Baurecht

Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag

Aktenzeichen  6 B 19.1258

Datum:
6.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14692
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG [aF] Art. 5 Abs. 5, Abs. 1 S. 3, Abs. 3 S. 3, Art. 19 Abs. 8
BayStrWG Art. 53 Nr. 2

 

Leitsatz

1. Eine Baumaßnahme, mit der die in der Nachkriegszeit (wieder-)hergestellte Straße in einzelnen Teileinrichtungen in einen Zustand versetzt wird, der mit dem ursprünglichen im Wesentlichen vergleichbar ist, stellt eine Erneuerung dar; soweit sie auf eine Veränderung des bisherigen Zustands vor allem durch Umgestaltung in einen barrierefreien Fußgängerbereich über die gesamte Breite der Straße gerichtet ist, handelt es sich um eine beitragsfähige Verbesserung. (Rn. 22 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Welche Motive den Satzungsgeber zu der Erhöhung der gemeindlichen Eigenanteile bewogen haben und wie er die Einnahmeausfälle kompensieren will (hier: durch Erhöhung des Hebesatzes für die Grundsteuer B), ist unerheblich, denn für die Gültigkeit untergesetzlicher Normen ist, soweit keine anderweitigen Rechtsvorschriften bestehen, allein das Ergebnis des Rechtsetzungsaktes maßgeblich. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 3 K 17.1167 2018-09-20 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 20. September 2018 – W 3 K 17.1167 – geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden‚ sofern nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
Der angefochtene Vorauszahlungsbescheid vom 29. August 2017 ist dem Grunde wie der Höhe nach rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klage ist daher unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.
1. Durch das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 26. Juni 2018 (GVBl S. 449) wurde rückwirkend zum 1. Januar 2018 die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen verboten (Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG n.F.). Allerdings verbleibt es für Beiträge und für Vorauszahlungen, die – wie hier – bis zum 31. Dezember 2017 durch Bescheid festgesetzt worden sind, nach Maßgabe der Übergangsvorschriften in Art. 19 Abs. 7 und 8 KAG bei der früheren, bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Rechtslage (KAG a.F.), die sich aus dem Kommunalabgabengesetz selbst und dem auf seiner Grundlage wirksam erlassenen gemeindlichen Satzungsrecht ergibt.
2. Auf dieser Rechtsgrundlage hat die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 29. August 2017 dem Grunde wie der Höhe nach rechtmäßig zu einer Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag nach Art. 5 Abs. 5, Abs. 1 Satz 3 KAG a.F. für die im Juli 2016 begonnene Erneuerung und Verbesserung der K. H1.straße herangezogen.
Die Straßenbaumaßnahme ist nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 3 KAG a.F. beitragsfähig (a). Die Ausbaubeitragsatzung – ABS – der Beklagten vom 10. Juli 2007, zuletzt geändert durch Satzung vom 5. August 2016, bildet eine wirksame Rechtsgrundlage für den Vorauszahlungsanspruch; insbesondere enthält sie – entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts – in § 7 Abs. 2 Nr. 5 eine Eigenbeteiligungsregelung für Fußgängerbereiche, die den gesetzlichen Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 KAG a.F. genügt (b). Die Grundstücke der Klägerin unterliegen der Beitrags- und damit zugleich der Vorauszahlungspflicht (c). Die Vorauszahlung ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden (d). Ob die Beklagte sie endgültig behalten darf, bestimmt sich nach der Übergangsregelung des Art. 19 Abs. 8 KAG und ist nicht Prüfungsgegenstand in diesem Verfahren.
a) Die Straßenbaumaßnahme, mit der die K. H1.straße seit Juli 2016 verkehrsberuhigt ausgebaut wird, ist beitragsfähig.
Bei der K. H1.straße handelt es sich seit ihrer Umstufung zum Fußgängerbereich im Jahr 1992 um einen beschränkt-öffentlichen Weg (vgl. Art. 53 Nr. 2 BayStrWG). Für dessen Erneuerung und Verbesserung durfte (und musste) die Beklagte auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAG a.F. in Verbindung mit ihrer Ausbaubeitragssatzung Beiträge von denjenigen Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieses Fußgängerbereichs besondere Vorteile bietet (zur Beitragserhebungspflicht nach früherer Rechtslage BayVGH, U.v. 9.11.2016 – 6 B 15.2732 – BayVBl 2017, 200).
Eine Erneuerung stellt die Baumaßnahme dar, soweit sie die in der Nachkriegszeit (wieder-)hergestellte K. H1.straße in einzelnen Teileinrichtungen in einen Zustand versetzt, der mit dem ursprünglichen im Wesentlichen vergleichbar ist. Insoweit sind die Voraussetzungen für ihre Beitragsfähigkeit erfüllt (dazu BayVGH, U.v. 18.5.2017 – 6 BV 16.2345 – BayVBl 2018, 29 Rn. 15). Die übliche Nutzungsdauer von Straßen einschließlich der Teileinrichtung Gehweg, die nach ständiger Rechtsprechung 20 bis 25 Jahre beträgt, war – bei weitem – abgelaufen. Ferner war die K. H1.straße ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Unterlagen tatsächlich abgenutzt und erneuerungsbedürftig.
Soweit die Baumaßnahme auf eine Veränderung des bisherigen Zustands vor allem durch Umgestaltung in einen barrierefreien Fußgängerbereich über die gesamte Breite der Straße gerichtet ist, handelt es sich um eine beitragsfähige Verbesserung. Denn die funktionale Aufteilung der Gesamtfläche, die ursprünglich in Fahrbahn, Parkbuchten und höherliegende Gehwege gegliedert war, wird durch den Ausbau in verkehrstechnischer Hinsicht vorteilhaft verändert (vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2014 – 6 ZB 12.1119 – juris Rn. 13). Diese vorteilhafte Veränderung wird entgegen der Ansicht der Klägerin nicht dadurch geschmälert oder gar entwertet, dass in der K. H1.straße weiterhin Schienen verlegt sind und diese in durchaus erheblichem Umfang durch Straßenbahnen für den öffentlichen Personennahverkehr genutzt werden. Das hat der Senat bereits für die sich anschließende, ebenfalls als Fußgängerbereich gewidmete J…promenade entschieden (BayVGH, U.v. 5.2.2007 – 6 BV 05.2153 – BayVBl 2007, 597); für die K. H1.straße gilt nichts anderes.
b) Die Ausbaubeitragsatzung der Beklagten vom 10. Juli 2007, zuletzt geändert durch Satzung vom 5. August 2016, bildet eine wirksame Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung und das Vorauszahlungsverlangen (zum Erfordernis einer wirksamen Beitragssatzung für die Erhebung von Vorauszahlungen etwa BayVGH, U.v. 1.6.2011 – 6 BV 10.2467 – BayVBl 2012, 206 Rn. 31); insbesondere enthält sie in § 7 Abs. 2 Nr. 5 eine Eigenbeteiligungsregelung für Fußgängerbereiche, die den gesetzlichen Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 KAG a.F. genügt.
aa) Nach Art. 5 Abs. 3 KAG a.F. ist in der Abgabesatzung eine Eigenbeteiligung der Gemeinde vorzusehen, wenn die Einrichtung neben den Beitragspflichtigen nicht nur unbedeutend auch der Allgemeinheit zugutekommt (Satz 1). Die Eigenbeteiligung muss die Vorteile für die Allgemeinheit angemessen berücksichtigen (Satz 2). Satzungen nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG a.F., also solche der in Rede stehenden Art zur Erhebung eines Straßenausbaubeitrags, haben eine vorteilsgerecht abgestufte Eigenbeteiligung einheitlich für das gesamte Gemeindegebiet vorzusehen (Satz 3).
Aus der gesetzlichen Vorgabe, den öffentlichen Nutzen „angemessen“ in die Eigenbeteiligung einzustellen, sowie der Erkenntnis, dass sich aus Straßenbaumaßnahmen erwachsende Vorteile einer rechnerisch exakten Bemessung von vornherein entziehen, weshalb nur nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab vorgegangen werden kann, folgt zwangsläufig, dass der Gemeinde bei der Entscheidung über die Eigenbeteiligungssätze im Einzelnen ein weiter Gestaltungs- und Bewertungsspielraum zuzubilligen ist, der nicht der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. BVerwG, B.v. 3.9.2014 – 9 B 47.14 – juris Rn. 4). Die Ermächtigung des Satzungsgebers, diesen Spielraum auszuschöpfen, findet ihre rechtliche Grenze erst in den allgemeinen abgaberechtlichen Grundsätzen, nämlich dem Prinzip, dass der Beitrag einen Ausgleich für einen Vorteil darstellen muss, der Verhältnismäßigkeit und dem Willkürverbot. Innerhalb dieser Grenzen ist es jedoch nicht zu beanstanden, wenn die Gemeinde typische Fallgruppen in einer vereinheitlichenden Weise erfasst, die das Heranziehungsverfahren praktikabel, überschaubar und effizient gestaltet (BayVGH, U.v. 27.9.2018 – 6 BV 17.1320 – juris Rn. 18; U.v. 27.6.2019 – 6 BV 19.81 – juris Rn. 22).
Ausgehend hiervon ist die gemeindliche Selbstbeteiligung so abzustufen, dass der Vorteil, der der Allgemeinheit im Verhältnis zu den Anliegern zuwächst, ausreichend differenziert berücksichtigt wird. Der Satzungsgeber hat daher bei seiner Wertung zu berücksichtigen, ob und inwieweit den Anliegern durch ihre räumliche Beziehung zu der Straße und deren Inanspruchnahme ein Vorteil zuwächst und in welchem Umfang der Vorteil der Allgemeinheit sich hierdurch gegebenenfalls verringert. Entscheidendes Kriterium ist dabei das Maß der zu erwartenden Inanspruchnahme der ausgebauten Straße durch die Anlieger einerseits und die Allgemeinheit andererseits (BayVGH, U.v. 29.10.1984 – 6 B 82 A.2893 – BayVBl 1985, 117 ff.; U.v. 27.9.2018 – 6 BV 17.1320 – juris Rn. 19; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 366 ff.). Bei der Abwägung zwischen dem individuellen Vorteil des Anliegers und dem Vorteil der Allgemeinheit ist die Verkehrsbedeutung der jeweiligen Straße das wichtigste Kriterium. Es ist notwendig, zumindest drei Straßenkategorien (einschließlich ihrer Teileinrichtungen) entsprechend der Verkehrsfunktion aufzustellen, nämlich Anliegerstraßen, Haupterschließungsstraßen und Hauptverkehrsstraßen, wobei für die konkrete Einordnung die in der Satzung notwendigerweise enthaltene Definition des jeweiligen Straßentyps heranzuziehen ist. Der Satzungsgeber ist nicht gehindert, unter Umständen sogar gehalten, weitere Straßenkategorien vorzusehen, etwa für verkehrsberuhigte Straßen oder Fußgängerbereiche (vgl. Arndt, Straßenbaubeiträge, 2017, § 9 Rn. 7 ff.). Je mehr die ausgebaute Einrichtung erfahrungsgemäß von der Allgemeinheit benutzt wird, desto höher ist der Wert des durch die Inanspruchnahmemöglichkeit der Allgemeinheit vermittelten Vorteils zu bemessen und desto höher muss dementsprechend der Gemeindeanteil sein. Umgekehrt muss der Anliegeranteil umso höher sein, je mehr die ausgebaute Einrichtung erfahrungsgemäß von den anliegenden Grundstücken aus benutzt wird. Dabei ist auch nach den einzelnen Teileinrichtungen der Ortsstraßen zu differenzieren (BayVGH, U.v. 16.8.2001 – 6 B 97.111 – juris). In einer Anliegerstraße können die Vorteile für die Anlieger im Verhältnis zur Allgemeinheit für alle Teileinrichtungen gleich bemessen werden; entsprechendes gilt für Fußgängerbereiche, zumal bei diesen die Unterscheidung zwischen den Teileinrichtungen Fahrbahn und Gehweg definitionsgemäß entfällt. Bei Haupterschließungsstraßen und Hauptverkehrsstraßen hingegen unterscheiden sich die von unterschiedlichen Teileinrichtungen ausgehenden Vorteile so stark voneinander, dass ein einheitlicher Gemeindeanteil zu pauschal wäre, um dem Vorteilsprinzip noch zu genügen. Schließlich darf der gemeindliche Anteil nicht so hoch bemessen sein, dass die Gemeinde der gesetzlichen Beitragserhebungspflicht nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG a.F. nicht mehr nachkommt. Abgesehen von diesen gesetzlichen Vorgaben sowie von den durch das Vorteilsprinzip gesetzten Grenzen ist es Sache des Satzungsgebers, den Gemeindeanteil in der Satzung zu bestimmen. Die satzungsmäßige Festlegung von Gemeindeanteil und Anliegeranteil ist nur dann rechtswidrig, wenn der jeweils gewählte Anteil unter Vorteilsgesichtspunkten schlechterdings nicht mehr vertretbar ist, d.h. die Überschreitung des höchstzulässigen oder die Unterschreitung des mindestens Gebotenen völlig eindeutig ist und außer Frage steht (BayVGH, U.v. 27.9.2018 – 6 BV 17.1320 – juris Rn. 19; U.v. 27.6.2019 – 6 BV 19.81 – juris Rn. 23).
bb) Gemessen an diesem Maßstab begegnet die Eigenbeteiligungsregelung des § 7 Abs. 2 Nr. 5 ABS für Fußgängerbereiche keinen rechtlichen Bedenken.
Die Satzung der Beklagten sieht in § 7 ABS neben den – zwingend erforderlichen -Kategorien für Anliegerstraßen, Haupterschließungsstraßen und Hauptverkehrsstraßen mit ihren Teileinrichtungen (Abs. 2 Nr. 1.1 bis 3) unter anderem eine weitere Kategorie für Fußgängerbereiche vor (Abs. 2 Nr. 5), die sie untergliedert in Fußgängergeschäftsstraßen (Nr. 5 a), Fußgängergeschäftsstraßen mit Schienenverkehr (Nr. 5 b) und sonstige Fußgängerbereiche (Nr. 5 c). Für die (Haupt-)Kategorien Anlieger straße, Haupterschließungsstraße und Hauptverkehrsstraße liegt der Eigenanteil der Beklagten jeweils für die Teileinrichtung Fahrbahn bei 40 v.H., 60 v.H. und 80 v.H. Mit dieser Staffelung und mit den Anteilssätzen für die übrigen Teileinrichtungen dieser Straßenkategorien hält sich der Satzungsgeber – unstrittig – in den Grenzen des ihm gesetzlich eröffneten Gestaltungs- und Bewertungsspielraums (vgl. BayVGH, U.v. 27.9.2018 – 6 BV 17.1320 – juris Rn. 22).
Ebenso wenig sind entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts die gemeindlichen Eigenanteile bei Fußgängerbereichen zu beanstanden, die der Satzungsgeber für Fußgängergeschäftsstraßen auf 55 v.H., für Fußgängergeschäftsstraßen mit Schienenverkehr auf 60 v.H. und für sonstige Fußgängerbereiche auf 40 v.H. festgelegt hat. Sie sind unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten bei typisierender Betrachtung sowohl für sich betrachtet als auch im Vergleich zueinander und zu den Eigenanteilen bei den anderen Straßenkategorien vorteilsgerecht bestimmt.
Der Satzungsgeber ist mit dieser Staffelung typisierend davon ausgegangen, dass die im Stadtgebiet vorhandenen Fußgängerbereiche eine deutlich unterschiedliche Verkehrsbedeutung haben, wobei die Fußgängergeschäftsstraßen, vor allem diejenigen mit Schienenverkehr, mehr dem Durchgangsverkehr und damit der Allgemeinheit dienen als die sonstigen Fußgängerbereiche, die – wie Anliegerstraßen – ganz überwiegend von den anliegenden Grundstücken aus benutzt werden. Diese differenzierte Bemessung der Vorteile für die Allgemeinheit einerseits und für die Anlieger andererseits ist, zumal mit Blick auf die örtlichen Gegebenheiten, ohne weiteres nachvollziehbar und hält sich im gesetzlich eröffneten Gestaltungs- und Bewertungsspielraum.
Zwar ist der Verkehr, der in Fußgängerbereichen durch die anliegenden Geschäfte ausgelöst wird, allein dem Anliegerverkehr zuzuordnen. Dieser umfasst alle Verkehrsteilnehmer, die sich zu den anliegenden Grundstücken hin- oder von ihnen wegbegeben (Ziel- und Quellverkehr). Dem Anliegerverkehr ist darüber hinaus auch der kleinräumige Ziel- und Quellverkehr aus dem betreffenden Bauquartier zuzuordnen; denn bei diesem handelt es sich nicht um „durchgehenden innerörtlichen Verkehr“, wie er zur Einstufung als Haupterschließungsstraße erforderlich wäre (BayVGH, U.v. 9.2.2012 – 6 B 10.865 – juris Rn. 20; B.v. 27.7.2012 – 6 ZB 12.796 – juris Rn. 11). Der vom Anliegerverkehr zu unterscheidende und dem Vorteil für die Allgemeinheit zuzuordnende inner- oder überörtliche Durchgangsverkehr ist demgegenüber jeder Verkehr, der die ausgebaute Ortsstraße lediglich im Rahmen des Gemeingebrauchs durchschreitet oder durchfährt, ohne mit einer qualifizierten Beziehung zwischen Straße und anliegenden Grundstücken verbunden zu sein, also die abzurechnende Straße lediglich als Verbindungsweg zwischen zwei anderen Straßen benutzt und weder von einem durch die Straße erschlossenen Grundstück ausgeht noch ein solches Grundstück zum Ziel hat (BayVGH, U.v. 27.6.2019 – 6 BV19.81 – juris Rn. 27).
Vor diesem Hintergrund dienen Fußgängerbereiche in Innenstadtlagen und vor allem Fußgängergeschäftsstraßen, bei denen die Frontlänge der Grundstücke mit Ladengeschäften im Erdgeschoss überwiegt, zwar regelmäßig in durchaus erheblichem Umfang dem Anliegerverkehr. Es kann dahinstehen, ob und inwieweit gleichwohl eine Erhöhung des gemeindlichen Eigenanteils gegenüber „bloßen“ Anliegerstraßen schon wegen der typischerweise besonderen Aufenthalts- und Kommunikationsfunktion von Fußgängerbereichen zur Erhöhung der Attraktivität von Innenstädten im Allgemeininteresse gerechtfertigt ist (vgl. Driehaus in ders., Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 376; Arndt, Straßenausbaubeiträge, 2017, § 9 Rn. 8 mit Beispielen aus der Rechtsprechung). Im Innenstadtbereich der Beklagten, einer Stadt mit etwa 130.000 Einwohnern, haben Fußgängergeschäftsstraßen jedoch unabhängig davon schon aufgrund ihrer Lage, Größe und Ausgestaltung eine nicht zu vernachlässigende Bedeutung für den (Fußgänger-)Durchgangsverkehr, welche die satzungsmäßige Staffelung und Bemessung des Eigenanteils mit 55 v.H. rechtfertigt. Diese Verbindungsfunktion ist umso gewichtiger, als der Innenstadtbereich aufgrund seiner Größe – anders als in dem mit Senatsurteil vom 27. Juni 2019 (6 BV 19.81 – juris Rn. 27, 31) entschiedenen Fall – nicht mehr als ein einziges Bauquartier angesehen werden kann, innerhalb dessen insgesamt lediglich Anliegerverkehr stattfindet. Zum innerörtlichen Durchgangsverkehr zählen deshalb nicht nur solche Fußgänger, die den Innenstadtbereich auf den Achsen der Fußgängergeschäftsstraßen vollständig durchqueren, sondern auch solche, die ein Geschäft am gegenüberliegenden Ende der Fußgängerzone aufsuchen.
Ebenfalls vorteilsgerecht bemessen ist der städtische Eigenanteil für Fußgängergeschäftsstraßen mit Schienenverkehr, der mit 60 v.H. dem Wert für die Fahrbahn von Haupterschließungsstraßen entspricht. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die Fußgängerbereiche mit der Straßenbahntrasse, die – auf der Achse vom Hauptbahnhof über die K. H1.straße, J…promenade, S… und A* H1.straße – die Innenstadt durchquert und auf der nahezu alle Straßenbahnlinien verlaufen. Bei diesem öffentlichen Personennahverkehr handelt es sich zu einem beachtlichen Teil nicht um – kleinräumigen – Anliegerverkehr, sondern um stadtviertelübergreifenden Durchgangsverkehr.
Auch im Übrigen begegnet die satzungsmäßige Eigenbeteiligungsregelung keinen rechtlichen Bedenken. Welche Motive den Satzungsgeber zu der Erhöhung der gemeindlichen Eigenanteile bewogen haben und wie er die Einnahmeausfälle kompensieren will, ist unerheblich; denn für die Gültigkeit untergesetzlicher Normen ist, soweit – wie hier – keine anderweitigen Rechtsvorschriften bestehen, allein das Ergebnis des Rechtsetzungsaktes maßgeblich (BayVGH, U.v. 15.10.2009 – 6 B 08.1431 – juris Rn. 25; U.v. 27.9.2018 – 6 BV 17.1320 – juris Rn. 23). Dieses muss im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften stehen, was hier angesichts der sich im Rahmen des Gestaltungsspielraums haltenden Bewertung des Anlieger- und Allgemeinvorteils der Fall ist. Es ist daher auch mit Blick auf die in Art. 62 Abs. 2 und 3 GO geregelten Grundsätze der Einnahmebeschaffung unschädlich, dass der Stadtrat der Beklagten die Erhöhung der gemeindlichen Eigenbeteiligungssätze zeitgleich mit der Erhöhung der Grundsteuer B beschlossen hat.
Schließlich begegnet es entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinen Zweifeln im Hinblick auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot, dass § 7 Abs. 4 ABS zwar die Straßenkategorien „Fußgängerbereiche“ (Nr. 5) und „Fußgängergeschäftsstraße“ (Nr. 6) definiert, nicht aber die Kategorie Fußgängergeschäftsstraße „mit Schienenverkehr“. Dieser Zusatz ist nach den herkömmlichen Auslegungsmethoden ohne weiteres bestimmbar und bedarf keiner ausdrücklichen Erläuterung in der Satzung.
c) Die Grundstücke der Klägerin, die wegen der geringen Größe von FlNr. … mit 42 qm nur gemeinsam genutzt werden können und deshalb eine wirtschaftliche Einheit darstellen, unterliegen der Beitrags- und damit zugleich der Vorauszahlungspflicht nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAG a.F.
Der besondere Vorteil, der die Auferlegung eines Straßenausbaubeitrags rechtfertigt, liegt in der qualifizierten Möglichkeit, die erneuerte und verbesserte Straße in Anspruch zu nehmen (zum Maßstab etwa BayVGH, U.v. 29.11.2018 – 6 B 18.248 – juris Rn. 25 m.w.N.). Ein solcher Sondervorteil kommt ohne Zweifel auch den Grundstücken der Klägerin zu, weil sie unmittelbar an der K. H1.straße anliegen und bebaubar sind. Ob die Klägerin den Straßenausbau subjektiv als vorteilhaft empfindet, ist beitragsrechtlich ohne Belang.
d) Die Vorauszahlung ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.
Der Einwand der Klägerin, die Beklagte habe die Kostenersparnis aus der gemeinsamen Durchführung der Straßenbaumaßnahme mit Maßnahmen anderer Versorgungsträger nicht eingestellt, greift nicht durch. Die Beklagte hat substantiiert und unbestritten ausgeführt, dass sie bei der Zusammenstellung des voraussichtlichen beitragsfähigen Aufwands nur die auf die Straßenbaumaßnahme entfallenden Anteile berücksichtigt habe. Zwei Netzbetreiber hätten ihre Leitungsarbeiten bereits vor Beginn der Straßenausbaumaßnahme auf eigene Kosten durchgeführt und die Straße anschließend wiederhergestellt. Die Neuverlegung der Strom- und Telekommunikationsleitungen sei zwar als Gemeinschaftsmaßnahme mit der Straßenbaumaßnahme erfolgt; die Kostenanteile dieser Träger seien aber direkt mit der Baufirma ausgeglichen worden und nicht im Straßenbauaufwand enthalten. Für die Erneuerung der Straßenbahngleise und des Gleispflasters sei mit dem Verkehrsunternehmen eine Baudurchführungsvereinbarung geschlossen worden, nach der der Rückbau sowie die Pflastererneuerung auf Kosten der Beklagten und der Gleisneubau auf Kosten des Verkehrsunternehmens vorgenommen werde. Das lässt keine Rechtsfehler zum Nachteil der Beitragspflichtigen erkennen. Im Übrigen hat die Beklagte bei der Berechnung der Vorausleistungen nicht den vollständigen (prognostizierten) Aufwand angesetzt, sondern sich auf einen Anteil von 80 v.H. des voraussichtlichen Beitrags beschränkt.
Den Eigenanteil am beitragsfähigen Aufwand hat die Beklagte ebenfalls zutreffend bestimmt. Bei der K. H1.straße handelt es sich um eine Fußgängergeschäftsstraße mit Schienenverkehr, für die die Beklagte nach § 7 Abs. 2 Nr. 5 b) ABS einen Anteil von 60 v.H. selbst zu übernehmen hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über deren vorläufig Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.


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