmäßig.
2.3. Die Beitragsschuld war gem. § 3 Abs. 1 VES/EWS im Zeitpunkt der Erhebung auch bereits entstanden. Gem. § 3 Abs. 1 VES/EWS entsteht die Beitragsschuld, wenn die Verbesserungs- und Erneuerungsmaßnahmen tatsächlich beendet sind, wie es vorliegend mit der Inbetriebnahme der im Umfang von § 1 VES7ESW ertüchtigten Kläranlage am 18. Dezember 2017 der Fall war.
Die Klage war insgesamt mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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