Erbrecht

Gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts gegenüber einem Vermächtnisnehmer

Aktenzeichen  II R 34/18

Datum:
6.5.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.060521.IIR34.18.0
Normen:
§ 3 Abs 1 Nr 1 ErbStG 1997
§ 12 Abs 3 ErbStG 1997
§ 151 Abs 1 S 1 Nr 1 BewG 1991
§ 154 Abs 1 S 1 Nr 3 BewG 1991
§ 125 Abs 1 AO
R B151.2 Abs 2 Nr 4 S 2 ErbStR 2019
Spruchkörper:
2. Senat

Leitsatz

1. Ist ein Vermächtnis auf Zuwendung von Grundbesitz gerichtet, ist für die Besteuerung der nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gesondert festzustellende Grundbesitzwert maßgeblich.
2. Vermächtnisnehmer sind wie Erben und Miterben am Feststellungsverfahren beteiligt, wenn Gegenstand des Vermächtnisses ein nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gesondert zu bewertendes Grundstück ist. Eine (eigene) gesonderte Feststellung von Grundbesitzwerten allein gegenüber dem oder –bei mehreren– den Vermächtnisnehmern ist in §§ 151 ff. BewG nicht vorgesehen.
3. Ein eigenständiger Feststellungsbescheid über den Grundbesitzwert gegenüber einem Vermächtnisnehmer ist fehlerhaft, aber nicht unwirksam. Ein solcher Bescheid kann in Bestandskraft erwachsen.

Verfahrensgang

vorgehend FG Münster, 21. Juni 2018, Az: 3 K 310/16 F, Urteil

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 21.06.2018 – 3 K 310/16 F aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.
1
Der 2012 verstorbene Erblasser setzte den Bruder des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) zu seinem Alleinerben ein und bestimmte diesen zugleich zum Testamentsvollstrecker. Für den Kläger und dessen beiden Schwestern setzte der Erblasser Vermächtnisse aus. U.a. sollte ein zum Nachlass gehörendes Grundstück zu gleichen Teilen auf die drei Vermächtnisnehmer übergehen.
2
Das für die Festsetzung der Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt fragte beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt –FA–) für verschiedene Grundstücke nach den Grundbesitzwerten für Erbschaftsteuerzwecke an. Die Anfrage beinhaltet auch das vermächtnisweise zugewandte Grundstück.
3
Am 08.07.2013 forderte das FA den Prozessbevollmächtigten des Klägers auf, eine Erklärung zur Feststellung des Grundbesitzwerts abzugeben und bezeichnete als Steuerpflichtigen den “[Erben] bzw. die Vermächtnisnehmer”. Die Aufforderung bezog sich neben dem im Wege des Vermächtnisses zugewandten Grundstück auch auf die weiteren, im Bezirk des FA belegenen und zum Nachlass gehörende Grundstücke. In dem Anschreiben wies das FA darauf hin, dass die Bescheide auch an die jeweiligen Vermächtnisnehmer bekannt zu geben seien, da sie Schuldner der Erbschaftsteuer seien.
4
Am 20.09.2013 wurde die Erklärung zur Feststellung des Grundstückswerts bei dem FA abgegeben. Sie wurde vom Kläger und einer Schwester des Klägers unterschrieben. Nach der Erklärung sollte der Bescheid dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannt gegeben werden.
5
Mit insgesamt vier Bescheiden vom 29.12.2014 über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts für Zwecke der Erbschaftsteuer stellte das FA den Bedarfswert des Grundstücks auf 390.769 € fest. Ein Bescheid war an den Erben gerichtet, dem ein Anteil von 1/1 zugerechnet wurde. Die anderen Bescheide enthielten als Inhaltsadressaten jeweils die drei Vermächtnisnehmer, denen jeweils ein Anteil von 1/3 zugerechnet wurde. Alle vier Bescheide sind dem Prozessbevollmächtigten des Klägers als Empfangsbevollmächtigten bekannt gegeben worden.
6
Der Prozessbevollmächtigte legte am 07.01.2015 gegen den an den Erben gerichteten Bescheid Einspruch ein. Das Einspruchsschreiben enthielt die Steuernummer einer Vermächtnisnehmerin. Mit einem handschriftlichen Vermerk ersetzte das FA diese durch die Steuernummer des Erben, nach Angabe lt. telefonischem Einverständnis des Prozessbevollmächtigten. Im Laufe des Einspruchsverfahrens teilte der Prozessbevollmächtigte am 12.03.2015 mit, dass die Vermächtnisnehmer die Immobilie zu veräußern beabsichtigten. Es werde gebeten, den Einspruch gegen den Bedarfswertbescheid zunächst ruhen zu lassen.
7
Im Rahmen des Schriftverkehrs wies der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 06.05.2015 darauf hin, dass ihm alle Bescheide über die Bedarfsbewertung für den Erben und die für die Vermächtnisnehmer vorlägen, die ihm als Empfangsbevollmächtigten bekannt gegeben worden seien. Es sei bei dieser Sachlage nur gegen den an den Erben adressierten Bescheid gleichen Inhalts Einspruch eingelegt worden, weil er alleiniger Erbe sei und die Bedarfsbewertung seines Erachtens zu Recht gegen den Erben gerichtet worden sei. Der Erbe habe die Vermächtnisse erfüllt. Die Immobilie sei zwischenzeitlich durch die Vermächtnisnehmer für 365.000 € veräußert worden.
8
Das FA teilte dem Prozessbevollmächtigten mit, dass es den vereinbarten Kaufpreis als niedrigeren gemeinen Wert gemäß § 198 des Bewertungsgesetzes (BewG) zugrunde legen werde. Demgegenüber seien die gegenüber den Vermächtnisnehmern bekannt gegebenen Feststellungsbescheide bereits bestandskräftig. Mangels Änderungsvorschrift ergebe sich keine Möglichkeit, den niedrigeren gemeinen Wert (Kaufpreis) anzusetzen. Insoweit bleibe es bei der Höhe der festgestellten Grundbesitzwerte.
9
Der Prozessbevollmächtigte vertrat demgegenüber die Auffassung, er sei für alle an der Erbsache Beteiligten tätig geworden. So sei sein Einspruch zu verstehen. Der Einspruch gegen den an den Erben gerichteten Feststellungsbescheid genüge zur Wahrung der allseitigen Rechte, zumal dieser Testamentsvollstrecker sei. Bei der Bewertung könne es keine Unterschiede zwischen dem Erben und den Vermächtnisnehmern geben.
10
Das FA änderte den Feststellungsbescheid gegenüber dem Erben antragsgemäß. Den Einspruch des Klägers wies es mit Einspruchsentscheidung vom 15.01.2016 als unzulässig zurück. Aus dem Schreiben vom 07.01.2015 ergebe sich nicht, dass für ihn hätte Einspruch eingelegt werden sollen. Darin sei nur für den Erben Einspruch eingelegt worden. Nur dieser sei namentlich bezeichnet worden. Eine Auslegung des Schreibens als Einspruch auch für alle Vermächtnisnehmer sei nicht möglich. Die Werte des Grundstücks bzw. die jeweiligen Anteile am Grundbesitz seien im Rahmen gesonderter Feststellungen gegenüber dem Erben und den Vermächtnisnehmern jeweils durch gesonderte Bescheide festzustellen. Es handele sich nicht um eine gesonderte und einheitliche Feststellung i.S. des § 180 der Abgabenordnung (AO), bei denen mehrere Personen Beteiligte des Verfahrens seien. Ob das Schreiben vom 12.03.2015 als Einspruch des Klägers gewertet werden könne, könne dahinstehen, denn zu diesem Zeitpunkt sei die Rechtsmittelfrist für die gesonderte Feststellung bereits abgelaufen gewesen.
11
Die auf Aufhebung des ihm gegenüber erlassenen Feststellungsbescheids gerichtete Klage des Klägers hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hob den angefochtenen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts und die Einspruchsentscheidung zur Beseitigung des Rechtsscheins auf. Seiner Auffassung nach ist der Bescheid wegen mangelnder inhaltlicher Bestimmtheit nichtig (§ 125 Abs. 1 AO). Als alleiniger Inhaltsadressat sei in dem angefochtenen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts für Zwecke der Erbschaftsteuer der Kläger als einer von mehreren Vermächtnisnehmern benannt. Zutreffender Inhaltsadressat des Feststellungsbescheids sei aber der Erbe als Erwerber des Grundbesitzes, der zu bewerten sei. Gegenstand der Bewertung sei nicht der schuldrechtliche Anspruch des Vermächtnisnehmers. Der Vermächtnisnehmer sei lediglich an dem Feststellungsverfahren zu beteiligen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2019, 80 veröffentlicht.
12
Dagegen richtet sich die Revision des FA. Es rügt die Verletzung von §§ 151 und 154 BewG sowie von § 179 AO.
13
Seiner Auffassung nach kann bei der Besteuerung von Sachvermächtnissen eine eigenständige Feststellung von Grundbesitzwerten gegenüber einem Vermächtnisnehmer erfolgen. Beim Sachvermächtnis sei der Anspruch des Vermächtnisnehmers gegen den Erben auf Herausgabe eines bestimmten Gegenstands gerichtet. Dabei handele es sich um einen eigenen Erwerb von Todes wegen. Erbe oder Vermächtnisnehmer seien weder an der Steuerfestsetzung noch an der Grundbesitzfeststellung für den jeweils anderen zu beteiligen. Die Formulierung in § 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG, wonach diejenigen am Feststellungsverfahren zu beteiligen sind, denen der Grundbesitz zuzurechnen ist, sei so zu verstehen, dass es um die Zurechnung für die jeweilige Besteuerung gehe. Eine Aufforderung zur Abgabe einer Feststellungserklärung (§ 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG) wäre für den Erben und den Vermächtnisnehmer im Verfahren des jeweils anderen nicht möglich. § 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, der denjenigen, der eine Steuer schulde, für die die Feststellung von Bedeutung sei, zum Beteiligten des Feststellungsverfahrens bestimme, komme ebenfalls nicht in Betracht, weil Erbe und Vermächtnisnehmer nicht die Steuer des jeweils anderen schuldeten.
14
Wenn mehreren Vermächtnisnehmern ein Gegenstand im Wege des Sachvermächtnisses einheitlich zugewandt werde, sei entgegen der Ansicht des FG lediglich eine gesonderte, nicht aber eine gesonderte und einheitliche Feststellung durchzuführen, denn die Vermächtnisnehmer bildeten keine Gemeinschaft. Im Streitfall sei den Vermächtnisnehmern jeweils Bruchteilseigentum zugewandt worden. Es handele sich um drei Vermächtnisse, die jeweils gesondert der Besteuerung zu unterwerfen seien.
15
Der Feststellungsbescheid sei gegenüber dem Kläger wirksam. Der Einspruch dagegen sei verspätet eingelegt worden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht. Der gegenüber dem Erben festgestellte (niedrigere) Grundbesitzwert könne der Besteuerung des Klägers nicht zugrunde gelegt werden.
16
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
17
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
18
Er beruft sich auf die Gründe des FG. Darüber hinaus trägt er vor, der Feststellungsbescheid hätte dem Erben in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker bekannt gegeben werden müssen. Im Übrigen sei der Einspruch für alle Beteiligten, einschließlich der Vermächtnisnehmer, eingelegt worden.
19
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben