Europarecht

9 C 1/20

Aktenzeichen  9 C 1/20

Datum:
29.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2021:290421U9C1.20.0
Spruchkörper:
9. Senat

Leitsatz

Die für die Erteilung glücksspielrechtlicher Erlaubnisse vorgesehene Gebührenregelung in dem bis Mitte 2021 geltenden Glücksspielstaatsvertrag (§ 9a Abs. 4) ist mit der Verfassung vereinbar.

Verfahrensgang

vorgehend VG Mainz, 28. November 2019, Az: 1 K 48/19.MZ, Urteil

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 28. November 2019 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1
Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Mainz, der die ZDF-Fernsehlotterie “Aktion Mensch” veranstaltet. Er wendet sich gegen die Gebühr für die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis.
2
Mit Bescheid vom 10. November 2014 erteilte das beklagte Land Rheinland-Pfalz, seinerzeit vertreten durch das Ministerium der Finanzen, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2019 die Erlaubnis für die Veranstaltung einer Lotterie; in dem Bescheid wurde zugleich die Gebühr für das Jahr 2015 festgesetzt. In den Folgejahren ergingen gesonderte Gebührenbescheide für 2016 und 2017, die – ebenso wie die Gebührenfestsetzung für das Jahr 2015 – wegen Unzuständigkeit des Ministeriums der Finanzen (teils gerichtlich, teils von der Behörde selbst) aufgehoben wurden.
3
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 28. Dezember 2018 setzte das Ministerium des Innern und für Sport des Beklagten für das Jahr 2018, gestützt auf § 9a Abs. 4 Satz 2 des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag – GlüStV), eine Gebühr in Höhe von 163 407 € fest. § 9a Abs. 4 GlüStV in der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Fassung lautet:
(4) 1Die nach den Absätzen 1 und 2 zuständigen Behörden erheben für Amtshandlungen in Erfüllung der Aufgaben nach den Absätzen 1 bis 3 Kosten (Gebühren und Auslagen). 2Für die Erteilung einer Erlaubnis oder Konzession für das Veranstalten eines Glücksspiels wird bei genehmigten oder voraussichtlichen Spiel- oder Wetteinsätzen
a) bis zu 30 Millionen Euro eine Gebühr in Höhe von 1,0 v.T. der Spiel- oder Wetteinsätze, mindestens 50 Euro,
b) über 30 Millionen Euro bis 50 Millionen Euro eine Gebühr in Höhe von 30 000 Euro zuzüglich 0,8 v.T. der 30 Millionen Euro übersteigenden Spiel- oder Wetteinsätze,
c) über 50 Millionen Euro bis 100 Millionen Euro eine Gebühr in Höhe von 46 000 Euro zuzüglich 0,5 v.T. der 50 Millionen Euro übersteigenden Spiel- oder Wetteinsätze,
d) über 100 Millionen Euro eine Gebühr in Höhe von 71 000 Euro zuzüglich 0,3 v.T. der 100 Millionen Euro übersteigenden Spiel- oder Wetteinsätze
erhoben; zugrunde zu legen ist die Summe der genehmigten oder voraussichtlichen Spiel- oder Wetteinsätze in allen beteiligten Ländern. 3Wird die Erlaubnis oder Konzession für mehrere aufeinanderfolgende Jahre oder Veranstaltungen erteilt, erfolgt die Berechnung gesondert für jedes Jahr und jede Veranstaltung, wobei sich die Gebühr nach Satz 2 für jedes Folgejahr oder jede Folgeveranstaltung um 10 v.H. ermäßigt. 4Für die Erteilung einer Erlaubnis für das Vermitteln eines Glücksspiels wird eine Gebühr in Höhe von 50 v.H. der Gebühr nach Satz 2 erhoben; Satz 3 ist entsprechend anzuwenden. 5Für Anordnungen zur Beseitigung oder Beendigung rechtswidriger Zustände sowie für sonstige Anordnungen der Glücksspielaufsichtsbehörden wird eine Gebühr von 500 Euro bis 500 000 Euro erhoben; dabei ist der mit der Amtshandlung verbundene Verwaltungsaufwand aller beteiligten Behörden und Stellen zu berücksichtigen. 6Im übrigen gelten die Kostenvorschriften des jeweiligen Sitzlandes der handelnden Behörde.
4
Die gegen den Bescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 28. November 2019 ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Rechtsgrundlage des Bescheids sei jedenfalls hinsichtlich der Gebührenerhebung für die hier in Rede stehende Erteilung einer Erlaubnis zur Durchführung einer Lotterie verfassungskonform; die zugrunde liegende Kostenabschätzung sei nicht zu beanstanden. Aus § 9a Abs. 4 GlüStV, der die Gebühr zu großen Teilen am Umsatz orientiere, ergebe sich hinreichend klar, dass der Gesetzgeber neben dem Gebührenzweck der Kostendeckung auch den Zweck der Vorteilsabschöpfung habe verfolgen wollen. Nach dem Staatsvertrag seien von der Erlaubnisgebühr die Kosten sowohl für die Antragsbearbeitung als auch für die nachträgliche Überwachung umfasst. Eine pauschalierende Betrachtung der verschiedenen Glücksspielarten bei der Berechnung des Verwaltungsaufwands sei zulässig. Der Gebührenbescheid selbst erweise sich als formell und materiell rechtmäßig; gegen die Ermäßigung (nur) um 10 % der Gebühr für das erste Jahr der Lotterie sei nichts zu erinnern.
5
Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision. Zur Begründung trägt er vor: Die der Erlaubnisgebühr zugrundeliegende Ermittlung des Verwaltungsaufwands sei offenkundig fehlerhaft, weil nicht nur die Kosten der Erlaubniserteilung, sondern sämtliche im – ohnehin untypischen – Jahr 2009 angefallenen Personal- und Sachkosten der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder herangezogen worden seien. Die Festlegung eines einheitlichen Gebührensatzes für sämtliche Glücksspielarten widerspreche dem allgemeinen Gleichheitssatz. Die für das Jahr 2018 angesetzten Gebühren gingen weit über die tatsächlich entstandenen Kosten für die Bearbeitung des Erlaubnisantrags hinaus, stünden in einem auffälligen Missverhältnis zum Verwaltungsaufwand und dienten der Gewinnerzielung. Der Gebührenzweck könne schon deshalb nicht auf die Vorteilsabschöpfung ausgedehnt werden, weil bereits die Konzessionsabgabe für Sportwetten eine “Vorteilsabschöpfungsabgabe” darstelle. Der Gebührenbescheid sei im Übrigen rechtswidrig, weil die Erlaubnis von der unzuständigen Behörde erteilt worden sei.
6
Der Kläger beantragt,
den Gebührenbescheid des Beklagten vom 28. Dezember 2018 in Höhe von 163 407 € unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 28. November 2019 aufzuheben.
7
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
8
Er verteidigt die angegriffene Entscheidung.


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