Aktenzeichen 6 A 10/21, 6 A 10/21 (6 A 11/19)
Tenor
Der Beklagten wird aufgegeben, dem Senat die nachfolgend aufgeführten, bei dem Bundesnachrichtendienst den Aufbewahrungseinheiten mit den angegebenen Signaturen zugeordneten Unterlagen ungeschwärzt vorzulegen:
Signatur 1522: Seite 74,
Signatur 3283: Seiten 2 und 16
sowie
die Signaturen 1559, 401307, 401308, 28149 und 20975: vollständig.
Gründe
I
1
Der Kläger ist Journalist. Mit Schreiben vom 4. September 2018 beantragte er beim Bundesnachrichtendienst die archivrechtliche Nutzung von Unterlagen zur Zusammenarbeit dieser Behörde mit … bzw. … X. und dem X. Verlag. Der presserechtliche Auskunftsanspruch, den der Kläger gesondert zu diesem Thema verfolgt, ist Gegenstand des Verfahrens BVerwG 6 A 9.21.
2
Mit Bescheid vom 1. April 2019 bewilligte der Bundesnachrichtendienst den Nutzungsanspruch teilweise und stellte dem Kläger teilgeschwärzte Reproduktionen der anfragegegenständlichen Dokumente aus den Signaturen 1522_OT, N 1/32_OT sowie N 1/33_OT zur Verfügung (OT: offener Teil). Zur Begründung der Schwärzungen stützte sich der Bundesnachrichtendienst auf § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BArchG. Weitere Signaturen 1559, 3283 und 20975 seien gleichfalls anfragegegenständlich, unterfielen jedoch nicht dem archivrechtlichen Nutzungsanspruch, da insoweit die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG erfüllt seien. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Bundesnachrichtendienst mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2019 zurück.
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Der Kläger hat am 12. August 2019 Klage erhoben, mit der er das Aktennutzungsbegehren weiterverfolgt.
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Die Beklagte tritt der Klage entgegen. Sie hat im Verfahren vier weitere Aufbewahrungseinheiten als anfragegegenständlich bezeichnet und auch deren Nutzung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG verweigert (401307 und 401308 , 28149 sowie N 1/130). Ferner hat die Beklagte klargestellt, dass sich in der Signatur 3283 lediglich die Seiten 2 und 16 auf den Antrag des Klägers beziehen.
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Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger seinen Klageantrag sinngemäß dahingehend konkretisiert, dass er Zugang zu den bzw. Einsicht in die anfragegegenständlichen Unterlagen der Beklagten zur Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes mit … bzw. … X. und dem X. Verlag begehrt, soweit sie ihm nicht schon durch Übergabe der ungeschwärzten Signaturen 1522_OT, N 1/32_OT und N 1/33_OT bekannt sind. Nach seinem anschließenden Verzicht auf die Nutzung der Signaturen N 1/130, N 1/32_OT und N 1/33_OT hat der Senat die Beklagte auf die Staffelung der Versagungsgründe des § 6 Abs. 1 Satz 2 und § 13 BArchG hingewiesen und ihr die Möglichkeit eingeräumt, bei Signaturen, für die sie den Schutz des § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG beanspruche, entweder ihren Vortrag weiter zu substantiieren oder die Unterlagen teilgeschwärzt vorzulegen und substantiiert zu den Versagungsgründen des § 13 BArchG vorzutragen.
6
Daraufhin hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 30. November 2020 ihren Sachvortrag vertieft und dargelegt, aus welchen Gründen sie die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG in Bezug auf die Signaturen 3283, 1559, 401307, 401308, 28149 und 20975 als erfüllt ansieht. Zudem habe die vollständige, ungeschwärzte Vorlage dieser Signaturen auch gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BArchG zu unterbleiben, weil Grund zu der Annahme bestehe, dass durch die Nutzung das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdet würde und der Nutzung schutzwürdige Interessen Betroffener oder ihrer Angehörigen entgegenstünden. Die Teilschwärzungen auf den Seiten 74 und 78 der Aufbewahrungseinheit der Signatur 1522_OT beruhten ebenfalls auf § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BArchG.
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Die Berichterstatterin hat das Verfahren mit Beschluss vom 13. Januar 2021 bis zur Entscheidung des Großen Senats des Bundesverwaltungsgerichts in den Verfahren 6 A 14.19 und 6 A 3.20 ausgesetzt. Nach Erlass der vorgreiflichen Entscheidungen des Großen Senats vom 13. April 2021 hat sie das Verfahren fortgeführt und die Beklagte mit Schreiben vom 30. Juni 2021 gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufgefordert, dem Gericht die Signaturen 1559, 401307, 401308, 28149 und 20975, aus der Signatur 3283 die Seiten 2 und 16 sowie aus der Signatur 1522 die Seiten 74 und 78 ungeschwärzt vorzulegen oder eine Sperrerklärung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO abzugeben.
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Daraufhin hat die Beklagte dem Kläger die Nutzung der Seite 78 der Signatur 1522_OT ohne Schwärzungen angeboten. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Im Übrigen hat das Bundeskanzleramt mit Schreiben vom 29. September 2021 die ungeschwärzte Vorlage der Unterlagen verweigert und eine Sperrerklärung abgegeben. Der Kläger hält den Vortrag zur Verweigerung der Vorlage der angeforderten Unterlagen für nicht hinreichend substantiiert, hat jedoch unter dem 30. November 2021 vorsorglich die Durchführung eines In-camera-Verfahrens beantragt.
II
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Der Beklagten ist die Vorlage der Unterlagen, die bei dem Bundesnachrichtendienst unter den im Tenor des Beschlusses bezeichneten Signaturen erfasst werden, klarstellungshalber gemäß § 86 Abs. 1 und § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzugeben. Der Senat macht sich hierbei die Aktenanforderung der Berichterstatterin vom 30. Juni 2021 zu eigen. Er muss die Unterlagen unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten prüfen, um über das archivrechtliche Aktennutzungsbegehren des Klägers entscheiden zu können.
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Dem Kläger kommt es bei verständiger Würdigung seines im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Antrags auf den Zugang zu den bzw. die Einsicht in die Aufbewahrungseinheiten mit den im Tenor genannten Signaturen und Seitenangaben an. Ob seine zulässige Klage begründet ist und ihm der auf der Grundlage von § 11 Abs. 6 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG geltend gemachte Anspruch zusteht, hängt für die Seiten 2 und 16 der Signatur 3283 sowie für die Signaturen 1559, 401307, 401308, 28149 und 20975 davon ab, ob die von der Beklagten als anfragegegenständlich bezeichneten Unterlagen, die älter als 30 Jahre sind, gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG der Anbietungspflicht der Nachrichtendienste unterfallen (1.). Wenn sie dem Bundesarchiv anzubieten wären, käme es weiter darauf an, ob und in welchem Umfang dem Nutzungsanspruch fachgesetzliche Geheimhaltungsgründe gemäß § 11 Abs. 6 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BArchG entgegenstünden (2.). In Bezug auf die Seite 74 der Signatur 1522_OT ist demgegenüber allein entscheidend, ob die für die Teilschwärzung angeführten Gründe nach § 11 Abs. 6 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BArchG gegeben sind (3.).
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1. Die Beklagte sieht den Bundesnachrichtendienst nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG befugt, die Seiten 2 und 16 der Signatur 3283 sowie die Signaturen 1559, 401307, 401308, 28149 und 20975 vollständig zurückzuhalten (vgl. Sperrerklärung, S. 3 ff., sowie Schriftsatz der Beklagten vom 30. November 2020, S. 2 ff.). Der Senat muss überprüfen, ob die in Anspruch genommene Befugnis besteht (zur inzidenten Prüfung der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG: BVerwG, Beschluss vom 12. September 2017 – 6 A 1.15 – Buchholz 421.9 BArchG Nr. 1 Rn. 3 ff.).
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Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG sind Unterlagen der Nachrichtendienste dem Bundesarchiv nur anzubieten, wenn sie deren Verfügungsgewalt unterliegen und zwingende Gründe des Quellen- und Methodenschutzes sowie der Schutz der Identität der bei ihnen beschäftigten Personen einer Abgabe nicht entgegenstehen. Die Norm konkretisiert die Anbietungspflicht der Nachrichtendienste. Soweit und solange die in der Vorschrift genannten Gründe der Anbietung entgegenstehen, werden die Unterlagen von der Pflicht zur Anbietung ausgenommen. Infolgedessen erstreckt sich der in § 11 Abs. 6 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG normierte Nutzungsanspruch nicht auf diese Unterlagen, die nicht zu Archivgut des Bundes werden. Die Möglichkeit einer Nutzung der Unterlagen in teilweise geschwärzter Form besteht in diesem Zusammenhang nicht, denn dem Bundesarchiv als dem Gedächtnis des Staates können keine teilweise geschwärzten Unterlagen angeboten werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2019 – 6 A 1.17 – BVerwGE 164, 269 Rn. 27). Ob es sich bei § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG darüber hinaus um eine gesetzliche Geheimhaltungsvorschrift i.S.d. § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 VwGO handelt, wie die Beklagte meint, obliegt allein der Entscheidungsbefugnis des für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO zuständigen Fachsenats gemäß § 189 VwGO.
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Ob die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG einer Anbietungspflicht und damit einem Nutzungsanspruch des Klägers entgegensteht, kann der Senat nur durch Einsicht in die genannten Unterlagen beurteilen. Entgegen der Ansicht des Klägers liegen die Voraussetzungen für eine entsprechende Aufklärung durch den Senat vor.
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Das erfolgreiche Berufen auf der Nutzung entgegenstehende gesetzliche Hinderungsgründe setzt entsprechende Anhaltspunkte für deren Bestehen voraus. Ist die Vorlage der ungeschwärzten Unterlagen Gegenstand des Hauptsacheverfahrens, kann das Gericht grundsätzlich nicht ohne Kenntnis des Inhalts der Akten beurteilen, ob die Weigerung rechtmäßig ist. Es hat die zur Prüfung der Rechtmäßigkeit für entscheidungserheblich erachteten Unterlagen im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO als Beweismittel anzufordern und, falls die Vorlage unter Verweis auf § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO verweigert wird, auf Antrag ein In-camera-Verfahren einzuleiten. Allerdings bedarf es dann nicht der Durchführung eines solchen Zwischenverfahrens, wenn der Vortrag der Behörde auch unter Berücksichtigung der zur Wahrung des Geheimhaltungsinteresses erforderlichen Beschränkungen bereits ausreichende Darlegungen dazu vermissen lässt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der geltend gemachten Hinderungsgründe erfüllt sein könnten. Liegt ein solcher Grund nicht gleichsam auf der Hand, gebietet die Amtsermittlungspflicht dem Gericht nicht, Aufklärungsmaßnahmen ins Blaue hinein zu ergreifen (vgl. zu § 13 Abs. 1 Satz 1 BArchG: BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2019 – 6 A 1.17 – BVerwGE 164, 269 Rn. 42 m.w.N.).
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Die erforderlichen Darlegungen orientieren sich damit an den tatbestandlichen Voraussetzungen: Wenn sich der Bundesnachrichtendienst unter Verweis auf zwingende Gründe des nachrichtendienstlichen Quellenschutzes bzw. des Schutzes der Identität bei ihm beschäftigter Personen darauf beruft, dass Unterlagen nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG einer Nutzung entzogen seien, muss der Senat prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die jeweilige Person, deren Schutz geltend gemacht wird, für den Bundesnachrichtendienst tätig geworden ist. Dies setzt entsprechende Darlegungen voraus, und zwar auch dazu, ob diese Person noch am Leben ist. Ist es wahrscheinlich, dass ein Informant nicht mehr lebt, konnte das Todesjahr jedoch bisher nicht festgestellt werden, muss zudem vorab die Klärung versucht werden, ob er bereits verstorben ist; auf die Vermutung, dass ein Informant nicht mehr schutzwürdig ist, wenn seit seiner Geburt mehr als 90 Jahre vergangen sind (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2016 – 20 F 10.15 – Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 70 Rn. 13), kann erst abgestellt werden, wenn andere Aufklärungsmaßnahmen nicht zum Erfolg führen (BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2019 – 6 A 1.17 – BVerwGE 164, 269 Rn. 46 m.w.N.). Auch hierzu sind substantiierte Darlegungen notwendig.
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Was den nachrichtendienstlichen Methodenschutz im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG anbelangt, führt eine drohende Offenlegung operativer Vorgänge nicht ohne weiteres, sondern nur dann zu einem Ausschluss des Aktennutzungsanspruchs, wenn sich hieraus Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen ableiten lassen. Diese Voraussetzungen dürften bei abgeschlossenen, lange zurückliegenden Vorgängen regelmäßig nicht erfüllt sein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. November 2016 – 6 A 1.15 – juris Rn. 28). Erforderlich sind auch insoweit entsprechende Darlegungen, die es möglich erscheinen lassen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind.
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Gemessen an diesen Anforderungen gibt es hier hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die genannten Signaturen aus zwingenden Gründen des nachrichtendienstlichen Methodenschutzes von der Anbietungspflicht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG ausgenommen sein könnten. Sie ergeben sich aus dem Vortrag der Beklagten sowie dem Gesamtergebnis des bisherigen Verfahrens und werden durch die vom Kläger erhobenen Einwände nicht in Zweifel gezogen. Die Beklagte hat explizit vorgetragen, dass die in den Unterlagen der genannten Signaturen erkennbare Methodik keinen bestimmten, bereits seit langem abgeschlossenen Anlass betreffe und sich auch nicht auf ein bestimmtes Umfeld beschränke, welches heute in der Form nicht mehr existiere. Die Unterlagen behandelten zwar den besonderen Themenkomplex der Medienbranche. Inmitten stünden jedoch Methoden bei der Planung und Durchführung von nachrichtendienstlichen Aktivitäten, die mangels wesentlicher Neuerungen heute noch angewandt würden und Gegenstand der gegenwärtigen nachrichtendienstlichen Praxis des Bundesnachrichtendienstes seien. Ihre Offenlegung führte zu umfassenden Erkenntnissen über die Fähigkeiten und Arbeitsweise des Bundesnachrichtendienstes – insbesondere in die Methodik der Anbahnung, des Führens und der Zusammenarbeit mit Quellen – und ermöglichte u.a. die Entwicklung von Abwehrstrategien gegen die Anbahnung von nachrichtendienstlichen Verbindungen. Damit geht es in den Signaturen 1559, 28149, 401307 und 401308, die die wesentlichen Sachverhalte und teils identische oder inhaltsgleiche Dokumente enthalten sollen, sowie in der Signatur 20975, die diese Inhalte als “Sachverhaltsbruchstücke” im Karteikartenformat erfassen soll, um eine Methodik, die bis heute nicht eingestellt worden ist. Dieser Beklagtenvortrag betrifft auch die Seiten 2 und 16 der Signatur 3283, bei der es sich um eine “Kartei der Pressestelle zu Personenanfragen und Personenerkenntnissen, Personen mit Familienname K-O” handeln soll. Die Beklagte trägt ausdrücklich vor, dass es für die zum Einsatz gekommene – und unverändert kommende – Art der Informationsgewinnung keinen Ersatz durch andere Instrumente gebe, weshalb ihr Bekanntwerden die effektive Aufgabenerfüllung erschweren würde. Geht es aber durchweg um eine noch nicht eingestellte und überdies alternativlose Methodik, liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei den besagten Signaturen derzeit um besonders geheim zu haltende Unterlagen i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG handelt (vgl. BT-Drs. 18/9633 S. 59). Dem Erfordernis einer weiteren Substantiierung der Methodik steht in diesem Fall das besondere Geheimhaltungsbedürfnis entgegen.
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Der Einwand des Klägers, der Bundesnachrichtendienst habe seine Methodik im Medienbereich bereits im Jahre 2006 grundlegend geändert, gibt keine Veranlassung zu einer abweichenden Würdigung. Denn in den Unterlagen der genannten Signaturen soll es um das von einem bestimmten Anlass oder einem konkreten Umfeld wie etwa der Medienbranche losgelöste generelle methodische Vorgehen bei der Planung und Durchführung von nachrichtendienstlichen Aktivitäten gehen. Ungeachtet dessen bezieht sich die Methodenänderung im Bereich der Medien, auf die sich der Kläger stützt, seinem eigenen Vorbringen zufolge lediglich auf operative Maßnahmen des Bundesnachrichtendienstes, die dieser zu seiner Eigensicherung ergreift.
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Ob die in Rede stehenden Unterlagen tatsächlich operative Vorgänge betreffen, bei denen die Möglichkeit von Rückschlüssen auf die heutige nachrichtendienstliche Arbeitsweise und Aufklärungsarbeit besteht, muss der Senat deshalb durch eine Einsichtnahme klären. Dies gilt auch für die Frage, ob die der Anbietung entgegenstehenden Gründe “zwingend” i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG sind. Insoweit sind die rechtlichen Maßstäbe in der Senatsrechtsprechung noch nicht abschließend geklärt. Fest steht allerdings, dass der Gesetzgeber in diesen Fällen ein erhöhtes Geheimhaltungsbedürfnis für erforderlich gehalten hat, welches über das durch § 11 und § 13 BArchG vermittelte Schutzniveau hinausgeht (BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2019 – 6 A 1.17 – BVerwGE 164, 269 Rn. 27 m.w.N.). Nur besonders sensible Informationen in geheimhaltungsbedürftigen Angelegenheiten sollen zum Erhalt der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste längerfristig unter Verschluss und somit jedem öffentlichen Zugriff entzogen bleiben (vgl. BT-Drs. 18/9633 S. 59), wie etwa systemische Informationen zur nachrichtendienstlichen Arbeitsweise. Jedenfalls liegen dann keine zwingenden Gründe i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG vor, wenn die Schwärzung einzelner Textstellen ausreicht, um den von der Vorschrift geschützten Belangen hinreichend Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2019 – 6 A 1.17 – BVerwGE 164, 269 Rn. 29). Auch folgt aus einem aus § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BArchG resultierenden Bedürfnis für eine Vollschwärzung einzelner Unterlagen nicht gleichsam automatisch, dass insoweit zugleich die strengeren Anforderungen des § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG erfüllt sind.
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Bedarf es damit zur Prüfung der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG im Hinblick auf den Methodenschutz der Einsichtnahme des Senats in die genannten Signaturen, kann offenbleiben, ob die Ausführungen der Beklagten zum Quellenschutz für sich genommen gleichermaßen substantiiert sind (vgl. zu den Anforderungen im Anwendungsbereich des § 13 Abs. 1 BArchG: BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2019 – 6 A 1.17 – BVerwGE 164, 269 Rn. 40 ff.).
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2. Wenn die genannten Signaturen in Gänze oder teilweise anbietungspflichtig wären, käme es weiter darauf an, ob und in welchem Umfang fachgesetzliche Geheimhaltungsgründe gemäß § 11 Abs. 6 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BArchG bestünden. So soll es sich nach Ansicht der Beklagten wegen des nachrichtendienstlichen Quellen- bzw. Methodenschutzes sowie des Schutzes der personenbezogenen Daten verhalten. Es bestehe Grund zu der Annahme, dass durch die Nutzung dieser Unterlagen das Wohl der Bundesrepublik Deutschland gefährdet sei und ihrer Nutzung zudem schutzwürdige Interessen der Betroffenen oder ihrer Angehörigen entgegenstünden. Sämtliche Aktenblätter müssten nahezu in Gänze geschwärzt werden, sodass die Akten vollständig zurückgehalten werden dürften (vgl. Sperrerklärung S. 9 ff. sowie Schriftsatz der Beklagten vom 30. November 2020 S. 9 ff.).
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Auch für die Prüfung, ob die Aktennutzung das Wohl der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BArchG gefährdet, weil die Enttarnung von Quellen droht oder die nachrichtendienstliche Arbeitsfähigkeit in Gefahr ist, muss der Senat Einsicht in die Unterlagen nehmen, sobald dieser Weigerungsgrund substantiiert vorgetragen worden ist. Nichts anderes gilt, wenn im Einzelnen schutzwürdige Interessen Betroffener oder ihrer Angehörigen geltend gemacht werden, die im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BArchG einer Nutzung entgegenstehen sollen.
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Anknüpfend an die Ausführungen im Zusammenhang mit § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG hat die Beklagte hier jedenfalls hinreichend dargelegt, dass die Offenlegung der in den Unterlagen erkennbaren Methodik die Aufgabenerfüllung des Bundesnachrichtendienstes beeinträchtigen würde, woraus eine Gefährdung des Wohls der Bundesrepublik Deutschland resultieren könnte, § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BArchG. Ob dies tatsächlich so ist, lässt sich allein durch eine Einsichtnahme in die Signaturen klären.
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3. In Bezug auf die Seite 74 der Signatur 1522_OT kann das erhöhte Schutzniveau und damit der Zweck des § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG nicht mehr erreicht werden, so dass die Vorschrift keine Anwendung findet (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2019 – 6 A 1.17 – BVerwGE 164, 269 Rn. 28 m.w.N.). Denn der Bundesnachrichtendienst hat die Seite dem Kläger mit einer Teilschwärzung versehen zur Verfügung gestellt. Ob diese Schwärzung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BArchG zum mittelbaren Schutz einer mutmaßlich noch lebenden nachrichtendienstlichen Verbindung (Sperrerklärung S. 10) bzw. zum Schutz mindestens einer nachrichtendienstlichen Verbindung, bei der 30 Jahre seit ihrem Tod noch nicht vergangen sind (Sperrerklärung S. 11), gerechtfertigt ist, wie die Beklagte meint, kann vom Senat nur durch Einsichtnahme geklärt werden.