Erbrecht

Amtswiderspruch in Grundbuchsachen: Eintragungsfähigkeit von Zinsen bei Eintragung einer Zwangssicherungshypothek; fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Grundbuchamt

Aktenzeichen  V ZB 52/20

Datum:
21.10.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:211021BVZB52.20.0
Normen:
§ 866 Abs 1 ZPO
§ 53 Abs 1 S 1 GBO
Spruchkörper:
5. Zivilsenat

Leitsatz

1. Bei der Eintragung einer Zwangssicherungshypothek können Zinsen, die in dem Vollstreckungstitel als Nebenforderungen ausgewiesen sind, nicht in kapitalisierter Form der Hauptforderung hinzugerechnet und als Betrag der Hypothek eingetragen werden.
2. Eine Verletzung gesetzlicher Vorschriften i.S.v. § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO liegt vor, wenn das Grundbuchamt bei der Eintragung das Gesetz nach seinem objektiven Inhalt nicht oder nicht richtig anwendet; darauf, ob die der Eintragung zugrundeliegende Rechtsauffassung des Grundbuchamtes vertretbar ist oder war, kommt es nicht an.

Verfahrensgang

vorgehend OLG Dresden, 17. Juni 2020, Az: 17 W 430/20vorgehend AG Leipzig, 13. Mai 2020, Az: KALP-20264-6

Tenor

Die Rechtsbeschwerden der Beteiligten zu 1 und 2 gegen den Beschluss des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 17. Juni 2020 werden zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Beteiligte zu 1 zu 32 %. Im Übrigen werden Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht erhoben.
Die im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 1 hat ihm der Beteiligte zu 2 zu 68 % zu erstatten. Die im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 2 hat ihm der Beteiligte zu 1 zu 32 % zu erstatten. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 55.344,49 €, davon entfallen 17.665,36 € auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 und 37.679,13 € auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2.

Gründe

I.
1
Der Beteiligte zu 1 ist Eigentümer des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundstücks. Der Beteiligte zu 2 (der Freistaat Sachsen) vollstreckt gegen den Beteiligten zu 1 aus einem Vollstreckungsbescheid vom 27. September 2000 über eine Hauptforderung von 230.133,45 DM (= 117.665,36 €) nebst 4 % Zinsen seit dem 29. Oktober 1999 und 2.324 DM (= 1.188,24 €) Kosten. Auf dessen Grundlage hatte der Beteiligte zu 2 bereits zwei Zwangssicherungshypotheken über 70.000 € und – in einem anderen Grundbuch – über 30.000 € jeweils nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 17. Juli 2010 eintragen lassen. Im Juni 2011 beantragte er die Eintragung einer weiteren Zwangssicherungshypothek mit folgender Berechnung:
„117.665,36 EUR
Hauptforderung
– 70.000,00 EUR
eingetragene Zwangssicherungshypothek Blatt 20264
– 30.000,00 EUR
eingetragene Zwangssicherungshypothek Blatt 1513
1.188,24 EUR
Nebenkosten lt. Vollstreckungsbescheid
50.086,25 EUR
4 % Zinsen aus EUR 117.665,36seit 29.10.1999 bis vorl. 16.07.2010
610,44 EUR
4 % Zinsen aus EUR 17.665,36seit 17.07.2010 bis vorl. 27.05.2011
– 14.205,80 EUR
abzüglich Einzahlungen
55.344,49 EUR
Gesamtforderung
        
Hinzu kommen die weiteren Zinsen aus
EUR 17.665,36 ab 28.05.2011“
2
Die Zwangssicherungshypothek wurde am 3. Juni 2011 antragsgemäß eingetragen mit einem Betrag von 55.344,49 € nebst 4 % Zinsen jährlich seit dem 28. Mai 2011 aus 17.665,36 € unter Bezugnahme auf den Vollstreckungsbescheid.
3
Das Grundbuchamt hat den Antrag des Beteiligten zu 1 vom 6. Mai 2020 auf Eintragung eines Amtswiderspruchs gegen diese Eintragung zurückgewiesen. Auf seine Beschwerde hat das Oberlandesgericht das Grundbuchamt angewiesen, gegen die Zwangssicherungshypothek einen Amtswiderspruch zu seinen Gunsten hinsichtlich eines Teilbetrages von 37.679,13 € einzutragen. Im Übrigen hat es die – auch auf die Löschung der Zwangssicherungshypothek gerichtete – Beschwerde zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss haben beide Beteiligte die zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt, der Beteiligte zu 1 mit dem Ziel, den Amtswiderspruch auf den Gesamtbetrag von 55.344,49 € zu erweitern und die Zwangssicherungshypothek zu löschen, der Beteiligte zu 2 mit dem Ziel, den Antrag auf Eintragung eines Amtswiderspruchs und auf Löschung der Zwangssicherungshypothek zurückzuweisen. Beide Beteiligte beantragen die Zurückweisung des jeweils anderen Rechtsmittels.
II.
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Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO ein Amtswiderspruch gegen die Zwangssicherungshypothek einzutragen. Das Grundbuchamt habe bei der Eintragung der Zwangssicherungshypothek gegen § 866 Abs. 1 ZPO verstoßen, indem es der Hauptforderung kapitalisierte Zinsen hinzugerechnet habe. Aus der Bestimmungsfunktion des Titels für Umfang und Inhalt der Zwangsvollstreckung folge, dass Zinsen nicht in kapitalisierter Form eingetragen werden dürften, wenn sie in dem Titel als Nebenforderung ausgewiesen seien. Wollte man stattdessen auf den Vollstreckungsantrag abstellen, könnte die Mindestbetragsregelung des § 866 Abs. 3 ZPO umgangen werden. Das Grundbuch sei durch die Eintragung teilweise unrichtig geworden, weil die Zwangssicherungshypothek mangels Hauptforderung nicht in der eingetragenen Höhe entstanden sei. Der Amtswiderspruch sei aber auf einen Betrag von 37.679,13 € zu beschränken, weil nur insoweit ein Gesetzesverstoß vorliege. In Höhe von 17.665,36 € sei das Grundbuch nicht unrichtig, da in dieser Höhe zum Zeitpunkt der Eintragung eine Hauptforderung bestanden habe. Eine Amtslöschung der Zwangssicherungshypothek gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO komme hingegen nicht in Betracht, weil die Eintragung kapitalisierter Zinsen keine inhaltliche Unzulässigkeit begründe. Das Gesetz enthalte kein Verbot, Zinsen in kapitalisierter Form einzutragen. Soweit der Löschungsantrag auf § 22 GBO gestützt werde, sei die Beschwerde unzulässig.
III.
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Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.
6
Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2
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1. Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2 ist nach § 78 Abs. 1 GBO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 78 Abs. 3 GBO i.V.m. § 71 FamFG). Die Regelung in § 71 Abs. 2 Satz 1 GBO, nach der die Beschwerde gegen eine Eintragung im Grundbuch unzulässig ist, steht der Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nicht entgegen. Sie ist nach ihrem Sinn und Zweck nur auf diejenigen Grundbucheintragungen anwendbar, die am öffentlichen Glauben des Grundbuchs teilnehmen (vgl. Senat, Beschluss vom 16. April 1975 – V ZB 22/74, BGHZ 64, 194, 198; Beschluss vom 13. Juli 2017 – V ZB 136/16, NJW 2017, 3715 Rn. 6; Beschluss vom 7. Dezember 2017 – V ZB 59/17, ZfIR 2018, 277 Rn. 9). Dies ist bei dem Widerspruch nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO nicht der Fall. Er dient im Gegenteil gerade dazu, den öffentlichen Glauben an die Richtigkeit des Grundbuchs zu beseitigen (vgl. § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB) und den gutgläubigen Erwerb des betroffenen Rechts auszuschließen, verlautbart aber nicht selbst das Bestehen eines Rechts (vgl. RGZ 117, 346, 352).
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Daher ist derjenige, gegen dessen vom Grundbuch verlautbarte Rechtsstellung sich der Widerspruch richtet, nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO mit dem Ziel der Löschung unbeschränkt beschwerdeberechtigt, gleich ob er sich mit der Beschwerde gegen die Eintragung selbst wendet oder gegen die Ablehnung des Antrags auf Löschung des Widerspruchs (vgl. RGZ 117, 346, 351 f.; BayObLGZ 1952, 24, 26; 1989, 354, 356; OLG München, FGPrax 2016, 63; OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 2021, 595 Rn. 12; Demharter, GBO, 32. Aufl., § 53 Rn. 31 und § 71 Rn. 71; Bauer/Schaub/Budde, GBO, 4. Aufl., § 71 Rn. 47; KEHE/Sternal, Grundbuchrecht, 8. Aufl., § 71 Rn. 32; BeckOK GBO/Kramer [1.8.2021], § 71 Rn. 130; Meikel/Schmidt-Räntsch, GBO, 12. Aufl., § 71 Rn. 53). Ordnet – wie hier – erstmals das Beschwerdegericht die Eintragung des Amtswiderspruchs an, ist hiergegen im Falle der Zulassung die Rechtsbeschwerde statthaft (vgl. Demharter, GBO, 32. Aufl., § 53 Rn. 32; KEHE/Sternal, Grundbuchrecht, 8. Aufl., § 71 Rn. 32; BeckOK GBO/Kramer [1.8.2021], § 71 Rn. 131).
9
2. In der Sache bleibt die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2 ohne Erfolg. Das Beschwerdegericht hat das Grundbuchamt zu Recht angewiesen, gegen die Zwangssicherungshypothek hinsichtlich eines Teilbetrages von 37.679,13 € einen Amtswiderspruch zu Gunsten des Beteiligten zu 1 einzutragen.
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a) Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO ist von Amts wegen ein Widerspruch in das Grundbuch einzutragen, wenn sich ergibt, dass das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Das Grundbuchamt hat bei der Eintragung der Zwangssicherungshypothek gegen § 866 Abs. 1 ZPO verstoßen, indem es Zinsen, die im Vollstreckungstitel als Nebenforderungen ausgewiesen sind, kapitalisiert als Betrag der Hypothek und damit als Hauptforderung eingetragen hat. Allerdings ist umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen Zinsen, die als Nebenforderungen tituliert sind, im Vollstreckungsverfahren als Hauptforderung geltend gemacht und durch eine Zwangssicherungshypothek gesichert werden können.
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aa) Eine Ansicht hält es für zulässig, als Nebenforderung titulierte Zinsen, die erstmals im Vollstreckungsverfahren – als zwischenzeitlich aufgelaufene rückständige Zinsen – in kapitalisierter Form geltend gemacht werden, der Hauptforderung hinzuzurechnen und mit dieser als Betrag der Zwangssicherungshypothek einzutragen (vgl. LG Bonn, Rpfleger 1982, 75; MüKoZPO/Dörndorfer, 6. Aufl., § 866 Rn. 10; BLHAG/Nober, 79. Aufl., § 866 Rn. 5; Prütting/Gehrlein/Zempel, ZPO, 12. Aufl., § 866 Rn. 7; Noethen in Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Aufl., ZPO § 866 Rn. 6; Meikel/Grziwotz, GBO, 12. Aufl., Einl B Rn. 575; Stöber/Morvilius, GBO-Verfahren und Grundstückssachenrecht, 3. Aufl., Rn. 839; Helwich, JurBüro 2008, 566, 569; Böttcher, NJW 2013, 838, 839; Morvilius, FPR 2013, 382, 383).
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bb) Nach anderer Ansicht können bei der Eintragung der Zwangssicherungshypothek Zinsen stets nur so eingetragen werden, wie sie tituliert sind. Nach dieser Auffassung ist es nicht zulässig, als Nebenforderung titulierte Zinsen kapitalisiert als Hauptforderung bzw. unter Hinzurechnung zu der Hauptforderung einzutragen (vgl. OLG Schleswig, JurBüro 1982, 913; OLG München, FGPrax 2012, 11; Rpfleger 2016, 556, 557 f.; OLG Nürnberg, WM 2014, 2126, 2127; KG, FGPrax 2017, 99, 100; Staudinger/Wolfsteiner, BGB [2019], Vorbem. zu § 1113 Rn. 54; Stein/Jonas/Bartels, ZPO, 23. Aufl., § 866 Rn. 6; Wieczorek/Schütze/Bittmann, ZPO, 4. Aufl., § 866 Rn. 13; Zöller/Seibel, ZPO, 33. Aufl., § 866 Rn. 5; Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 17. Aufl., § 866 Rn. 4; HK-ZPO/Kindl, 8. Aufl., § 866 Rn. 5; BeckOK ZPO/Riedel [1.7.2021], § 866 Rn. 8; Schuschke/Göbel in Schuschke/Walker/Kessen/Thole, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 7. Aufl., § 866 ZPO Rn. 6; Stöber/Keller, ZVG, 22. Aufl., Einleitung Rn. 321; Schumacher, JurBüro 1950, 33; Hellmig, Rpfleger 1982, 301; Löscher, JurBüro 1982, 1792, 1798; Hintzen, ZIP 1991, 474, 478 f.; ders., Rpfleger 2009, 448; Böhringer, ZfIR 2018, 373, 374; siehe auch schon KG, KGJ 50 [1919], 149, 155).
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cc) Der Senat hält die letztgenannte Ansicht für richtig. Bei der Eintragung einer Zwangssicherungshypothek können Zinsen, die in dem Vollstreckungstitel als Nebenforderungen ausgewiesen sind, nicht in kapitalisierter Form der Hauptforderung hinzugerechnet und als Betrag der Hypothek eingetragen werden.
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(1) (a) Nach § 866 Abs. 1 ZPO erfolgt die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück durch Eintragung einer Sicherungshypothek für die Forderung, durch Zwangsversteigerung und durch Zwangsverwaltung. Grundlage der Zwangsvollstreckung (vgl. §§ 704, 750 ZPO) und damit auch der Eintragung der Zwangssicherungshypothek in das Grundbuch ist der Vollstreckungstitel; auf seiner Grundlage findet anschließend nach § 867 Abs. 3 ZPO gegebenenfalls die Zwangsversteigerung des Grundstücks statt (vgl. Senat, Beschluss vom 29. Januar 2015 – V ZR 93/14, juris Rn. 8). Die Zwangssicherungshypothek kann somit die Forderung im Ausgangspunkt nur mit dem titulierten Inhalt sichern. Hieraus folgt, dass es grundsätzlich nicht zulässig ist, Zinsen, die als Nebenforderung, d.h. in Abhängigkeit von einer Hauptforderung unter Angabe des Zinssatzes und des Zinsbeginns, tituliert sind, selbst als Hauptforderung, d.h. als Betrag der Hypothek einzutragen (zutreffend OLG Schleswig, JurBüro 1982, 913; OLG München, FGPrax 2012, 11; Rpfleger 2016, 556; OLG Nürnberg, WM 2014, 2126, 2127; Staudinger/Wolfsteiner, BGB [2019], Vorbem. zu §§ 1113 ff. Rn. 54; Stöber/Keller, ZVG, 22. Aufl., Einleitung Rn. 320 f.; Hellmig, Rpfleger 1982, 301; Hintzen, Rpfleger 2009, 448). Es widerspräche dem im Grundbuchverfahren zu beachtenden Prinzip der Klarheit und Übersichtlichkeit, wenn Zinsen abweichend vom Titel in kapitalisierter Form als Teil der Hauptforderung eingetragen werden könnten, weil dann aus der Eintragung nicht mehr ersichtlich wäre, ob der Betrag der Hypothek allein eine Hauptforderung (das Hypothekenkapital) ausweist oder ob er auch Zinsen beinhaltet (zutreffend OLG München, FGPrax 2012, 11, 12). Dies ist aber erforderlich, weil sowohl für die Voraussetzungen der Eintragung der Zwangssicherungshypothek, als auch für das Zwangsversteigerungsverfahren von Bedeutung ist, ob und inwieweit wegen einer Hauptforderung oder wegen einer Nebenforderung in Form von Zinsen vollstreckt wird.
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(b) Wegen mangelnder Klarheit und Übersichtlichkeit des Grundbuchs wäre eine solche Eintragung selbst dann unzulässig, wenn Zinsen, die kapitalisiert und unter Hinzurechnung zur Hauptforderung als Betrag der Zwangssicherungshypothek eingetragen werden, ihren Charakter als Nebenforderungen behielten. Würden die Zinsen bei dieser Art der Eintragung hingegen Teil der Hauptforderung, folgte deren Unzulässigkeit auch aus weiteren Aspekten.
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(2) (a) Zunächst würde die Vorschrift des § 866 Abs. 3 ZPO unterlaufen. Danach darf eine Sicherungshypothek nur für einen Betrag von mehr als 750 Euro eingetragen werden; Zinsen bleiben dabei unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderung geltend gemacht sind. Der Wortlaut entspricht weitestgehend dem der Wertvorschrift des § 4 Abs. 1 Hs. 2 ZPO, jedoch mit dem Unterschied, dass es nicht darauf ankommt, ob die Zinsen als Nebenforderung geltend gemacht „werden“, sondern ob sie als Nebenforderung geltend gemacht „sind“. Dies spricht für die Annahme, dass es für die Einordnung der Zinsen als Nebenforderung darauf ankommt, wie die Zinsen tituliert sind, und nicht darauf, wie der Gläubiger sie im Vollstreckungsverfahren geltend macht, d.h. ob er sie kapitalisiert, indem er für vergangene Zeiträume aufgelaufene Rückstände betragsmäßig aus- und der Hauptforderung hinzurechnet.
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Jedenfalls folgt die Maßgeblichkeit des Titels und nicht des Eintragungsantrags aus Sinn und Zweck der Norm. Diese zielt darauf ab, das Grundbuch von verwirrenden kleinen Zwangshypotheken freizuhalten. Daneben soll die Vorschrift auch verhindern, dass für kleine Forderungen des Alltags eine Realsicherheit erlangt werden und der Schuldner so seines Grundeigentums verlustig gehen kann (BT-Drucks. 13/341 S. 35). Diese Zwecke würden verfehlt, wenn der Gläubiger in regelmäßigen Abständen die zwischenzeitlich aufgelaufenen rückständigen Zinsen kapitalisieren und bei Erreichen des Mindestwertes von 750,01 € durch die Eintragung einer Zwangshypothek sichern lassen könnte. Hiermit würde die in § 866 Abs. 3 ZPO getroffene Regelung im Ergebnis umgangen (zutreffend OLG Schleswig, JurBüro 1982, 913; OLG Hamm, FGPrax 2009, 153 f.; Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 17. Aufl., § 866 Rn. 4).
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(b) Als Nebenforderung titulierte Zinsen können allerdings – aber eben auch nur dann – kapitalisiert als Betrag der Zwangssicherungshypothek eingetragen werden, wenn die titulierte Hauptforderung nicht mehr besteht (zutreffend OLG Düsseldorf, FGPrax 2019, 101, 102). Denn ebenso wie Zinsen im Erkenntnisverfahren mit dem Erlöschen der Hauptforderung selbst zur Hauptforderung werden (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 1957 – VII ZR 135/57, BGHZ 26, 174, 175; Urteil vom 14. März 1994 – VII ZR 146/93, NJW 1994, 1869, 1870; Beschluss vom 25. November 2004 – III ZR 325/03, juris Rn. 5; jeweils zu § 4 ZPO), werden sie im Vollstreckungsverfahren zur Hauptforderung, wenn die im Titel ausgewiesene Hauptforderung zwischenzeitlich erloschen ist, etwa weil sie nach Erlass des Titels erfüllt wurde (§ 362 BGB).
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Dass der Gläubiger die Zinsen im Vollstreckungsverfahren ausrechnet und ohne die noch bestehende Hauptforderung oder – wie hier – zusammen mit einem anderen Teil der Hauptforderung vollstreckt, d.h. mit einem Teil, von dem sie nicht abhängen, reicht hingegen nicht aus. Die letztgenannte Vorgehensweise mag zwar im Einzelfall zumindest dem Zweck, das Grundbuch von verwirrenden kleinen Zwangshypotheken freizuhalten, nicht zuwiderlaufen. Ob dem so ist, hinge aber allein von dem Verhalten des Gläubigers ab. Dieser könnte die Regelung des § 866 Abs. 3 ZPO im Ergebnis umgehen, indem er jeweils Teile der Hauptforderung mit kapitalisierten Zinsen so zusammenrechnet, dass sie gerade den Betrag von 750,01 € erreichen.
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(3) Vor allem spricht gegen die Zulässigkeit der Eintragung kapitalisierter Zinsen als Teil der Hauptforderung, dass der Gläubiger auf diese Weise die gesetzlichen Regelungen über die Verjährung titulierter und gesicherter Zinsen umgehen könnte.
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(a) Nach § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB verjähren rechtskräftig festgestellte Ansprüche in 30 Jahren. Soweit sie jedoch künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Inhalt haben, tritt an die Stelle der Verjährungsfrist von 30 Jahren die regelmäßige Verjährungsfrist (§ 197 Abs. 2 BGB). Da der Anspruch durch die Verjährung nicht erlischt, bleiben akzessorische Rechte wie Hypotheken und Pfandrechte jedoch bestehen. Für durch eine Hypothek gesicherte Ansprüche regelt § 216 Abs. 1 BGB, dass die Verjährung des Anspruchs den Gläubiger nicht hindert, seine Befriedigung aus dem belasteten Gegenstand (Grundstück) zu suchen. Dies gilt nach Abs. 3 der Vorschrift indes nicht für verjährte Ansprüche auf Zinsen und andere wiederkehrende Leistungen (vgl. auch § 902 Abs. 1 Satz 2 BGB). Somit unterliegen Zinsen, die im Titel als Nebenforderungen ausgewiesen sind, der regelmäßigen Verjährungsfrist, und können nach Eintritt der Verjährung auch dann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn sie durch eine Zwangssicherungshypothek gesichert sind.
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(b) Der Sinn und Zweck der Verkürzung der Verjährung in § 197 Abs. 2 BGB liegt darin, die Ansammlung von Rückständen aus regelmäßig wiederkehrenden Leistungen nicht zu begünstigen und sie nicht zu einer solchen Höhe anwachsen zu lassen, dass der Schuldner durch deren Einforderung wirtschaftlich gefährdet oder zugrunde gerichtet wird (BGH, Urteil vom 20. November 1997 – IX ZR 136/97, BGHZ 137, 193, 199 mwN).
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(c) Wäre es jedoch zulässig, zwischenzeitlich aufgelaufene Zinsen zu kapitalisieren und als Teil der durch die Zwangssicherungshypothek gesicherten Hauptforderung eintragen zu lassen, könnte der Gläubiger sie wie die Hauptforderung unabhängig von ihrer Verjährung aus dem Grundstück beanspruchen. Hiermit würden die Vorschriften der § 197 Abs. 2, § 216 Abs. 3 BGB, die Zinsen und andere wiederkehrende Leistungen hinsichtlich der Verjährung und Vollstreckbarkeit aus den genannten Gründen anders behandeln als die Hauptforderung, in unzulässiger Weise umgangen (zutreffend Stöber/Keller, ZVG, 22. Aufl., Einleitung Rn. 321; Staudinger/Wolfsteiner, BGB [2019], Vorbem. zu §§ 1113 ff. Rn. 54).
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(4) Schließlich spricht gegen die Zulässigkeit der Eintragung von erst im Vollstreckungsantrag kapitalisierten Zinsen als Teil der Hauptforderung, dass der Gläubiger sich auf diese Weise einseitig eine Rangverbesserung in der Zwangsversteigerung verschaffen könnte.
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(a) Nach § 10 Abs. 1 ZVG erhält der Hauptanspruch einer Hypothek (das Kapital) in der Zwangsversteigerung ohne zeitliche Beschränkung die Rangklasse 4. Gleiches gilt für Nebenforderungen, die als einmalige Leistungen nicht zeitlich abgegrenzt sind, z.B. für Kosten (vgl. Stöber/Achenbach, ZVG, 22. Aufl., § 10 Rn. 83; Böttcher, ZVG, 6. Aufl., § 10 Rn. 52). Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen, insbesondere Zinsen, genießen das Vorrecht dieser Klasse hingegen nur wegen der laufenden und der aus den letzten zwei Jahren rückständigen Beträge. Die älteren Rückstände fallen in die Rangklasse 8, oder – wenn der Gläubiger ihretwegen in das Grundstück vollstreckt – in die Rangklasse 5 (vgl. Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 16. Aufl., § 10 Rn. 52; Stöber/Achenbach, aaO). Laufende Beträge wiederkehrender Leistungen sind nach § 13 Abs. 1 Satz 1 ZVG der letzte vor der Beschlagnahme fällig gewordene Betrag sowie die später fällig werdenden Beträge. Die älteren Beträge sind Rückstände (Satz 2). Sinn und Zweck der Beschränkung des Vorrechts wiederkehrender Leistungen ist, dass die Sicherheit des Realkredits leiden müsste, wenn das Vorrecht allen nicht verjährten Zinsansprüchen gewährt würde (vgl. Denkschrift zum ZVG von 1897, S. 58).
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(b) Könnten jedoch als Nebenforderung titulierte Zinsen bei der Eintragung der Zwangssicherungshypothek als Teil des Kapitals eingetragen werden, fielen sie ab diesem Zeitpunkt bei der Zwangsversteigerung stets in die Rangklasse 4. Der Gläubiger könnte folglich eine Rangverbesserung hinsichtlich der als Nebenforderung titulierten Zinsen allein dadurch bewirken, dass er sie bei seinem Eintragungsantrag kapitalisiert und der Hauptforderung hinzurechnet (vgl. OLG München, FGPrax 2012, 11, 12; Rpfleger 2016, 556, 557; OLG Nürnberg, WM 2014, 2126 f.; Staudinger/Wolfsteiner, BGB [2019], Vorbem. zu §§ 1113 ff. Rn. 54; Hintzen, ZIP 1991, 474, 479; ders., Rpfleger 2009, 448).
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(c) Soweit dem entgegengehalten wird, es müsse nicht in jedem Fall zu einer Rangverbesserung und könne im Einzelfall sogar zu einer Verschlechterung des Rangs kommen (so Meikel, GBO, 12. Aufl., Einl. B Rn. 575), trifft dies zwar zu. Eine Rangverbesserung erfahren die kapitalisierten Zinsen nämlich nur, wenn und soweit die Beschlagnahme mehr als zwei Jahre nach der Eintragung erfolgt, da sie anderenfalls auch als im Zeitpunkt der Beschlagnahme rückständige Zinsen aus den letzten zwei Jahren bzw. ab dann als laufende Zinsen in die Rangklasse 4 fallen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es allein auf die erste Beschlagnahme ankommt, gleich durch welchen Gläubiger sie veranlasst wird (§ 13 Abs. 4 ZVG), und dass darüber hinaus auch eine bereits in einem Zwangsverwaltungsverfahren erwirkte Beschlagnahme für die Zwangsversteigerung als die erste gilt, wenn sie bis zu der in der Zwangsversteigerung erfolgten Beschlagnahme fortgedauert hat (§ 13 Abs. 4 Satz 2 ZVG). In der Zwangsverwaltung kann die Eintragung der Zinsen als Hypothekenkapital sogar zu einer Rangverschlechterung für den Gläubiger führen, weil dort nach § 155 Abs. 2 Satz 2 ZVG bei der Verteilung der laufenden Überschüsse in Rangklasse 4 nur die laufenden wiederkehrenden Leistungen zu berücksichtigen sind. Dass die Kapitalisierung der Zinsen unter Umständen keine Verbesserung oder gar eine Verschlechterung für den Gläubiger bewirken kann, ändert aber nichts daran, dass nicht ersichtlich ist, weshalb ihm überhaupt gestattet sein soll, den Rang, den das Gesetz den Zinsen als wiederkehrenden Leistungen zuweist, allein dadurch zu verändern, dass er rückständige Zinsen aus- und der Hauptforderung hinzurechnet.
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(5) Der Einwand des Beteiligten zu 2, es sei kein Grund dafür ersichtlich, weshalb die Kapitalisierung von Zinsen bei der Zwangssicherungshypothek unzulässig, bei der Verkehrshypothek aber zulässig sein soll, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zwar wird es in der Tat bei der Verkehrshypothek nach § 1113 BGB für zulässig erachtet, Zinsen für abgelaufene Zeiträume in kapitalisierter Form als Betrag der Hypothek einzutragen (MüKoBGB/Lieder, 8. Aufl., § 1113 Rn. 49; BeckOK BGB/Rohe [1.8.2021], § 1113 Rn. 18; RGKR/Mattern, BGB, 12. Aufl., § 1115 Rn. 25 f.), wobei – soweit ersichtlich – davon ausgegangen aber nicht ausdrücklich ausgesprochen wird, dass auch eine Hinzurechnung zu einer Hauptforderung zulässig ist. Hieraus lässt sich indes nicht folgern, dass entsprechendes auch für die Eintragung der Zwangssicherungshypothek gelten muss (so aber LG Bonn, Rpfleger 1982, 75). Denn während die Kapitalisierung der Zinsen bei der Verkehrshypothek auf einer Einigung des Grundstückseigentümers mit dem Hypothekengläubiger beruht (§ 873 BGB), würde es bei der Zwangssicherungshypothek dem Gläubiger – wie gezeigt – ermöglicht, einseitig die für Zinsen geltenden Verjährungsregelungen zu Lasten des Grundstückseigentümers zu umgehen, indem er Rückstände aus- und der Hauptforderung hinzurechnet. Zudem gilt auch die Mindestbetragsregelung des § 866 Abs. 3 ZPO, die der Gläubiger auf diese Weise ebenfalls umgehen könnte, allein für die Zwangssicherungshypothek, nicht aber für die Verkehrshypothek.
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(6) Anders liegt es hingegen, wenn die Zinsen zwar kapitalisiert, aber ausdrücklich als Nebenforderungen eingetragen werden („Zwangssicherungshypothek zu 600 € nebst 150,01 € Zinsen hieraus für den Zeitraum … bis …“). Denn die Kapitalisierung ist für sich genommen nur eine andere Berechnungsart für die Kennzeichnung der Zinsen (zutreffend Löscher, JurBüro 1982, 1792, 1798). Werden die als Nebenforderung titulierten Zinsen so eingetragen, dass aus dem Grundbuch ihr Charakter als Nebenforderung eindeutig erkennbar ist, führt dies weder zu einer Unklarheit des Grundbuchs noch droht Umgehung der Mindestbetragsregelung des § 866 Abs. 3 ZPO, der Verjährungsregelung in § 216 Abs. 3 BGB oder der Regelung über die Rangklassen in § 10 ZVG. Eine solche Eintragung ist daher zulässig (zutreffend OLG Hamm, FGPrax 2013, 149 zu Säumniszuschlägen).
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b) Der Annahme einer für die Eintragung eines Amtswiderspruchs nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO erforderlichen Gesetzesverletzung steht nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt der Eintragung der Zwangssicherungshypothek für den Beteiligten zu 2 höchstrichterlich noch nicht geklärt war, ob rückständige Zinsen kapitalisiert eingetragen werden können, wenn sie im Vollstreckungstitel als Nebenforderungen ausgewiesen sind.
31
aa) Allerdings wird teilweise angenommen, eine Gesetzesverletzung i.S.v. § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO scheide aus, wenn die Eintragung auf eine vertretbare Auslegung des Gesetzes durch das Grundbuchamt gestützt sei; eine nachträgliche andere Auslegung durch das Beschwerdegericht rechtfertige nicht die Eintragung eines Amtswiderspruchs (vgl. LG Lübeck, JurBüro 1973, 652, 653; Meikel/Schneider, GBO, 12. Aufl., § 53 Rn. 81; KEHE/Schrandt/Kalb, 8. Aufl., § 53 GBO Rn. 17).
32
bb) Überwiegend wird hingegen davon ausgegangen, dass es für die Frage, ob eine Gesetzesverletzung im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, allein auf die objektive Rechtslage ankomme (vgl. Demharter, GBO, 32. Aufl., § 53 Rn. 21; Bauer/Schaub, GBO, 4. Aufl., § 53 Rn. 46; BeckOK GBO/Holzer [1.8.2021], § 53 Rn. 16).
33
cc) Die letztgenannte Ansicht trifft zu. Gesetzliche Vorschriften sind i.S.v. § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO verletzt, wenn bei der Eintragung zu beachtende Rechtsnormen des materiellen oder formellen Rechts infolge eines objektiven Pflichtenverstoßes des Grundbuchamts nicht oder nicht richtig angewendet worden sind. Die Gesetzesverletzung ist ein objektiver Begriff. Die Nichtanwendung oder unrichtige Anwendung des Gesetzes braucht deshalb nicht auf einem Verschulden des Grundbuchamts zu beruhen, sondern kann auch ohne ein Verschulden gegeben sein (Senat, Beschluss vom 13. Juli 1959 – V ZB 6/59, BGHZ 30, 255, 256). Ob eine Gesetzesverletzung vorliegt, ist aus der Sicht des Grundbuchamts und nach dem von ihm anzuwendenden Recht zu beurteilen. Maßgebend dafür ist die dem Grundbuchamt zur Zeit der Eintragung unterbreitete Sachlage und die zu dieser Zeit bestehende Rechtslage (vgl. Senat, Beschluss vom 13. Juli 1959 – V ZB 6/59, BGHZ 30, 255, 260; Beschluss vom 16. Februar 2012 – V ZB 204/11, juris Rn. 18). Daher liegt eine Verletzung gesetzlicher Vorschriften nicht vor, wenn das Grundbuchamt das Gesetz auf den ihm unterbreiteten Sachverhalt richtig angewandt hat, auch wenn dieser Sachverhalt unrichtig war, es sei denn, dass die Unrichtigkeit dem Grundbuchamt bekannt war oder bei gehöriger Prüfung erkennbar gewesen wäre (Senat, Beschluss vom 13. Juli 1959 – V ZB 6/59, BGHZ 30, 255, Leitsatz). Soweit es indes um die richtige Auslegung und Anwendung des Gesetzes selbst geht, kommt es auf die „Erkennbarkeit“ des richtigen Gesetzesinhalts für das Grundbuchamt nicht an, sondern allein auf die objektive Rechtslage. Da Rechtsnormen einen bestimmten Inhalt haben, ist dieser durch eine von der gültigen Auslegung abweichende Inhaltsbestimmung verletzt, auch wenn diese vertretbar ist (zutreffend Bauer/Schaub, GBO, 4. Aufl., § 53 Rn. 46). Eine Verletzung gesetzlicher Vorschriften i.S.v. § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO liegt daher vor, wenn das Grundbuchamt bei der Eintragung das Gesetz nach seinem objektiven Inhalt nicht oder nicht richtig anwendet; darauf, ob die der Eintragung zugrundeliegende Rechtsauffassung des Grundbuchamtes vertretbar ist oder war, kommt es nicht an.
34
c) Durch die unter Verstoß gegen § 866 ZPO erfolgte Eintragung der Zwangssicherungshypothek über eine Hauptforderung von 55.344,49 € ist das Grundbuch unrichtig geworden. Denn die Hypothek ist nur i.H.v. 17.665,36 € entstanden, weil nur in dieser Höhe eine Hauptforderung besteht. Daher hat das Beschwerdegericht das Grundbuchamt zu Recht angewiesen, gegen die Zwangssicherungshypothek einen Amtswiderspruch zu Gunsten des Beteiligten zu 1 hinsichtlich eines Teilbetrages von 37.679,13 € einzutragen.
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3. Soweit der Beteiligte zu 2 mit der Rechtsbeschwerde geltend macht, das Beschwerdegericht habe ihn in seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, indem es ihn im Beschwerdeverfahren nicht angehört hat, verhilft dies der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg.
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a) Richtig ist allerdings, dass das Beschwerdegericht den Anspruch des Beteiligten zu 2 auf rechtliches Gehör verletzt hat, indem es davon abgesehen hat, ihn vor der zu seinem Nachteil ergehenden Entscheidung im Beschwerdeverfahren anzuhören. Wie allgemein in Beschwerdeverfahren nach der Grundbuchordnung (vgl. § 68 Abs. 3 i.V.m. § 28 Abs. 1, § 37 Abs. 2 FamFG) ist auch in dem Beschwerdeverfahren über die Eintragung eines Amtswiderspruchs oder über die Amtslöschung den Beteiligten, insbesondere demjenigen, für den das betroffene Recht eingetragen ist, rechtliches Gehör zu gewähren (vgl. BayObLG, JurBüro 1989, 1273, 1275; BayObLGZ 1990, 212, 216; Meikel/Schmidt-Räntsch, GBO, 12. Aufl., § 77 Rn. 28; Meikel/Schneider, GBO, 12. Aufl., § 53 Rn. 39; Bauer/Schaub, GBO, 4. Aufl., § 53 Rn. 60; BeckOK GBO/Kramer [1.8.2021], § 77 Rn. 18). Dass hiervon ausnahmsweise abgesehen und rechtliches Gehör nachträglich gewährt werden kann, wenn die Gefahr der Rechtsvereitelung besteht (so etwa OLG München, FGPrax 2014, 51, 52; NJW-RR 2016, 1297 Rn. 29; Meikel/Schmidt-Räntsch, GBO, 12. Aufl., § 77 Rn. 28; Bauer/Schaub/Bauer, GBO, 4. Aufl., § 53 Rn. 60; BeckOK GBO/Kramer [1.8.2021], § 77 Rn. 19; Demharter, GBO, 32. Aufl., § 1 Rn. 70 und § 53 Rn. 35), liegt nahe, bedarf aber keiner Entscheidung. Denn eine solche Situation bestand hier nicht.
37
b) Der Verfahrensverstoß hat sich allerdings nicht ausgewirkt, weil der Beteiligte zu 2 im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht dargelegt hat, dass er im Falle einer Anhörung im Beschwerdeverfahren entscheidungserhebliche Tatsachen vorgebracht hätte, die zu einer anderen Entscheidung des Beschwerdegerichts hätten führen können. Er hat sich allein zu Rechtsfragen geäußert; insoweit konnte die im Beschwerdeverfahren unterbliebene Anhörung im Rechtsbeschwerdeverfahren nachgeholt werden (vgl. Meikel/Schmidt-Räntsch, GBO, 12. Aufl., § 77 Rn. 28).
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4. Schließlich bleibt die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2 ohne Erfolg, soweit dieser der Ansicht ist, im Falle der Bestätigung der Beschwerdeentscheidung seien zu Unrecht als Kapital der Hypothek eingetragene Zinsen stattdessen als Nebenforderung mit Zinssatz und Zinsbeginn einzutragen. Gegenstand des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens ist allein die von dem Beteiligten zu 1 angeregte Eintragung eines Amtswiderspruchs nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO bzw. Löschung der eingetragenen Zwangssicherungshypothek nach § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO. In diesem Verfahren kann der Beteiligte zu 2 nicht mehr erreichen, als dass die Eintragung des Widerspruchs und die Löschung seines Rechts unterbleiben. Zur Vornahme einer anderen Eintragung kann das Grundbuchamt – bei dem eine solche Eintragung bislang auch nicht beantragt wurde – nicht angewiesen werden.
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Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1
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Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
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1. Sie ist nur insoweit statthaft, als der Beteiligte zu 1 die Eintragung eines über 37.679,13 € hinausgehenden Amtswiderspruchs und die Löschung der Zwangssicherungshypothek auf der Grundlage von § 53 Abs. 1 GBO angeregt hat und dieses Ziel mit der Rechtsbeschwerde weiterverfolgen will. Soweit der Beteiligte zu 1 die Löschung der Zwangssicherungshypothek im Wege der Grundbuchberichtigung nach § 22 GBO beantragt, ist die Rechtsbeschwerde hingegen nicht statthaft.
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a) Nach § 71 Abs. 2 Satz 1 GBO ist die Beschwerde gegen eine Eintragung im Grundbuch unzulässig. Im Wege der Beschwerde kann jedoch nach Satz 2 der Vorschrift verlangt werden, dass das Grundbuchamt angewiesen wird, nach § 53 GBO einen Widerspruch einzutragen oder eine Löschung vorzunehmen. Daher ist die Entscheidung des Grundbuchamts, auf eine Anregung des Beteiligten hin nicht in diesem Sinne von Amts wegen tätig zu werden, mit der Beschwerde anfechtbar. Beschwerdeberechtigt ist in diesem Fall derjenige, dem bei Unrichtigkeit des Grundbuchs der Berichtigungsanspruch aus § 894 BGB zustünde (vgl. Demharter, GBO, 32. Aufl., § 53 Rn. 32 f.), hier der Beteiligte zu 1, dessen Eigentum an dem Grundstück durch die eingetragene Zwangssicherungshypothek beeinträchtigt wird. Nachdem seine Beschwerde teilweise zurückgewiesen worden ist, kann der Beteiligte zu 1 mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde sein Ziel insoweit weiterverfolgen.
43
b) Nicht statthaft ist die Rechtsbeschwerde hingegen insoweit, als der Beteiligte zu 1 die Löschung der Zwangssicherungshypothek im Wege der Grundbuchberichtigung nach § 22 GBO beantragt.
44
aa) Wie das Beschwerdegericht zutreffend erkennt, ist die Beschwerde insoweit bereits nicht statthaft. Eine gegen die Zurückweisung eines auf eine ursprüngliche Unrichtigkeit der Eintragung gestützten Berichtigungsantrags gerichtete Beschwerde ist nach § 71 Abs. 2 Satz 1 GBO unzulässig. Denn sie zielt der Sache nach darauf ab, dass das Beschwerdegericht die Vornahme der Eintragung in das Grundbuch überprüft, was nur in den Grenzen des § 71 Abs. 2 Satz 2 GBO zulässig ist (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Dezember 2017 – V ZB 59/17, ZfIR 2018, 277 Rn. 6).
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bb) Allerdings ist die Beschwerdebeschränkung des § 71 Abs. 2 Satz 1 GBO nach ihrem Sinn und Zweck nur auf diejenigen Grundbucheintragungen anwendbar, die am öffentlichen Glauben des Grundbuchs teilnehmen (vgl. Senat, Beschluss vom 16. April 1975 – V ZB 22/74, BGHZ 64, 194, 198; Beschluss vom 13. Juli 2017 – V ZB 136/16, NJW 2017, 3715 Rn. 6; Beschluss vom 7. Dezember 2017 – V ZB 59/17, ZfIR 2018, 277 Rn. 9). Dies ist bei einer Zwangssicherungshypothek der Fall. Der Senat hat die Beschwerdebeschränkung aber auch in dem Fall für unanwendbar gehalten, dass eine Rechtsänderung durch gutgläubigen Erwerb zwar nicht nach der Natur des eingetragenen Rechts, aber nach dem konkreten Inhalt des Grundbuchs rechtlich ausgeschlossen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 16. April 1975 – V ZB 22/74, aaO, S. 198 f.; Beschluss vom 7. Dezember 2017 – V ZB 59/17, aaO).
46
Das Vorliegen einer solchen Ausnahme verneint das Beschwerdegericht jedoch zu Recht. Der gutgläubige Erwerb der für den Beteiligten zu 2 eingetragenen Zwangshypothek ist, auch wenn diese nur mittels einer Grundbucheintragung übertragen werden kann, möglich und lässt sich nicht ausschließen, weil zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung ein Amtswiderspruch noch nicht eingetragen war. Insofern liegt es hier anders, als in der ebenfalls einen Antrag auf Löschung einer Zwangssicherungshypothek betreffenden Entscheidung, in welcher der Senat die Zulässigkeit der Beschwerde insoweit bejaht hat (vgl. Senat, Beschluss vom 16. April 1975 – V ZB 22/74, BGHZ 64, 194, 199).
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2. Zu Recht lehnt das Beschwerdegericht die Amtslöschung der Zwangssicherungshypothek nach § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO ab, weil die Eintragung nicht inhaltlich unzulässig ist.
48
a) Inhaltlich unzulässig i.S.d. § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO ist eine Eintragung, die ihrem – gegebenenfalls durch Auslegung zu ermittelnden – Inhalt nach einen Rechtszustand oder -vorgang verlautbart, den es nicht geben kann, oder wenn sie etwas Widersprüchliches verlautbart und ihre Bedeutung auch bei zulässiger Auslegung nicht ermittelt werden kann; ebenfalls als nach ihrem Inhalt unzulässig ist eine Eintragung anzusehen, die ein an sich eintragungsfähiges Recht mit einem gesetzlich nicht erlaubten Inhalt verlautbart. Dabei muss sich die Unzulässigkeit aus dem Eintragungsvermerk selbst oder den zulässig in Bezug genommenen Eintragungsunterlagen ergeben (Senat, Beschluss vom 13. Juli 2017 – V ZB 136/16, NJW 2017, 3715 Rn. 8; Beschluss vom 13. September 2018 – V ZB 2/18, ZfIR 2019, 274 Rn. 13; Beschluss vom 17. Januar 2019 – V ZB 81/18, NJW-RR 2019, 914 Rn. 6).
49
b) Das ist hier nicht der Fall. Die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek mit dem hier in Rede stehenden Inhalt – einem Kapital von 55.344,49 € nebst Zinsen i.H.v. 4 % seit dem 28. Mai 2011 aus 17.665,36 € – verlautbart weder etwas Widersprüchliches noch ein Recht, das es nicht geben kann. Zwar ist es nach dem oben Gesagten nicht zulässig, Zinsen, die als Nebenforderung tituliert sind, in kapitalisierter Form als Hauptforderung der Sicherungshypothek einzutragen. Dass mit der Eintragung hiergegen verstoßen wurde, lässt sich dem Eintragungsvermerk aber nicht entnehmen, und zwar auch nicht unter Berücksichtigung des in Bezug genommen Vollstreckungsbescheides. Denn der Vermerk lässt nicht erkennen, dass in dem als Hauptforderung verbuchten Betrag der Zwangssicherungshypothek überhaupt Zinsen in kapitalisierter Form enthalten sind.
50
3. Erfolglos bleibt die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 auch insoweit, als das Beschwerdegericht das Grundbuchamt lediglich zur Eintragung eines Amtswiderspruchs nach § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO i.H.v. 37.679,13 € angewiesen und die darüber hinaus gehende, auf die Eintragung eines Widerspruchs i.H.v. 55.344,49 € gerichtete Beschwerde zurückgewiesen hat.
51
a) Hinsichtlich des Teilbetrages von 17.665,36 € hat das Grundbuchamt die Eintragung nicht unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften vorgenommen, weil dieser Eintragung eine titulierte Hauptforderung zu Grunde liegt. Der Amtswiderspruch nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO war folglich auf den Teilbetrag von 37.679,13 € zu beschränken, da nur dieser Teil unter Verstoß gegen § 866 Abs. 1 ZPO eingetragen worden ist (vgl. zur Beschränkung des Widerspruchs in einem solchen Fall etwa OLG München, Rpfleger 2016, 556, 558; OLG Frankfurt, IPRax 2020, 567 Rn. 22; Meikel/Schneider, GBO, 12. Aufl., § 53 Rn. 119).
52
b) Soweit der Beteiligte zu 1 geltend macht, der Amtswiderspruch sei auf weitere 14.205,80 € zu erstrecken, weil seine Zahlungen abweichend von § 367 Abs. 1 BGB zunächst auf die Hauptforderung anzurechnen seien, erhebt er einen Einwand, der nicht im grundbuchrechtlichen Verfahren über die Eintragung eines Amtswiderspruchs, sondern allein mit der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend gemacht werden kann.
IV.
53
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, §§ 2, 22 GNotKG, die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 61 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 53 Abs. 1 Satz 1 GNotKG.
Stresemann     
      
Göbel     
      
Haberkamp
      
Hamdorf     
      
Malik     
      


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