Erbrecht

Beschwerde, Testamentsvollstrecker, Kaufpreis, Sorgerecht, Erblasser, Kinder, Anordnung, Testamentsvollstreckung, Kindesvater, Miterbe, Eheleute, Nachlass, Pflegschaft, Verkauf, gesetzlicher Vertreter, landwirtschaftlicher Betrieb, einstweiligen Anordnung

Aktenzeichen  2 WF 232/22 e

Datum:
3.6.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 15943
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

51 F 41/21 2021-11-11 Bes AGWEILHEIM AG Weilheim

Tenor

1. Die Beschwerde der Kindesmutter vom 30.11.2021 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Weilheim i.OB vom 11.11.2021 wird zurückgewiesen.
2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Aufwendungen der Beteiligten werden nicht erstattet.
3. Der Beschwerdewert wird auf 4.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin wenden sich gegen einen Beschluss des Amtsgerichts Weilheim vom 11.11.2021, mit dem die mit Beschluss vom 25.05. 2021 angeordnete Pflegschaft für ihre Kinder B. M., geboren am …2008, und T. M., geboren am …2009, aufgehoben wurde.
Die Antragstellerin ist die Mutter von B. und T. M. Die Eheleute M. verzogen berufsbedingt durch die Arbeitsstelle des Ehemannes, H. M., vor etwa 7 Jahren nach Kanada. Im Jahr 2020 trennte sich die Antragstellerin von ihrem Ehemann und zog zurück nach Österreich. Die Eheleute haben für ihre beiden Söhne das gemeinsame Sorgerecht.
Aufgrund notariellen Testaments wurden die beiden Söhne gemeinsam mit ihrem Vater H. Erben nach dem Tod des Großvaters väterlicherseits. In der Erbmasse befand sich unter anderem das Anwesen … S., vorgetragen im Grundbuch von A., Blatt …99. Zum Testamentsvollstrecker wurde testamentarisch der Vater von B. und T., H. M., eingesetzt.
Im August 2020 veräußerte H. M. als Testamentsvollstrecker die in der Erbmasse befindlichen Grundstücke.
Mit Schriftsatz vom 20.01.2021 beantragte die Antragstellerin, für die Kinder einen Vermögenspfleger nach § 1773 I BGB einzusetzen, da der Vater und Miterbe von B. und T., H. M., nicht die für die Vermögenssorge geeignete Person sei. Es müsse sichergestellt werden, dass der Verkaufserlös für die Grundstücke, der sich in einer Größenordnung von mindestens 2,2 Millionen € bewege, mündelsicher angelegt werde. Hierfür sei H. M. nicht die geeignete Person.
Die Antragstellerin trägt vor, der Kindesvater sei im vorliegenden Fall von der Vertretung der Kinder ausgeschlossen, da er sich aufgrund seiner Stellung als Miterbe und Testamentsvollstrecker einerseits und Vater und gesetzlicher Vertreter der Kinder andererseits in einer Konfliktsituation befinde. Da ein tatsächlich bestehender Interessenswiderstreit vorliege, müsse gemäß § 1629 BGB ein Ergänzungspfleger bestellt werden. Das in Deutschland gelegene Vermögen sei durch den Vater und Testamentsvollstrecker vollständig verkauft und der Verkaufserlös nach Kanada transferiert worden. Damit sei das Vermögen jeglicher Überwachung entzogen. Es sei zu prüfen, ob der Verkauf der Liegenschaften im Sinne der vertretenen minderjährigen Kinder und auch der vereinbarte Kaufpreis angemessenen gewesen seien. Ferner sei zu prüfen, ob es wirtschaftlich sinnvoll gewesen ist, das Gut, das als landwirtschaftlicher Betrieb in Betracht komme, zu verkaufen, oder ob man eine Betriebsnachfolge durch die minderjährigen Kinder in Erwägung hätte ziehen müssen.
H. M. habe sich als Testamentsvollstrecker bei der Erfüllung von geltend gemachten Pflichtteilsansprüchen seiner Schwester nicht kooperativ gezeigt, sondern noch nicht einmal Auskunft über das Erbe erteilt. Dies zeige, dass die Gefahr bestehe, dass der Vater als Testamentsvollstrecker nicht in der gebotenen Weise mit dem Erbe der Söhne verfahre. Schließlich habe H. M. der Antragstellerin den ihr zustehenden Unterhalt in Höhe von 900 kanadischen Dollar pro Monat nicht bezahlt, was einmal mehr zeige, dass dieser nicht bereit ist, ihm auferlegte Verpflichtungen zu erfüllen. Es bestehe die konkrete Gefahr, dass er auch im Hinblick auf die Vermögenssorge für seine Kinder falsche Entscheidungen treffe und das Vermögen veruntreue. Zwar sei die Mutter durch die angeordnete Testamentsvollstreckung zunächst von der Verwaltungsbefugnis über das Vermögen der Kinder ausgeschlossen, dem Erblasser sei allerdings nicht daran gelegen gewesen, sie endgültig auszuschließen. In diesem Sinne sei sie als Ersatztestamentsvollstreckerin benannt worden. Aus Sicht der Antragstellerin und aus ihren Erfahrungen mit H. M. bestehe die Gefahr, dass der Verkaufserlös letztendlich nicht den Kindern zugute komme, sondern dass der Vater diesen für sich vereinnahme. Aus diesem Grund sei eine Ergänzungspflegschaft gemäß § 1909 BGB anzuordnen.
Mit Beschluss vom 25.05.2021 ordnete das Amtsgericht Weilheim im Wege der einstweiligen Anordnung die Pflegschaft für B. M. und T. M. an. Als Pfleger wurde Rechtsanwalt C. S., M., ausgewählt.
Das Amtsgericht begründete den Beschluss damit, dass gemäß § 1909 Abs. 1 BGB die Pflegschaft anzuordnen war, da der Kindsvater von der Vertretung der Kinder nach §§ 1629 Abs. 2; 1796 Abs. 1 BGB auszuschließen sei. Der Antragsgegner sei gesetzlicher Vertreter und zugleich Testamentsvollstrecker. Dies allein genüge zwar noch nicht für die Annahme einer Interessenskollision. Es sei im Einzelfall zu prüfen, ob und wann ein erheblicher Gegensatz im Sinne des § 1796 BGB bestehe. Im vorliegenden Fall sei der Testamentsvollstrecker zugleich auch Miterbe und bildet damit zusammen mit den Kindern eine Erbengemeinschaft. Es sei vorgetragen, dass der Kindsvater seinen Auskunftspflichten nicht ausreichend nachgekommen sei und die Gefahr bestehe, dass den Kindern der ihnen zustehende Erbteil nicht entsprechend der testamentarischen Anordnung ausgezahlt und übertragen werde. Es sei eine Interessenskollision gegeben bzw. es lasse sich eine solche nicht ausschließen. Aufgrund des Auslandsbezuges und der Eilbedürftigkeit erging die Entscheidung ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners.
Am 20.10.2021 erstattete der eingesetzte Ergänzungspfleger, Rechtsanwalt S., seinen Bericht und teilte mit, er sehe keine Anhaltspunkte für Pflichtverletzungen des Testamentsvollstreckers zum Nachteil der minderjährigen Kinder. Die Grundstücke seien nicht unter Wert veräußert worden. Wegen seines weiteren Vortrags wird auf Bl. 14/ 17 d.A. Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 11.11.2021 hob das Amtsgericht Weilheim die angeordnete Pflegschaft auf, da der Grund für die Anordnung weggefallen sei. Es sei keine Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers H. M. ersichtlich. Die im Nachlass befindlichen Grundstücke seien zu einem angemessenen Kaufpreis veräußert worden. Es sei nicht zu erkennen, dass der Testamentsvollstrecker Pflichtverletzungen begangen hätte, die das Erbe der Pfleglinge beeinträchtigen würden.
Mit ihrer Beschwerde vom 30.11.2021, eingegangen bei dem Amtsgericht Weilheim am 01.12.2021, wendet sich die Antragstellerin gegen den ihr am 23.11. 2021 zugestellten Beschluss vom 11.11.2021 mit folgender Begründung:
Die angeordnete Pflegschaft sei zu Recht angeordnet worden und habe anzudauern, da die Vermögenssorge für die minderjährigen Kinder nicht gesichert sei und durch den Vater nicht ordnungsgemäß ausgeübt werde. Es seien keinerlei Nachweise dafür erbracht, dass der Erlös aus der Grundstücksveräußerung tatsächlich den Kindern zugute komme bzw. für diese treuhänderisch angelegt werde. Der Vater als Testamentsvollstrecker und gleichzeitig Miterbe unterliege hierbei einer Interessenskollision, so dass bereits aus diesem Grunde eine Pflegschaft im Sinne einer Vermögenssorge erforderlich sei. Die Aussagen des eingesetzten Ergänzungspflegers seien unzureichend. Insbesondere habe der Ergänzungspfleger ohne weitere Nachweise und ohne Vorlage des Kaufvertrages für die Immobilien festgestellt, dass der Kaufpreis angemessen erscheine. Es sei nicht ersichtlich, ob der Kaufpreis für die Grundstücke auf ein Konto des Vaters bei der Kreissparkasse M. geflossen sei. Auch hier lägen keine Belege vor. Für die telefonisch bestätigte Aussage einer Mitarbeiterin der Bank, ein Konto des Erblassers sei aufgelöst worden, sei kein schriftlicher Nachweis vorhanden. Auch seien die minderjährigen Kinder Pflichtteilsansprüchen ihrer Tante ausgesetzt, die bereits geltend gemacht worden seien. Vor diesem Hintergrund sei die Anordnung einer Pflegschaft erforderlich. Auch sei für die Kinder noch keine Anzeige eines Erwerbs von Todes wegen abgegeben worden. Es sei davon auszugehen, dass der Vater seine steuerlichen Pflichten für die Kinder noch nicht erfüllt habe, sodass auch aus diesem Grund eine Pflegschaft angezeigt sei. Insgesamt seien die durch das Gericht und den Ergänzungspfleger durchgeführten Ermittlungen fehlerhaft, dürftig und nicht vollständig. Die wenigen vorliegenden Nachweise würden die Aufhebung der Dauerpflegschaft nicht rechtfertigen.
Mit Schreiben vom 26.04.2022 berichtete der Ergänzungspfleger Schulz und stellte fest, dass nach seinen Ermittlungen nicht festzustellen sei, dass der Testamentsvollstrecker die minderjährigen Kinder beeinträchtigende Pflichtverletzungen begangen habe. Wegen des weiteren Vortrags wird auf Bl. 69/ 73 d.A. Bezug genommen.
Mit Stellungnahme vom17.05.2022 wendet sich die Antragstellerin gegen den Bericht des Ergänzungspflegers. Dieser habe nur unzureichend nachgeforscht. So sei ungeklärt, auf welches Konto der Kaufpreis für das Grundstück in A. geflossen sei und was mit dem Geld weiter geschehen sei. Das Gericht möge hierzu Nachforschungen anstellen. Auch bestehe Aufklärungsbedarf bezüglich einer Auskunft der Sparkasse zu einem Konto, auf das die Kaufpreise für verkaufte Waldgrundstücke geflossen sein sollen. Die angeordnete Testamentsvollstreckung schließe die Mutter nicht von der Vermögensverwaltung für die Kinder aus. Diese werde ihr aber vom Kindsvater nicht gewährt, so dass ein Ergänzungspfleger zu bestellen sei.
II.
Die gem. §§ 59 ff FamFG zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen.
1. Die Entscheidung ergeht gem. § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG ohne weitere Anhörung und mündliche Verhandlung, da das Amtsgericht alle zur Entscheidung erforderlichen Verfahrenshandlungen vorgenommen hat, und durch eine Wiederholung kein Erkenntnisgewinn zu erwarten ist.
Bei Ablehnung der Anordnung der Pflegschaft oder ihrer Aufhebung bestimmt sich die Beschwerdebefugnis nach § 59 FamFG. (BeckOK BGB/Bettin, 61. Ed. 1.2.2022, BGB § 1909 Rn. 17). Die Beschwerdeführerin ist als mitsorgeberechtigte Mutter der betroffenen Kinder beschwerdebefugt.
2. Die Voraussetzungen für eine Ergänzungspflegschaft nach § 1909 BGB liegen nicht vor, da jedenfalls der Vater der Kinder B. und T. an der Vermögenssorge für die Minderjährigen nicht gehindert ist. Das Gesetz sieht die Eltern als die natürlichen Verwalter der Vermögensinteressen ihrer minderjährigen Kinder an. Die Bestellung eines Ergänzungspflegers allein zur Prüfung, ob der gesetzliche Vertreter die Rechte des Kindes pflichtgemäß wahrnimmt oder ob es etwa im Interesse des Kindes nötig sein könne, gegen ihn vorzugehen, findet im Gesetz keine Stütze. Vielmehr muss ein Interessenwiderstreit im konkreten Fall auftreten und die Befürchtung rechtfertigen, der Vertreter könnte aus Eigennutz die von ihm wahrzunehmenden Belange des Kindes vernachlässigen.
Der Umstand, dass der gesetzliche Vertreter in einer Person auch die Aufgaben als Testamentsvollstrecker über den vom Minderjährigen ererbten Nachlass wahrnimmt bzw. als Miterbe in einer Erbengemeinschaft mit seinen Kinder ist erfordert ohne konkreten Anlass nicht die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft. Eine konkrete Konfliktlage oder ein Interessengegensatz im Einzelfall und eine sich daraus ergebende Gefährdung der Vermögensinteressen der Kinder B. und T. ist nicht aufgezeigt worden. Der Senat geht deshalb davon aus, dass der Vater der minderjährigen Kinder bei der Ausübung seiner Ämter und bei der Wahrnehmung seiner Rechte und Ansprüche aus der Erbengemeinschaft zugleich im Interesse seiner Söhne handelt.
2.1. Nach § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB erhält, wer unter elterlicher Sorge steht, für Angelegenheiten, an denen die Eltern verhindert sind, einen Pfleger. Nach Satz 2 dieser Vorschrift erhält er zur Verwaltung des Vermögens, das er von Todes wegen erwirbt, insbesondere dann einen Pfleger, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung bestimmt hat, dass die Eltern das Vermögen nicht verwalten sollen. Die Voraussetzungen des § 1909 Abs. 1 Satz 2 BGB sind hier nicht erfüllt. Eine entsprechende letztwillige Verfügung durch den Großvater der Kinder steht hier nicht im Raume.
2.2. Es erscheint schon fraglich, ob überhaupt grundsätzlich die Voraussetzungen für die Bestellung eines Ergänzungspflegers vorliegen würden, wenn der Vater von der elterlichen Sorge in diesem Bereich ausgeschlossen wäre, nachdem die elterliche Sorge vorliegend beiden Elternteilen gemeinsam zusteht. Für den Fall, dass der Vater wegen seiner Stellung als Testamentsvollstrecker und/ oder Miterbe von der Verwaltung des von den Kindern ererbten Vermögens ausgeschlossen wäre, wäre nicht die Bestellung eines Ergänzungspflegers die Folge, sondern die alleinige elterliche Sorge durch den anderen, nicht ausgeschlossenen Sorgeberechtigten.
Eine vom Großvater der Kinder getroffene Bestimmung, deren Mutter solle das von ihm ererbte Vermögen nicht verwalten, liegt, soweit das Gericht dies erkennen kann, nicht vor, so dass die Antragstellerin nicht gem. § 1638 Abs. 1 Satz 1 BGB in Hinblick auf die durch die Erbschaft erworbenen Vermögensteile von der elterlichen Sorge ausgeschlossen ist. Die Anordnung einer Testamentsvollstreckung muss nicht auch den Ausschluss der Verwaltung gemäß § 1638 Abs. 1 BGB enthalten; ein solcher ist neben der Anordnung einer Testamentsvollstreckung möglich (vgl. MünchKomm/Hinz § 1638 Rn. 9; BayObLG Beschluss vom 19.4.1989 – BReg. 1a Z 2/89, BeckRS 2009, 12353, beckonline; OLG Brandenburg vom 15.03.2019, 9 WF 265/18).
Wie die Beschwerdeführerin selbst vorträgt, ist sie durch das Testament des Erblassers von der Verwaltung des ererbten Vermögens als Sorgeberechtigte für ihre Kinder nicht ausgeschlossen worden. Im Kern rügt die Beschwerdeführerin, dass ihr die – teilweise – Vermögenssorge für ihre Söhne durch den Kindsvater und Testamentsvollstrecker verwehrt wird. Über die Bestellung eines Ergänzungspflegers erhofft sie sich mehr Zugriff auf Informationen über die ererbten Vermögenswerte der Kinder und deren Verbleib. Die Bestellung eines Ergänzungspflegers zu diesem Zweck sieht das Gesetz hingegen schon dem Wortlaut nach nicht vor. Der Antragstellerin bleibt es unbenommen, die ihr aus der elterlichen Sorge folgenden Rechte gegen den Vater und Testamentsvollstrecker bei den für die elterliche Sorge zuständigen Gerichten zu verfolgen. Die Bestellung eines Ergänzungspflegers allein zur Prüfung, ob der gesetzliche Vertreter die Rechte des Kindes pflichtgemäß wahrnimmt oder ob es etwa im Interesse des Kindes nötig sein könne, gegen ihn vorzugehen, findet im Gesetz keine Stütze.
Die von der Antragstellerin im Schriftsatz vom 17.05.2022 vertretenen anderen Ansicht lässt sich mit der zitierten Entscheidung des OLG Brandenburg vom 15.03.2019 nicht begründen, befasst sich diese doch allein mit der Frage eines Ausschlusses von der Vermögensverwaltung in einer letztwilligen Verfügung.
2.3. Für eine Pflegerbestellung wäre daneben nur dann Raum, wenn der Vater die Vermögenssorge für die minderjährigen Kinder in Ansehung des ererbten Vermögens nicht wahrnehmen könnte und deshalb, wie von § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB vorausgesetzt, beide Elternteile insoweit an der Ausübung der Vermögenssorge gehindert sind.
Abgesehen davon, dass die Mutter nicht an der Vermögenssorge gehindert ist, ist auch der Vater durch § 1629 Abs. 2 Satz 1, § 1795 Abs. 2 i.V.m. § 181 BGB an der Ausübung der Sorge im Hinblick auf das von seinen minderjährigen Söhnen ererbte Vermögen rechtlich nicht gehindert, weil die Rechte der Kinder aus dem vom Großvater ererbten Vermögen bis zum Erreichen von deren 24. Lebensjahr nicht von ihrem Vater als deren gesetzlichem Vertreter, sondern aufgrund der vom Großvater angeordneten Testamentsvollstreckung in dessen Stellung als Testamentsvollstrecker wahrgenommen werden. Theoretisch wären hier zwar Interessenskonflikte denkbar. Die Bestellung eines Ergänzungspflegers für die Minderjährigen rechtfertigen solche Interessenkollisionen indes schon deshalb nicht, weil die damit begründete gesetzliche Vertretungsmacht des Pflegers nichts daran ändern würde, dass die Minderjährigen als Erben – ebenso wie ein für sie bestellter Ergänzungspfleger durch die fortbestehende Testamentsvollstreckung beschränkt sind und bleiben. Der Umstand, dass der Vater gesetzlicher Vertreter der Minderjährigen und zugleich Testamentsvollstrecker über das von diesen ererbte Vermögen ist, begründet eine solche Verhinderung nicht. § 181 BGB setzt voraus, dass ein – hier gesetzlicher – Vertreter im Namen des Vertretenen Geschäfte mit sich selbst vornimmt, die nicht allein der Erfüllung einer Verbindlichkeit dienen. Das dem Vater übertragene Amt als Testamentsvollstrecker über den teilweise von den Minderjährigen ererbten Nachlass verlangt – für sich genommen – solche Geschäfte weder notwendig noch regelmäßig. Als Testamentsvollstrecker hat der Vater den Nachlass hier bis zum Erreichen des 24. Lebensjahres der Miterben zu verwalten und anschließend abzuwickeln, also insbesondere Nachlass- und Erblasserschulden – z. B. auch die Pflichtteilsansprüche seiner Geschwister – zu erfüllen; außerdem hat er den Nachlass – hier bis zum Erreichen des 24. Lebensjahr der noch minderjährigen Miterben – zu verwalten. Weder die Regulierung der Nachlassverbindlichkeiten noch die Verwaltung des Nachlasses erfordern notwendig und vorhersehbar Rechtsgeschäfte des Testamentsvollstreckers mit den Erben, die für den Erben abzuschließen dem Vater als dessen gesetzlichem Vertreter nach § 181 BGB verwehrt wäre.
2.4. Auch die Stellung des Vaters als Miterbe neben seinen minderjährigen Kindern begründet keine rechtliche Verhinderung des Vaters an der gesetzlichen Vertretung der Minderjährigen mit der Folge der notwendigen Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1909 Abs. 1, § 1629 Abs. 2 Satz 1, § 1795 Abs. 2 BGB.
Nach § 1629 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 1796 Abs. 2 BGB soll einem Elternteil das Sorgerecht nur entzogen werden, wenn das Interesse des Kindes zum Interesse des Elternteils als gesetzlichem Vertreter in erheblichem Gegensatz steht. Ein solcher Gegensatz kann – wie dargelegt – hier nicht in der Stellung des Vaters als Miterbe und in seiner gleichzeitigen Funktion als gesetzlicher Vertreter gesehen werden. Denn die Ansprüche aus der Erbschaft der Minderjährigen unterliegen nicht den sorgerechtlichen Befugnissen des Vaters als gesetzlichem Vertreter, sondern seiner Verwaltungsmacht als Testamentsvollstrecker. Einem etwaigen Interessenkonflikt in der Person des Vaters könnte deshalb auch nicht dadurch abgeholfen werden, dass dem Vater die Vermögenssorge für das von den Minderjährigen ererbten Vermögens entzogen und auf einen Pfleger übertragen würde; denn an der fortbestehenden Testamentsvollstreckung des Vaters würde sich dadurch nichts ändern.
2.5. Ein für § 1629 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 1796 Abs. 2 BGB erheblicher Interessengegensatz könnte deshalb nur in dem Umstand gefunden werden, dass der Vater, der in Ansehung des von den Minderjährigen ererbten Vermögens dessen gesetzlicher Vertreter ist, dieses Vermögen zugleich als Testamentsvollstrecker verwaltet. Zwar werden in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung die Voraussetzungen des § 1796 Abs. 2 BGB teilweise bejaht, wenn der gesetzliche Vertreter eines Erben zugleich als Testamentsvollstrecker eingesetzt ist. Der Testamentsvollstrecker habe gegenüber dem Erben die in §§ 2215 bis 2217 BGB bestimmten Pflichten und könne ihm unter den Voraussetzungen des § 2219 BGB schadensersatzpflichtig werden. Der sich daraus ergebende Interessengegensatz sei so erheblich, dass er die Wahrnehmung der Aufgaben der beiden Ämter durch ein und dieselbe Person ausschließe (BayObLG Rpfleger 1977, 440; OLG Schleswig OLGR 2007, 442; OLG Zweibrücken Rpfleger 2004, 162; OLG Nürnberg FamRZ 2002, 272; OLG Hamm FamRZ 1993, 1122, 1123).
Der Senat vermag sich, dem Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 05.03.2008, Az. XII ZB 2/07, folgend, einer solch generalisierenden Betrachtungsweise nicht anzuschließen.
§ 1796 BGB setzt – anders als § 1795 BGB – einen sich aus dem Einzelfall ergebenden Interessenwiderstreit voraus. Dabei wird nicht verkannt, dass ein „typischer“ Interessengegensatz im Regelfall die Annahme rechtfertigen wird, dass es auch im Einzelfall zu Konfliktsituationen kommen kann, denen durch die Bestellung eines Pflegers rechtzeitig vorgebeugt werden soll. Diese Risikogeneigtheit eines „typischen“ Interessengegensatzes führt indes nicht zwangsläufig zur Anordnung einer Pflegschaft. Vielmehr liegt es auch hier im Rahmen tatrichterlicher Verantwortung, nach einer Abwägung aller Umstände zu entscheiden, ob eine vorbeugende Pflegschaftsanordnung geboten oder ein Zuwarten – auch im wohlverstandenen Interesse des Vertretenen – ratsam erscheint. Letzteres mag sich für den Tatrichter namentlich dann anbieten, wenn ein minderjähriger Erbe von seinem zugleich zum Testamentsvollstrecker berufenen Elternteil gesetzlich vertreten wird und wenn aufgrund der bisherigen Erfahrungen und des engen persönlichen Verhältnisses der Beteiligten keinerlei Anlass zu der Annahme besteht, der Vertreter werde – unbeschadet seiner eigenen Interessen – die Belange des Vertretenen nicht im gebotenen Maße wahren und fördern.
So liegen die Dinge hier. Der Senat geht ebenso wie das Amtsgericht in seiner angefochtenen Entscheidung davon aus, dass der Vater der minderjährigen Kinder bei der Ausübung seiner Testamentsvollstreckertätigkeit zugleich im Interesse seiner Kinder handelt.
So hat der als Ergänzungspfleger bestellte Rechtsanwalt S. in seinem Bericht vom 26.04.2022 mitgeteilt, dass nach seinen Ermittlungen nicht zu erkennen sei, dass der testamentsvollstreckende Vater Pflichtverletzungen begangen hätte, die das Erbe der Kinder beeinträchtigen könnten.
Allein die Tatsache, dass die in der Erbschaft befindlichen Immobilien verkauft und der Erlös vermutlich nach Kanada transferiert wurde, lässt für sich nicht auf eine Benachteiligungsabsicht des Vaters schließen. Der Vater lebt berufsbedingt ebenso wie die Kinder seit 7 Jahren in Kanada und hat mit diesen dort seinen Lebensmittelpunkt. Eine Verwaltung von Landgütern in Deutschland dürfte sich nachvollziehbar schwierig gestalten. Eine Prognose, ob die derzeit 12 und 13 Jahre alten Kinder in Zukunft das landwirtschaftliche Anwesen übernehmen und weiterführen wollen, erscheint verfrüht. Im Rahmen einer dem Vater und Testamentsvollstrecker zuzugestehenden Dispositionsbefugnis ergeben sich aus dessen Handeln keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen Missbrauch seiner Stellung als Testamentsvollstrecker zum Nachteil seiner Kinder.
Das Verhalten des Vaters bei Erfüllung etwaiger Pflichtteilsansprüche seiner Schwester und bei der Erfüllung von Unterhaltsansprüchen gegenüber der Antragstellerin lässt auch keinen Schluss darauf zu, dass der Vater in Ausübung der Testamentsvollstreckung zum Nachteil seiner miterbenden Kinder pflichtwidrig handeln könnte, betrifft sein Handeln doch das Verhältnis zu anderen Personen. Die Interessenlagen des Vaters und der Kinder bei Erfüllung und ggf. Abwehr unberechtigter Ansprüche gegen die Erbschaft ist gleichlaufend. Ein grundsätzlich das geltende Recht ignorierendes Verhalten des Vaters, wie es die Antragstellerin darzustellen versucht, ist in dem vorgetragenen Verhalten des Vaters hingegen nicht zu erkennen.
Die Bestellung eines Ergänzungspflegers allein zur Prüfung, ob der gesetzliche Vertreter die Rechte des Kindes pflichtgemäß wahrnimmt oder ob es etwa im Interesse des Kindes nötig sein könne, gegen ihn vorzugehen, findet im Gesetz keine Stütze. Für die Anordnung einer Pflegschaft zur „Wahrnehmung der Rechte gegenüber dem Testamentsvollstrecker“ fehlt es an einem erheblichen Interessengegensatz im Einzelfall.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 FamFG.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 40, 42 Abs. 2 FamGKG, wobei sich der Senat bei der Bestimmung nach der Bedeutung der Sache an § 45 Abs. 1 FamGKG orientiert.
Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 70 FamFG).


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