Erbrecht

Keine Amtspflicht des Notars zur Einsicht in das amtliche Testamentsregister ohne besonderen Anlass

Aktenzeichen  4 O 678/19

Datum:
12.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MittBayNot – 2020, 381
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BeurkG § 17 Abs. 1
BNotO § 19 Abs. 3
ZPO § 32

 

Leitsatz

1. Es besteht eine Pflicht des beurkundenden Notars, sich über den Inhalt des von einem Erblasser in Bezug genommenen Testaments zu vergewissern und ihn zu frage, ob dieses Testament nach wie vor Gültigkeit beansprucht (Rn. 26). (redaktioneller Leitsatz)
2. Es besteht keine Verpflichtung des beurkundenden Notars, die Angaben des Erblassers zu einem Testament ohne weitere Anhaltspunkte dahingehend zu überprüfen, dass mittels Einsicht in das amtliche Testamentsregister ermittelt wird, ob das in Bezug genommene Testament noch in amtlicher Verwahrung ist (Rn. 28). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 54.250,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
I.
An der Zulässigkeit der Klage bestehen keine Zweifel. Insbesondere ist das Landgericht Nürnberg-Fürth gem. § 19 Abs. 3 BNotO sachlich zuständig und gem. § 32 ZPO örtlich zuständig.
II.
Die Klage hat aber in der Sache aus rechtlichen Gründen keinen Erfolg.
Die Klägerin hat keinen Anspruch aus § 19 BNotO, da der Beklagte keine ihm obliegenden Amtspflicht verletzt hat, indem er vor Beurkundung des Testaments des Herrn E… M… vom 28.05.2015 (URNr. 914/2015 J) nicht das amtliche Testamentsregister eingesehen hat, um sich davon zu überzeugen, dass sich das Testament vom 26.07.2012 noch iri besonderer öffentlicher Verwahrung befindet.
1. Die Pflicht des Notars zur Klärung des einer Beurkundung zugrunde liegenden Sachverhalts ist als Kardinalspflicht in § 17 Abs. 1 BeurkG geregelt. Der Notar soll den Willen der Beteiligten erforschen, den Sachverhalt klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiedergeben. Der Umfang der Aufklärungspflicht richtet sich dabei immer nach dem konkreten Beurkundungsantrag und dem zu beurkundenden Rechtsgeschäft. Der Notar hat den Sachverhalt insoweit aufzuklären, als dies für die Errichtung einer rechtswirksamen Urkunde erforderlich ist.
Nichtsdestotrotz ist es aber grundsätzlich Sache der Beteiligten, dem Notar den Sachverhalt und die für die beantragte Regelung relevanten Angaben zu übermitteln. Eine Verpflichtung zu Nachfrage und Nachforschung ohne Anlass und Anhaltspunkte trifft den Notar nicht (Ganter in Ganter/Hertel/Wörstmann, Handbuch der Notarhaftung, 4. Auflage 2018, Rn. 850.). Er ist nicht zu Nachfragen oder Nachforschungen „ins Blaue hinein“ verpflichtet (vgl. Regler in BeckOGK BeurkG, Stand 01.03.2019, § 17 Rn. 25) und darf grundsätzlich ohne eigene Sachprüfung davon ausgehen, dass die abgegebenen Erklärungen tatsächlicher Art richtig sind (vgl. Winkler, BeurkG, 19. Auflage 2019, § 17 Rn. 213).
2. Vorliegend ist aufgrund der Bezugnahme auf das Testament vom 26.07.2012 zwar insoweit Anlass zur Klärung des Sachverhalts gegeben, als der beurkundende Notar sich über den Inhalt des in Bezug genommenen Testaments vergewissern und den Erblasser fragen muss, ob dieses Testament nach wie vor Gültigkeit beansprucht.
Dass der Beklagte sich nicht über den Inhalt des in Bezug genommenen Testaments vergewissert und eine Nachfrage zu dessen Gültigkeit unterlassen hätte, trägt die Klägerin aber nicht vor.
Eine darüber hinausgehende Verpflichtung, die Angaben des Erblassers ohne weitere Anhaltspunkt dahingehend zu überprüfen, dass mittels Einsicht in das amtliche Testamentsregister ermittelt wird, ob das in Bezug genommene Testament noch in amtlicher Verwahrung ist, besteht hingegen nicht:
Eine solche allgemeine Nachforschungsverpflichtung würde nicht nur einen erheblichen Mehraufwand für den Notar darstellen, sondern den testierfähigen Erblasser auch dergestalt herabsetzen, dass seinen Angaben ein grundsätzliches Misstrauen entgegengebracht würde. Für ein solches Misstrauen besteht – jedenfalls ohne konkrete Anhaltspunkte – kein Anlass. Dies vorliegend umso mehr, als sich aus der Niederschrift des Rechtspflegers L… vom 29.01.2014, Anlage B5, zur Überzeugung des Gerichts ergibt, dass Herr M… bei der Rücknahme des Testaments aus der besonderen amtlichen Verwahrung darüber belehrt wurde, dass das Testament damit als widerrufen gilt.
Vorliegend trägt die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin keine Umstände vor, die den Beklagten hätten dazu veranlassen müssen, über die Angaben des mündigen Erblassers hinaus, das amtliche Testamentsregister einzusehen. Eine Amtspflichtverletzung ist nicht gegeben.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.


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