Baurecht

Verpflichtung zur Verbringung von Abfallbehältern an die nächstgelegene, durch ein Sammelfahrzeug anfahrbare und zugängliche Stelle

Aktenzeichen  4 A 6/21 MD

Datum:
3.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Magdeburg 4. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:VGMAGDE:2022:0203.4A6.21MD.00
Normen:
§ 4 AbfG ST 2010
§ 4 AbfG ST 2010
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

Müll darf nur abgeholt werden, wenn die Zufahrt zu Müllbehälterstandplätzen derart angelegt ist, dass ein Rückwärtsfahren maximal über eine Strecke von 150 Metern erforderlich ist.(Rn.36)

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 21.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2019 wird aufgehoben, soweit der Kläger damit aufgefordert wird, auch die „DSD-Abfälle analog der bestehenden Abstimmungsvereinbarung mit DSD / Landbell“ bereitzustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu ¾ und der Beklagte zu ¼.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Anordnung des Beklagten, mit der ihm aufgegeben wurde, seine Abfallbehälter an einem Stellplatz zur Abholung bereit zu stellen.
Er ist Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks in A-Stadt (Ortsteil S.), das er an eine Familie mit zwei Kindern vermietet hat. Das Grundstück befindet sich am Ende einer vor 1991 erbauten und nahezu geradlinig verlaufenden Stichstraße. Bei dieser Straße handelt es sich um eine Sackgasse, die für Müllfahrzeuge über keine Wendemöglichkeit auf öffentlichem Grund verfügt. Das klägerische Grundstück befindet sich im hinteren Teil der Sackgasse in ca. 350 m Entfernung zur Dorfstraße. In den letzten Jahrzehnten gestaltete sich die Abholung der Mülltonnen des Klägers in der Weise, dass die Entsorgungsfahrzeuge in die Stichstraße vorwärts eingefahren sind, auf Höhe des Grundstücks des Klägers gewendet haben und unter Mitnahme des Abfalls des Klägers den gleichen Weg zurückgefahren sind.
Mit Bescheid des Beklagten vom 21.05.2019 wurde der Kläger aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass die auf seinem Grundstück anfallenden Abfälle ab dem 01.07.2019 zum jeweiligen Tage der Abholung unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 18 Abs. 2 der Abfallentsorgungssatzung an einem näher bezeichneten Platz zur Abholung bereitgestellt werden. Dies gelte für Altpapier, Bioorganische Abfälle, Sperrabfall, Elektro- und Elektronikaltgeräte, Restabfall und „DSD-Abfälle analog der bestehenden Abstimmungsvereinbarung mit DSD / Landbell“. Zur Begründung hieß es, für den Kläger bestehe eine abfallrechtliche Überlassungspflicht. Er sei verpflichtet, sein Grundstück an die öffentliche Abfallentsorgung anzuschließen und diese entsprechend zu benutzen. Grundlage für die Zuweisung dieses Stellplatzes sei § 4 Abs. 3 Satz 1 AbfG LSA. Die Zufahrt zu dem oben genannten Grundstück sei über eine öffentliche Straße zwar möglich. Allerdings handele es sich um eine Sackgasse ohne Wendemöglichkeit. Der Kläger sei deshalb gebeten worden, eine entsprechende Nutzungsvereinbarung (Haftungsfreistellung) zum Zwecke des Wendens der Abfallsammelfahrzeuge auf seinem Grundstück zu schließen. Dies habe er abgelehnt. Die örtlich zuständige Gemeinde – die Stadt A-Stadt – habe sich ebenfalls geweigert, eine öffentlich-rechtliche Nutzungsvereinbarung zum Zwecke der Haftungsübernahme einzugehen. Damit dürfe das Teilstück der in Rede stehenden Straße zu seinem Grundstück mit Abfallsammelfahrzeugen grundsätzlich nicht angefahren werden. Dies folge aus verschiedenen Unfallverhütungsvorschriften der zuständigen Berufsgenossenschaft. Danach sei das Rückwärtsfahren für Abfallsammelfahrzeuge zum Zwecke des Abfallsammelns grundsätzlich verboten. Ausgenommen von diesem generellen Rückwärtsfahrverbot seien Straßen, die im neuen Bundesgebiet vor Inkrafttreten des Einigungsvertrages gebaut worden seien. In diese Straßen dürfe unter bestimmten – hier unstreitig gegebenen – Voraussetzungen (ausreichende Straßenbreite und Tragfähigkeit, gerade Rückwärtsfahrtstrecke) rückwärts für max. 150 m eingefahren werden. Aus diesem Grund sei es notwendig geworden, dem Kläger einen neuen Stellplatz für seine überlassungspflichtigen Abfälle zu benennen. Grundlage hierfür sei § 18 Abs. 4 der Abfallentsorgungssatzung. Hiernach seien die Abfälle an der nächst gelegenen mit Abfallsammelfahrzeugen zu erreichenden öffentlichen Straße bereitzustellen, wenn die Abholung der Abfälle vom Grundstück wegen berufsgenossenschaftlicher Unfallverhütungsvorschriften nicht möglich sei. Neuer Bereitstellungsort für die Abfälle zum Tage der Abholung sei daher der – vom Grundstück des Klägers ca. 200 m östlich gelegene – seitliche Straßenbereich in Höhe des vorderen Gebäudegiebels auf dem Grundstück Gemarkung S., Flur 4, Flurstück 306/13. Wegen der „DSD-Abfälle in den gelben Tonnen“ wurde zur Begründung im Bescheid u.a. Bezug genommen auf § 22 VerpackG und auf eine Abstimmungsvereinbarung vom 10.03./19.03.2003. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 10.06.2019 Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, dass die fragliche Straße älter sei als die DDR. Die im angefochtenen Bescheid angeführten Vorschriften würden nur für Straßen gelten, die nach der Wende angelegt worden seien.
Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 23.07.2019 – dem Kläger zugestellt am 24.07.2019 – zurück. Er wiederholte seine Ausführungen aus dem Bescheid vom 21.05.2019 und wies darauf hin, dass die Bestimmungen, die für „alte Straßen“ gelten, bei der Entscheidung berücksichtigt worden seien. Danach sei das Rückwärts-Einfahren in die hier in Rede stehende Straße zwar zulässig, aber nicht bis zu dem hier in Rede stehenden Wohngrundstück, sondern lediglich max. 150 m.
Der Kläger hat am 26.08.2019, einem Montag, Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor:
Seit die Firma C.-Trans das Abfallgeschäft übernommen habe, gebe es im Bereich des Beklagten viele Beschwerden wegen der Abholung der gelben Tonnen. Diese Firma habe ein eigenwilliges Konzept zur Kosten-Minimierung eingesetzt, das sie „brutal durchführte“. Sie hole nicht mehr alle Tonnen ab, sondern verlange von vielen Bürgern, dass sie ihre Tonnen an die Hauptstraßen beförderten, damit die Entsorgungsfirma nicht mehr in die Nebenstraßen fahren müsse. Deshalb seien beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt zahlreiche Beschwerden eingegangen. Auch er habe sich beschwert. Dennoch stehe der Beklagte nicht seinen Bürgern bei, sondern versuche, den Protest der Bürger zu unterdrücken. Dies erkläre auch den angegriffenen Bescheid. Der dort genannte Sachverhalt sei im Übrigen frei erfunden. Keiner der Fahrer eines Entsorgungsfahrzeuges sei je auf die Idee gekommen, rückwärts in die Straße einzufahren, um die Tonnen aufzunehmen. Vielmehr seien die Fahrzeuge seit jeher vorwärts in die Straße eingefahren und hätten dann an seinem Grundstück gewendet. Hierzu fahre das Entsorgungsfahrzeug ca. 7 m rückwärts auf sein Grundstück und sodann wieder vorwärts den gleichen Weg zurück. Auf diese Art und Weise habe die Entsorgung seiner Mülltonnen seit Jahrzehnten beanstandungslos funktioniert.
Überdies lasse sich der Abfallentsorgungssatzung nicht entnehmen, dass Entsorgungsfahrzeuge allein auf öffentlichen Wegen fahren dürften. Was die geforderte Haftungsfreistellung anbelange, so verlange die Abfallentsorgungssatzung zwar einen Wege-Zustand, der den Vorschriften der Berufsgenossenschaft entspreche. Eine Haftungsfreistellung verlange sie vom Bürger aber nicht. Nach Ziffer 1.1.3.2 der Anl. 3 zu der Abstimmungsvereinbarung müssten Privatgrundstücke angefahren werden, wenn eine mit den Vorschriften der Berufsgenossenschaft konforme Befahrung möglich sei sowie eine Zustimmung des Grundstückseigentümers in Textform vorliege. Beide Voraussetzungen seien hier gegeben. Er habe mehrfach schriftlich seine Zustimmung zum Befahren seines Grundstückes erklärt, etwa im Schreiben vom 14.02.2019. Eine Haftungsübernahmeerklärung werde nicht gefordert. Auf diese Regelungen könne er sich gegenüber dem Beklagten – jedenfalls über Art. 3 Abs. 1 GG in Form der „Selbstbindung der Verwaltung“ – auch berufen. Abgesehen davon sei die durch den Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 05.08.2020 überreichte Abstimmungsvereinbarung unwirksam. Der Kreistag habe nicht die Möglichkeit, eine solche Vereinbarung zu beschließen.
Der Kläger beantragt schriftlich,
den Bescheid des Beklagten vom 21.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2019 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt schriftlich,
die Klage abzuweisen.
Er verteidigt den angegriffenen Bescheid und verweist unter anderem auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg vom 22.09.2010 (Az. 9 A 342/09 MD). Das Gericht habe dort entschieden, dass Unfallverhütungsvorschriften ein rechtliches Hindernis darstellen könnten, die Abfälle an Grundstücken abzuholen, wenn diese nicht ohne Verstoß gegen solche Vorschriften mit den üblichen Entsorgungsfahrzeugen zu erreichen seien.
Bei der Abstimmungsvereinbarung des Beklagten mit den für die LVP – Entsorgung verantwortlichen Systemen handele es sich nicht um Außenrecht mit direkter Wirkung für dessen Einwohner, sondern um einen privatrechtlichen Vertrag mit den Systemen, der nur Bindungswirkung für die Vertragsparteien habe. Deshalb könne der Kläger aus diesem Regelwerk keine Rechte herleiten. Was die Regelungen in Ziffer 1.1.3.2 der Anl. 3 zum Abstimmungsvertrag anbelange, so genüge im Übrigen eine einfache Erklärung „ich stimme zu“ den dort genannten Anforderungen nicht. Vielmehr sei eine Erklärung erforderlich, die auch eine Haftungsübernahme beinhalte. Die LVP – Entsorger verweigerten die Entsorgung direkt am Grundstück des Klägers aus den gleichen Gründen, die in den angefochtenen Bescheiden genannt seien. Der Stellplatz sei dem Kläger auch bezüglich der DSD- Abfälle zugewiesen worden, um eine einheitliche Handhabung zu gewährleisten. Sollte dies aus formalrechtlichen Gründen nicht möglich sein, wäre der Bescheid nur hinsichtlich dieser Anordnung aufzuheben. Der Bescheid sei insoweit teilbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage, über die trotz Ausbleibens der Beteiligten in der letzten mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte, weil die Beteiligten in der Ladung hierauf hingewiesen worden sind (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO), hat teilweise Erfolg.
Der Bescheid des Beklagten vom 21.05.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.07.2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), soweit er damit aufgefordert wurde, die „DSD-Abfälle analog der bestehenden Abstimmungsvereinbarung mit DSD / Landbell“ bereitzustellen (1.). Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (2.).
1. Dem Beklagten steht materiell-rechtlich nicht die Befugnis zu, vom Kläger die Bereitstellung der „DSD-Abfälle“ (also der zu entsorgenden Leichtverpackungen mittels „gelber Tonnen“) an einem bestimmten Ort aufzugeben. Ihm fehlt es insoweit an der erforderlichen „VA-Befugnis“.
Die Befugnis einer Behörde zum Erlass eines Verwaltungsakts erfordert eine Prüfung in zweierlei Hinsicht. Zum einen ist materiell-rechtlich danach zu fragen, ob die Behörde den betreffenden Lebenssachverhalt überhaupt der gewünschten Regelung unterziehen darf. Dies bestimmt sich nach den rechtsstaatlichen und demokratischen Grundsätzen vom Vorbehalt des Gesetzes. Demnach bedarf das Verwaltungshandeln einer Ermächtigungsgrundlage durch ein Parlamentsgesetz (Gesetz im formellen Sinne) oder zumindest eine untergesetzliche Rechtsnorm (Gesetz im materiellen Sinne), wenn es – wie hier – Eingriffscharakter aufweist. Zum anderen ist in formeller Hinsicht zu klären, ob sich mit der prinzipiellen Regelungsbefugnis zugleich die Berechtigung zum Erlass eines Verwaltungsakts verbindet (zum Ganzen Stelkens/Bonk/Sachs/Stelkens, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 35 Rn. 25 sowie NK-VwVfG/Alexander Windoffer, 2. Aufl. 2019, VwVfG § 35 Rn. 15 f.). Schon die erste Voraussetzung ist hier nicht gegeben.
Was die Frage anbelangt, ob der Beklagte als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger auch für die Entsorgung der „DSD-Abfälle“ zuständig ist, hat die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Magdeburg hierzu in einem Beschluss vom 09.04.2019 (- 9 B 7/19 MD -, n.v.) ausgeführt:
„Die Aufgabe der Entsorgung von Leichtverpackungsabfällen ist vorliegend nicht dem öffentlich-rechtlichem Entsorgungssystem des Antragsgegners zuzuordnen, sondern wird grundsätzlich eigenständig durch das daneben bestehende private Rücknahmesystem des Systembetreibers wahrgenommen. Zwar ist der Antragsgegner als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger gemäß § 3 Abs. 1 S.1 AbfG LSA i. V. m. § 1 Abs. 1 S. 1 der Abfallentsorgungssatzung grundsätzlich für die Abfallentsorgung in seinem Gebiet zuständig. So hat dieser gemäß § 20 Abs. 1 S. 1 KrWG i. V. m. § 3 Abs. 1 S. 1 der Abfallentsorgungssatzung die in seinem Gebiet angefallenen und überlassenen Abfälle aus privaten Haushaltungen und Abfälle zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen zu verwerten und zu beseitigen. Für die hier streitige Entsorgung von Leichtverpackungsabfällen besteht jedoch lediglich eine Auffangverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, welche durch die primär bestehende privatwirtschaftlich organisierte Abfallentsorgung überlagert wird. Ausdruck dessen ist, dass die Leichtverpackungsabfälle nicht von der Überlassungsverpflichtung der Abfallbesitzer und -erzeuger an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger gemäß § 17 Abs. 1 KrWG umfasst wird, sodass eine privatwirtschaftliche Entsorgung erfolgen kann und vorliegend durch den Systembetreiber auch erfolgt.
Gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 KrWG sind die Erzeuger oder Besitzer von Abfällen aus privaten Haushaltungen zwar verpflichtet, die Abfälle dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu überlassen, soweit sie zu einer Verwertung auf den von ihnen im Rahmen ihrer privaten Lebensführung genutzten Grundstücke nicht in der Lage sind oder diese nicht beabsichtigen. Dies gilt auch für Erzeuger und Besitzer von Abfällen zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen, soweit sie diese nicht in eigenen Anlagen beseitigen (Satz 2). Besteht demnach eine Überlassungspflicht primär an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zur Verwertung und Beseitigung nach § 20 Abs. 1 S. 1 KrWG, hat er zur Konkretisierung der allgemeine Überlassungspflicht im Rahmen der Satzung zu regeln, in welcher Weise, an welchem Ort und zu welcher Zeit die Abfälle zu überlassen sind, welches unter anderem Regelungen zum Abholrhythmus und der Zahl und Kapazitäten der Abfallbehältnisse umfasst (vgl. Karpenstein/ Dingemann: in Jarass/ Petersen: Kreislaufwirtschaftsgesetz, Kommentar, 1. Aufl. 2014, § 17 Rn. 64). Demnach besteht bei einer geltenden Überlassungspflicht auch die Befugnis des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, Einzelfallmaßnahmen zur Entsorgung an einer konkreten Anfahrstelle zu treffen (vgl. zuletzt VG Magdeburg, U. v. 28.08.2018 – 9 A 754/16 MD -).
Diese Befugnis besteht vorliegend jedoch nicht. Denn bei den Leichtverpackungsabfällen des Antragstellers handelt es sich weder nach § 17 Abs. 1 S. 1 KrWG hinsichtlich der Abfälle aus dem privaten Haushalt (a.) noch nach § 17 Abs. 1 S. 2 KrWG bezüglich der Abfälle aus dem Gewerbebetrieb (b.) um an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger überlassungspflichtige Abfälle. Dies hat zur Folge, dass die Ausgestaltung und der konkrete Umfang der Entsorgung allein in der Verantwortung des privatwirtschaftlichen Entsorgungssystems liegt (c.).
a.) Die Überlassungspflicht für die Verpackungsabfälle aus dem privaten Haushalt des Antragstellers entfällt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 KrWG i.V. m. § 2 Abs. 1 S. 2 VerpackG. Danach besteht die Überlassungspflicht nicht für Abfälle, die einer Rücknahme- oder Rückgabepflicht auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 25 KrWG unterliegen, soweit nicht die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger auf Grund einer Bestimmung nach § 25 Abs. 2 Nr. 4 KrWG an der Rücknahme mitwirken. Die durch Rechtsverordnung begründeten Pflichten ergaben sich dabei aus der bis zum 31.12.2018 geltenden Verpackungsverordnung (VerpackV), welche nunmehr durch das am 01.01.2019 in Kraft getretene Verpackungsgesetz (VerpackG) ersetzt worden ist. So sind grundsätzlich außerhalb des öffentlich-rechtlichen Abfallbeseitigungssystems die Hersteller und Vertreiber zur Rücknahme und Verwertung gebrauchter Verkaufsverpackungen verpflichtet (§ 15 VerpackG) bzw. die Systembetreiber im Einzugsgebiet der beteiligten Hersteller zur Sammlung, Verwertung und Information (§ 14 VerpackG). Die Aufgabe der Entsorgung gebrauchter Verkaufsverpackungen ist daher den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern – unter teilweiser Durchbrechung ihres Entsorgungsmonopols – unmittelbar entzogen, auf die beteiligte Privatwirtschaft verlagert und einer abfallrechtlichen Sonderregelung unterstellt worden (vgl. zur VerpackV: Hessischer Verwaltungsgerichtshof, U. v. 16.07.2003 – 6 UE 3127/01 -, Rn. 35, juris).
Im Rahmen des privatrechtlichen Rücknahmesystems erfolgt im Gebiet des Antragsgegners die Entsorgung der Leichtverpackungen durch die Landbell AG als zuständigem Systembetreiber gemäß § 3 Abs. 16 S. 1 VerpackG, welche nach Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens nach § 23 VerpackG den Recyclinghof F. GmbH (Entsorger) mit der Entsorgung beauftragt hat: auch erfolgt eine Mitwirkung des Antragsgegners nach § 25 Abs. 2 Nr. 4 KrWG nicht. So weist dieser gemäß § 6 Abs. 3 der Abfallentsorgungssatzung zu Recht darauf hin, dass außerhalb der öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgung durch den Landkreis von dem jeweils zuständigen Systembetreiber nach der Verpackungsverordnung bzw. dem Verpackungsgesetz eine getrennte Erfassung von Leichtverpackungsabfällen (gelbe Abfallbehälter) stattfindet.
Als zuständiger Systembetreiber ist die L. AG gemäß § 14 Abs. 1 VerpackG verpflichtet, im Einzugsgebiet der beteiligten Hersteller eine vom gemischten Siedlungsabfall getrennte, flächendeckende Sammlung aller restentleerten Verpackungen bei den privaten Endverbrauchern (Holsystem) oder in deren Nähe (Bringsystem) oder durch eine Kombination beider Varianten in ausreichender Weise und für den privaten Endverbraucher unentgeltlich sicherzustellen. Die Sammelsysteme müssen dabei geeignet sein, alle bei den privaten Endverbrauchern anfallenden restentleerten Verpackungen bei einer regelmäßigen Leerung zuzuführen (Satz 2). § 23 Abs. 1 VerpackG sieht dabei eine Vergabe der Sammelleistungen nach § 14 Abs. 1 VerpackG an den Entsorger vor.
Vor diesem Hintergrund obliegt es grundsätzlich der L. AG bzw. dem durch diese beauftragten Entsorger eigenständig ein System zu schaffen und zu betreiben – hier mittels “gelber Tonnen” -, um die Entsorgung unter Beachtung der abfallwirtschaftlichen Ziele nach § 1 VerpackG beim Antragsteller als privatem Endverbraucher (§ 3 Abs. 11 VerpackG) sicherzustellen. Das privatrechtliche Entsorgungssystem der L. AG steht grundsätzlich eigenständig neben dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungssystem des Antragsgegners. Gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 VerpackG ist jedoch das Entsorgungssystem des Systembetreibers auf die vorhandenen Sammelstrukturen der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger abzustimmen. Die Abstimmung hat dabei durch schriftliche Vereinbarung des Systems mit dem jeweils zuständigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu erfolgen (Satz 2). Der Umstand, dass vorliegend bislang zwischen dem Antragsgegner und der L. AG keine schriftliche Abstimmungsvereinbarung zustande gekommen ist, führt jedoch entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht zum Entfall der Entsorgungszuständigkeit der L. AG. Denn der Zweck einer solchen Abstimmung liegt allein darin, die Entsorgung durch öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger einerseits und private Rücknahmesysteme andererseits zu harmonisieren und wirtschaftliche Nachteile für bereits eingeführte Entsorgungssysteme zu verhindern (vgl. BVerwG, B. v. 26.03.2018 – 7 B 8/17 -, juris). Soweit der Antragsteller auf § 18 VerpackG verweist, wonach der Betrieb eines Systems einer Genehmigung bedarf, welche unter anderem nur bei Abschluss einer Abstimmungsvereinbarung mit allen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern in dem betreffenden Land oder bei Unterwerfung unter eine bestehende Abstimmungsvereinbarung erteilt wird (vgl. § 18 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VerpackG), vermag dies seinem Begehren ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn es sind seitens des Gerichts keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der L. AG eine derartige Genehmigung nicht erteilt worden ist (vgl. insoweit: https://www.landbell.de/uber-landbell/#dualessystem).
Die Entsorgung der Leichtverpackungsabfälle wird demnach vom Entsorgungssystem der L. AG, als eigenständiges, auf dem Grundsatz der Produktverantwortung aufbauendes Entsorgungssystem mit selbstständig funktionierenden Stoffkreisläufen außerhalb der öffentlich-rechtlichen Entsorgung erfasst, sodass es ausweislich der gesetzlichen Bestimmung des § 17 Abs. 2 Nr. 1 KrWG keiner Überlassungspflicht an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers mit der Folge bedarf (vgl. Karpenstein/ Dingemann: in Jarass/ Petersen: Kreislaufwirtschaftsgesetz, a.a.O., § 17 Rn. 126), dass dem Antragsgegner öffentlich-rechtliche Aufgaben in diesem Zusammenhang nicht obliegen. […]
c.) Demnach besteht bei dem hier streitigen Umfang bzw. der Durchführung der Entsorgung der Leichtverpackungsabfälle mittels “gelber Tonnen” im Einzelfall eine alleinige Zuständigkeit der L. AG als zuständigem privatrechtlichem Systembetreiber. Diese hat eine ordnungsgemäße Entsorgung im Einzelfall sicherzustellen und auf den Entsorger einzuwirken. Eine Zuständigkeit des Antragsgegners als öffentlich- rechtlichem Entsorgungsträger für die hier streitige Entsorgung der Leichtverpackungen ist somit nicht ersichtlich. Eine solche ist auch nicht aus der Entsorgungspflicht des Antragsgegners nach § 20 Abs. 1 S. 1 KrWG i. V. m. § 3 Abs. 1 S. 1 der Abfallentsorgungssatzung herzuleiten. Denn dies statuiert – wie bereits beschrieben – nur eine Auffangverantwortung des öffentlichen-rechtlichen Entsorgungsträgers im Falle eines “Marktversagens” des privaten Systembetreibers (vgl. Karpenstein/ Dingemann: in Jarass/ Petersen: Kreislaufwirtschaftsgesetz, a.a.O., § 17 Rn. 4 f.). Hierfür sind jedoch vorliegend keine Umstände ersichtlich.“
Der Einzelrichter schließt sich diesen überzeugenden Ausführungen an. Ist der Beklagte mithin weder als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger noch in seiner Eigenschaft als untere Abfallbehörde für die Entsorgung der „DSD-Abfälle“ zuständig, fehlt ihm auch die Befugnis, vom Kläger die Bereitstellung der zu entsorgenden Leichtverpackungen an einem bestimmten Ort zu fordern. Dies zu regeln ist vielmehr Sache des privatwirtschaftlichen Entsorgers.
2. Soweit es um die übrigen im Bescheid bezeichneten Abfälle geht, sind die angegriffenen Bescheide hingegen rechtmäßig.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids ist der Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung, weil es sich bei der Anordnung eines grundstücksfernen Bereitstellungsplatzes für Abfallbehälter um einen sog. Dauerverwaltungsakt handelt.
Rechtsgrundlage der streitbefangenen Anordnung des Beklagten ist insoweit § 18 Abs. 3 und Abs. 4 der Satzung über die Abfallentsorgung für den Landkreis Stendal (Abfallentsorgungssatzung – AS) vom 01.03.2018, veröffentlicht im Amtsblatt für den Landkreis Stendal Nr. 9 vom 14.03.2018, in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 AbfG LSA.Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AbfG LSA regeln die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger die Abfallentsorgung durch Satzung. Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger können gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AbfG LSA Anordnungen im Einzelfall erlassen, um die Einhaltung der satzungsrechtlichen Vorschriften und auferlegten Verpflichtungen sicherzustellen, und diese Anordnungen zwangsweise durchsetzen.
Gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 und 2 AS sind die Abfallbehälter und Abfälle in der Regel so am Grundstück angrenzenden, nächstgelegenen öffentlichen Straßenrand bereitzustellen, dass der Entsorgungswille eindeutig erkennbar ist. Hierbei muss die Straße für Abfallsammelfahrzeuge entsprechend der gesetzlichen und berufsgenossenschaftlichen Bestimmungen (Unfallverhütungsvorschriften) befahrbar sein. Nach § 18 Abs. 4 Satz 1 AS gilt: Wenn wegen der besonderen Lage der Grundstücke, der baulichen Beschaffenheit der Zufahrt oder des Aufstellungsortes der Behälter bzw. bei Einhaltung der gesetzlichen und berufsgenossenschaftlichen Bestimmungen eine Befahrung der dem Grundstück nächstgelegenen öffentlichen Straße nicht möglich ist, sind die Abfallbehälter an der dieser nächstgelegenen öffentlichen Straße bereitzustellen.
a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 18 Abs. 4 Satz 1 AS i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 AbfG LSA liegen vor.
Die Abfuhr der Abfälle vom streitbefangenen Grundstück ist wegen seiner besonderen Lage bei Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften nicht möglich. Die öffentliche Straße, an der das Grundstück des Klägers liegt, ist eine Sackgasse, die nach den örtlichen Verhältnissen zum einen über keine Wendeanlage (Wendekreis, Wendeschleife oder Wendehammer) verfügt, die ein gefahrloses Wenden der vom Entsorgungsträger eingesetzten Sammelfahrzeuge ermöglicht. Zum anderen ist wegen der mit dem Rückwärtsfahren einhergehenden Gefährdung ein solches nach den für die öffentliche Straße maßgebenden Unfallverhütungsvorschriften über eine längere Strecke als 150 m nicht zulässig. Das Grundstück des Klägers befindet sich ca. 350 Meter vom Kreuzungsbereich zur nächsten Dorfstraße entfernt. Damit müsste das Müllfahrzeug 350 Meter rückwärtsfahren, um zum Grundstück des Klägers zu gelangen. Dem stehen aber berufsgenossenschaftliche Unfallverhütungsvorschriften entgegen. Hierbei handelt es sich um ein in § 18 Abs. 3 Satz 2 AS und § 18 Abs. 4 Satz 1 AS ausdrücklich erwähntes rechtliches Hindernis einer Anfahrt zum Grundstück.
Es ist in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte geklärt, dass rechtliche Hindernisse, die der Anfahrt eines Sammelfahrzeugs entgegenstehen, insbesondere aus straßenverkehrsrechtlichen und arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen folgen können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.03.2011 – 7 B 4.11 -, juris Rn. 8; OVG NRW, Beschluss vom 05.12.2018 – 15 A 3232/17 -, juris Rn. 10; BayVGH, Urteil vom 11.10.2010 – 20 B 10.1379 -, juris Rn. 20 ff.; VG Münster, Urteil vom 19.02.2010 – 7 K 963/06 -, juris Rn. 20; VG Magdeburg, Urteil vom 22.09.2010 – 9 A 342/09 MD -, n.v.).
Ein rechtliches Hindernis für die unmittelbare Anfahrt des Grundstücks des Klägers durch Müllfahrzeuge ergibt sich vorliegend aus arbeitsschutzrechtlichen Unfallverhütungsvorschriften.
§ 16 Nr. 1 der Vorschrift 43 und 44 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (DGUV) – Müllbeseitigung (vgl. zu diesen arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bzw. den Vorgängerregelungen BGV C27 und GUV-V C27 bereits explizit: BVerwG, Beschluss vom 17.03.2011 – 7 B 4.11 -, juris Rn. 9; OVG NRW, Beschlüsse vom 05.12.2018 – 15 A 3232/17 -, juris Rn. 10 und vom 06.08.2015 – 15 B 803/15 -, juris Rn. 10; BayVGH, Urteil vom 11.10.2010 – 20 B 10.1379 -, juris Rn. 20 ff.; VG Münster, Urteil vom 19.02.2010 – 7 K 963/06 -, juris Rn. 27) bestimmt, dass Müll nur abgeholt werden darf, wenn die Zufahrt zu Müllbehälterstandplätzen so angelegt ist, dass ein Rückwärtsfahren nicht erforderlich ist. Ergänzend und konkretisierend hierzu normiert § 16 Nr. 1 DGUV Vorschrift 44 für Entsorgungsfahrzeuge bei der Abholung von Abfällen, dass in einer Sackgasse die Möglichkeit bestehen muss, am Ende der Straße zu wenden. Den Vorschriften liegt die typisierende Annahme zugrunde, dass Rückwärtsfahrten von Abfallsammelfahrzeugen in erhöhtem Maß gefährlich und unfallträchtig sind (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 05.12.2018 – 15 A 3232/17 -, juris Rn. 12; VG Köln, Beschluss vom 15.02.2019 – 14 L 75/19 -, juris Rn. 17 f.). Entsprechendes folgt aus der DGUV Information 214-033 (Stand A. 2012, dort S. 13 „Wendeanlagen“).
Allerdings gilt die zitierte Vorschrift des § 16 Nr. 1 DGUV nach der Übergangsvorschrift des § 32 DGUV nur für Einrichtungen und Fahrzeuge, die nach Inkrafttreten dieser Vorschrift errichtet oder beschafft wurden. § 16 Nr. 1 DGUV in seiner heutigen Fassung ist am 01.01.1979 in Kraft getreten (vgl. § 33 DGUV Vorschrift 43), gilt in den neuen Bundesländern jedoch erst seit dem 01.01.1991. Daher kann diese Regelung hier erst für Einrichtungen und Fahrzeuge angewandt werden, die nach dem 01.01.1991 errichtet oder beschafft wurden. Bei der hier in Rede stehenden öffentlichen Straße handelt es sich – zwischen den Beteiligten unstreitig – um eine „alte DDR-Straße“, also um eine Straße, die vor dem 01.01.1991 errichtet wurde. Deshalb findet die Vorschrift des § 16 Nr. 1 DGUV hier keine Anwendung.
Neben der DGUV Vorschrift 43 und 44 („Müllbeseitigung“) ist jedoch die DGUV Vorschrift 1 („Grundsätze der Prävention“, vormals BGV A1) heranzuziehen. Nach § 2 Abs. 1 DGUV Vorschrift 1 hat der Unternehmer die erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren sowie für eine wirksame Erste Hilfe zu treffen. Die zu treffenden Maßnahmen sind insbesondere in staatlichen Arbeitsschutzvorschriften, dieser Unfallverhütungsvorschrift und in weiteren Unfallverhütungsvorschriften näher bestimmt. Nach Abs. 2 der Vorschrift hat der Unternehmer bei den Maßnahmen nach Abs. 1 von den allgemeinen Grundsätzen nach § 4 Arbeitsschutzgesetz auszugehen und dabei insbesondere das staatliche und berufsgenossenschaftliche Regelwerk heranzuziehen. Mangels konkreter staatlicher Arbeitsschutzvorschriften im Bereich der Abfallentsorgung ist hier die DGUV Information 214-033 („Sicherheitstechnische Anforderungen an Straßen und Fahrwege für die Sammlung von Abfällen“, Stand September 2021, Abschnitt 5 „Rückwärtsfahren“) heranzuziehen. Nach Abschnitt 5.1 der DGUV Information 214-033 ist die Sammelfahrt so zu planen, dass ein Rückwärtsfahren nicht erforderlich ist. Es könne aber immer zu Situationen kommen, in denen das Rückwärtsfahren unvermeidlich werde. In diesem Fall darf die zurückzulegende Strecke nicht länger als 150 m sein (Abschnitt 5.1 der DGUV Information 214-033). Diese Streckenlänge würde vorliegend überschritten, wenn das Müllfahrzeug bis zum Grundstück des Klägers fahren müsste. Der Beklagte hat sich damit in rechtlich nicht zu beanstandender Weise bei seiner Stellplatzzuweisung davon leiten lassen, in welchem Umfang den Mitarbeitern des Entsorgungsbetriebes ein Rückwärtsfahren mit dem Sammelfahrzeug – entgegen einer nicht bestehenden Wendemöglichkeit -noch zugemutet werden kann, nämlich bis zu einer Strecke von 150 m.
Dass das Rückwärtsfahren über die gesamte Straßenlänge im Widerspruch zu Unfallverhütungsvorschriften und -regeln steht, wird auch vom Kläger nicht in Abrede gestellt. Er verweist den Beklagten vielmehr auf die Möglichkeit eines Wendens unter Inanspruchnahme seines Grundstückes. Denn auf diese Weise habe die Entsorgung seiner Mülltonnen seit Jahrzehnten beanstandungslos funktioniert. Mit diesem Einwand dringt der Kläger aber ebenso wenig durch wie mit seinem Hinweis darauf, dass er es dem Betreiber der Entsorgungsgesellschaft grundsätzlich gestatten will, auf seinem privaten Grundstück zu wenden.
Zum einen ist es dem beauftragten Entsorgungsunternehmen nicht zuzumuten, beim Wendevorgang bewusst die Gefahr von Sachbeschädigungen an auf dem Grundstück des Klägers befindlichen Fahrzeugen oder Gegenständen in Kauf zu nehmen und sich damit gegebenenfalls gegenüber den Eigentümern schadensersatzpflichtig zu machen. Es besteht immer das Risiko, dass der private Wendebereich des (vom Kläger nicht selbst bewohnten) Grundstücks am Tag der Abholung nicht zum Wenden des Müllfahrzeuges benutzt werden kann, weil sich dort (und sei es auch nur aus Unachtsamkeit) Dinge zurückgelassen worden sind. Erkennt ein Fahrer, dass er den Wendevorgang nicht ohne Einbuße an Sachgütern abschließen kann, so wird er sich gezwungen sehen, die Sackgasse durch Rückwärtsfahren wieder zu verlassen. In diesem Fall verstößt er gegen Abschnitt 5.2 der DGUV Information 214-033. Ein solches Risiko ist dem Fahrer des Müllfahrzeuges nicht aufzubürden.
Zum anderen verkennt der Kläger, dass bei der Betrachtung, ob ein rechtliches Hindernis nach den vorstehend genannten Vorschriften besteht, allein auf öffentliche Flächen abgestellt werden kann. Denn grundsätzlich ist ein Entsorgungsunternehmen gehalten, private Flächen nicht zu befahren, da die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens vor allem an der Oberflächenbefestigung bei (regelmäßigem) Befahren dieser Flächen mit den großen und schweren Fahrzeugen außerordentlich hoch ist (hierauf zu Recht hinweisend: VG Köln, Beschluss vom 15.02.2019 – 14 L 75/19 -, juris Rn. 20).
Eine Verpflichtung, die private Grundstücksfläche zum Wenden zu nutzen, kommt deshalb erst dann in Betracht, wenn der Kläger einen vertraglichen Haftungsausschluss für Schäden an seinem Eigentum erteilt. Entsprechend heißt es in Abschnitt 3.9 der DGUV Information 214-033, dass dann, wenn die Entsorgung der Abfälle an den Grundstücken nur durch Befahren einer Privatstraße bzw. eines Privatgrundstückes möglich und gewollt sein sollte, eine schriftliche Haftungsfreistellung des Auftraggebers und eine Haftungsfreistellungserklärung zum Befahren vorliegen müsse. Auch in Abschnitt 4.4 der DGUV Information 214-033 wird zum Thema „Sonstige Wendemöglichkeiten“ darauf hingewiesen, dass sich das Entsorgungsunternehmen für den Fall, dass es zum Wenden ein Privatgrundstücke befahren müsse, eine Haftungsfreistellung des Auftraggebers und eine Haftungsfreistellungserklärung erteilen lasse soll. Eine entsprechende Mustervereinbarung zum Befahren von Privatstraßen und Privatgrundstücken findet sich in Anhang 4 zur DGUV Information 214-033. Der Kläger hat es bislang jedoch abgelehnt, eine solche Haftungsfreistellungserklärung abzugeben. Ihm steht es frei, die Haftungsfreistellung noch nachträglich zu erteilen.
b) Der Beklagte hat ferner das ihm hinsichtlich der Festlegung der Abholplätze sowie hinsichtlich der Durchsetzung dieser Festlegung gegenüber dem Kläger gemäß § 4 Abs. 3 AbfG LSA zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt.
Die Ermessensentscheidung des Beklagten hat das Verwaltungsgericht gemäß § 114 Satz 1 VwGO daraufhin zu prüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
Gemessen hieran sind Ermessensfehler des Beklagten nicht ersichtlich. Der Beklagte hat insbesondere die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten. Der Vollzug des § 18 Abs. 4 Satz 1 AS ist – wie jedes behördliche Handeln – durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beschränkt, wobei in diesem Rahmen auch die Frage der Zumutbarkeit Beachtung zu finden hat. Dies ist Ausfluss der Verteilung zwischen Überlassungs- und Entsorgungspflichten. Die Satzungsbestimmungen ermächtigen nicht zu Anordnungen, die den Transport der Abfälle zu dem Aufstellort als eine typischerweise bereits dem Einsammeln und Befördern zugehörige Tätigkeit erscheinen lassen. Die erhöhte Mitwirkungspflicht des Klägers als Grundlage der Verpflichtung zum Transport der Abfälle an einen Sammelpunkt entsteht damit nur, wenn die Verbringung der Abfälle zum Sammelpunkt auch zumutbar ist. Die Verhältnismäßigkeit richtet sich dabei nach der konkreten örtlichen Situation (BVerwG, Urteil vom 25.08.1999 – 7 C 27/98 -, juris Rn. 21).
Aus der örtlichen Situation des klägerischen Grundstücks ergibt sich nicht, dass die Verbringung der Abfallbehältnisse zum angeordneten Sammelpunkt nicht zumutbar wäre. Zwar kann das Verbringen von Abfällen nicht über beliebig weite Entfernungen angeordnet werden. Allerdings sind in der Rechtsprechung bisher – soweit ersichtlich – Entfernungen von 80 bis 215 Metern als noch zumutbar angesehen worden (zur Zumutbarkeit einer Wegstrecke von 80 m: VG Düsseldorf, Beschluss vom 16.06.2015 – 17 L 1761/15 -, juris Rn. 55, bestätigt von OVG NRW, Beschluss vom 06.08.2015 – 15 B 803/15 -, juris; zur Zumutbarkeit von Entfernungen von 100 m: BayVGH, Beschluss vom 29.10.2018 – 20 ZB 18.957 -, juris Rn.20 m.w.N.; Nds. OVG, Beschluss vom 17.03.2004 – 9 ME 1/04 -, juris Rn. 8; VG Magdeburg, Urteil vom 22.09.2010 – 9 A 336/09 -, n.v.; zur Zumutbarkeit einer Wegstrecke von 110 m: VG Münster, Urteil vom 19.02.2010 – 7 K 963/06 -, juris Rn. 28 ff.; zur Zumutbarkeit einer Wegstrecke von ca. 130 m: OVG BB, Beschluss vom 26.02.2016 – OVG 9 N 179.13 -, juris Rn. 22; zur Zumutbarkeit einer Strecke von ca. 140 m: VG Düsseldorf, Beschluss vom 09.01.2020 – 17 L 2581/19 -, juris Rn. 78; zur Zumutbarkeit einer Strecke von 200 bis 215 m: VG Köln, Beschluss vom 15.02.2019 – 14 L 75/19 -, juris Rn. 26).
Hier beträgt die Strecke, die bis zum Abstellort zurückgelegt werden muss, ca. 200 Meter. Aus welchem Grund die Verbringung der Behältnisse über eine solche Entfernung vorliegend die Grenze der Zumutbarkeit überschreiten sollte, hat der Kläger nicht vorgetragen. Gründe hierfür sind auch nicht ersichtlich. Eine Distanz von ca. 400 Metern für den Hin- und Rückweg lässt sich bei normaler Schrittgeschwindigkeit in ca. 6 bis 7 Minuten zurücklegen. Da das Abfallbehältnis über Rollen verfügt, ist ein solcher Weg regelmäßig auch nicht mit besonderen Erschwernissen verbunden. Die Verbringung der Müllsammelbehälter an den von dem Beklagten aufgegebenen Stellplatz ist vorliegend verhältnismäßig, weil hierdurch die bestehenden Lasten zwischen dem überlassungspflichtigen Abfallbesitzer (ca. 200 Meter Fußweg) und der öffentlich-rechtlichen Entsorgungskörperschaft (150 m Rückwärtsfahren) verhältnismäßig verteilt werden. Die Verlegung des Stellplatzes war notwendig, um eine ordnungsgemäße und gefahrlose Abfallentsorgung zu gewährleisten. Die mit der streitgegenständlichen Anordnung verbundene Belastung ist Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Eigentums am Grundstück. Sie dient einer geordneten Abfallentsorgung, an der ein besonderes Interesse der Allgemeinheit besteht (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 29.06.2004 – 9 A 373/03 MD -, n.v.). Sieht sich der Eigentümer eines (ggf. vermieteten) Grundstücks hierzu aus persönlichen Gründen nicht in der Lage, muss er jemanden mit dieser Aufgabe – ggf. gegen Entgelt – beauftragen. Dem Kläger steht es im Übrigen frei, sich von dieser Belastung durch Erteilung einer formalisierten Haftungsfreistellung für das Befahren seines Grundstücks zu befreien.
c) Auf den Inhalt und die Wirksamkeit der in Rede stehenden „Abstimmungsvereinbarung“, auf die sich der Kläger vorliegend noch beruft, kommt es nicht entscheidungserheblich an. Diese Vereinbarung enthält lediglich Regelungen zur Entsorgung der „DSD-Abfälle“. Sie trifft keine Aussage zu den übrigen Abfällen. Abgesehen davon hat diese Vereinbarung – ebenso wie § 22 VerpackG, auf dem diese Vereinbarung beruht – keinen drittschützenden Charakter hat. Der Zweck einer solchen Abstimmung liegt maßgeblich darin, die Entsorgung durch öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger einerseits und private Rücknahmesysteme andererseits zu harmonisieren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.03.2018 – 7 B 8/17 -, juris). Dementsprechend sollen im Wege der Abstimmung nur die äußeren Rahmenbedingungen der jeweiligen Entsorgungssysteme bestimmt werden, ohne dass hierdurch eine Berechtigung für den Eingriff im Einzelfall geschaffen werden soll (ebenso VG Magdeburg, Beschluss vom 09.04.2019 – 9 B 7/19 MD -). Auf Art. 3 Abs. 1 GG und den Grundsatz der „Selbstbindung der Verwaltung“ vermag sich der Kläger ebenfalls nicht mit Erfolg zu berufen. Er hat schon nicht nachvollziehbar vorgetragen, dass und in welcher Weise der Beklagte von seiner bisherigen Verwaltungspraxis zum Nachteil des Klägers abgewichen sein soll.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wobei das Gericht den Anteil der zu entsorgenden „DSD-Abfälle“ mit einem Viertel der insgesamt zu entsorgenden Abfälle bemessen hat.
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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