Baurecht

Wirksamkeit eines naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts – Abgrenzung von Kauf und Tausch

Aktenzeichen  W 4 K 15.1042

Datum:
28.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BNatSchG BNatSchG § 66
BayNatSchG BayNatSchG Art. 39
BGB BGB § 311b Abs. 1

 

Leitsatz

1. Ob ein Kaufvertrag oder ein Tauschvertrag anzunehmen ist, richtet sich, wenn sich die Leistung einer Seite aus Geld- und Sachleistungen zusammensetzt, während die andere Seite nur eine Sachleistung erbringt, danach, welche Leistung sich nach den Interessen und Zwecken der Parteien als die Hauptleistung darstellt, wobei das quantitative Verhältnis zwischen Geld- und Sachleistung allein ebenfalls nicht ausschlaggebend ist. (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist eine allgemeine Erfahrungstatsache, dass Grundstücke im Eigentum der öffentlichen Hand oder in der Hand von Naturschutzverbänden die Verwirklichung der Ziele von Naturschutz und Landschaftspflege besser und sicherer gewährleisten als Grundstücke in der Hand von Privatpersonen (Parallelentscheidung zu VG Würzburg BeckRS 2016, 114832). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
* * *

Gründe

Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist der Bescheid des Landratsamts Bad Kissingen vom 14. September 2015, mit dem dieses ein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht ausgeübt hat.
Die zulässige Klage ist unbegründet, der Bescheid des Landratsamts Bad Kissingen vom 14. September 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung sind § 66 BNatSchG und Art. 39 BayNatSchG. Nach der letztgenannten Vorschrift stehen dem Freistaat Bayern sowie den Bezirken, Landkreisen, Gemeinden und Kommunalen Zweckverbänden Vorkaufsrechte zu beim Verkauf von Grundstücken, (1) auf denen sich oberirdische Gewässer einschließlich von Verlandungsflächen, ausgenommen Be- und Entwässerungsgräben, befinden oder die daran angrenzen, (2) die ganz oder teilweise in Naturschutzgebieten, Nationalparken als solchen einstweiligen sichergestellten Gebieten oder in geplanten Naturschutzgebieten ab Eintritt der Veränderungsverbote nach Art. 48 Abs. 3 BayNatSchG liegen, (3) auf denen sich Naturdenkmäler, geschützte Landschaftsbestandteile oder als solche einstweilig sichergestellte Schutzgegenstände befinden. Das gilt auch bei Vertragsgestaltungen, die in ihrer Gesamtheit einem Kaufvertrag nahezu gleichkommen (Art. 39 Abs. 1 Satz 2 BayNatSchG). Die Vorkaufsrechte können auch zugunsten eines überörtlichen gemeinnützigen Erholungsflächenvereins oder zugunsten von gemeinnützigen Naturschutz-, Fremdenverkehrs- und Wandervereinen ausgeübt werden, wenn diese einverstanden sind (Art. 39 Abs. 5 Satz 1 BayNatSchG).
Wie sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 39 Abs. 1 BayNatSchG ergibt, setzt die Ausübung des Vorkaufsrechts voraus, dass ein wirksamer Kaufvertrag über ein Grundstück vorliegt, das dann die in Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BayNatSchG erschöpfend aufgezählten Eigenschaften aufweist, die es für Zwecke des Naturschutzes besonders geeignet erscheinen lassen und dass die Ausübung des Rechts nach Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG gerechtfertigt ist. Alle diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Ebenso hat das Landratsamt Bad Kissingen vom Vorkaufsrecht ohne Verfahrensfehler Gebrauch gemacht.
Zwischen den Parteien ist zunächst nicht umstritten, dass der Beklagte das Vorkaufsrecht rechtzeitig i.S.d. Art. 39 Abs. 7 BayNatSchG ausgeübt hat. Auch seitens der Kammer bestehen diesbezüglich keine Bedenken.
Entgegen den in den notariellen Beurkundungen vom 13. Juli 2015 und 6. Oktober 2015 gewählten Bezeichnungen handelt es sich bei dem zwischen dem Kläger und den Herren A* … und A* … B* … geschlossenen Vertrag vom 13. Juli 2015 um einen Kauf- und nicht um einen Tauschvertrag.
Ob ein Kauf- oder Tauschvertrag anzunehmen ist, richtet sich nämlich nicht nach den von den Vertragsparteien verwendeten Bezeichnungen. Vielmehr kommt es, wenn sich – wie hier – die Leistung einer Seite aus Geld- und Sachleistungen zusammensetzt, während die andere Seite nur eine Sachleistung erbringt, darauf an, welche Leistung sich nach den Interessen und Zwecken der Parteien als die Hauptleistung darstellt, wobei das quantitative Verhältnis zwischen Geld- und Sachleistung allein nicht ausschlaggebend ist (vgl. BayVGH v. 26.9.1995, BayVBl 1996, 210, 211).
Vorliegend schlossen der Kläger zusammen mit Herrn A* … B* … und dessen Sohn A* … B* … am 13. Juli 2015 einen Vertrag, der u.a. zum Inhalt hatte, dass Herr A* … B* … sich verpflichtete, dem Kläger das Grundstück Fl.Nr. …47 mit 10.799 m², Landwirtschaftsfläche, Gemarkung S* …, Gemeinde B** …, das im Alleineigentum von Herrn A* … B* … stand, zu übereignen. Als Tauschgrundstück stellte der Kläger den Herren B* … das Grundstück Fl.Nr. …60 mit 1.590 m², Landwirtschaftsfläche, Gemarkung S* …, Gemeinde B** …, zur Verfügung. Sie sollten Miteigentümer werden. Da das Grundstück mit der Fl.Nr. …60, Gemarkung S* …, lediglich mit 0,60 EUR pro m² bewertet wurde, hingegen das Grundstück mit der Fl.Nr. …47 mit 1,10 EUR pro m², verpflichtete sich der Kläger, an Herrn A* … B* … einen Ausgleichsbetrag in Höhe von 11.399,80 EUR zu zahlen.
Allein schon unter Berücksichtigung der Wertigkeit der ausgetauschten Grundstücke bestehen für die Kammer keine Zweifel daran, dass die Geldleistung im Verhältnis zu den anderen Leistungen die Hauptleistung darstellt. Die zusätzlich vereinbarten, nicht in Geld bestehenden Leistungen, vorliegend also die Übereignung des Grundstücks mit der Fl.Nr. …60, Gemarkung S* …, sollte offensichtlich keinem anderen Zweck dienen, als das Geschäft aus dem Bereich des „Vorkaufsfalls“ herauszunehmen und das Vorkaufsrecht mithin auszuschließen.
Nichts anderes ergibt sich aus der Vorgeschichte, worauf auch der Beklagte zutreffend hingewiesen hat: Die Herren A* … und A* … B* … wollten ursprünglich offensichtlich die oben genannten Grundstücke Fl.Nrn. …47 und …46 der Gemarkung S* … an den Landkreis Bad Kissingen verkaufen. Zu diesem Zweck wurde für beide Grundstücke ein Kaufpreis von 1,10 EUR vereinbart und es war geplant, beim Bayer. Naturschutzfonds einen Förderantrag zu stellen. Den Herren B* … ging es damit eindeutig um den Verkauf der Grundstücke und nicht um einen Tausch.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägervertreters, dem Kläger sei es von Anfang an darum gegangen, Wiesengrundstücke zu erwerben, den Herren B* … darum, ihren Waldbestand zu vergrößern. Deshalb sei der Tauschvertrag zustande gekommen. Dem widerspricht schon die oben genannte Vorgeschichte. Dort war von einer Vergrößerung des Waldbestands keine Rede. Diese Aussage verwundert aber auch deshalb, da im notariellen Vertrag vom 13. Juli 2015 das Tauschgrundstück mit der Fl.Nr. …60 als Fläche für die Landwirtschaft beschrieben wird und nicht als Waldgrundstück. Im Widerspruch zu der Aussage der Herren B* …, ihnen sei es um die Vergrößerung ihres Waldbestandes gegangen, steht aber auch die Stellungnahme des Notars Dr. H* … vom 18. September 2015. Dieser beschreibt zunächst das Grundstück mit der Fl.Nr. …60 als Grundstück, auf dem sich junger Baumbestand befinde. An anderer Stelle wiederum wird das Grundstück als landwirtschaftliche Fläche bezeichnet, die die Herren B* … erst aufzuforsten gedenken. Das würde allerdings voraussetzen, dass sich auf dem Grundstück noch überhaupt kein Baumbestand befindet.
Jedenfalls zeigen diese Widersprüche offensichtlich, dass es den Herren B* … in keinster Weise darum ging, ihren Waldbestand zu vergrößern. Das Grundstück mit der Fl.Nr. …60 wurde vielmehr nur deshalb in den Vertrag vom 13. Juli 2015 mit aufgenommen, um, wie bereits erwähnt, das Geschäft aus dem Bereich des Vorkaufsfalls herauszunehmen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägervertreters, der Vertrag vom 13. Juli 2015 sei formunwirksam gewesen. Tatsächlich sei der Tauschvertrag erst durch den Vertrag vom 6. Oktober 2015 zustande gekommen.
Dem Klägervertreter ist zwar zuzugestehen, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts einen rechtswirksamen Kaufvertrag voraussetzt. Das bedeutet, dass das Beurkundungserfordernis nach § 311b BGB erfüllt sein muss. Es erstreckt sich nicht nur auf die Veräußerungs- und Erwerbsverpflichtung, sondern auf alle Vereinbarungen, aus denen sich nach dem Willen der Parteien das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft zusammensetzt.
Vorliegend kann die Kammer allerdings einen solchen Verstoß gegen das Beurkundungserfordernis im Rahmen des Vertrags vom 13. Juli 2015 nicht erkennen. Daran ändert auch die Nachtragsvereinbarung vom 6. Oktober 2015 nichts. Den Vertragsparteien steht es grundsätzlich frei, Zusätze und Änderungen an geschlossenen Verträgen zu vereinbaren. Der Vorkaufsverpflichtete ist auch nicht gehalten, dem Vorkaufsberechtigten die Ausübung seines Vorkaufsrechts zu ermöglichen. Dies kann allerdings nur so lange gelten, als der Vorkaufsberechtigte sein Vorkaufsrecht noch nicht ausgeübt hat, denn mit der Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Vorkaufsberechtigten tritt eine endgültige Bindung der Verpflichteten ein (vgl. Jauernig, BGB, Kommentar, 13. Aufl., 2009, § 463 Rn. 18). Unter Berücksichtigung dessen gilt im vorliegenden Fall Folgendes: Der Beklagte hat mit Bescheid vom 14. September 2015 gegenüber dem Kläger und seinen Vertragspartnern, zugestellt am 15. September 2015, das Vorkaufsrecht ausgeübt. Damit trat ab diesem Zeitpunkt eine endgültige Bindung der Vorkaufsverpflichteten ein, die zur Folge hat, dass anschließende Änderungen und Zusätze, hier also auch den Nachtrag vom 6. Oktober 2015 nicht mehr die Wirksamkeit des Vorkaufsrechts in Frage stellen können.
Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist auch gerechtfertigt. Nach Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG darf das Vorkaufsrecht nur ausgeübt werden, wenn dies gegenwärtig oder zukünftig die Belange des Naturschutzes oder der Landschaftspflege oder das Bedürfnis der Allgemeinheit nach Naturgenuss und Erholung in der freien Natur rechtfertigen. Dazu reicht es aus, dass der Erwerb des Grundstücks vorteilhafte Auswirkungen auf diese Belange hat. Da das Vorkaufsrecht keine Enteignung darstellt, brauchte der Gesetzgeber seine Ausübung auch nicht davon abhängig zu machen, dass der verfolgte Zweck auf andere Weise nicht erreicht werden kann. Das Vorkaufsrecht ist also nicht wie die Enteignung das letzte Mittel, es genügt die schlichte Rechtfertigung durch die genannten öffentlichen Belange.
Unter Berücksichtigung dessen hat das Gericht keine Zweifel an der Rechtfertigung der Vorkaufsausübung. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist die Kammer insofern auf den streitgegenständlichen Bescheid vom 14. September 2015 (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Substantiiert hat der Kläger diese Ausführungen nicht in Frage gestellt bzw. angegriffen. Wenn er die ökologische Verbesserung anzweifelt, die durch die Ausübung des Vorkaufsrechts entstehen soll, verkennt er, dass es eine allgemeine Erfahrungstatsache ist, dass Grundstücke im Eigentum der öffentlichen Hand, aber auch in der Hand von gemeinnützigen Naturschutz-, Fremdenverkehrs- und Wandervereinen die Verwirklichung der Ziele von Naturschutz und Landschaftspflege besser und sicherer gewährleisten als Grundstücke in der Hand von Privatpersonen, deren privatnützige Interessen leicht in Konflikt mit den Anforderungen von Naturschutz und Landschaftspflege geraten können.
Die Klage war nach alldem mit der Rechtsfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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