Erbrecht

Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung – Eintragung einer Vormerkung

Aktenzeichen  41 O 19643/16

Datum:
19.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 195, § 196, § 197 Abs. 1 Nr. 2, § 885 Abs. 1 S. 2, § 920, § 2147, § 2150, § 2307 Abs. 2 S. 3
EGBGB EGBGB Art. 229 § 23 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1. Die Ausschlagungsfiktion des § 2307 Abs. 2 S. 3 BGB tritt nicht ein, wenn der Vermächtnisnehmer zugleich Erbe ist. Dann ist § 2307 Abs. 2 BGB nicht anwendbar. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist das Vermächtnis auf die Übertragung eines Grundstückes gerichtet, so beträgt die Verjährungsfrist für den Anspruch des Vermächtnisnehmers gemäß § 196 BGB zehn Jahre.  (Rn. 29 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Eintragung einer Vormerkung ist gemäß § 885 Abs. 1 S. 2 BGB ein Verfügungsgrund nicht erforderlich. (Rn. 32 – 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Es ergeht eine einstweilige Verfügung mit dem Inhalt, dass im Grundbuch des Amtsgerichts Miesbach von Kreuth, Gemarkung Kreuth, … Wohnhaus, Nebengebäude, Hofraum, Garten, … zu Lasten des Miteigentums der im Grundbuch eingetragenen Verfügungsbeklagten eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs des Verfügungsklägers auf Auflassung und Eintragung zu Alleineigentum eingetragen wird.
2. Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 40.000 € festgesetzt.

Gründe

Der Verfügungskläger kann im Wege einer einstweiligen Verfügung gemäß §§ 885 Abs. 1 BGB, 920 ZPO die Eintragung der beantragten Vormerkung (§ 883 BGB) verlangen.
I.
Der Antrag ist zulässig. Insbesondere hat der Verfügungskläger ein erforderliches Rechtsschutzinteresse. Dieses entfiele nur dann, wenn er sein unmittelbares, durch den Streitgegenstand beschriebenes Rechtschutzziel, hier die Eintragung einer Vormerkung, auf einen einfacheren Wege erreichen könnte, weil er z.B. bereits im Besitz einer erforderlichen Bewilligung ist. Dies ist hier nicht der Fall. Soweit die Verfügungsbeklagte meint, die Vormerkung sei wegen ihrer Nachrangigkeit ein ungeeignetes Mittel, die Teilungsversteigerung zu verhindern, so berührt dies nur das mittelbare Rechtsschutzziel und nicht das Rechtsschutzinteresse. Der Einwand ist daher im Rahmen der Begründetheit des Antrags (Verfügungsgrund) unter Ziff. II. 3. zu prüfen.
II.
Der Antrag ist auch begründet.
1. Der Antrag entspricht den grundbuchrechtlichen Erfordernissen einer Bewilligung und richtet sich gegen die richtige Verfügungsbeklagte
Die beantragte einstweilige Verfügung muss alle Erfordernisse der sie ersetzenden Bewilligung enthalten Sie muss daher Art und Umfang des zu sichernden Anspruchs, den Berechtigten sowie den durch die Vormerkung betroffenen Gegenstand ausreichend ausweisen (Palandt-Bassenge § 885 BGB Rn. 6, BayObLG Rpfleger 1981, 190–191). Dies ist hier der Fall. Aus dem Antrag ergibt sich, dass der Verfügungskläger von der Verfügungsbeklagten die Übertragung des Eigentums an dem streitgegenständlichen Grundstück zu Alleineigentum verlangt.
Sie richtet sich gegen die Verfügungsbeklagte, deren Recht durch die Erfüllung des gesicherten Anspruchs beeinträchtigt wäre. Es ist zwar richtig, dass beide Parteien in ungeteilter Erbengemeinschaft als Eigentümer des Grundstücks eingetragen sind. Der Verfügungskläger kann aber den behaupteten Anspruch aus dem Vorausvermächtnis auf Übertragung des Grundstücks zu Alleineigentum gegen die Verfügungsbeklagte geltend machen, die nach der Erbteilsübertragung Rechtsnachfolgerin der beiden übrigen Miterben geworden und an deren Stelle getreten ist. Der Erfüllungsanspruch des Miterben aus einem Vorausvermächtnis richtet sich gegen die übrigen Miterben bzw. gegen die Verfügungsbeklagte als deren Rechtsnachfolgerin, nicht dagegen gegen sich selbst als Mitglied der Erbengemeinschaft (S. Nobis in: Erman BGB, Kommentar, § 2150 BGB Rn. 3).
Dass nach dem Wortlaut des Antrags die Auflassungsvormerkung „zulasten des Miteigentums der im Grundbuch noch eingetragenen Antragsgegnerin“ eingetragen werden soll, ist zwar nicht korrekt, weil beide Parteien Eigentümer in einer ungeteilten Erbengemeinschaft sind, ist jedoch unschädlich. Wie eine Bewilligung so ist auch eine einstweilige Verfügung auslegungsfähig. Wird der Inhalt der Erklärung als Ergebnis der Auslegung erkennbar und entspricht sein Inhalt den gesetzlichen Anforderungen, kann sie als Eintragungsgrundlage dienen (Holzer Beck’scher Online-Kommentar § 19 GBO Rn. 46). Dies ist hier der Fall.
2. Der Verfügungskläger hat den zu sichernden Anspruch auf Übertragung des Eigentums an dem Grundstück zu Alleineigentum gegen die Beklagte als Rechtnachfolgerin der übrigen Miterben und seine Durchsetzbarkeit auch glaubhaft gemacht, wobei die Parteien nicht um Tatfragen, sondern nur um Rechtsfragen streiten.
a) Der Anspruch ist gemäß §§ 2147, 2150 BGB durch die testamentarische Verfügung mit dem Erbfall entstanden, weil der Antragsteller das Grundstück in Kreuth im Wege eines Vorausvermächtnisses erhalten sollte. Das Ergebnis dieser Auslegung wird von der Verfügungsbeklagten auch nicht angegriffen.
Dieser Anspruch ist weder durch Ausschlagung des Vermächtnisses untergegangen (b)) noch verjährt (c)).
b) Das Vermächtnis gilt nicht gemäß § 2307 Abs. 2 S. 3 BGB mit Ablauf der bis zum 15.01.2012 gesetzten Frist als ausgeschlagen. Zwar hat die Verfügungsbeklagte als Rechtnachfolgerin der mit dem Vorausvermächtnis beschwerten Miterben … und … den Verfügungskläger mit Schreiben vom 23.12.2011 aufgefordert, bis dahin zu erklären, ob dieser das Vermächtnis annehme, ohne dass hierauf dann eine zeitnahe Reaktion erfolgte.
Nach seinem Sinn und Zweck und seiner systematischen Stellung ist § 2307 Abs. 2 BGB jedoch nicht anwendbar, wenn der Vermächtnisnehmer das Vorausvermächtnis zusätzlich zu seinem unbeschwerten Erbteil erhalten hat. Denn er hat dann, selbst wenn er den Erbteil ausschlägt, keinen Pflichtteilsanspruch (Palandt-Weidlich 75. A. Rn. 5, G. Müller in Burandt/Rojahn Erbrecht 2. A. § 2307 BGB Rn. 37). In diesem Fall stellt sich daher von vorne herein nicht die Alternative, ob er das Vorausvermächtnis annimmt oder ob er es ausschlägt und dafür seinen Pflichtteil verlangt. Durch die Möglichkeit einer Fristsetzung in § 2307 Abs. 2 BGB sollten die Erben eine Klarheit über die nach Absatz 1 dieser Vorschrift eröffneten Alternative herbeiführen können, ob sie dem pflichtteilsberechtigten Vermächtnisnehmer den Pflichtteil oder das Vermächtnis schulden (Staudinger/Gerhard Otte (2015) BGB § 2307 Rn. 21). Diese Ungewissheit liegt hier jedoch nicht vor, weil ein Pflichtteilsanspruch keinesfalls zu erfüllen sein würde. Das Gesetz hat bewusst davon abgesehen, über den in § 2307 BGB geregelten Sonderfall hinaus, eine generelle Frist für die Annahme oder Ausschlagung eines Vermächtnisses zu bestimmen, obwohl die Erben generell ein Informationsbedürfnis haben können, ob der Vermächtnisnehmer seinen Anspruch geltend machen wird oder nicht. Vielmehr wurde eine Schutzbedürfnis nur dann vom Gesetzgeber angenommen, wenn die generelle Unsicherheit, ob der Vermächtnisnehmer seinen Anspruch geltend machen wird, dadurch noch gesteigert wird, dass die Erben nicht wissen, ob der pflichtteilsberechtigte Miterbe den Vermächtnisgegenstand oder statt dessen seinen Pflichtteil verlangt (vgl. G. Müller in Burandt/Rojahn Erbrecht 2. A. § 2307 BGB Rn. 6).
c) Der Anspruch auf Erfüllung des Vorausvermächtnisses ist auch nicht verjährt.
Nachdem die Erblasserin am 12.06.2006 verstorben war, galt zunächst die 30-jährige Verjährungsfrist des § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. für erbrechtliche Ansprüche. Durch das Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts vom 24.09.2009 wurde diese Vorschrift aufgehoben.
Nach Art. 229 § 23 Abs. 1 S. 2 EGBGB gilt für den Anspruch daher das seit dem 01.01.2010 geltende, strengere Verjährungsrecht, wobei die Verjährungsfrist erst am 01.01.2010 beginnt.
Als maßgebliche Verjährungsfrist ist nicht die allgemeine Verjährungsfrist des § 195 BGB anzuwenden, sondern die für die Auflassung von Grundstücken geltende zehnjährige Verjährungsfrist des § 196 BGB.
Soweit Damrau aus der Gesetzgebungsgeschichte eine teleologische Reduktion und damit Unanwendbarkeit des § 196 BGB für grundstücksbezogene Vermächtnisansprüche befürwortet (ZERb 2015, 333 vorgelegt als Anlage AG 10), so kann dies nicht überzeugen. Es ist zwar richtig, dass vor dem Reformgesetz vom 24.09.2009 die auf Grundstücksrechte bezogenem Vermächtnisansprüche nicht der Verjährungsfrist des § 196 BGB unterlagen, sondern der für erbrechtliche Ansprüche des § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB unterworfen wurden. Aus der Abschaffung dieser Vorschrift, mit der sich aus dem Gesetzesentwurf ergebenden Intention, „die Verjährungsfrist für erbrechtliche Ansprüche auf drei Jahre zu verkürzen“, kann jedoch nicht geschlossen werden, dass dies generell gelten sollte und insbesondere auch für grundstückbezogene Vermächtnisansprüche und dass insoweit § 196 BGB nicht anwendbar sei. Der Zweck dieser Vorschrift, den Gläubiger wegen der abstrakten Gefahr eines grundbuchvollzugsbedingten, verzögerten Rechtserwerbs zu schützen (Grothe in Münchener Kommentar 7. Auflage 2015 § 196 BGB Rn. 1), gilt auch dann, wenn der Gläubiger Vermächtnisnehmer ist. Es ist kein Grund ersichtlich, warum dieser schlechter gestellt werden soll als ein Gläubiger, der die Auflassung und Übertragung eines Grundstücks aus einem anderen Rechtsgrund verlangen kann. Dass § 196 BGB auf Vermächtnisansprüche hinsichtlich Grundstücksrechte vor der Reform nicht anzuwenden war, sondern dem § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB unterworfen wurde, ergab sich daraus, dass diese Vorschrift damals die speziellere Norm war und eine noch längere Verjährung vorsah. Nach Streichung dieser Vorschrift ist der Vermächtnisnehmer eines Grundstücks daher insoweit zu schützen, dass er sich auf § 196 BGB berufen kann, die nunmehr die gegenüber der allgemeinen Verjährungsregelung des § 195 BGB die speziellere Vorschrift ist (ebenso im Ergebnis: Münchener Kommentar a.a.O. unter Rn. 5).
Ist somit die zehnjährige Verjährungsfrist des § 196 BGB anzuwenden endet die reguläre Frist erst am 31.12.2019.
3. Ob ein Verfügungsgrund glaubhaft gemacht wurde, kann dahin gestellt bleiben, weil er nicht vorliegen muss.
Zum Erlass der einstweiligen Verfügung auf Eintragung einer Vormerkung ist nicht erforderlich, dass eine Gefährdung des zu sichernden Anspruchs glaubhaft gemacht wird (§ 885 Abs. 1 S. 2 BGB). Entgegen einer wohl überwiegenden Auffassung (vgl. Palandt-Herrler 76. A. § 885 ZPO Rb. 5, OLG Düsseldorf NJW-RR 2013, 798) kann der klare Wortlaut dieser Vorschrift nicht einschränkend im den Sinne ausgelegt werden, dass die Gefährdung des zu sicherenden Anspruchs nur widerlegbar vermutet wird (vgl. Staudinger/Karl-Heinz Gursky (2013) BGB § 885 Rn. 29). Vielmehr hat der Gesetzgeber eine abstrakte Gefährdung des zu sichernden Anspruchs als ausreichend angesehen, um die Eintragung einer Vormerkung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchzusetzen. Es kommt daher nicht an auf die in der mündlichen Verhandlung ergänzten Ausführungen der Verfügungsbeklagten, dass die nachrangig einzutragende Vormerkung die Teilungsversteigerung nicht hindern könne, der Verfügungskläger im Falle eines durchsetzbaren Hauptsacheanspruchs daher nur Anspruch auf Auskehrung des vollen Versteigerungserlöses habe und hierbei schon dadurch geschützt sei, dass der Versteigerungserlös wegen der bestehenden Erbengemeinschaft ohnehin zu hinterlegen sei und ohne seine Zustimmung nicht aufgeteilt werden könne und der Verfügungskläger somit des zusätzlichen Schutzes einer Vormerkung nicht bedürfe.
III.
Die sofortige Vollstreckbarkeit ergibt sich unmittelbar aus der Entscheidung (Zöller-Vollkommer § 929 ZPO Rn. 1).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Beim Streitwert wurde von einem Hauptsachestreitwert des zu sichernden Auflassungsanspruchs von 200.000 € ausgegangen. Das Sicherungsinteresse wurde auf einen Bruchteil von 1/5 (40.000 €) geschätzt.


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