Erbrecht

Erwerb des Hälfteanteils des Eigentums an einer Immobilie – Herabsetzung der Schenkungssteuer

Aktenzeichen  4 K 347/19

Datum:
16.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
StEd – 2021, 554
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
ErbStG § 10 Abs. 6 S. 6, § 13c

 

Leitsatz

1. Bei einer gemischt-freigebigen Zuwendung eines Grundstücks ist der Wert der Bereicherung durch bloßen Abzug der Gegenleistung vom Steuerwert des zugewandten Grundstücks zu ermitteln. (redaktioneller Leitsatz)
2. Der maßgebliche Steuerwert des erworbenen Grundbesitzes ist für Zwecke der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer gesondert festzustellen. Die Bindungswirkung des wirksamen Grundlagenbescheids für die Steuerfestsetzung besteht unabhängig von der Beantwortung der Frage nach dessen Rechtmäßigkeit. (redaktioneller Leitsatz)
3. Regelmäßig ist die durch Bestellung von Wohnungs- und Nutzungsrechten bewirkte Minderung der schenkungsteuerlichen Bemessungsgrundlage erst im Rahmen des Verfahrens über die Festsetzung der Schenkungsteuer und nicht bereits im Verfahren über die Feststellung des Grundbesitzwertes zu berücksichtigen. (redaktioneller Leitsatz)
4. Haben sich bei der gutachterlichen Ermittlung des niedrigeren gemeinen Wertes einer wirtschaftlichen Einheit des Grundbesitzes (§ 198 BewG) Nutzungsrechte als Grundstücksbelastungen bereits wertmindernd ausgewirkt, so ist deren Abzug im Verfahren über die Festsetzung der Schenkungsteuer nach § 10 VI 6 ErbStG ausgeschlossen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Schenkungsteuerbescheid vom 4. Januar 2019 in der Gestalt der ihn bestätigenden Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2019 wird dahingehend geändert, dass die Schenkungsteuer des Klägers auf 31.000 € herabgesetzt wird.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
4. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird nicht zugelassen.

Gründe

1.) Die Klage ist zulässig.
Die Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) richtet sich gegen den durch die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 11. Januar 2019 bestätigten Schenkungsteuerbescheid vom 4. Januar 2019 und ist in der hierfür vorgesehenen Frist nach § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO rechtzeitig erhoben worden. Die Voraussetzung eines erfolglosen außergerichtlichen Vorverfahrens (§ 44 Abs. 1 FGO) ist durch die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 11. Januar 2019 erfüllt. Da der Beklagte dem Einspruch des Klägers vom 19. September 2016 gegen den Schenkungsteuerbescheid vom 25. August 2016 weder durch die geänderten Schenkungsteuerbescheide vom 20. Juni 2017, vom 4. August 2017, vom 13. Oktober 2017 und vom 26. März 2018 noch durch den oben genannten klagegegenständlichen Schenkungsteuerbescheid vom 4. Januar 2019 in vollem Umfang abgeholfen hatte, wurde immer der jeweils aktuelle Änderungsbescheid zum Gegenstand des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens (§ 365 Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung -AO-), über das der Beklagte durch die oben genannte Einspruchsentscheidung entschieden hat.
2.) Die Klage ist nur zu einem geringen Teil begründet, weitgehend jedoch unbegründet.
Der klagegegenständliche Schenkungsteuerbescheid vom 4. Januar 2019 ist nur insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), als dem Kläger die zehnprozentige Steuerbefreiung für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke nach § 13c ErbStG nicht nur für 80% des hälftigen Grundbesitzwertes, sondern für den gesamten Grundbesitzwert des erworbenen Grundstücksanteil zu gewähren ist, was jedoch auch eine gegenläufige schenkungsteuerrechtliche Wirkung durch Erhöhung des nichtabzugsfähigen Teiles der Schulden und Belastungen nach § 10 Abs. 6 Satz 3 ErbStG zur Folge hat. Im Übrigen sind die Einwendungen des Klägers unbegründet.
a) Der klagegegenständlichen Festsetzung der Schenkungsteuer hat die Bestandskraft des unangefochten gebliebenen Schenkungsteuerbescheides vom 24. September 2015 nicht entgegengestanden. Die Bestandskraft eines Steuerbescheides kann durchbrochen werden, wenn die Finanzbehörde kraft einer abgabenrechtlichen (vgl. z.B. §§ 172 ff AO) oder spezialgesetzlichen Korrekturvorschrift befugt beziehungsweise verpflichtet ist, die Steuerfestsetzung zu Lasten oder zu Gunsten des Steuerpflichtigen zu ändern. Die Voraussetzungen für die Änderung des bestandskräftigen Steuerbescheides vom 24. September 2015 haben im Streitfall vorgelegen.
Zum einen ist durch den Tod von A dessen Wohnungs- und Nutzungsrecht an der Wohnung Nr. 1 erloschen, wodurch sich die Belastung des Klägers gegenüber den im bestandskräftigen Schenkungsteuerbescheid berücksichtigten Umfang vermindert hat. Gemäß der Korrekturvorschrift des § 14 Abs. 2 Sätze 1 und 3 BewG ist der Beklagte befugt gewesen, die hierdurch eingetretene Verringerung der wirtschaftlichen Belastung des Klägers durch Korrektur der Steuerfestsetzung zu seinen Lasten zu berücksichtigen. Zum anderen hat jedenfalls spätestens mit Zugang des am 21. Mai 2019 an den Kläger versandten Bescheides des Finanzamts München über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes (§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG) des Hälfteanteils an dem Mietwohngrundstück in Höhe von 378.500 € die Verpflichtung des Beklagten zur Korrektur der Schenkungsteuer des Klägers gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bestanden. Soweit die streitgegenständliche Schenkungsteuer von der im bestandskräftigen Schenkungsteuerbescheid vom 24. September 2015 in Bezug auf weitere Besteuerungsgrundlagen abweicht, ist dies nicht zu beanstanden, weil sich deren steuerrechtliche Auswirkungen innerhalb des durch die Korrekturbefugnisse nach § 14 Abs. 2 Sätze 1 und 3 BewG sowie § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO eröffneten Änderungsrahmen halten (vgl. § 177 AO).
b) Der Beklagte hat durch den Schenkungsteuerbescheid vom 4. Januar 2019 die Schenkungsteuer des Klägers in weitgehend zutreffender Höhe festgesetzt.
aa) Die Übertragung des Eigentums an dem Hälfteanteil des Hauses in Z von A auf den Kläger durch den notariellen Vertrag vom 3. März 2015 ist eine Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) in Gestalt einer freigebigen Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Da zwischen dem Verkehrswert des Immobilienanteils und der Summe aus den Werten der vom Kläger übernommenen finanziellen Gegenleistungen und der neu bestellten Wohnungs- und Nutzungsrechte unstreitig ein Missverhältnis bestanden hat, ist eine sogenannte gemischt-freigebige Zuwendung (gemischte Schenkung im zivilrechtlichen Sinne) anzunehmen gewesen.
bb) Der Wert des steuerpflichtigen Erwerbes bemisst sich an der durch die Zuwendung bewirkten Bereicherung des Klägers (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Die Bewertung (der Bereicherung) hat nach der Vorschrift des § 12 BewG zu erfolgen. Bei einer gemischt-freigebigen Zuwendung eines Grundstückes ist der Wert der Bereicherung durch bloßen Abzug der Gegenleistung vom Steuerwert des zugewandten Grundstückes zu ermitteln (vgl. Bundesfinanzhof – BFH – Beschluss vom 5. Juli 2018 II B 122/17, BFHE 262, 163, BStBl II 2018, 660). Der maßgebliche Steuerwert des erworbenen Grundbesitzes ist für Zwecke der Erbschaftsteuer bzw. Schenkungsteuer gesondert festzustellen gewesen (§ 12 Abs. 3 i.V.m. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG). Die gesonderte Feststellung dieser Besteuerungsgrundlage (§ 157 Abs. 2 Halbsatz 2 AO) ist als Grundlagenbescheid für die Steuerfestsetzung bindend (§ 171 Abs. 10 Satz 1 AO).
Im Streitfall ist daher der durch das Finanzamt M auf den Bewertungsstichtag des 3. März 2015 zuletzt festgestellte und auf dem Sachverständigengutachten beruhende Grundbesitzwert des auf den Kläger übertragenen Hälfteanteils des oben bezeichneten Hauses für den Beklagten bindend. Die Bindungswirkung des wirksamen Grundlagenbescheides für die Steuerfestsetzung besteht unabhängig von der Beantwortung der Frage nach dessen Rechtmäßigkeit (vgl. BFH Urteil vom 24. März 1998 I R 83/97, BFHE 186, 67, BStBl II 1998, 601). Der Beklagte ist daher verpflichtet gewesen, den durch das Finanzamt M auf 378.500 € festgestellten Grundbesitzwert des vom Kläger erworbenen Hälfteanteils des Hauses der streitgegenständlichen Schenkungsteuer zugrunde zu legen. Etwaige Rechtsfehler des Feststellungsbescheides des Finanzamts M sind wegen seiner uneingeschränkten Bindungswirkung für den Beklagten unbeachtlich. Selbst wenn die Wohnungs- und Nutzungsrechte als Belastungen des Klägers nicht im Verfahren über die Feststellung des Grundbesitzwertes, sondern – als Gegenleistungen des Klägers für den Grundstückserwerb – erst im Rahmen der Festsetzung der Schenkungsteuer zu berücksichtigen gewesen wären, hat der Beklagte von dem auf 378.500 € festgestellten Grundbesitzwert auszugehen gehabt.
cc) Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers hat der Beklagte bei der Ermittlung der Schenkungsteuer im klagegegenständlichen Schenkungsteuerbescheid vom 4. Januar 2019 die durch den Kläger zu Gunsten des A sowie der Nichte und des Neffen des Klägers bestellten Wohnungs- und Nutzungsrechte gemäß § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG (heute: § 10 Abs. 6 Satz 11 ErbStG) zu Recht als steuermindernde Besteuerungsgrundlagen außer Ansatz gelassen.
α) Die Bestellung der bezeichneten Wohnungs- und Nutzungsrechte sind Leistungen des Klägers gewesen, zu denen er sich in dem notariellen Vertrag vom 3. März 2015 gegenüber seinem Bruder A im Gegenzug für den Erwerb des Hälfteanteils des Hauses verpflichtet hatte. Letztlich kann es dahingestellt bleiben, ob die Bestellung sämtlicher Wohnungs- und Nutzungsrechte durch den Kläger – ebenso wie die Übernahme verschiedener finanzieller Verpflichtungen durch ihn – Gegenleistungen an A im Rahmen einer gemischten Schenkung gewesen sind, bei der nur der unentgeltliche Teil der Zuwendung zum Schenkungsgegenstand wird (vgl. BFH Beschluss vom 5. Juli 2018 II B 122/17, BFHE 262, 163, BStBl II 2018, 660) oder ob zumindest die Bestellung des Wohnungs- und Nutzungsrechtes zu Gunsten von A als den Wert des Schenkungsgegenstandes mindernde Duldungsauflage anzusehen ist (vgl. BFH Urteil vom 28. Mai 2019 II R 4/16, BFHE 265, 408, BStBl II 2020, 326). Regelmäßig ist die hierdurch bewirkte Minderung der schenkungsteuerlichen Bemessungsgrundlage erst im Rahmen des Verfahrens über die Festsetzung der Schenkungsteuer und nicht bereits im Verfahren über die Feststellung des Grundbesitzwertes zu berücksichtigen.
β) Dies gilt uneingeschränkt bei der Zuwendung von Grundvermögen, wenn dessen Grundbesitzwert in dem typisierenden Bewertungsverfahren nach den Vorschriften der §§ 176 – 197 BewG festgestellt wird. Unabhängig davon, ob der Grundbesitzwert im Einzelfall im Weg des Vergleichswertverfahrens (§ 182 Abs. 2, § 183 BewG), des Ertragswertverfahrens (§ 182 Abs. 3, §§ 184 – 188 BewG) oder des Sachwertverfahrens (§ 182 Abs. 4, §§ 189 ff BewG) zu ermitteln ist, bleiben bereits im Zeitpunkt des Grundbesitzerwerbes bestehende Grundstücksbelastungen in Gestalt von Nutzungsrechten bei der Wertermittlung unberücksichtigt. Festzustellen ist im typisierenden Verfahren der bloße Grundbesitzwert ohne Berücksichtigung etwa bestehenbleibender und vom Erwerber zu übernehmender Grundstücksbelastungen. Weder die Vorschriften über das bewertungsgesetzliche Ertragswertverfahren (§§ 184 – 188 BewG) noch die über das entsprechende Sachwertverfahren (§§ 189 ff BewG) sehen die Berücksichtigung den Wert der Immobilie mindernder privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Belastungen vor (vgl. etwa R E 10.10. Abs. 6 Satz 2 ErbStR 2013). Für das bewertungsgesetzliche Vergleichswertverfahren ist dies durch § 183 Abs. 3 BewG sogar ausdrücklich bestimmt. Dies hat erst recht dann zu gelten, wenn die Grundstücksbelastungen aufgrund des vertraglichen Grundstückserwerbes überhaupt erst neu begründet worden sind. Derartige Grundstücksbelastungen sind erst im Verfahren über die Festsetzung der Schenkungsteuer durch entsprechende Minderung der steuerrechtlichen Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen.
γ) Macht der Steuerpflichtige – wie im Streitfall der Kläger – hingegen nach § 198 BewG von der Möglichkeit Gebrauch, nachzuweisen, dass der tatsächliche gemeine Wert des Grundstückes niedriger als der im typisierenden Bewertungsverfahren nach den Vorschriften der §§ 176 – 197 BewG festgestellte Grundbesitzwert ist, so gelten hiervon abweichende Grundsätze. Für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes von Grundvermögen sind die aufgrund des § 199 Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) erlassenen Vorschriften anzuwenden. Der Nachweis wird deshalb in der Regel durch ein Gutachten entweder des für die Belegenheit des Grundstückes örtlich zuständigen Gutachterausschusses (§ 199 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) oder eines öffentlich bestellten und vereidigten Immobiliensachverständigen zu erbringen sein (vgl. BFH Urteil vom 14. Oktober 2020 II R 7/18, BFH/NV 2021, 474). Das Sachverständigengutachten hat den kraft gesetzlicher Ermächtigung durch § 199 Abs. 1 BauGB erlassenen Vorschriften der Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (ImmoWertV) zu entsprechen. Im Gegensatz zu dem typisierenden Wertfeststellungsverfahren nach den steuergesetzlichen Vorschriften der §§ 176 – 197 BewG, die allein die Bestimmung des Grundbesitzwertes ohne Berücksichtigung bestehender Belastungen des zu bewertenden Grundvermögens, beispielsweise in Gestalt von Wohnungs- und Nutzungsrechten, zum Ziel haben, sehen die von einem Immobiliensachverständigen zu beachtenden Wertermittlungsvorschriften die Einbeziehung solcher Belastungen vor. So bestimmt sich der für die Bewertung des Grundstückes zum Stichtag maßgebliche Zustand des Grundstückes gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 ImmoWertV nach der Gesamtheit der verkehrswertbeeinflussenden rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstückes (Grundstücksmerkmale). Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 ImmoWertV gehören zu den Grundstücksmerkmalen auch wertbeeinflussende Rechte und Belastungen. Als solche kommen unter anderem Nutzungsrechte an dem Grundstück in Betracht (§ 6 Abs. 2 ImmoWertV).
δ) Haben sich bei der gutachterlichen Ermittlung des niedrigeren gemeinen Wertes einer wirtschaftlichen Einheit des Grundbesitzes (§ 198 BewG) Nutzungsrechte als Grundstücksbelastungen bereits wertmindernd ausgewirkt, so ist deren Abzug im Verfahren über die Festsetzung der Schenkungsteuer nach § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG ausgeschlossen. Dem Normenkonflikt zwischen den bewertungsgesetzlichen Vorschriften über das typisierende Bewertungsverfahren und den für Sachverständige verbindlichen Wertermittlungsbestimmungen wird durch § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG Rechnung getragen und eine zweifache Berücksichtigung eines wertmindernden Umstands vermieden (vgl. Konrad bei Fischer/Pahlke/Wachter ErbStG 7. Auflage 2020, § 10 Rnr. 271; Meincke/Hannes/Holtz ErbStG 17. Auflage 2018 § 10 Rdnr. 71; Jochum in Wilms/Jochum ErbStG/BewG/GrEStG Band 1 § 10 ErbStG, Rdnr. 203).
Die Vorschrift des § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG findet selbst dann Anwendung, wenn die Grundstücksbelastungen zu Unrecht wertmindernd bei der Ermittlung des gemeinen Wertes des Grundstückes berücksichtigt worden sind. So bestehen im Streitfall zwar Bedenken, ob die Wohnungs- und Nutzungsrechte – wie im Sachverständigengutachten vom 5. Mai 2017 mit einem Wert von 682.000 € erfolgt – im Rahmen der Ermittlung des gemeinen Wertes des Grundbesitzes zum Zeitpunkt des Bewertungsstichtags des 3. März 2015 vom festgestellten Ertragswert von 1.439.000 € zum Abzug gebracht werden durften. Schließlich hat der Sachverständige den Immobilienwert anhand des Grundstückszustandes am Qualitätsstichtag (§ 4 Abs. 1 Satz 1 ImmoWertV) zu beurteilen (Kleiber, Verkehrswertermittlung von Grundstücken 9. Auflage 2020, § 4 Rdnr. 2; Peter Zimmermann, ImmoWertV 2. Auflage 2019, § 4 Rdnr. 2). Dieser Stichtag gilt regelmäßig auch für die wertbeeinflussenden Belastungen in der Form von Nutzungsrechten (§ 4 Abs. 2 Satz 2, § 6 Abs. 2 ImmoWertV). Am Bewertungsstichtag des 3. März 2015, der für die Ausführung der freigebigen Zuwendung im Streitfall schenkungsteuerrechtlich entscheidend ist, haben die bezeichneten Grundstücksbelastungen noch nicht bestanden. Vielmehr sind sie erst aufgrund des notariellen Übertragungsvertrages an diesem Tag begründet und zu einem späteren Zeitpunkt im Grundbuch eingetragen worden. Der Kläger hat kein dinglich vorbelastetes Grundstück erworben, sondern den insoweit unbelasteten Erwerbsgegenstand erst im Gegenzug für die Übertragung mit den vereinbarten Nutzungsrechten belastet.
Nach ihrem Wortlaut schließt die Vorschrift des § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG den Abzug von Nutzungsrechten als Grundstücksbelastungen immer dann aus, wenn sich diese bereits bei der Ermittlung des gemeinen Wertes des Grundbesitzes (tatsächlich) ausgewirkt haben. Mithin verlangt diese Norm nicht, dass der Abzug der Nutzungsrechte vom Wert des Grundbesitzes bei der Wertermittlung zu Recht erfolgt ist. Hierauf deuten auch die Motive des Gesetzgebers hin (vgl. Bundestags-Drucksache 16/7918 zu Nummer 8 Buchstabe c vom 28.01.2008 -Seite 32-), denen zufolge § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG verhindern soll, dass Nutzungsrechte, die bereits bei der Bewertung des Grundstückes nach §§ 175 ff BewG berücksichtigt wurden, zusätzlich als Duldungslast abgezogen werden können. Im Fall des rechtsfehlerhaften Abzugs der Nutzungsrechte im Wertermittlungsverfahren wird dieser Fehler somit nicht im Feststellungsverfahren korrigiert, sondern durch korrespondierende Sachbehandlung im Steuerfestsetzungsverfahren kompensiert. Der Senat hält die Vorschrift des § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG auf den Streitfall für anwendbar, auch wenn nicht zu verkennen ist, dass es sich hierbei allein um eine Rechtsnorm des materiellen Erbschaftssteuerrechts (Schenkungsteuerrechts) handelt, die für den Fall der nachträglichen Änderung des Feststellungsbescheides wegen Rückgängigmachung des zuvor erfolgten Abzugs der Nutzungsrechte keine eigenständige Befugnis zur Korrektur des Steuerbescheides eröffnet.
dd) Der klagegegenständliche Schenkungsteuerbescheid begegnet auch hinsichtlich der vom Beklagten zum Abzug zugelassenen Aufwendungen des Klägers in Höhe der Gutachtenskosten von 4.623,94 € sowie der zwischen den Beteiligten unstreitig als Gegenleistungen des Klägers an A für den Erwerb des Hälfteanteils des Hauses angesehenen Betrag von 178.812,19 € keinen rechtlichen Bedenken. In diesem Zusammenhang erschließt sich dem Senat nicht, aus welchem Grund der Kläger nunmehr den in seiner Schenkungsteuerklärung ursprünglich geltend gemachten Betrag von 168.084 € sowie erstmals zusätzlich Grunderwerbsteuer von 15.436 € sowie „geschätzte“ Notar- und Grundschuldkosten von 5.000 € als Abzugsbetrag begehrt. Der besagte Betrag von 168.084 € wurde im klagegegenständlichen Schenkungsteuerbescheid bis auf Teilbeträge für die Sanierungskosten der Heizung (6.860 €) und das Dach (28.540 €) sowie für die Brandschutzkosten (5.000 €) zum Abzug zugelassen. Die nicht vom Beklagten anerkannten Kostenbeträge sind dem Kläger zum einen vertraglich nicht auferlegt worden und im Übrigen zur Beseitigung eines Sanierungsstaus auch erst nach dem Erwerb angefallen. Dafür, dass diese Teilbeträge zusätzlich als Erwerbsaufwendungen abziehbar sein sollen, hat der Kläger keine Beweismittel vorgelegt. Die erst im Klageverfahren geltend gemachte Grunderwerbsteuer von 15.436 € kann schon deshalb nicht zum Abzug gelangen, weil für deren Entstehung der entgeltliche Teil des Grunderwerbes und nicht die Schenkung ursächlich gewesen ist. Im Hinblick auf die „geschätzten“ Notar- und Grundschuldkosten von 5.000 € liegen zum einen keinerlei Nachweise vor und zum anderen ist nicht ersichtlich, inwieweit sie mit dem unentgeltlichen Teil des Erwerbsvorgangs im Zusammenhang stehen.
ee) Der klagegegenständlichen Schenkungsteuerbescheid vom 4. Januar 2019 ist nur insoweit rechtlich zu beanstanden, als der Beklagte in Bezug auf die zehnprozentige Steuerbefreiung auf den Grundbesitzwert für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke gemäß § 13c Abs. 1 ErbStG nur von einem Vermietungsumfang des Grundstückes von 80% ausgegangen ist. Da der Kläger im Lauf des Klageverfahrens durch Vorlage der im Zeitpunkt der Zuwendung bestehenden Mietverträge für die Wohnungen Nr. 1 und Nr. 3 den Nachweis der diesbezüglichen Vermietung zu Wohnzwecken erbracht hat, ist ihm die zehnprozentige Steuerbefreiung gemäß § 13c Abs. 1 ErbStG auf den vollständigen Grundbesitzwert des erworbenen Grundstücksanteils in Höhe von 378.500 € zu gewähren. Als Folge der Erweiterung der Steuerbefreiung erhöht sich im Gegenzug auch der steuererhöhend wirkende Betrag für die nichtabzugsfähigen Schulden und Lasten gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 ErbStG auf ein Zehntel aus 178.812,19 €.
3.) Die Schenkungsteuer ist danach wie folgt zu berechnen:
Wert des schenkungsteuerrechtlichen Erwerbes laut SchenkStB vom 4.01.2019
195.063,87 €
Steuerbefreiung nach § 13c ErbStG [ 378.500 € x 10% ]
./. 37.850,00 €
Nichtabzugsfähige Schulden und Lasten [ 178.812,19 € x 10% ]
+ 17.881,21 €
Persönlicher Freibetrag
./. 20.000,00 €
Restbetrag
155.095,08 €
Steuerpflichtige Bemessungsgrundlage auf voll Hundert Euro abgerundet
155.000,00 €
Steuersatz 20% nach Steuerklasse II
31.000,00 €
4.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger in vollem Umfang zu tragen, weil der Beklagte nur in einem geringen Umfang unterlegen ist.
5.) Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nach § 115 Abs. 2 FGO nicht erfüllt sind.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben