Europarecht

3 C 8/19

Aktenzeichen  3 C 8/19

Datum:
14.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2021:140421U3C8.19.0
Spruchkörper:
3. Senat

Leitsatz

1. Der Übernehmer einer im Verfahren nach § 11 AEG gepachteten Eisenbahnstrecke wird erst mit Erteilung der Betriebsgenehmigung nach § 6 AEG Träger der Baulast und damit Kreuzungsbeteiligter im Sinne des § 1 Abs. 6 EKrG.
2. Die Rechtsnachfolge des Übernehmers in eine bestehende Kreuzungsvereinbarung ist unter den für Vertragsübernahmen allgemein geltenden Voraussetzungen möglich.
3. Der aus einer Kreuzungsvereinbarung zur Errichtung eines Kreuzungsbauwerks Verpflichtete darf seine Leistung verweigern, wenn und solange hinreichende objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein zeitlich und qualitativ nachhaltiger Bahnverkehr auf der Strecke nicht mehr aufgenommen werden wird und sich der Bau einer Eisenbahnüberführung damit auf absehbare Zeit als nutzlose Aufwendung erweist.

Verfahrensgang

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 31. Januar 2019, Az: 3 A 436/16, Urteilvorgehend VG Dresden, 21. April 2016, Az: 3 K 310/12

Tenor

Das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2019 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten über die Erfüllung einer Kreuzungsvereinbarung, in der sich der beklagte Freistaat verpflichtet hat, eine Eisenbahnüberführung zu bauen.
2
Die Herstellung dieser Überführung wurde vereinbart, weil der Neubau der als Ortsumgehung geplanten Staatsstraße S 156 die seinerzeit von der DB Netz AG betriebene Eisenbahnstrecke Bautzen – Bad Schandau zwischen Neukirch – Neustadt bei Bahn-km 33,40 quert. Zur Aufrechterhaltung des Zugverkehrs verpflichtete sich der beklagte Freistaat in der Kreuzungsvereinbarung Nr. 02/4/V/05 unter dem 25. Mai/3. Juni 2005 gegenüber der DB Netz AG, bei Bahn-km 33,40, eine eingleisige Eisenbahnüberführung zu errichten (§ 4 der Vereinbarung). Da die DB Netz AG bei Abschluss der Vereinbarung für die Strecke zwischen Neukirch und Neustadt bereits ein Stilllegungsverfahren nach § 11 AEG eingeleitet hatte, vereinbarten die Vertragspartner in § 9 Abs. 6 der Kreuzungsvereinbarung, dass der Bau der Eisenbahnüberführung nicht erfolgen solle, wenn das Verfahren mit einer Stilllegung abgeschlossen werde; anderenfalls werde die Überführung wie vereinbart durch das Straßenbauamt des Beklagten gebaut.
3
Die Pläne für die S 156 und die Eisenbahnüberführung (“Bauwerk 1”) stellte das Regierungspräsidium Dresden zugunsten des Straßenbauamts Dresden, das die Straßenbaulast trägt, mit Planfeststellungsbeschluss vom 12. Januar 2005 fest. Im Zuge des Baus der S 156 wurden der Bahndamm der Eisenbahnstrecke und die Schienen im Bereich der Kreuzung entfernt. Zugverkehr in diesem Abschnitt findet seither nur noch zwischen Neukirch und der Anschlussstelle Oberottendorf in Gestalt von Güterverkehr zugunsten eines Steinbruchs statt. Den Vollzug des Planfeststellungsbeschlusses im Übrigen – soweit er die Errichtung der Eisenbahnüberführung betrifft – setzte das Regierungspräsidium Dresden auf Antrag des Beklagten mit Änderungsplanfeststellungsbeschluss vom 24. November 2005 bis zur Wiederaufnahme des Zugverkehrs auf dem Streckenabschnitt aus (ÄPFB Nr. 2). Die DB Netz AG hatte dem Antrag mit Schreiben vom 14. September 2005 zugestimmt, jedoch eine ergänzende Regelung des Inhalts verlangt, dass die Eisenbahnüberführung gemäß der Vereinbarung Nr. 02/4/V/05 gebaut werde, sollte das Abgabeverfahren nach § 11 AEG nicht mit der Stilllegung abgeschlossen werden. Dieser Forderung entsprechend bestimmt Nr. 5.2 Satz 1 des Änderungsplanfeststellungsbeschlusses, dass die Stellungnahme der DB Netz AG vom 14. September 2005 verbindlicher Bestandteil des Änderungsbeschlusses werde.
4
Mit Pachtvertrag vom 27. April 2007 übernahm die Klägerin, ein öffentliches Eisenbahninfrastrukturunternehmen, im Rahmen des Stilllegungsverfahrens die Strecke Neukirch – Neustadt von der DB Netz AG.
5
Das Betreiben der Eisenbahninfrastruktur wurde ihr mit Bescheid des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 18. Dezember 2007 gemäß § 6 AEG genehmigt. In § 4 Abs. 1, 3 und 4 des Pachtvertrages ist festgelegt, dass die Klägerin in die in Anlage 3a aufgezählten Verträge als Rechtsnachfolgerin eintrete und bei den jeweiligen Vertragspartnern die Zustimmungen zum Eintritt einhole. Zu diesen Verträgen gehört die Kreuzungsvereinbarung. Gemäß dieser Absprache setzte die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 5. September 2008 von der Übernahme der Strecke durch sie in Kenntnis und bat um Zustimmung zu ihrem Eintritt in die Kreuzungsvereinbarung. Sie beabsichtige, die Strecke in voller Länge weiterzubetreiben. Außerdem forderte sie den Beklagten auf, die Eisenbahnüberführung bis zum 15. Mai 2009 zu übergeben. Der Beklagte stimmte dem Eintritt zu, forderte die Klägerin jedoch auf, zunächst weitere Unterlagen für die Herstellung des Bauwerks vorzulegen und die konkret geplante Wiederaufnahme des Zugverkehrs nachzuweisen. Dem trat die Klägerin mit weiteren Schreiben entgegen und reichte schließlich am 12. April 2011 Klage beim Landgericht Dresden ein, die an das Verwaltungsgericht Dresden verwiesen wurde.
6
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Hauptantrag auf Verpflichtung des Beklagten zur Errichtung der Eisenbahnüberführung abgewiesen, weil die gewünschte Konstruktion der Eisenbahnüberführung nicht mehr der im Jahr 2005 beabsichtigten Bauweise entspreche und vor Baubeginn weitere Planungen erforderlich seien. Hingegen hat es dem Hilfsantrag stattgegeben und festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet sei, die Kreuzungsvereinbarung zu erfüllen und eine Eisenbahnüberführung (Bauwerk 1) bei Bahn-km 33,40 der Strecke Bautzen – Bad Schandau nach Maßgabe dieser Vereinbarung zu errichten.
7
Die Berufung des Beklagten hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 31. Januar 2019 zurückgewiesen. Der Beklagte sei verpflichtet, die Eisenbahnüberführung nach Maßgabe der Kreuzungsvereinbarung zu errichten. Die Kreuzungsvereinbarung sei wirksam zustande gekommen und auch inhaltlich wirksam. Ein Nichtigkeitsgrund nach § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB wegen der Entfernung des nicht gemäß § 23 AEG von Bahnbetriebszwecken freigestellten Bahndamms sei nicht gegeben. Aus der Außervollzugsetzung des Planfeststellungsbeschlusses im Änderungsplanfeststellungsbeschluss folge kein rechtliches Hindernis für die Errichtung. Unabhängig davon, dass diese Regelung in sich widersprüchlich sei, sei die Verpflichtung zum Bau der Überführung jedenfalls wiederaufgelebt, weil eine dritte, nicht bundeseigene Eisenbahn, die Klägerin, rechtsverbindlich die Betriebsabsicht erklärt habe. Die Kreuzungsvereinbarung sei auch nicht wirksam geändert worden. Der Änderungsplanfeststellungsbeschluss habe keine Änderung bewirken können. Der Anspruch der Klägerin sei schließlich nicht wegen Unmöglichkeit nach § 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 275 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Das von dieser Vorschrift geforderte grobe Missverhältnis zwischen dem Aufwand des Beklagten und dem Leistungsinteresse der Klägerin bestehe nicht. Auch die Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben rechtfertige keine andere Beurteilung. Der durch Kreuzungsvereinbarung zur Errichtung einer Eisenbahnüberführung verpflichtete Straßenbaulastträger trage das Risiko, dass das Eisenbahninfrastrukturunternehmen nach Fertigstellung der Eisenbahnüberführung möglicherweise nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG die Stilllegung der Strecke beantrage, sollte ihm ein wirtschaftlich sinnvoller Streckenbetrieb nicht möglich sein.
8
Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. Zu Begründung macht er geltend, der Klägerin fehle die Aktivlegitimation, weil sie nicht Trägerin der Baulast sei. Vor allem aber habe er erhebliche Zweifel an der Betriebsabsicht der Klägerin. Die Strecke sei unbestritten in einem desolaten Zustand. Die Reaktivierung würde Investitionen erforderlich machen, die die Klägerin nicht werde aufbringen können. In einem vergleichbaren Fall habe die Klägerin ebenfalls Schienen abgebaut, die Bahnstrecke jedoch gewidmet gehalten und kein Stilllegungsverfahren betrieben. Wegen Nichtbetreibens einer anderen Strecke sei gegenüber der Klägerin bereits rechtskräftig ein Zwangsgeld festgesetzt worden. Die von der Klägerin behaupteten Nutzungsanträge anderer Eisenbahnverkehrsunternehmen habe sie nicht nachweisen können. Die Kreuzungsvereinbarung und den Änderungsplanfeststellungsbeschluss habe das Oberverwaltungsgericht unter Verletzung von Bundesrecht fehlerhaft ausgelegt. Es sei klar vereinbart worden, dass die geplante Überführung erst hergestellt werden solle, wenn die Klägerin die geplante Wiederaufnahme des Zugverkehrs nachgewiesen habe. Schließlich könne ihm, dem Beklagten, der Bau der Eisenbahnüberführung nach § 275 Abs. 2 BGB nicht zugemutet werden. Die Kosten von voraussichtlich 2,2 Mio. € für eine Eisenbahnüberführung einer faktisch stillgelegten Strecke seien unverhältnismäßig und widersprächen seiner Verpflichtung zur wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung.
9
Die Klägerin tritt der Revision entgegen und macht geltend, dass die Widmung der Strecke fortbestehe. Es sei schon der DB Netz AG verwehrt gewesen, sich mit der Kreuzungsvereinbarung über die Betriebspflicht hinwegzusetzen. Soweit der Beklagte die Auslegung des Änderungsplanfeststellungsbeschlusses angreife, verkenne er den eingeschränkten Überprüfungsmaßstab des Revisionsgerichtes. Einen beachtlichen Verfahrensfehler des Oberverwaltungsgerichts habe er nicht dargelegt. Auch verkenne der Beklagte den Inhalt der Betriebspflicht, die den Betreiber der Eisenbahninfrastruktur verpflichte, einen diskriminierungsfreien Zugang zu gewähren sowie die Strecke in einem betriebssicheren Zustand zu erhalten oder einen solchen wiederherzustellen. Sie, die Klägerin, könne aber das Ausmaß einer Inanspruchnahme ihrer Infrastruktur weder garantieren noch genau prognostizieren und daher keine Auskunft über die Aufnahme des Zugverkehrs geben; einen Anspruch darauf habe der Beklagte nicht. Jedenfalls verfolge sie seit Jahren das Ziel, den faktischen Nichtbetrieb der Strecke zu beenden.


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