Erbrecht

Übertragung eines hälftigen Miteigentumsanteils

Aktenzeichen  4 K 1100/19

Datum:
23.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
EFG – 2021, 1048
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 428, § 1008, § 1589 S. 1, § 1591
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 2 S. 1, Nr. 3, Nr. 6
AO § 42
FGO § 100 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Auseinandersetzung einer Miteigentümergemeinschaft (Bruchteilsgemeinschaft) kann auch dann nicht einer Nachlassteilung gleichgestellt werden, wenn im Ergebnis zum Erbantritt berufene Personen daran beteiligt sind, die Grundstücke aber bereits aus dem Nachlass ausgeschieden sind.
2. Die Übertragung und der Tausch der der im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vorher von den Eltern auf die Geschwister übertragenen Miteigentumsanteile stellt sich in der vorliegenden Fallgestaltung nicht als abgekürzter Übertragungsweg dar, der eine Grunderwerbsteuerbefreiung entsprechend den Grundsätzen des Urteils BFH II R 38/15 vom 7. 8. 2018 begründen könnte, da nicht dargelegt wird oder nachweisbar ist, dass der nachgelagerte Grundstückstausch zwischen den Geschwistern auf den Willen der Eltern beruht. Der Tausch stellt sich vielmehr als eine Auseinandersetzung der Geschwister untereinander dar, um eine (einfachere) Verwaltung der jeweiligen Häuser durch einen der Geschwister alleine zu ermöglichen und eine Vermögenszuordnung der Grundstücke zum Alleineigentum zu erreichen.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid vom 03.05.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.07.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Zutreffend ist das Finanzamt davon ausgegangen, dass der Erwerb des hälftigen Miteigentumsanteils am Grundstück in 1, Str. 1, durch den Kläger von seinem Bruder mit notariellem Auseinandersetzungsvertrag vom 12.04.2019 der Grunderwerbsteuer unterliegt und die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer nicht gegeben sind.
Gemäß § 1 Abs. 5 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer ein Tauschvertrag, der für beide Vertragsteile den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründet. Der Erwerbsvorgang vom 12.04.2019 unterliegt als Tauschvertrag nach § 1 Abs. 5 GrEStG der Grunderwerbsteuer, da mit ihm der Anspruch des Klägers auf Übertragung des hälftigen Miteigentums am Grundstück in 1, Str. 1 begründet wird. Im Gegenzug (Tausch) wurde in diesem Vertrag der Anspruch des Bruders des Klägers auf Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils am Grundstück in 4, Str. 2, durch den Kläger begründet. Gegenleistung bei einem Tausch ist die Tauschleistung des anderen Vertragsteils, § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG. Es liegen zwei Grundstücksumsätze und damit zwei Grunderwerbsteuerfälle vor. Auch Tauschvorgänge über Miteigentumsanteile an Grundstücken unterliegen dieser Betrachtung (vgl. Loose, in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, § 9 Rz 342).
Der Erwerb (Tausch) des hälftigen Miteigentumsanteils am Grundstück in 1, Str. 1, durch den Kläger von seinem Bruder mit notariellem Auseinandersetzungsvertrag vom 12.04.2019 ist nicht steuerfrei.
Eine Befreiung des Erwerbs des Miteigentumsanteils vom Bruder des Klägers nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG scheidet aus. Nach dieser Vorschrift sind u.a. Grundstücksschenkungen unter Lebenden im Sinne des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) von der Grunderwerbsteuer befreit. Dadurch soll verhindert werden, dass ein Vorgang sowohl der Schenkungsteuer als auch der Grunderwerbsteuer unterliegt (Meßbacher-Hönsch in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, § 3 Rz 98). § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG setzt voraus, dass zivilrechtlich und schenkungsteuerrechtlich Gegenstand der Schenkung ein Grundstück ist und sich der Grundstückserwerb zwischen Schenker und Bedachtem vollzieht (vgl. BFH-Beschluss vom 11.08.2014 II B 131/13, BFH/NV 2015, 5).
Im Streitfall sind diese Voraussetzungen für den Erwerb des Klägers nicht erfüllt. Eine Schenkung des Bruders an den Kläger liegt nicht vor. Die Übertragung des Miteigentumsanteils durch den Bruder erfolgte nicht freigebig, sondern zur Erfüllung der Tauschverpflichtung aus dem notariellen Vertrag vom 12.04.2019. Im Gegenzug verpflichtete sich der Kläger in diesem Vertrag zur Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils am Grundstück in 4, Str. 2, auf seinen Bruder A. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Eine Befreiung des Erwerbs des Miteigentumsanteils nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG scheidet ebenfalls aus. Der Kläger und sein Bruder sind nicht Verwandte in gerader Linie, sondern als Geschwister in der Seitenlinie verwandt, vgl. § 1589 Satz 2 BGB.
Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung aus § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG sind vorliegend ebenfalls nicht erfüllt, da die von der Überlassung der halben Miteigentumsanteile betroffenen Grundstücke in 1 und 4 sich zum Zeitpunkt des Erbanfalls nicht mehr im Eigentum des Vaters befanden und daher nicht in den Nachlass der Erbengemeinschaft übergegangen sind. § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG stellt nur den Erwerb eines zum (ungeteilten) Nachlass gehörigen Grundstücks von der Grunderwerbsteuer frei. Das Grundstück muss also entweder zum Zeitpunkt des Erbfalls oder kraft Surrogation zum Nachlass gehören. Davon ist im Streitfall nicht auszugehen, da das Eigentum an den von der Überlassung der halben Miteigentumsanteile betroffenen Grundstücke bereits mit Verträgen vom 15.07.1993 und 15.08.2005 von den Eltern vollständig auf den Bruder des Klägers und den Kläger übertragen worden war.
Soweit der Prozessbevollmächtigte davon ausgeht, die Auseinandersetzung einer Miteigentümergemeinschaft (Bruchteilsgemeinschaft) entspreche der Nachlassteilung, sofern im Ergebnis zum Erbantritt berufene Personen beteiligt seien, kann daraus keine Anwendung von § 3 Nr. 3 GrEStG abgeleitet werden. Mit Übertragung des Eigentums an den beiden Grundstücken auf den Kläger und seinen Bruder mit Verträgen vom 15.07.1993 und 15.08.2005 sind die Grundstücke aus dem Nachlass ausgeschieden. Der Anwendungsbereich von § 3 Nr. 3 GrEStG ist damit nicht eröffnet. Steuerfrei kann nach dieser Vorschrift nur der Rechtsakt sein, der zum Ausscheiden des Grundstücks aus dem Nachlass führt (vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, § 3 Rz 328).
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes kann zwar aus der Zusammenschau (sog. interpolierende Betrachtungsweise) von grunderwerbsteuerrechtlichen Befreiungsvorschriften eine Steuerbefreiung nach ihrem Sinn und Zweck über ihren Wortlaut hinaus gewährt werden, wenn sich der tatsächlich verwirklichte Grundstückserwerb als abgekürzter Übertragungsweg darstellt und die unterbliebenen Zwischenerwerbe, wenn sie durchgeführt worden wären, ebenfalls steuerfrei wären (vgl. BFH-Urteile vom 28.04.1970 II 109/65, BFHE 99, 250, BStBl II 1970, 600, vom 23.03.2011 II R 33/09, BFHE 233, 453, BStBl II 2011, 980 und vom 07.11.2018 II R 38/15, BFHE 263, 459, BStBl II 2019, 325, sowie Meßbacher-Hönsch in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, § 3 Rz 399). Die Steuerfreiheit der unterbliebenen Zwischenerwerbe kann sich auch aus der mehrfachen Anwendung derselben Befreiungsvorschrift ergeben (vgl. BFH-Urteil vom 07.11.2018 II R 38/15, BFHE 263, 459, BStBl II 2019, 325,). Der Zusammenschau als Auslegungsmethode sind jedoch Schranken gesetzt. Diese darf immer nur an einen real verwirklichten, nicht aber an einen fiktiven Sachverhalt anknüpfen (vgl. BFH-Urteil vom 16.12.2015 II R 49/14, BFHE 251, 513, BStBl II 2016, 292,). Sie darf nicht zu einer Erweiterung des Anwendungsbereichs einer Befreiungsvorschrift über ihren Zweck hinausführen. Des Weiteren darf kein Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 der Abgabenordnung (AO) vorliegen (vgl. BFH-Urteil vom 16.12.2015 II R 49/14, BFHE 251, 513, BStBl II 2016, 292,).
Die Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils am Grundstück in 1, Str. 1, vom Bruder des Klägers auf den Kläger im Rahmen des Tauschvertrages stellt sich im vorliegenden Streitfall nicht als abgekürzter Weg einer unentgeltlichen Übertragung des Miteigentumsanteils von dem Elternteil auf das erwerbende Kind (Kläger) dar, sondern – wie im notariellen Auseinandersetzungsvertrag vom 12.04.2019 geregelt – als Tausch der Brüder untereinander. Ausweislich der Ausführungen in der Präambel des Notarvertrages erfolgen die wechselseitigen Übertragungen „Zur Teilung der durch diese Grundstücksübertragungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge entstandenen Grundstücksgemeinschaften zu je ½ Miteigentumsanteil…“. Die Miteigentumsanteile sollten so getauscht werden, dass beide Brüder Eigentümer eines der beiden Grundstücke wird.
Es ist im Streitfall weder dargelegt noch nachgewiesen, dass zum einen die Auflösung der Grundstücksgemeinschaften überhaupt auf den Willen der Eltern zurückgeht noch, dass die konkret vorgenommene Übertragung – der Kläger erhält das Alleineigentum an dem Grundstück in 1, der Bruder das Alleineigentum an dem Grundstück in 4 – auf einen geäußerten Willen der Eltern zurückgeht. Soweit der Prozessbevollmächtigte darauf abstellt, dass allein der Wille der Eltern, alle Kinder im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge gleichmäßig zu bedenken, ausreichend sei, um die konkret vorgenommenen Miteigentumsübertagungen noch als Zuwendung der Eltern anzusehen, vermag dem der erkennende Richter nicht folgen.
Im hier vorliegenden Fall wurde von Seiten der Eltern des Klägers und seines Bruders A in den Grundstücksübertragungen vom 15.07.1993 und vom 15.08.2005 keine Auflage gemacht, die Miteigentumsanteile so zu übertragen, wie es mit der Urkunde vom 12.04.2019 vollzogen wurde. Den vorliegenden Urkunden lassen sich auch keine Anhaltspunkte entnehmen, dass überhaupt eine Aufteilung der Grundstücksgemeinschaften von den Eltern beabsichtigt war. Noch weniger lassen sich Anhaltspunkte in den Verträgen nach außerhalb der Verträge (Vortrag des Klägers) finden, dass der Kläger Alleineigentum am Grundstück in 1 und der Bruder Alleineigentum am Grundstück in 4 – nach dem Wunsch der Eltern – 1 sollte. Mit der ersten Grundstücksübertragung vom 15.07.1993 war je ein Miteigentumsanteil von einem Drittel von den Eltern auf die drei Kinder übertragen worden. Damit waren alle Kinder aus familiärer Hand gleichmäßig bedacht worden. Nachdem für den dritten Bruder Schulden übernommen worden waren, erfolgte die Rückübertragung dieses Drittels auf die Eltern und am 15.08.2005 die Übertragung dieses Drittels je zur Hälfte an den Kläger und dessen Bruder A, so dass sie Miteigentümer an den Grundstücken in 1 und 4 zu je ein halb wurden. Dies war die von den Eltern beabsichtigte Aufteilung. Andere Aufteilungen hätten erfolgen können, wurden aber von den Eltern nicht vorgenommen.
Weder der Kläger noch sein Bruder bewohnen nach Aktenlage eines der von den Eltern vermachten Häuser in 1 oder 4 selbst. Beide haben laut Notarvertrag vom 12.04.2019 ihre Wohnanschrift in 2. Es sind weder Gründe vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger gerade das Alleineigentum am Grundstück in 1 bekommen sollte. Auch eine gemeinsame Verwaltung der Grundstücke in Miteigentum der beiden Brüder – und damit weiterhin im Familienbesitz – ist daher denkbar und hätte dem Willen der Eltern als Übertragende entsprochen. Der vom Prozessbevollmächtigten angeführte Wille der Eltern nach Erhalt der Grundstücke in Familienbesitz lässt sich nicht pauschal auf weitere Übertragungen unter den bedachten Abkömmlingen selbst ausdehnen, zumal die Eltern diese Übertragung bewusst nicht vorgenommen hatten. Der Wille der Eltern wird vorliegend in zwei separaten notariellen Urkunden (15.07.1993 und 15.08.2005) festgehalten. In beiden Urkunden kam es zur Aufteilung der Vermögenswerte. Die Übertragung jeweils eines Grundstücks als Alleineigentum an die Kinder kam damit wiederholt für die Eltern nicht in Betracht. Eine solche wurde von den Eltern auch nicht für die Zeit nach ihrem Tod vorgesehen. Allein aus der Tatsache, dass die Eltern des Klägers die Grundstücke gerne im Familienvermögen halten wollten, lässt sich weder der Wille zur Teilung der Grundstücksgemeinschaft noch der Wille ableiten, dass der Kläger genau das Grundstück in 1 und sein Bruder genau das Grundstück in 4 zum Alleineigentum bekommen sollten.
Soweit der Prozessbevollmächtigte den ausdrücklich geäußerten Wunsch oder die geheim gehaltene Hoffnung als hier ebenbürtig im Sinne der ausdrücklichen Privilegierung durch den Gesetzgeber ansieht, geht diese Auslegung nach Auffassung des erkennenden Richters über die Schranken einer interpolierenden Betrachtungsweise von Befreiungsvorschriften deutlich hinaus. Die konkret vorgenommene Eigentumsübertragung (Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils am Grundstück in 1 vom Bruder des Klägers auf den Kläger) muss sich als der „real verwirklichte Sachverhalt“ im Ergebnis als abgekürzter Übertragungsweg einer eigentlich mehrstufigen Übertragung darstellen. Davon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden, da die wechselseitigen Übertragungen zwischen den Brüdern auf den von ihnen vereinbarten Tausch zurückgehen und dieser Tausch sich nicht als (weitere) Übertragung der Eltern darstellt.
Eine durch elterliche Auflage verfügte unentgeltliche Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück von dem dann mit der Auflage beschwerten Kind auf das erwerbende Kind wurde hier, anders als in den vom Bundesfinanzhof mit Urteilen vom 16.12.2015 und vom 07.11.2018 entschiedenen Fällen, nicht angeordnet. Unentgeltliche Übertragungen zwischen Geschwistern sind nur ausnahmsweise von der Grunderwerbsteuer befreit, wenn die Übertragung auf dem Willen des schenkenden Elternteils beruht und von diesem veranlasst wurde, sie daher bei wertender Betrachtungsweise einer solchen zwischen dem Elternteil und dem erwerbenden Kind gleichkommt und ein beachtlicher Grund für den gewählten Weg ersichtlich ist. Das bedeutet insbesondere, dass der innere Grund des Erwerbs nicht allein in dem Verhältnis zwischen den Geschwistern liegen darf (vgl. BFH-Urteil vom 07.11.2018 II R 38/15, BFHE 263, 459, BStBl II 2019, 325). Der Interpolation als Auslegungsmethode sind Schranken gesetzt. So darf diese immer nur an einen real verwirklichten, nicht aber an einen fiktiven Sachverhalt anknüpfen (vgl. BFH-Urteil vom 16.12.2015 II R 49/14, BFHE 251, 513, BStBl II 2016, 292). Die von den Eltern erfolgten unentgeltlichen Übertragungen ohne Auflage sowie der vereinbarte Wertausgleich bei der Übertragung zwischen den Geschwistern vom 12.04.2019 sprechen dafür, dass keine auf dem Willen eines Elternteils beruhende Schenkung nachgeholt wurde, sondern dass der innere Grund des Tauschs der Grundstücksmiteigentumsanteile auf dem Willen der Geschwister beruhte, jeweils Alleineigentümer eines ganzen Grundstücks zu werden, welche ihnen von den Eltern je zu Miteigentum überlassen worden waren. Eine interpolierende Betrachtung scheidet auch deshalb aus, weil diese nicht zu einer Erweiterung des Anwendungsbereichs einer Befreiungsvorschrift über ihren Zweck hinausführen darf. Dies aber wäre der Fall, wenn man § 3 Nr. 6 GrEStG ohne jeden Bezug zu einer anderen Befreiungsregelung interpolierend auf die Übertragung eines Grundstücks zwischen Geschwistern und damit auf eine Gestaltung anwendete, die nach der Systematik der Befreiungsvorschriften gerade nicht von der Grunderwerbsteuer befreit sein soll (vgl. BFH-Beschluss vom 11.08. 2014 II B 131/13, BFH/NV 2015, 5).
Zwar hat der Bundesfinanzhof im Urteilsfall vom 07.11.2018, II R 35/18, ausgeführt, dass auch die doppelte/mehrfache Anwendung derselben Befreiungsvorschrift – z. B. von § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG – zu einer Steuerbefreiung im Rahmen einer interpolierenden Betrachtungsweise führen kann. Allerdings wurde in den Urteilsgründen nochmals herausgearbeitet, dass sich der tatsächlich verwirklichte Grundstückserwerb im Grunde als abgekürzter Übertragungsweg darstellen muss, wovon im Streitfall nicht auszugehen ist. Die vorliegende Fallgestaltung unterscheidet sich damit in wesentlichen Punkten von den vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fällen zur Interpolation mehrerer grunderwerbsteuerrechtlicher Befreiungsvorschriften.
Im Urteilsfall des Bundesfinanzhofes vom 07.11.2018 (Az. II R 38/15) wurde durch Vertrag vom 12.08.2010 Grundbesitz von C auf D unter Vorbehalt des lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauchs übertragen. Im Vertrag ordnete die Veräußerin als Auflage für D an, dass diese verpflichtet sein sollte, ihren hälftigen Anteil an anderem Grundbesitz auf ihren Bruder zu übertragen. Zur Erfüllung der Auflage übertrug D unter III. des Vertrages vom gleichen Tag ihrem Bruder ihren hälftigen Miteigentumsanteil an dem anderen Grundbesitz. Die Auflage zur Übertragung des Grundbesitzes an das Geschwisterteil war schriftlich bereits mit der Grundstücksübertragung an C fixiert worden. Auch bei dem vom Bundesfinanzhof im Verfahren mit dem Aktenzeichen II R 49/14 entschiedenen Fall hieß es bereits im Vertrag vom 21.03.1988 unter II. § 1 wörtlich: „Die beiden Erwerberinnen sind zur Zeit die einzigen Abkömmlinge des Veräußerers. Sollten ihm ab heute noch ein oder mehrere weitere – eheliche – Kinder geboren werden, so sind die Erwerberinnen verpflichtet, ihre (künftigen) Geschwister so zu stellen, als ob diese zu den Bedingungen dieser Urkunde einen Miteigentumsanteil erworben hätten; die etwaigen künftigen Geschwister erhalten dann je einen Miteigentumsanteil so, dass jedes Kind einen gleich großen Anteil hält.“
Der außerhalb der Steuerersparnis liegende beachtliche Grund für die gewählte Gestaltung ergab sich vorliegend daraus, dass der zu berücksichtigende Geschwisterteil im Zeitpunkt des notariellen Vertragsabschlusses am 21.03.1988 – anders als die Schwestern – mangels Rechtsfähigkeit nicht im Rahmen einer Schenkung berücksichtigt werden konnte. Im hier vorliegenden Fall wurde von Seiten der Eltern des Klägers und seines Bruders A in den Grundstücksübertragungen vom 15.07.1993 und vom 15.08.2005 keine Auflage gemacht, die Miteigentumsanteile so zu übertragen, wie es mit der Urkunde vom 12.04.2019 vollzogen wurde. Der vom Kläger und seinem Bruder vorgenommene Tausch der Miteigentumsanteile beruht zur Überzeugung des erkennenden Richters auf der zwischen dem Kläger und seinem Bruder A vorgenommenen Vereinbarung.
Der vom Prozessbevollmächtigten nach allgemeinen ethischen und moralischen Anschauungen und Handlungsweisen, wie sie sich beispielweise im Erbrecht verwirklicht hätten – „Was der Familie gehört, soll sie behalten, erhalten und mehren“ – abgeleiteten Argumentation für die Anwendung der interpolierenden Betrachtung steht vorliegend des Weiteren entgegen, dass bei einer solchen Gestaltung kein über die Ausnutzung der sich aus § 3 Nr. 6 GrEStG ergebenden Steuerersparnis hinausgehender beachtlicher Grund ersichtlich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (vgl. BFH-Beschluss vom 11.08. 2014 II B 131/13, BFH/NV 2015, 5) kann ein Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO vorliegen, wenn eine Grundstücksübertragung zwischen Geschwistern zwecks Ausnutzung der Befreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG auf dem Umweg über die Eltern oder einen Elternteil erfolgt und hierfür kein außerhalb der Steuerersparnis liegender beachtlicher Grund vorhanden ist. Ein beachtlicher Grund für die gewählte Gestaltung kann sich aber bei einer (Neu-) Gestaltung der vorweggenommenen Erbfolge aus dem Interesse eines Elternteils ergeben, gegenüber einem begünstigten Kind selbst als Schenker aufzutreten (vgl. BFH-Urteil vom 30.11.1960 II 154/59 U, BFHE 72, 54, BStBl III 1961, 21). Abgesehen davon, dass sich die im Streitfall vorgenommene Übertragung bereits nicht als Übertragung der Eltern auf den Kläger darstellt, fehlt es an der Darlegung und am Nachweis solcher außersteuerlichen Gründe. Die Eltern der Kläger wollten weder die vorweggenommene Erbfolge neu gestalten noch als Schenker des aus Sicht des Klägers zum Alleineigentum noch „fehlenden“ hälftigen Miteigentumsanteils auftreten. Vielmehr räumt der Prozessbevollmächtigte in seinem Schriftsatz vom 05.03.2020 selbst ein, dass bei der vorgenommenen Betrachtung die Frage der Steuerersparnis immer eine Rolle spielt.
Die Übertragung stellt sich zur Überzeugung des erkennenden Richters als Auseinandersetzung der Brüder untereinander dar, um eine (einfachere) Verwaltung der jeweiligen Häuser durch je einen Bruder alleine zu ermöglichen und eine Vermögenszuordnung der Grundstücke zum Alleineigentum zu erreichen. Wie der Prozessbevollmächtigte in seiner Klageerhebung selbst ausführt, stellt sich der Austausch unter den Geschwistern als Leistung und Gegenleistung dar (Tausch der Anteile nebst Ausgleichszahlung). Er erfolgte, um eine einfachere und leichtere Bewirtschaftung durch eine Hand zu ermöglichen. Dieses Argument ist nachvollziehbar, begründet aber nicht die Anwendung einer grunderwerbsteuerrechtlichen Befreiungsvorschrift. Auch wenn die Eltern jeweils ein Grundstück einem Geschwisterteil hätten schenken können und der Grundstückserwerb durch die bedachten Kinder sodann steuerfrei gewesen wäre, worauf der Prozessbevollmächtigte hinweist, wurde dieser Weg von den Eltern gerade nicht gewählt. Die Eltern hätten mit der jeweiligen Schenkung auch verfügen können, dass eine Ausgleichszahlung der Brüder untereinander erfolgen soll. Nichts von dem haben die Eltern jedoch veranlasst. Mit der Übertragung der Miteigentumsanteile auf die Kinder war die Vermögensaufteilung aus Sicht der Eltern abgeschlossen. Die Eltern des Klägers erreichten eine gleichmäßige Verteilung des Vermögens dadurch, dass sie dem Kläger und seinen Bruder die Grundstücke zu je ein halb übertrugen. Für den angeblichen Willen der Eltern für eine Übertragung je eines ganzen Grundstücks und einer Ausgleichszahlung unter den Brüdern finden sich weder ausreichend Anhaltspunkte noch Nachweise.
§ 3 Nr. 6 GrEStG ist auch nicht im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend auszulegen, dass Geschwister lediglich selbst erworbene Grundstücke, die demnach nicht aus dem Familienvermögen stammten, untereinander nicht grunderwerbsteuerfrei übertragen könnten, Grundstücke, die von den Eltern stammen, untereinander jedoch grunderwerbsteuerfrei und zwar unabhängig vom konkret geäußerten Willen der Eltern. Diese Betrachtung würde zu einer Erweiterung des Anwendungsbereichs einer Befreiungsvorschrift über ihren Zweck hinausführen, wenn ohne das Erfordernis eines abgekürzten Übertragungsweges § 3 Nr. 6 GrEStG interpolierend auf die Übertragung eines Grundstücks zwischen Geschwistern und damit auf eine Gestaltung angewendet würde, die nach der Systematik der Befreiungsvorschriften gerade nicht von der Grunderwerbsteuer befreit sein soll (vgl. BFH-Beschluss vom 11.08. 2014 II B 131/13, BFH/NV 2015, 5 Hinsichtlich der vom Finanzamt im Grunderwerbsteuerbescheid vom 03.05.2019 angesetzten Bemessungsgrundlage wurden Einwendungen weder vorgetragen noch sind Anhaltspunkte hierfür ersichtlich. Die für den Erwerb des Miteigentumsanteils am Grundstück in 1 vom Kläger erbrachte Gegenleistung (§§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG) bestand in der Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils am Grundstück in 4. Für dieses Grundstück wurde ausweislich des Notarvertrages vom 12.04.2019 ein Wert von 700.000 € angesetzt. Auf den übertragenen Miteigentumsanteil von ½ entfällt daher ein Betrag von 350.000 €, der um die Ausgleichszahlung (24.000 €) und die Entlassung aus der Grundschuld (75.000 €) zu mindern war. Von der so errechneten Bemessungsgrundlage von 251.000 € als Wert der Gegenleistung wurde Grunderwerbsteuer in Höhe von jeweils 4.392 € gegenüber dem Kläger und seinem Bruder festgesetzt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.


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