Erbrecht

Zur Auslegung der Parteibezeichnung bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Eintragung eines Amtswiderspruchs

Aktenzeichen  34 Wx 564/19

Datum:
27.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NotBZ – 2021, 187
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GBO § 53 Abs. 1 S. 1
BGB § 133, § 157, § 873, § 894
FamFG § 26

 

Leitsatz

Im Rahmen einer Anregung auf Eintragung eines Amtswiderspruchs gegen eine Eintragung aufgrund einer einstweiligen Verfügung gelten für die Auslegung der Parteibezeichnung zur Klärung der Grundbuchunrichtigkeit nicht die rein formalen Regeln wie im Antragsverfahren der Zwangsvollstreckung selbst. Vielmehr dürfen im Amtsverfahren nach § 53 Abs. 1 GBO außerhalb des Titels liegende Umstände berücksichtigt werden. (Rn. 21 – 22)
Ein Amtswiderspruch nach § 53 Abs. 1 S. 1 GBO kann sich nur gegen solche Eintragungen wenden, die dem öffentlichen Glauben unterliegen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen die am 18. Oktober 2019 im Grundbuch des Amtsgerichts München von … Bl. … in Abteilung III lfd. Nr. 14 vorgenommene Eintragung einer Vormerkung für eine Sicherungshypothek über den Betrag von 25.089,70 € zu Gunsten der Beteiligten zu 1 wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 25.089,70 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligte zu 2, eine Stiftung, ist im Grundbuch als Eigentümerin von Grundbesitz eingetragen.
Die Beteiligte zu 1, ein Ingenieurbüro in der Rechtsform einer GmbH, ist im Handelsregister unter der Bezeichnung X. X. GmbH eingetragen und hat danach die Geschäftsanschrift X.-Straße in M. Als Geschäftsführer sind X. X. und X. X. eingetragen.
Die Beteiligte zu 1 erwirkte gegen die Beteiligte zu 2 am 24.9.2019 vor dem Landgericht eine einstweilige Verfügung, die im Rubrum als Antragstellerin die X. GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer X. X. und X. X., X.-Straße in M. benannte.
Ziffer 1. der einstweiligen Verfügung lautet:
Der Antragstellerin ist auf dem Grundstück der Antragsgegnerin im Grundbuch von … eine Vormerkung zulasten der Antragsgegnerin zur Sicherung ihres Anspruchs auf Einräumung einer Sicherungshypothek als Gesamthypothek für Ihr Werklohnforderung in Höhe von 21.225,72 € zzgl. Eine Kostenquantums in Höhe von 3.863,98 € einzutragen.
Am 4.10.2019 legte die Beteiligte zu 1 eine Kopie der Ausfertigung der einstweiligen Verfügung dem Grundbuchamt zum Vollzug vor. Daraufhin meldete das Grundbuchamt Bedenken an, da im Rubrum der einstweiligen Verfügung vom 24.9.2019 nicht die richtige Bezeichnung der Beteiligten zu 1 enthalten sei.
Einen Antrag auf Rubrumsberichtigung lehnte das Landgericht am 9.10.2019 mit der Begründung ab, die Beteiligte zu 1 firmiere nach den vorliegenden Unterlagen und der eidesstattlichen Versicherung eines Geschäftsführers vornehmlich als X. GmbH, so dass keine offenbare Unrichtigkeit im Sinne von § 319 ZPO vorliege.
In der Folge wies die Beteiligte zu 1 das Grundbuchamt darauf hin, dass die Bezeichnung X. GmbH eine Kurzbezeichnung sei und es im gesamten Bundesgebiet keine Firma solchen Namens gebe. Damit sei der Titel dahin auszulegen, dass die im Titel ausgewiesene Person mit der Beteiligten zu 1 identisch sei.
Das Grundbuchamt hat daraufhin am 18.10.2019 die Eintragung vorgenommen.
Mit Schreiben vom 18.11.2019 hat sich die Beteiligte zu 2 gegen die Eintragung gewandt und die Löschung nach § 85 GBO angeregt, da eine Partei, für die das Recht eingetragen sei, nicht existiere. Vorsorglich werde auch Beschwerde nach § 71 Abs. 2 Satz 2 GBO mit dem Ziel der Eintragung eines Amtswiderspruchs eingelegt.
Das Grundbuchamt hat am 11.12.2019 „der gemäß § 71 Abs. 2 Satz 2 GBO beschränkten Beschwerde“ nicht abgeholfen.
II.
1. Soweit das Rechtsmittel vorsorglich eingelegt ist für den Fall, dass eine Löschung der Eintragung wegen Gegenstandslosigkeit nicht erfolgt, ist die Bedingung eingetreten. Das Grundbuchamt hat durch Nichtabhilfe der Beschwerde jedenfalls konkludent zu erkennen gegeben, dass es ein Verfahren nach §§ 84 ff. GBO nicht einleitet. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den Grundakten.
Gegen die ablehnende Entscheidung wäre nach § 85 Abs. 2, 2. Halbsatz GBO eine Beschwerde nicht statthaft (Demharter GBO 31. Aufl. § 85 Rn. 6; Hügel/Kramer GBO 4. Aufl. § 71 Rn. 4), eine solche ist aber auch nicht eingelegt.
2. Das Rechtsmittel der anwaltlich vertretenen Beteiligten zu 2 ist als beschränkte Beschwerde nach § 11 Abs. 1, Abs. 3 RPlfG, § 71 Abs. 2 GBO, § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
3. Die Beschwerde erweist sich in der Sache jedoch als unbegründet, denn die Voraussetzungen für die Eintragung eines Amtswiderspruchs liegen nicht vor.
a) Ein Widerspruch gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO ist im Grundbuch einzutragen, wenn das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist (Hügel/Holzer § 53 Rn. 15 f. und 24). Dabei müssen die Gesetzesverletzung feststehen und die Unrichtigkeit des Grundbuchs glaubhaft sein (Demharter § 53 Rn. 28). Einschränkend kann sich ein Amtswiderspruch jedoch nur gegen solche Eintragungen wenden, die dem öffentlichen Glauben unterliegen (Senat vom 16.1.2007, 34 Wx 163/06 = FGPrax 2007, 63; OLG Frankfurt FGPrax 2019, 104).
b) Es kann dahingestellt bleiben, ob ein gutgläubiger Erwerb der Vormerkung ausgeschlossen ist, so dass schon daher die Eintragung eines Amtswiderspruchs nicht in Betracht kommt.
Da eine Vormerkung kein dingliches Recht ist, kommt nach allgemeiner Ansicht ein Erwerb derselben nach § 873 BGB (auch analog) nicht in Betracht (Holzer/Kramer Grundbuchrecht 2. Aufl. 8.Teil Rn. 141 f.). Teilweise wird jedoch vertreten, dass dann, wenn für einen wirksamen (Auflassungs-)Anspruch von einem Nichtberechtigten eine Vormerkung zugunsten eines Bösgläubigen bestellt wurde, diese in der Person eines gutgläubigen Rechtsnachfolgers des Bösgläubigen wirksam werden könne (BGHZ 25, 16/23 f.).
Ob gutgläubiger Erwerb einer Vormerkung in Betracht kommt, wenn diese durch einen Berechtigten bewilligt, die Eintragung aber für einen möglichen Nichtberechtigten erfolgt, muss nicht entschieden werden, da jedenfalls eine Unrichtigkeit des Grundbuchs durch die Eintragung der Beteiligten zu 1 als Gläubigerin nicht vorliegt.
c) Die Auslegung des Titels ergibt, dass die Beteiligte zu 1 Gläubigerin der Forderung ist und daher das Grundbuch durch ihre Eintragung nicht unrichtig ist.
Die Unrichtigkeit des Grundbuchs gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO erfasst die materielle Unrichtigkeit im Sinne von § 894 BGB (Hügel/Holzer § 53 Rn. 25). Damit liegt eine Unrichtigkeit des Grundbuchs vor, wenn die durch den Grundbuchinhalt dargestellte Rechtslage nicht der Gesetzeslage entspricht (Palandt/Herrler BGB 79. Aufl. § 894 Rn. 2). Das Grundbuch wäre nur dann unrichtig, wenn die als Gläubigerin eingetragene Beteiligten zu 1 keinen zu sichernden Anspruch aus dem Titel hätte.
aa) Für die Auslegung der Parteibezeichnung in einem Titel zur Klärung der Voraussetzungen eines Amtswiderspruchs nach § 53 Abs. 1 GBO gelten nicht die strengen, rein formalen Regeln wie in einem Antragsverfahren, mithin bei der Eintragung im Rahmen der Zwangsvollstreckung selbst. Dort dürfen außerhalb des Titels liegende Umstände vom Vollstreckungsorgan grundsätzlich nicht berücksichtigt werden (BGH NJW 2004, 506/507; NJW 2010, 2137 Rn. 11 f.; MüKo/Heßler ZPO 5. Aufl. § 750 Rn. 24).
Im Rahmen des Amtsverfahrens nach § 53 GBO ist hingegen nach § 26 FamFG von Amts wegen – gegebenenfalls auch im Freibeweis – zu klären, ob die Eintragung das Grundbuch unrichtig macht (Demharter § 53 Rn. 17; Hügel/Holzer § 1 Rn. 62 und § 53 Rn. 4 f.; MeikelBöttcher GBO 11. Aufl. Einl. C Rn. 81 und 104 f.; KEHE/Keller GBO 8. Aufl. Einl. § 2 Rn. 49; Bauer in Bauer/Schaub GBO 4. Aufl. § 53 Rn. 58 und AT 1 Rn. 28). Aus diesem Grund hat im Amtsverfahren die Auslegung des Titels durch das Grundbuchamt – oder im Beschwerdeverfahren durch den Senat – unter Berücksichtigung aller Umstände zu erfolgen.
bb) Die Auslegung des Titels ergibt, dass die eingetragene Beteiligte zu 1 auch als Gläubigerin im Titel bezeichnet ist und daher das Grundbuch nicht unrichtig ist.
Vorliegend nimmt der Titel in den Gründen ausdrücklich auf den Akteninhalt Bezug, insbesondere auf die Abrechnung, vorgelegt als Anlage ASt2. Diese Anlage ASt2 wurde zu den Grundakten gereicht und kann, da durch die Bezugnahme der Akteninhalt der Titel ergänzt ist, zur Auslegung mit herangezogen werden.
Danach ist die Beteiligte zu 1 Gläubigerin der in der einstweiligen Verfügung genannten Forderung, denn nach der Anlage ASt2 tritt sie zum einen unter der im Titel genannten Kurzbezeichnung X. GmbH im Rechtsverkehr auf, verwendet aber im gleichen Schreiben zum anderen auch synonym die Langbezeichnung X. X. GmbH. Die zu sichernde Forderung der Beteiligten zu 1 wird in der einstweiligen Verfügung zu einem Teilbetrag auch durch die Rechnung ASt2 begründet. Schon daher steht fest, dass der durch Vormerkung einer Sicherungshypothek zu sichernde Betrag der Beteiligten zu 1 zusteht. Da die Beteiligte zu 1 vornehmlich als „X. GmbH“ firmiere, hat das Landgericht auch unter Bezugnahme auf 34 Wx 564/19 – Seite 5 – entsprechende Anlagen die Berichtigung des Titels abgelehnt.
Dafür, dass der Titel zu Gunsten der X. X. GmbH ergangen ist, spricht auch die Tatsache, dass die Adresse und die genannten Geschäftsführer identisch sind und es keine andere Firma unter dem Namen X. GmbH unter der Anschrift und nicht einmal in Deutschland gibt. Letzteres bestätigt auch der Vortrag der Beteiligten zu 2, die daraus eine Gegenstandslosigkeit der Eintragung herleiten will.
III.
1. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen, da sich die Kostenfolge schon aus § 22 GNotKG ergibt. Eine Kostenentscheidung nach § 84 FamFG hinsichtlich der notwendigen Auslagen der Beteiligten zu 1 musste nicht ergehen, da diese im Rechtsmittelverfahren nicht beteiligt war.
2. Den nach § 79 Abs. 1 GNotKG festzusetzenden Geschäftswert bestimmt der Senat gemäß § 45 Abs. 3 GNotKG nach dem Wert der vorgemerkten Sicherungshypothek.
3. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 78 Abs. 2 Satz 1 GBO liegen nicht vor.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG)


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