Erbrecht

6 K 1007/20

Aktenzeichen  6 K 1007/20

Datum:
28.4.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Finanzgericht Rheinland-Pfalz 6. Senat
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:FGRLP:2022:0428.6K1007.20.00
Spruchkörper:
undefined

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Anfechtung (§ 4 AnfG) eines vom Vater der Klägerin erklärten Verzichtes auf eine Reallast (dauernde Last), die vom Beklagten in einem Duldungsbescheid nach § 191 AO verfügt wurde.
Der Beklagte vollstreckt wegen rückständiger Steuern (…. Euro) und steuerliche Nebenleistungen (…. Euro, in Summe: …. Euro) des 19… geborenen Vaters der Klägerin (nachfolgend: Vollstreckungsschuldner, Herr I…). Der Vollstreckungsschuldner verfügt außer über Alterseinkünfte über kein Vermögen, das er zur Schuldentilgung einsetzen könnte (Liquiditätsbericht Blatt 9 vom 13.09.2016). Der Vollstreckungsschuldner hat am 09.03.2017 beim Finanzamt Q….-O…. die Vermögensauskunft abgegeben.
Gemäß Übergabevertrag vom 25.11.2014 erwarb die Klägerin das Eigentum an dem Wohngrundstück in G…. vom Vollstreckungsschuldner. Die Klägerin verpflichtete sich in dem Übergabevertrag, monatlich 800,00 Euro als dauernde Last an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen. Der Grundbesitz wurde in Abteilung II des Grundbuchs mit einem Rentenrecht (Reallast) für den Vollstreckungsschuldner belastet.
Im Einzelnen wurde im Übergabevertrag vom 25.11.2014 geregelt:
„§ 3 Gegenleistung, Rechtsgrund der Übergabe1. Reallast zugunsten von Herrn I…. P….a) Als Gegenleistung für die Übergabe hat der Übernehmer an den Übergeber, zu dessen Lebzeiten, monatlich im Voraus, beginnend ab Dezember 2014, jeweils bis spätestens zum fünften Werktag eines Monats eine dauernde Last in Höhe von 800,00 Euro – in Worten achthundert Euro – zu zahlen.b) Die Rechte und Ansprüche aus der dauernden Last sind weder vererblich noch veräußerlich. (…)(…)f) Zur Sicherung der vorstehenden dauernden Last wird zu Gunsten des Übergebers, Herrn I…. P…., eine Reallast bestellt.“
Unter § 3 Nr. 1 c) des Vertrages wurde – ausdrücklich: schuldrechtlich – vereinbart, die Höhe der dauernden Last solle von der Entwicklung der Währungs- und Preisverhältnisse, der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere der des allgemeinen Lebensstandards, von der Leistungskraft der Kläger und dem sich ändernden Bedarf der Berechtigten abhängen. Dabei wurde gleichfalls ausdrücklich auf den Rechtsgedanken des § 323 ZPO Bezug genommen. Weiter unterwarf sich der Übergeber der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein Vermögen.
In einem notariell beurkundeten Vertrag vom 09.06.2016 (nachfolgend: „Aufhebungsvereinbarung“, auszugsweise vorgelegt als Blatt 50 ff. der Akte, Vollstreckungsakte II Blatt 15) verzichtete der Vollstreckungsschuldner auf die ihm aus dem Übergabevertrag vom 25.11.2014 zustehende monatliche Zahlung. In der Vereinbarung wurde unter „II.Aufhebung“ geregelt: „Herr I. . . . P. . . . und Frau W. . . . P. . . .-T. . . . heben hiermit das vorstehende Rentenrecht auf. Eine Gegenleistung hierfür ist ausdrücklich nicht zu leisten.“ Weiter bewilligte der Vollstreckungsschuldner die von der Klägerin beantrage Löschung der Reallast im Grundbuch („III.Grundbuchanträge“).
Der Beklagte machte im streitgegenständlichen, am 28.04.2018 der Klägerin zugestellten Bescheid vom 26.04.2018 ein Anfechtungsrecht aus § 4 AnfG geltend, weil der Verzicht im Aufhebungsvertrag ohne entsprechende Gegenleistung zum Nachteil des Gläubigers, dem Land Rheinland-Pfalz, erfolgt sei.
Den form- und fristgerecht gegen den Duldungsbescheid von der Klägerin eingelegten Einspruch, den sie in der Folge nicht begründete, wies der Beklagte mit der Einspruchsentscheidung vom 20.11.2019 als unbegründet zurück.
Die Klägerin trägt zur Begründung der am 19.12.2019 per Fax dem Gericht übermittelten Klage vor, die Ansprüche, auf welche sich die Anfechtung bezogen habe, hätten zum Zeitpunkt des Verzichts schon nicht mehr bestanden. Der Vollstreckungsschuldner bewohne eine auf dem streitgegenständlichen Grundstück gelegene Wohnung. Für die Nutzung der Wohnung und der gesamten Außenanlagen sei zwischen dem Vollstreckungsschuldner und der Klägerin ein ortsüblicher monatlicher Mietzins in Höhe von 1.200,00 Euro vereinbart worden. Die Klägerin erkläre auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus diesem Mietverhältnis. Nach Verrechnung bzw. Erklärung der Aufrechnung durch die Parteien, sei letztlich eine monatliche Zahlungsverpflichtung auf Seiten des Vollstreckungsschuldners in Höhe von 400,– Euro monatlich verblieben. Dieses Procedere habe mit der im Jahr 2016 erfolgten Aufhebung der dauernden Last seinen Niederschlag im notariellen Vertrag gefunden.
Gleichzeitig hätten die Klägerin und der Vollstreckungsschuldner die Reduzierung des monatlich zu zahlenden Mietzins auf 400,– Euro vereinbart, so dass sich die Belastung des Vollstreckungsschuldners auch nach Aufhebung der dauernden Last nicht geändert habe.
Im Ergebnis stehe daher eindeutig fest, dass dem Beklagten durch die Aufhebung der dauernden Last keinerlei finanzielle Nachteile entstanden sein könnten und es für die vorgenommenen Vollstreckungshandlungen gegen die Klägerin keine rechtliche Grundlage gebe. Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig und müsse daher aufgehoben werden.
Der Verzicht auf die dauernde Last sei damit nicht unentgeltlich, im Zusammenhang mit der Löschung der dauernden Last erfolgt, vielmehr habe die Reduzierung des vom Vollstreckungsschuldner auch in objektiver Hinsicht eine ausgleichende Gegenleistung vorgelegen, insoweit seien die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AnfG nicht gegeben seien.
Darüber hinaus müsste die Klägerin – selbst für den Fall, dass man die Norm des § 4 Abs. 1 AnfG anwenden würde – nach den Vorschriften des § 11 AnfG die empfangene Leistung nur insoweit zur Verfügung stellen, als dass sie durch die Leistung bereichert sein würde. Eine Bereicherung liege aufgrund des gleichzeitigen Verzichts bzw. der Aufrechnung mit der Mietforderung auf Seiten der Klägerin nicht vor, zumal mit der Löschung der dauernden Last lediglich die bereits bestehende Aufrechnungslage in schriftlicher Form ihren Niederschlag gefunden habe. Eine wirtschaftliche Benachteiligung des Beklagten sei unter keinem Aspekt ersichtlich. Schon bei Vereinbarung der dauernden Last habe hinsichtlich der der Klägerin zustehenden Mietzinsforderung eine entsprechende Aufrechnungslage bestanden. Die Aufrechnungsvereinbarung sei von den Parteien lediglich aus Gründen der Abkürzung des Zahlungsweges getroffen worden. Eventueller Gläubiger hätten sei zu keinem Zeitpunkt benachteiligt werden sollen. Hätte der Vollstreckungsschuldner nicht auf die Zahlung der dauernden Last verzichtet, hätte er in gleicher Höhe Mietzins an die Klägerin entrichten müssen, so dass dieser Geldbetrag auch für diesen Fall, unabhängig von der Aufrechnungserklärung, nicht zur Tilgung der Steuerschulden zur Verfügung gestanden hätte.
Der vom Beklagten erteilte Hinweis auf die Formulierung bei Aufhebung der dauernden Last stelle Wortklauberei dar. Die Klägerin und der Vollstreckungsschuldner seien von vornherein davon ausgegangen, dass die gegenseitigen Forderungen im Wege der Abkürzung des Zahlungsweges mittels Aufrechnung zum Erlöschen gebracht werden sollten. Weshalb der beurkundende Notar dies in der Urkunde in dieser Form nicht zum Ausdruck gebracht habe, sei von Seiten der Klägerin nicht nachvollziehbar. Zur Klarstellung des Vorgangs sei auch in der weiteren Folge die entsprechende Aufrechnungsvereinbarung getroffen worden.
Dem Beklagten hätte, die Rechtsmäßigkeit der Duldungsmaßnahme unterstellt, höchstens ein monatlicher Betrag in Höhe von 800,00 EUR (= 9.600,00 EUR pro Jahr) zugestanden, es seien jedoch Vollstreckungshandlungen über 58.000 Euro vorgenommen worden. Der Beklagte sei bei Weitem über das ihr zustehende Recht hinausgegangen und habe auch in diesem Punkt rechtswidrig gehandelt, er müsste der Klägerin den überzahlten Betrag wieder zurückerstatten.
Die Klägerin beantragt,
den Duldungsbescheid vom 26.04.2018 In Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.11.2019 ersatzlos aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, für den Verzicht auf die Zahlung einer dauernden Last von monatlichen 800,00 Euro sei keine Gegenleistung vereinbart worden. Der Duldungsbescheid vom 24.04.2018 sei der Duldungsverpflichteten mit Postzustellungsurkunde am 28.04.2018 innerhalb des zeitlichen Anwendungsbereichs des § 4 AnfG bekanntgegeben worden. Sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen für eine Anfechtung nach dem AnfG seien damit gegeben. Ob und in welcher Höhe aus der ursprünglichen Vereinbarung über die Zahlung der dauernden Last zum Zeitpunkt der Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamts Verpflichtungen der Klägerin dem Vollstreckungsschuldner gegenüber bestanden hätten, sei nicht entscheidungsrelevant. Ob und in welchem Umfang die beteiligten Parteien gegenseitige Ansprüche verrechnet hätten und es letztendlich bei einer Zahlungsverpflichtung des Vollstreckungsschuldners von monatlich 400,00 Euro verblieben sei, sei ebenfalls unerheblich.
Der unentgeltliche Verzicht auf Zahlung der dauernden Last habe dazu geführt, dass der ursprüngliche Anspruch des Schuldners durch diese Vereinbarung dem Zugriff des Steuergläubigers entzogen worden sei. So hätten seit dem Verzicht des Schuldners Steuern iHv 40.000,00 Euro (seit Juni 2016 bis August 2020) nicht eingezogen werden können.
Der mit Notarvertrag vom 09.06.2016 notariell erklärte Verzicht auf den Anspruch zur Zahlung einer dauernden Last sei vorbehalts- und bedingungslos erfolgt. Der Einwand der Klägerin, das Finanzamt hätte die ursprünglich vereinbarten Zahlungen nur ratierlich einziehen dürfen, sei für die Frage der Rechtmäßigkeit des Duldungsbescheids nicht maßgeblich. Ob und inwieweit die Forderungen aus dem Duldungsbescheid bereits eingezogen oder noch ausstehend seien, müsse nicht festgestellt werden. Der Verzicht auf die dauernde Last habe zum Erlöschen von Ansprüchen auf monatliche Teilzahlungen geführt. Das Finanzamt sei ab Verzichtserklärung auch berechtigt gewesen, die Duldungssumme, erforderlichenfalls auch zwangsweise, bei der Klägerin einzuziehen.
Der bisher eingezogene Gesamtbetrag sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. In der vorgelegten Verzichtserklärung werde der Wert der eingetragenen Reallast mit 106.118,00 Euro angegeben. Dieser Wert übersteige deutlich den mit Duldungsbescheid vom 26.04.2018 geforderten Betrag.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Gerichtsakte und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.04.2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, sie bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Der Duldungsbescheid vom 26.04.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.11.2019 war rechtmäßig und verletzte die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO).
I. Nach § 191 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) kann derjenige, der kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Dazu zählen auch die Fälle, in denen einem Gläubiger – wie hier – zur Befriedigung seiner Forderung dasjenige zur Verfügung gestellt werden muss, was durch anfechtbare Rechtshandlungen aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist. Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor der Anfechtung vorgenommen worden (§ 4 Abs. 1 AnfG). Rechtsfolge einer Anfechtung nach § 4 Abs. 1 AnfG ist die Pflicht zur Duldung der Zwangsvollstreckung in den übertragenen Vermögensgegenstand. Dasjenige, was aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben worden ist, muss dem Gläubiger zur Verfügung gestellt werden, soweit es zu dessen Befriedigung erforderlich ist (§ 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG). Der Empfänger einer nach § 4 Abs. 1 AnfG angefochtenen unentgeltlichen Leistung hat diese nur zur Verfügung zu stellen, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 und 2 AnfG nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muss, dass die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligte (vgl. BGH, Urteil vom 15.12.2016, IX ZR 113/15, NJW 2017, 1035 Rn. 10).
Bei der Entscheidung über die Inanspruchnahme nach § 191 Abs. 1 AO muss das Gericht zunächst die Rechtsentscheidung prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Anfechtung gegeben sind. Wird dies bejaht, ist die nach § 191 Abs. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung des Finanzamts, ob und gegen wen sich die Duldungsverfügung richtet, gerichtlich im Rahmen des § 102 FGO – beschränkt auf Ermessensfehler (Ermessensfehlgebrauch oder Ermessensüberschreitung) – überprüfbar.
II. Die Voraussetzung für eine Anfechtung nach § 4 AnfG lagen im Streitfall vor.
1. Der Beklagte ist anfechtungsberechtigter Gläubiger im Sinne des § 2 AnfG. Die gegenüber dem Vater der Klägerin als Vollstreckungsschuldner festgesetzten Steuerschulden sind fällig und vollstreckbar. Die Vollstreckung in das Vermögen des Vollstreckungsschuldners ist erfolglos geblieben. Die Klägerin hat diesbezüglich keine Einwände erhoben, auch die Höhe der Forderungen von rund 58.000,00 Euro wurde nicht beanstandet.
2. Das Anfechtungsgesetz gilt gemäß § 1 AnfG für alle Rechthandlungen eines Schuldners, die seine Gläubiger benachteiligen. Rechtshandlung im Sinne des AnfG ist jedes – rechtliche oder tatsächliche – Handeln oder Unterlassen des Schuldners, das rechtliche Folgen hat, so auch die streitgegenständliche Aufhebung einer Reallast zur Absicherung einer dauernden Last.
Für die – hier ebenfalls gegebene – objektive Gläubigerbenachteiligung genügt der Wegfall, die Erschwerung oder Verzögerung der Zugriffsmöglichkeit für den anfechtenden Gläubiger (BGH, Urteil vom 05.11.1980, VIII ZR 230/79, BGHZ 78, 318). Die Gläubigerbenachteiligung ergibt sich im Streitfall infolge des Wegfalls auf eines dinglichen Rechts des Vollstreckungsschuldners. Die Entrichtung wiederkehrender Leistungen an den Vollstreckungsschuldner aus dem Grundstück ist damit ausgeschlossen worden.
3. Die weiteren besonderen Anfechtungsvoraussetzungen des § 4 AnfG sind im Streitfall ebenfalls gegeben.
a) § 4 AnfG verlangt eine unentgeltliche Leistung des Schuldners.
aa) Im Streitfall ist von einer Leistung auszugehen. Der Leistungsbegriff setzt voraus, dass es auf Seiten des Schuldners zu einer Vermögensminderung und auf Seiten des Anfechtungsgegners zu einer entsprechenden Vermögensmehrung gekommen ist. Eine Leistung des Schuldners liegt bei Aufgabe eines Recht sowie beim Verzicht auf ein dingliches Recht vor, wenn ein Anderer daraus einen Vorteil erlangt (Kirchhof, in Münchener Kommentar zum AnfG 1. Aufl. 2012, AnfG § 4 Rn. 8; Huber Kommentar zum AnfG, 12. Aufl. 2021, AnfG § 4 Rn. 16).
Der Vollstreckungsschuldner hat im Aufhebungsvertrag auf ein dingliches Recht verzichtet, indem er die Belastung (mit einer Reallast) des im Jahr 2014 von der Klägerin erworbenen streitgegenständlichen Grundstücks aufgehoben hat. Dem Vollstreckungsschuldner stand gemäß der notariellen Vereinbarung vom 25.11.2014 ein monatlicher Zahlungsanspruch aus einer schuldrechtlich begründeten dauernden Last zu. Die dingliche Absicherung der Ansprüche erfolgte durch Eintragung einer Reallast im Grundbuch. Nach § 1105 Abs. 1 Satz 1 BGB kann ein Grundstück durch eine Reallast in der Weise belastet werden kann, dass an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, wiederkehrende Leistungen aus dem Grundstück zu entrichten sind. Die wiederkehrenden Leistungen der Reallast bilden in ihrer Summe das Stammrecht als einheitliches dingliches Recht (BGH, Beschluss vom 02.10.2003, V ZB 38/02, BGHZ 156, 274, Rn. 9). Zur Aufhebung eines dinglichen Rechts sind eine Aufgabeerklärung (§ 875 Abs. 1 BGB) sowie die Löschung des Rechts im Grundbuch erforderlich. Eine solche Aufgabeerklärung lässt sich dem Aufhebungsvertrag unter „II. Aufhebung“ entnehmen, danach sollte ausdrücklich die als Rentenrecht des Vollstreckungsschuldners benannte Reallast, aufgehoben werden.
Die Aufhebung der Reallast hat auch zu einem Vorteil eines anderen, der Klägerin geführt. Bei einer Grundstücksübertragung (wie sie hier im Jahr 2014 erfolgt ist) stellt die Einräumung eines dinglichen Rechts für den Übertragenden (den Vollstreckungsschuldner) keinen Gegenwert dar, allenfalls wird dadurch der Wert des übertragenen Grundstücks gemindert (BGH, Urteil vom 16.04.2015, IX ZR 68/14, IX ZR 68/14 Rn. 17). Dementsprechend führt eine spätere Aufhebung der dinglichen Belastung zu einem (für die Klägerin vorteilhaften) Wertzuwachs des Grundstücks.
bb) Die Aufhebung der Reallast erfolgte unentgeltlich.
Der anfechtungsrechtliche Begriff der unentgeltlichen Verfügung ist umfassender, als bei der Schenkung nach § 516 BGB und setzt eine vertragliche Einigung über die Unentgeltlichkeit als solche nicht voraus. Eine Leistung ist unentgeltlich, wenn ein Vermögenswert des Schuldners zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass der Empfänger eine ausgleichende Gegenleistung an den Leistenden oder mit dessen Einverständnis an einen Dritten erbringt. Anfechtbar sind Schenkungen – die Parteien einigen sich im Schenkungsfall über die Unentgeltlichkeit – und sonstige unentgeltliche Verfügungen, bei denen eine Einigung über die Unentgeltlichkeit fehlt. Von einer Unentgeltlichkeit ist auszugehen, wenn der Schuldner bei objektiver Betrachtung keinen Gegenwert für die Aufgabe des Rechts erhalten hat. Subjektive Vorstellungen und Absichten des Schuldners und seines Vertragspartners bleiben außer Betracht. Steht objektiv fest, dass ein Gegenwert in das Vermögen des Schuldners geflossen ist, muss geprüft werden, ob die Beteiligten die Gegenleistung als Entgelt angesehen haben (BGH, Urteil vom 07.07.2015, X ZR 59/13, NJW 2016, 324 Rn. 14). Ob die Rechtshandlung entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt, ist zum Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung zu beurteilen (Kindl/Meller-Hannich, Zwangsvollstreckung, AnfG § 4 Rn. 9).
Die von der Klägerin und dem Vollstreckungsschuldner getroffene Vereinbarung über die Aufhebung der Reallast ist im Hinblick auf die Gegenleistung eindeutig. Eine Gegenleistung sollte es für die Aufhebung der Reallast ausdrücklich nicht gegeben. Die Vertragsparteien sind einvernehmlich davon ausgegangen, dass die Rechtsaufhebung nur eine einseitige Vermögensverfügung des Vollstreckungsschuldners beinhaltet. Angesichts des eindeutigen Wortlauts der Aufhebungsvereinbarung kann nicht im Wege einer Auslegung aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts (§§ 133, 157 BGB) zu Gunsten der Klägerin eine Gegenleistung angenommen werden. Weitere Gegenleistungen sind ausweislich des notariellen Vertrages nicht vereinbart worden. Insoweit gilt eine Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit der notariellen Urkunde (Palandt/Ellenberger, BGB, 79. Auflage 2020, § 125 Rn. 21).
Die Klägerin hat diese Vermutung nicht widerlegt. Nach ihrem Vortrag steht die Unentgeltlichkeit der Rechtsaufhebung nicht in Frage.
Soweit die Klägerin vorträgt, mit der Aufhebung der Reallast sei ohnehin nur die zwischen den Parteien übliche Abwicklung der Vertragsverhältnisse nachvollzogen worden, lässt dies einen Rückschluss darauf zu, dass die schuldrechtlichen Ansprüche des Vollstreckungsschuldners auf wiederkehrende Leistungen und die Ansprüche auf monatliche Mietzahlung nach der Vorstellung der Klägerin und dem Vollstreckungsschuldner in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen sollten. Die Reallast als dingliches Recht zur Sicherung der Ansprüche des Vollstreckungsschuldners besteht unabhängig von den schuldrechtlich begründeten Rechtsbeziehungen. Die Aufhebung der Reallast stellt sich als eigenständiger Rechtsakt dar, der zwar im Zuge der Abwicklung der schuldrechtlichen Ansprüche erfolgen kann, der aber nach dem in der Vertragsurkunde erklärten Willen der Parteien ohne Gegenleistung erfolgt ist.
Dabei kann dahinstehen, ob die Mietvereinbarung zwischen der Klägerin und ihrem Vater, einer der Klägerin nahestehenden Person, steuerlich anzuerkennen ist. Zwar bestehen Anhaltspunkte, dass die tatsächliche Durchführung der Mietvereinbarung nicht wie unter fremden Dritten erfolgt ist (BFH vom 14.04.1983, IV R 198/80, BStBl. II 1983, 555), weil eine tatsächliche Mietzahlung zu keinem Zeitpunkt erfolgt war. Nach dem Vortrag der Klägerin waren die zwischen ihr und ihrem Vater bestehenden Zahlungsverpflichtungen einvernehmlich nicht durchgesetzt, sondern laufend verrechnet worden. Für die streitgegenständliche Fragestellung ist jedoch allein relevant, ob eine Gegenleistung für die Aufhebung der Reallast dem Vollstreckungsschuldner zugewendet worden ist. Davon kann vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden.
Im Übergabevertrag ist eine als „dauernde Last“ bezeichnete schuldrechtliche Verpflichtung vereinbart worden. Die Bezeichnung „dauernde Last“ kann für die steuerliche Einordnung der Leistungen von Belang sein. Steuerrechtlich sind dauernde Lasten ungleichmäßige oder abänderbare wiederkehrende Leistungen auf eine bestimmte Laufzeit (Oertel in: Kirchhof/Seer, Einkommensteuergesetz, 20. Aufl. 2021, § 9 EStG, Rn. 38; zur Einordnung von Versorgungsleistungen als Leibrente oder dauernde Lasten vgl. BFH, Urteil vom 16.06.2021, X R 31/20, DStR 2021, 2884 Rn. 16). Dem Vortrag der Klägerin lässt sich entnehmen, dass die vertragliche Abrede aus dem Übergabevertrag tatsächlich nicht durchgeführt worden ist. Zahlungen (in Höhe von 800,00 Euro monatlich) an den Vollstreckungsschuldner sind zu keinem Zeitpunkt von der Klägerin geleistet worden. Die Aufrechnung des monatlich fälligen Betrags von 800,00 Euro mit Mietansprüchen der Klägerin hätte zum Erlöschen der – jeweils monatlich fälligen – schuldrechtlichen Ansprüche des Vollstreckungsschuldners gegen die Klägerin geführt (§ 387 BGB). Die im Klagevortrag beschriebene Verrechnungspraxis hat sich auf den Bestand der Reallast nicht ausgewirkt. Selbst wenn man den Vortrag der Klägerin als zutreffend unterstellt, nach dem sich aus der schuldrechtliche Vereinbarung über die wiederkehrenden Leistungen – vereinbarungsgemäß – keine zivilrechtlichen Ansprüche mehr ergeben würden (etwa infolge eines konkludent geschlossenen Erlassvertrags, § 397 BGB oder infolge einer Vereinbarung, einen Anspruch nicht geltend zu machen [so genannter pactum de non petendo]), hätte auch dieser Umstand keinen Einfluss auf den Bestand der Reallast gehabt. Erst mit der Aufhebung der Reallast sind die (Sicherungs-)Wirkungen der sich insofern ergebenden Belastung des Grundstücks der Klägerin entfallen. Bis zur Aufhebung der Reallast, bewirkte die Reallast die Sicherung der von der Klägerin und dem Vollstreckungsschuldner im Übergabevertrag begründeten schuldrechtlichen Zahlungsansprüche.
4. Im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 AnfG kommt es nicht auf den Benachteiligungsvorsatz oder auf eine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Beteiligten an, da das Interesse des Empfängers an einer unentgeltlichen Zuwendung weniger schutzwürdig ist als das Interesse des Gläubigers, sich durch die Vollstreckung zu befriedigen.
5. Die unentgeltliche Leistung wurden innerhalb der letzten vier Jahre vor der Anfechtung vorgenommen. Die Aufhebung des Rentenrechts erfolgte mit notariellem Vertrag vom 09.06.2016; der Duldungsbescheid erging rechtzeitig innerhalb der Vierjahres-Frist des § 4 Abs. 1 AnfG am 26.04.2018.
6. Die Klägerin hat dem Finanzamt Wertersatz nach § 11 AnfG zu leisten. Die Ermessensentscheidung des Finanzamts, die Klägerin durch Duldungsbescheid in Anspruch zu nehmen, ist nicht zu beanstanden. Es reicht hierfür aus, dass das Vermögen des Vollstreckungsschuldners für eine vollständige Befriedigung der Forderungen des Finanzamts unzulänglich ist (BFH Beschluss vom 28.05.2003, VII B 106/03, BFH/NV 2003 1146). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Andere Duldungsschuldner sind im Hinblick auf die zwischen der Klägerin und den Vollstreckungsschuldner bestehenden Rechtsbeziehungen nicht gegeben.
7. Der Duldungsbescheid genügt auch den formellen Anforderungen. Er ist ordnungsgemäß an die Klägerin adressiert und inhaltlich hinreichend bestimmt. Es geht daraus klar hervor, in welcher Höhe und aus welchen Gründen der Beklagte die Klägerin in Anspruch nimmt. Die Höhe des Wertersatzes lässt sich zutreffend anhand des monatlich zu zahlenden Rentenwertes (800,00 Euro) ermitteln. Das Finanzamt hat zutreffend den Wert des Rentenrechts ausgehend vom Lebensalter (… Jahre zum Zeitpunkt der Rechtsaufhebung) und der Lebenserwartung des Vollstreckungsschuldners im Jahr 2016 (Vervielfältiger: …) mit rund … Euro bewertet.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben