Europarecht

2 WDB 10/21

Aktenzeichen  2 WDB 10/21

Datum:
9.12.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2021:091221B2WDB10.21.0
Spruchkörper:
2. Wehrdienstsenat

Tenor

Der Bescheid des Generalinspekteurs der Bundeswehr vom 6. April 2021 wird aufgehoben.
Im Übrigen ist das Bundesverwaltungsgericht sachlich unzuständig. Insoweit wird das Verfahren an das Truppendienstgericht Nord verwiesen.

Tatbestand

1
Der Leiter des … erließ gegen den Soldaten unter dem 19. Dezember 2019 unter Feststellung eines Dienstvergehens eine schriftliche Missbilligung wegen der Abrechnung von Mehrarbeit und “Dienst zu ungünstigen Zeiten” im Rahmen eines Truppenbesuchs. Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr wies die hiergegen eingelegte Beschwerde des Soldaten mit Beschwerdebescheid vom 20. August 2020 zurück. Der Generalinspekteur der Bundeswehr wies die weitere Beschwerde des Soldaten mit Bescheid vom 6. April 2021 zurück. Der Soldat hat entsprechend der beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung gegen den Bescheid die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt.
2
Der Bundesdisziplinaranwalt ist der Ansicht, der Generalinspekteur der Bundeswehr sei für die Entscheidung über die weitere Beschwerde nicht zuständig gewesen. Es handele sich nicht um eine truppendienstliche Beschwerde, sondern um eine Disziplinarbeschwerde, über die das Truppendienstgericht zu entscheiden habe. Der Soldat teilt diese Auffassung und hat eine Aufhebung des Bescheids vom 6. April 2021 und eine Verweisung an das Truppendienstgericht beantragt.

Entscheidungsgründe

3
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist hinsichtlich des Bescheids des Generalinspekteurs der Bundeswehr vom 6. April 2021 zulässig und begründet (1.). Im Übrigen ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung nicht zuständig (2.). Das Verfahren ist insoweit an das zuständige Truppendienstgericht Nord zu verweisen (3.).
4
Die Entscheidung des Senats ergeht in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter. Auf das Beschwerdeverfahren finden nach § 42 Satz 1 WDO die Vorschriften der Wehrbeschwerdeordnung Anwendung. Zwar werden abschließende Sachentscheidungen im Wehrbeschwerdeverfahren in der Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern getroffen. § 80 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 WDO gilt, wie das Wort “Hauptverhandlung” zeigt, nur für das gerichtliche Disziplinarverfahren und nicht für Wehrbeschwerdesachen und damit wegen der Regelung des § 42 Satz 1 WDO auch nicht für Beschwerdeverfahren nach § 42 WDO. Etwas anderes gilt aber bei nicht die Sache selbst betreffenden und nicht verfahrensbeendenden Entscheidungen, zu denen auch Verweisungen an das zuständige Gericht gehören (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. April 2011 – 2 WDB 2.11 – Buchholz 450.2 § 42 WDO 2002 Nr. 4 Rn. 5 m.w.N.). Soweit neben der Verweisung des Verfahrens an das zuständige Truppendienstgericht auch die Aufhebung des von einer unzuständigen Stelle erlassenen Bescheids über die weitere Beschwerde auszusprechen ist, liegt auch darin keine abschließende Sachentscheidung (nämlich über die Rechtmäßigkeit der Feststellung eines Dienstvergehens), sondern nur die Beseitigung eines Bescheids, der formal der Sachentscheidung durch das allein zuständige Truppendienstgericht entgegenstehen würde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. April 2011 – 2 WDB 2.11 – Buchholz 450.2 § 42 WDO 2002 Nr. 4 Rn. 5 m.w.N.).
5
1. Nach § 42 WDO sind auf Beschwerden der Soldaten gegen Disziplinarmaßnahmen sowie gegen sonstige Maßnahmen und Entscheidungen der Disziplinarvorgesetzten die Vorschriften der Wehrbeschwerdeordnung nach Maßgabe der Nr. 1 bis 12 des § 42 WDO anzuwenden. Eine missbilligende Äußerung eines Disziplinarvorgesetzten unter Feststellung eines Dienstvergehens, die nicht ausdrücklich als Verweis oder strenger Verweis bezeichnet wird, ist zwar nach § 23 Abs. 3 Satz 1 WDO keine Disziplinarmaßnahme. Es handelt sich aber – wie die Feststellung eines Dienstvergehens unter Absehen von einer Disziplinarmaßnahme nach § 36 Abs. 1 WDO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. April 2011 – 2 WDB 2.11 – Buchholz 450.2 § 42 WDO 2002 Nr. 4 Rn. 6 m.w.N.) – um eine sonstige Maßnahme und Entscheidung des Disziplinarvorgesetzten im Sinne des § 42 WDO. Nach § 42 Nr. 4 WDO entscheidet über die weitere Beschwerde in Abweichung von § 16 Abs. 3 WBO nicht der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte, sondern das Truppendienstgericht. War demnach der Generalinspekteur der Bundeswehr für die Entscheidung über die weitere Beschwerde des Soldaten nicht zuständig, ist der dennoch ergangene Beschwerdebescheid aufzuheben. Dafür ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig, weil nach § 42 Nr. 4 Satz 3 WDO die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts gegeben ist, wenn der Bundesminister der Verteidigung oder der Generalinspekteur der Bundeswehr über die Beschwerde entschieden hat. Diese Zuständigkeit besteht auch, wenn der Generalinspekteur der Bundeswehr seine Zuständigkeit zur Entscheidung über die (weitere) Beschwerde zu Unrecht angenommen hat. Zur Aufhebung eines solchen zu Unrecht ergangenen Beschwerdebescheids sind nach dem Willen des Gesetzgebers nicht die Truppendienstgerichte berufen, sondern das Bundesverwaltungsgericht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. April 2011 – 2 WDB 2.11 – Buchholz 450.2 § 42 WDO 2002 Nr. 4 Rn. 6).
6
2. Im Übrigen ist eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach § 42 Nr. 4 Satz 3 WDO nicht gegeben. Die weitere Beschwerde des Soldaten, zu deren Entscheidung – wie dargelegt – die Wehrdienstgerichte berufen sind, richtet sich gegen einen Beschwerdebescheid des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr und damit weder gegen einen Bescheid des Bundesministers der Verteidigung noch des Generalinspekteurs der Bundeswehr. Damit verbleibt es bei der Zuständigkeit des Truppendienstgerichts nach § 42 Nr. 4 Satz 1 WDO.
7
3. Örtlich zuständig ist das Truppendienstgericht, das für den Befehlsbereich errichtet ist, zu dem der Vorgesetzte, der die angefochtene Maßnahme oder Entscheidung getroffen hat, zum Zeitpunkt des Beschwerdeanlasses gehört (§ 42 Nr. 4 Satz 2 WDO). Da das … seinen Sitz in Berlin hat, ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung zur Regelung der Dienstbereiche der Truppendienstgerichte und zur Bildung von Truppendienstkammern – Truppendienstgerichte-Verordnung – vom 1. Juli 2020 (BGBl. I S. 1602) das Truppendienstgericht Nord zuständig. Das Verfahren war daher gemäß § 42 WDO i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1, § 18 Abs. 3 Satz 1 WBO an dieses Gericht zu verweisen.


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