Europarecht

Äquivalente Verletzung eines Verwendungspatents

Aktenzeichen  21 O 9358/21

Datum:
19.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2021, 40978
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EPÜ Art. 64, Art. 69
GZV JU § 38 Nr. 1
PatG § 9 S. 2 Nr. 1, § 139 Abs. 2, § 140b Abs. 1 u. 3, § 143
ZPO § 17
BGB § 242, § 259

 

Leitsatz

1. Für die Frage der Gleichwirkung ist entscheidend, welche einzelnen Wirkungen die patentgemäßen Merkmale – für sich und insgesamt – zur Lösung der den Patentansprüchen zugrundeliegenden Aufgabe bereitstellen und ob diese Wirkungen bei der angegriffenen Ausführungsform durch andere Mittel erzielt werden (Anschluss an BGH GRUR 2015, 361 – Kochgefäß). (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Rahmen der Äquivalenzprüfung ist nicht nur das “naheliegendste” Austauschmittel als auffindbar zu bewerten. Ein Austauschmittel kann auch dann ohne erfinderische Tätigkeit als gleichwirkend aufgefunden werden, wenn es noch andere, naheliegendere Varianten gibt (Anschluss an OLG München PharmR 2017, 402).  (Rn. 65) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wird ein paralleles Patent durch die Einspruchsabteilung widerrufen, ist die Widerrufsentscheidung als sachkundige Stellungnahme bei der Beurteilung der Auffindbarkeit zu berücksichtigen.  (Rn. 66 – 71) (redaktioneller Leitsatz)
4. Für die Frage der Auffindbarkeit ist nicht entscheidend, für welche Indikation das jeweilige Arzneimittel bestimmt war, da sich der Fachmann mit der chemischen Formulierung der jeweiligen Stoffe befasst. (Rn. 76) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1.Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Um¬ fang sie Pemetrexed (als Pemetrexeddiarginin), sinnfällig hergerichtet für die Verwendung bei der Herstellung eines Arzneimittels zur Verwendung in einer Kombinationstherapie zur Hemmung eines Tumorwachstums bei Säugern, worin das Arzneimittel in Kombination mit Vitamin B12 und Folsäure verabreicht werden soll, wobei Vitamin B12 als intramuskuläre Injektion verabreicht werden soll  
(äquivalente Verletzung von Anspruch 10 von EP 1 313 508 B1/DE 60 127 970),
seit dem 18. April 2007 in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht, gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen haben, und zwar unter Angabe
a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden, 
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen.
2. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten 
Verzeichnisses und der entsprechenden Belege wie Aufträge, Auftragsbestätigungen, Rechnungen, Liefer- und Zollpapiere vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die vorstehend unter Ziffer 1 bezeichneten Handlungen seit dem 18. Mai 2007 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Anzahl der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, unter Angabe der Namen und Adressen der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, wobei es den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob bestimmte Abnehmer, Angebotsempfänger oder Lieferungen in der Aufstellung enthalten sind.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter Ziffer 1 bezeichneten Handlungen seit dem 18. Mai 2007 bereits entstanden ist und noch entstehen wird.
4. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist hinsichtlich den Ziffern 1 und 2 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 100.000,00 € sowie hinsichtlich Ziffer 4 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
A. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht München I sachlich und örtlich zuständig (§ 143 PatG, § 17 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 38 Nr. 1 GZVJu).
Ein rechtliches Interesse der Klägerin gemäß § 256 Abs. 1 ZPO auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten ist gegeben. Es ist hinreichend wahrscheinlich, dass die Beklagten weiterhin die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland anbieten, vertreiben, gebrauchen oder zu diesen Zwecken einführen oder besitzen. Die Klägerin kann die Schadenshöhe noch nicht beziffern, da sie vor Erteilung der geforderten Auskünfte und Rechnungslegung ohne ihr Verschulden den Umfang der patentverletzenden Benutzungshandlungen der Beklagten nicht im Einzelnen kennt.
B. Die angegriffene Ausführungsform des Pemetrexeddiarginin verwirklicht die klagepatentgemäße Lehre in äquivalenter Weise, so dass der Klägerin ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten sowie ein entsprechender Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung gemäß §§ 139 Abs. 2, 140b Abs. 1 und 3, 9 S. 2 Nr. 1 PatG i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ zusteht.
1. Das Klagepatent schützt die Verwendung des Wirkstoffs Pemetrexed in der Form von Pemetrexedinatrium in einer Kombinationstherapie mit Folsäure und Vitamin B12 zur Therapie des malignen (bösartigen) Pleuramesothelioms, einer Krebserkrankung des Brustfells, sowie des fortgeschrittenen nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms.
2. Der Schutzbereich der durch das Klagepatent unter Schutz gestellten technischen Lehre wird durch die Patentansprüche bestimmt, wobei die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen sind (Art. 69 Abs. 1 EPÜ). Für diese Auslegung ist nicht die sprachliche oder logisch-wissenschaftliche Bedeutung der im Patentanspruch verwendeten Begriffe relevant, sondern deren technischer Sinn, der aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung, wie sie sich objektiv aus dem Patent ergeben, zu bestimmen ist (st. Rspr. vgl. BGH GRUR 2016, 169 Rn. 16 m.w.N.- Luftkappensystem). Dabei kann die Beschreibung, deren Funktion es ist, die geschützte Erfindung zu erläutern, Begriffe eigenständig definieren und insoweit ein patenteigenes Lexikon darstellen (st. Rspr. vgl. BGH GRUR 2016, 361 Rn. 14 – Fugenband; BGH GRUR 2015, 875 Rn. 16 – Rotorelemente; BGH GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Abzustellen ist dabei auf die Sicht des Fachmanns, von dessen Verständnis bereits die Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche einschließlich der dort verwendeten Begriffe abhängt und das auch bei der Feststellung des über den Wortlaut hinausgehenden Umfangs des von den Patentansprüchen ausgehenden Schutzes maßgebend ist (BGH GRUR 2002, 516, 517 – Schneidmesser I).
3. Der hier angesprochene Durchschnittsfachmann besteht aus einem Team mit einem Pharmakologen mit Spezialisierung auf dem Gebiet der Wirkmechanismen von Antifolaten bei der Behandlung von Krebs, einem Mediziner mit Spezialisierung auf dem Gebiet der Onkologie und langjähriger Erfahrung in der chemotherapeutischen Behandlung von Krebspatienten mit Antikrebswirkstoffen wie Antifolaten sowie einem Chemiker mit Spezialisierung auf dem Gebiet der Pharmazie. Soweit der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung Pemetrexed II (GRUR 2020, 1178) in Rn. 45 offen gelassen hat, ob dem Team des angesprochenen Fachmanns auch ein Chemiker angehört, ist dies aus der Sicht der Kammer zu bejahen. Denn während der Pharmakologe sich mit der Erforschung der Wirkung von Arzneimitteln im Körper des Menschen befasst, liegt die Befassung mit den chemisch-stofflichen Eigenschaften eines Arzneimittels im Aufgabenbereich des Pharmazeuten.
4. Das Klagepatent bezieht sich auf die Verwendung des Antifolats (= Chemotherapeutikums) Pemetrexed als Pemetrexeddinatrium in einer Kombinationsbehandlung mit einem Methylmalonsäure verringernden Mittel wie Vitamin B12 und optional Folsäure. Ein Tumor entsteht durch die abnorme Neubildung von Körpergeweben, die aus Fehlregulierungen des Zellwachstums resultieren. Die Zellen bösartiger Tumoren teilen sich und vermehren sich in der Regel schnell. Bei der Chemotherapie wird mit antineoplastischen Mitteln auf die Teilungsfähigkeit der Zellen eingewirkt. In der Klagepatentschrift wird ausgeführt, Antifolate gehörten zu den am besten untersuchten Klassen von antineoplastischen Mitteln. Im Stand der Technik war die Behandlung von Tumorerkrankungen mit Antifolaten seit etwa 50 Jahren bekannt, als der erste Wirkstoff dieser Klasse, Aminopterin, klinische Aktivität gezeigt hat. Antifolate hemmen ein oder mehrere Folat-benötigende Schlüsselenzyme der Thymidin- und Purinbiosynthesewege, insbesondere Thymidylatsynthase (TS), Dihydrofolatreduktase (DHFR) und Glycinamidribonukleotidformyltransferase (GARFT), indem sie mit reduziertem Folat um die Bindung dieser Enzyme konkurrieren und damit in diejenigen Abschnitte des Zellstoffwechsels eingreifen, die für die Zellteilung von entscheidender Bedeutung sind (vgl. Anlage K 11/11a, Abs. [0002]).
Da Antifolate nicht zwischen Tumorzellen und gesunden Zellen unterscheiden, werden sowohl Tumorzellen als auch gesunde Zellen zerstört. Dadurch kommt es zu schwerwiegenden Nebenwirkungen beim Patienten, die bis zum Tod führen können und eine erhebliche Beschränkung bei der Entwicklung dieser Arzneimittel darstellen. Die Unfähigkeit, diese Toxizitäten zu kontrollieren, führte zum Ausschluss der klinischen Entwicklung einiger Antifolate und hat die Entwicklung von anderen verkompliziert (Anlage K 11/11a, Abs. [0003] und [0001]). Als Mittel zur Verringerung von Toxizitäten im Zusammenhang mit der Hemmung von GARFT seien Folsäure und Retinoidverbindungen wie Vitamin A verwendet worden. Die Rolle von Folsäure bei der Modulierung der Toxizität und der Wirksamkeit von Pemetrexed werde in einer Veröffentlichung von Worzalla et al. diskutiert. Effekte der Nahrungsergänzung durch Vitamin B12, Folat und Vitamin B6 bei älteren Personen mit normalen Serumvitaminkonzentrationen und Homocysteinspiegeln seien als Vorhersage für zu erwartende zytotoxische Ereignisse aufgezeigt worden. Dennoch begründe die zytotoxische Aktivität weiterhin eine ernstzunehmende Besorgnis bei der Arzneimittelentwicklung der Antifolate (vgl. Anlage K 11/11a, Abs. [0004]).
5. Vor diesem Hintergrund betrifft die Erfindung das technische Problem, die nachteiligen toxischen Effekte, die durch die Verabreichung von Pemetrexeddinatrium verursacht werden, ohne Beeinträchtigung der therapeutischen Wirksamkeit zu reduzieren (BGH GRUR 2020, 1178 Rn. 20 – Pemetrexed II; BGH GRUR 2016, 921 Rn. 10 ff. – Pemetrexed; OLG München PharmR 2017, 402 Rn. 53).
6. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Klagepatent in dem hier von der Klägerin geltend gemachten Anspruch 10 unter Rückbezug auf die Ansprüche 1 bis 5 eine Verwendung vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (vgl. auch BGH GRUR 2020, 1178 Rn. 22 – Pemetrexed II):
1. Pemetrexeddinatrium wird verwendet zur Herstellung eines Arzneimittels.
2. Das Arzneimittel dient der Verwendung in einer Kombinationstherapie zur Hemmung eines Tumorwachstums bei Säugern.
3. Das Arzneimittel soll in Kombination mit Vitamin B12 oder einem pharmazeutischen Derivat hiervon und mit Folsäure verabreicht werden.
4. Das Vitamin B12 soll als intramuskuläre Injektion verabreicht werden.
Nach der Lehre des Klagepatents wird das Antifolat Pemetrexed als Pemetrexeddinatrium in Kombination mit dem Methylmalonsäure verringernden Mittel Vitamin B12 oder einem pharmazeutischen Derivat hiervon verabreicht. Dabei geht das Klagepatent von der Erkenntnis aus, dass erhöhte Spiegel von Methylmalonsäure bei Patienten, die ein Antifolat bekommen, ein Indikator für das Auftreten von hierdurch hervorgerufenen toxischen Effekten wie erhöhter Mortalität und nicht-hämatologischen Ereignissen wie zum Beispiel Hautausschlägen und Müdigkeit sind. Die Verwendung von Methylmalonsäure senkenden Mitteln, zu denen insbesondere Vitamin B12 gehört, soll es ermöglichen, die genannten toxischen Effekte signifikant zu reduzieren und dabei die therapeutische Wirksamkeit des Antifolats als Krebsmittel zu erhalten (Anlage K 11/11a, Abs. [0005]).
Nach Merkmal 1 wird Pemetrexed in der Salzform als Pemetrexeddinatrium verwendet, wobei bei der Verabreichung in Lösung aufgrund der Dissoziation negativ geladene PemetrexedAnionen und positiv geladene Natrium-Kationen vorliegen, so dass sich der lonenverbund auflöst. Dabei geht die tumorhemmende Wirkung allein von dem Pemetrexedion aus. Hieraus folgt jedoch keine wortsinngemäße Auslegung der im Patentanspruch enthaltenen Angabe „Pemetrexeddinatrium“ über ihren Wortlaut hinaus, vielmehr ist mit der Verwendung des Begriffs „Pemetrexeddinatrium“ (Merkmal 1) ausschließlich die betreffende chemische Verbindung gemeint – also das Dinatriumsalz des Antifolats Pemetrexed – und fallen darunter auch bei funktionsorientierter Auslegung nicht allgemein Derivate von Pemetrexed, wie der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung Pemetrexed bereits festgestellt hat (BGH GRUR 2016, 921 Rn. 34 – Pemetrexed). Vor diesem Hintergrund beruft sich die Klägerin im Streitfall auch nicht auf eine wortsinngemäße, sondern allein auf eine äquivalente Verletzung.
II. Die genannten Merkmale werden durch die von den Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland angebotene Ausführungsform des Pemetrexeddiarginin äquivalent verwirklicht.
1. Die angegriffene Ausführungsform enthält gemäß der dazugehörigen Fachinformation (Anlage K 14) ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung bzw. ein Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung bestehend aus Pemetrexeddiarginin zur Anwendung am Menschen mit inoperablem malignen Pleuramesotheliom oder einem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom. Gemäß dem Abschnitt „Prämedikation“ der Fachinformation muss zur Reduktion der Häufigkeit und Schwere von Hautreaktionen am Tag vor und am Tag der Pemetrexed-Gabe sowie am Tag nach der Behandlung ein Kortikosteroid gegeben werden, das einer zweimal täglichen oralen Gabe von 4 mg Dexamethason entsprechen muss. Zur Reduktion der Toxizität sind weiter täglich orale Gaben von Folsäure oder Multivitaminen mit Folsäure (350 bis 1000 Mikrogramm) vorgesehen. Außerdem müssen Patienten eine intramuskuläre Injektion Vitamin B12 (1000 Mikrogramm) in der Woche vor der ersten Pemetrexed-Dosis erhalten sowie nach jedem dritten Behandlungszyklus. Die weiteren Vitamin-B12-Injektionen können am selben Tag wie Pemetrexed gegeben werden.
2. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung Pemetrexed (GRUR 2016, 921) festgestellt, dass eine äquivalente Verletzung des Klagepatents in Betracht kommen kann, wenn Pemetrexed nicht als Dinatriumsalz vorliegt, sondern ein anderes Salz (im dortigen Fall Kalium) verwendet wird. Vorliegend streiten die Parteien darüber, ob die angegriffene Ausführungsform Pemetrexeddiarginin im Hinblick auf das in Merkmal 1 enthaltene „Pemetrexeddinatrium“ eine äquivalente Verwendung darstellt. Hiervon ist auf der Grundlage des Vortrags der Parteien sowie der von ihnen vorgelegten Dokumente auszugehen.
a) Damit eine vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichende Ausführung in dessen Schutzbereich fällt, müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein: Die Ausführung muss erstens das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen. Zweitens müssen seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen schließlich drittens am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein, was voraussetzt, dass der Patentanspruch in allen seinen Merkmalen nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Überlegungen des Fachmanns bildet. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln aus fachmännischer Sicht als der wortsinngemäßen Lösung gleichwertige (äquivalente) Lösung in Betracht zu ziehen und damit nach dem Gebot des Artikels 2 des Protokolls über die Auslegung des Art. 69 EPÜ bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Patents zu berücksichtigen (st. Rspr. vgl. BGH GRUR 2015, 361 Rn. 18 – Kochgefäß; BGH GRUR 2002, 515, 517 – Schneidmesser I; GRUR 2007, 959, 961 – Pumpeinrichtung; BGH GRUR 2016, 921 Rn. 49 f. – Pemetrexed; OLG München PharmR 2017, 402 Rn. 62). Der Schutzbereich des Patents wird auf diese Weise nach Maßgabe dessen bestimmt, was der Fachmann auf der Grundlage der erfindungsgemäßen Lehre als äquivalent zu erkennen vermag, und damit an dem Gebot des Art. 1 des Protokolls über die Auslegung des Art. 69 EPÜ ausgerichtet, bei der Bestimmung des Schutzbereichs einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte zu verbinden (BGH GRUR 2015, 361 Rn. 18 – Kochgefäß; BGH GRUR 2011, 313 Rn. 35 – Crimpwerkzeug IV; BGH GRUR 2016, 921 Rn. 74 – Pemetrexed). Hintergrund der Erstreckung des Schutzbereichs auf äquivalente Benutzungsformen ist die Gefahr, dass dem Patentinhaber die gerechte Belohnung für die Bereicherung des Stands der Technik vorenthalten wird, wenn die angegriffene Ausführungsform gegenüber der Erfindung lediglich nahe liegende Veränderungen aufweist. Andererseits darf die Ausweitung des Schutzbereichs des Patents auf nicht wortsinngemäße Verwendungsformen nicht zu einer ungerechtfertigten „Übermonopolisierung“ führen.
b) Die drei genannten Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
aa) Die erforderliche Gleichwirkung ist in Bezug auf die angegriffene Ausführungsform zu bejahen.
(1) Für die Frage der Gleichwirkung ist entscheidend, welche einzelnen Wirkungen die patentgemäßen Merkmale – für sich und insgesamt – zur Lösung der den Patentansprüchen zugrunde liegenden Aufgabe bereitstellen und ob diese Wirkungen bei der angegriffenen Ausführungsform durch andere Mittel erzielt werden. Danach ist es erforderlich, den Patentanspruch darauf zu untersuchen, welche der Wirkungen, die mit seinen Merkmalen erzielt werden können, zur Lösung der zugrundeliegenden Aufgabe patentgemäß zusammenkommen müssen. Diese Gesamtheit repräsentiert die patentierte Lösung und stellt deshalb die für den anzustellenden Vergleich maßgebliche Wirkung dar (BGH GRUR 2015, 361 Rn. 19 – Kochgefäß; BGH GRUR 2000, 1005, 1006 – Bratgeschirr; BGH GRUR 2012, 1122 Rn. 19 – Palettenbehälter III). Nur so ist gewährleistet, dass trotz Abwandlung bei einem oder mehreren Merkmalen lediglich solche Ausgestaltungen vom Schutzbereich des Patentanspruchs umfasst werden, bei denen der mit der geschützten Erfindung verfolgte Sinn beibehalten ist. Als gleichwirkend kann eine Ausführungsform nur dann angesehen werden, wenn sie nicht nur im Wesentlichen die Gesamtwirkung der Erfindung erreicht, sondern gerade auch diejenige Wirkung erzielt, die das nicht wortsinngemäß verwirklichte Merkmal erzielen soll (BGH GRUR 2015, 361 Rn. 19 – Kochgefäß; BGH GRUR 2012, 1122 Rn. 26 – Palettenbehälter III).
(2) Zur Lösung der Aufgabe der klagepatentgemäßen Erfindung, die nachteiligen toxischen Effekte, die durch die Verabreichung von Pemetrexeddinatrium verursacht werden, ohne Beeinträchtigung der therapeutischen Wirksamkeit zu reduzieren, tragen die Merkmale von Anspruch 10 in der hier geltend gemachten Fassung bei, indem mit Pemetrexeddinatrium ein wirksames Antifolat (das Natriumsalz von Pemetrexed) zur Verfügung gestellt wird, dessen potentiell schwerwiegenden Nebenwirkungen durch die Kombinationstherapie mit intramuskulär injiziertem Vitamin B12 signifikant und ohne therapeutischen Wirkungsverlust reduziert werden. Dabei muss das Pemetrexeddinatrium aufgelöst und eine Infusionslösung hergestellt werden, die dem Patienten parenteral (also am Verdauungstrakt vorbei) intravenös verabreicht wird. Im Zuge der Auflösung des Pemetrexeddinatriums dissoziiert die Pemetrexedverbindung, d.h. das negativ geladene Pemetrexed-Anion und das positiv geladene Natrium-Kation lösen sich voneinander. Für die therapeutische Wirkung der Tumorhemmung verantwortlich und mit den Nebenwirkungen verbunden, die erfindungsgemäß in der Kombinationstherapie reduziert werden, ist allein das Pemetrexed-Anion. Das Natrium-Kation spielt insoweit – wie dem Fachmann bekannt ist – keine Rolle (OLG München PharmR 2017, 402 Rn. 65 f.).
(3) Diese Gesamtwirkung der Erfindung und insbesondere die Wirkung des in Merkmal 1 vorgesehenen Pemetrexeddinatriums erzielt das bei der angegriffenen Ausführungsform verwandte Pemetrexeddiarginin ebenfalls. Auch hier erfolgt in der Lösung des Konzentrates eine Dissoziierung und liegt das Pemetrexed-Anion vor. Die Gleichwirkung wird also dadurch erreicht, dass das therapeutisch wirksame Pemetrexed-Anion bei der Herstellung unabhängig von der Ausgangsform des Präparats immer gleich vorliegt, im Rahmen der technischen Lehre die tumorhemmende Wirkung entfaltet und der wirkungsverlustfreien Nebenwirkungsreduktion mit Folsäure und Vitamin B12 zugänglich ist. Für die Lösung der den Patentansprüchen zugrunde liegende Aufgabe ist es dabei unerheblich, welches Gegenion zum Einsatz kommt, denn dieses hat weder Einfluss auf die Tumorhemmung noch auf die durch die tumorhemmende Wirkung von Pemetrexed verursachten Nebenwirkungen noch auf die Wirkungen von Vitamin B 12 oder Folsäure, die diese Nebenwirkungen verringern, ohne die tumorhemmende Wirkung zu beeinflussen (siehe auch eidesstattliche Versicherung Prof. S. vom 31.01.2019, Anlage K 18 Rn. 15).
(4) Soweit die Beklagten vorbringen, für die Beurteilung der Gleichwirkung sei das Merkmal „zur Herstellung eines Arzneimittels“, das Ausdruck der medizinischen Zweckbindung sei, bei der Bestimmung der erfindungsgemäßen Aufgabe des Klagepatents zur berücksichtigen, ist auf die hierzu ergangenen Feststellungen des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung Pemetrexed (BGH GRUR 2016, 921 Rn. 83, 84) zu verweisen, wonach Gegenstand der Patentansprüche des Klagepatents nicht ein Herstellungs- oder Zubereitungsverfahren ist – auch wenn der Anspruch aufgrund der Formulierung im Schweizer Anspruchsformat („Swiss type claim“) dem Wortlaut nach auf die Herstellung gerichtet ist -, sondern die Eignung des Stoffes für einen bestimmten medizinischen Einsatzzweck und damit letztlich eine dem Stoff innewohnende Eigenschaft (vgl. auch BGH GRUR 2020, 1178 Rn. 40 – Pemetrexed II). Vor diesem Hintergrund vermögen auch die von Beklagtenseite angeführten Unterschiede zwischen Natrium und Arginin, etwa im Hinblick auf die Stabilität und Löslichkeit, an der Annahme der Gleichwirkung nichts zu ändern. Denn wie sich insbesondere aus einem Vergleich der Fachinformationen (Anlagen K 10 und HL 14) ergibt, sind bezüglich der Wirkungen, die nach der hier allein in den Blick zu nehmenden Lehre des Klagepatents erzielt werden sollen, derartige unterschiedliche chemische oder pharmazeutische Eigenschaften des Salzbildners Arginin nicht relevant. Die Eignung der angegriffenen Ausführungsform Pemetrexeddiarginin für den klagepatentgemäßen medizinischen Einsatzzweck wird vielmehr – was auch die Beklagtenseite nicht in Abrede stellt – durch die Verwendung des Arginins ebenso uneingeschränkt erreicht. Dies wird auch bestätigt durch den „Public Assessment Report“ des dezentralen Zulassungsverfahrens des Produkts in den Niederlanden (Anlage K 19). Dort wird auf Seite 3 unter Ziffer I, letzter Absatz, sowie auf Seite 7 unter Ziffer IV.5 ausgeführt, dass keine Bioäquivalenzstudien durchgeführt wurden. Auf Seite 6 unter Ziffer IV.2, zweiter Absatz, wird dargestellt, dass trotz unterschiedlicher anfänglicher Bereitstellung (Konzentrat bei der angegriffenen Ausführungsform gegenüber lypholisiertem Pulver bei A) die Infusionslösung keine Unterschiede aufweist und die unterschiedlichen Zusatzstoffe („excipients“) keine Auswirkungen auf das pharmakokinetische Profil von Pemetrexed haben, so dass es als gleichwirkend anzusehen ist (dritter Absatz: „may be considered as pharmaceutically equivalent, with the same efficacy/safety profile as known for the active substance of the reference medicinal product“). Entgegen dem – insoweit nicht näher ausgeführten – Vorbringen der Beklagten (Klageerwiderung, S. 5, Rz. 14) ist auch nicht ersichtlich, dass für die vorliegende Fragestellung ein technischer Unterschied zwischen zulassungsrechtlicher und patentrechtlicher Äquivalenz besteht.
bb) Die abgewandelte Ausführung war zum Prioritätszeitpunkt für den angesprochenen Fachmanns auch als gleichwirkend auffindbar.
(1) Die für eine äquivalente Benutzung vorausgesetzte Auffindbarkeit für den Fachmann ist regelmäßig dann zu bejahen, wenn das durch die Erfindung gelöste Problem mit gleichwirkenden Mitteln gelöst wird, die der Durchschnittsfachmann im Prioritätszeitpunkt mit Hilfe seiner Fachkenntnisse und aufgrund von Überlegungen auffinden konnte, die sich an der in den Patentansprüchen umschriebenen Erfindung orientieren (BGH GRUR 2002, 515, 517 – Schneidmesser I; BGH GRUR 2002, 511, 512 – Kunststoffrohrteil; BGH GRUR 1991, 436, 440 – Befestigungsvorrichtung II; BGH GRUR 1988, 896, 899 – Ionenanalyse). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Fachmann gegenüber der Lehre des Klagepatents kein erfinderisches Bemühen einsetzen musste (BGH GRUR 1994, 597, 600 – Zerlegvorrichtung für Baumstämme).
(2) Die Auffindbarkeit des in der angegriffenen Ausführungsform verwendeten Arginins im Prioritätszeitpunkt des Klagepatents ist nach dem zugrunde liegenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des beiderseitigen Vortrags sowie der von den Parteien vorgelegten Dokumente zu bejahen.
(a) Zwar weisen weder das Klagepatent noch das ursprüngliche Stoffpatent EP ’677 auf eine Verwendung von Pemetrexed mit konkret Arginin hin. Für den angesprochenen Durchschnittsfachmann war allerdings zum Prioritätszeitpunkt in Kenntnis des Klagepatents ersichtlich, dass für die Lösung der Aufgabe der Patentansprüche anstelle des Natriumions auch ein alternatives Gegenion zu dem Pemetrexed-Anion eingesetzt werden könnte, da die aufgabengemäßen Wirkungen des Patents allein durch das Pemetrexed-Anion hervorgerufen werden und die Wahl des Kations insoweit keine Rolle spielt (vgl. bereits OLG München PharmR 2017, 402 Rn. 73).
(b) Es besteht – insoweit sind sich die Parteien grundsätzlich einig (vgl. Klage, S. 17; Klageerwiderung, S. 6, Rz. 17) – auch kein Erfordernis, wonach nur das „naheliegendste“ Austauschmittel im Rahmen der Äquivalenzprüfung als auffindbar zu werten ist. Ein Austauschmittel kann vielmehr auch dann ohne erfinderische Tätigkeit als gleichwirkend aufgefunden werden, wenn es noch andere „naheliegendere“ Varianten gibt (vgl. OLG München PharmR 2017, 402 Rn. 74). Auf die Frage, inwieweit auch die Verwendung von Austauschmitteln, die der Fachwelt zum Prioritätszeitpunkt noch nicht zur Verfügung standen bzw. noch nicht bekannt waren, eine äquivalente Verletzung begründen können, kommt es somit im Streitfall nicht an (vgl. Scharen in: Benkard, 11. Aufl. 2015, PatG § 14 Rn. 113 m.w.N.; Mes, in: Mes, 5. Aufl. 2020, PatG § 14 Rn. 80 ff.).
(c) Die Parteien haben zur Frage der Auffindbarkeit zahlreiche Dokumente und eidesstattliche Versicherungen vorgelegt, wobei letztere hier wie im Folgenden als qualifizierter Parteivortrag zu werten sind. Aus Sicht der Kammer zeigt dabei insbesondere die Widerrufsentscheidung der Einspruchsabteilung (Opposition Division) des EPA vom 16.10.2019 (Anlage K 36) betreffend das Patent EP ’064 als sachkundige Stellungnahme einer unabhängigen Stelle deutlich, dass die Verwendung von Arginin zum Prioritätszeitpunkt für den Fachmann nahelag. In dieser Entscheidung hat die Einspruchsabteilung für das Patent EP ’064 eine erfinderische Tätigkeit abgelehnt und sich dabei auch zum Naheliegen der Verwendung von Arginin als Salzbildner für Pemetrexed geäußert. Gemäß der Anlage K 36 hat sie hierzu ausgeführt:
„15.4.12 It is known that pemetrexed in its free acid form is poorly soluble (D10a, p. 3, I. 22). Therefore it is considered that the person skilled in the art would be motivated to prepare a salt of this compound. Arginine is a very well known counterion for acidic drugs as shown in D4 (Table III, p. 5; D5, p. 740, Section II, penultimate line of the paragraph; D6, Table 1, p. 428; D8a, p. 417, Table 8). Furthermore it is known that the formation of an arginine salt may improve the stability of some drugs (Table III of D4 and D5, p. 752, I. 1-4). Therefore it is considered that arginine would have been taken into consideration as a suitable salt former. Thus, the Opposition Division considers that the choice of arginine as counterion does not involve any inventive ingenuity as the person skilled in the art would have been prompted from the prior art available to provide the present salt.“
Die Einspruchsabteilung geht in seiner Entscheidung folglich davon aus, dass der Fachmann aufgrund der schlechten Löslichkeit des Wirkstoffs Pemetrexed in seiner reinen Säureform veranlasst gewesen wäre, ein Pemetrexed-Salz herzustellen. Ferner stellt die Einspruchsabteilung unter Bezugnahme auf die D 4 (Anlage K 20) sowie D 5 (Anlage K 21), D 6 (Anlage K 27) und D 8a fest, dass Arginin ein sehr gut bekanntes Gegenion für säurehaltige Wirkstoffe ist. Deswegen wäre Arginin als Salzbildner für Pemetrexed vom Fachmann in Erwägung gezogen worden, ohne dass es dafür einer erfinderischen Tätigkeit bedurft hätte.
Die Entgegenhaltung D 4 stammt aus 1977, die Entgegenhaltung D 5 aus 1996, die Entgegenhaltung D 6 aus 2000 und die Entgegenhaltung D 8a aus 2011 (vgl. Anlage K 2, S. 43). Damit steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass auch zum hier relevanten Prioritätszeitpunkt im Jahr 2000 jedenfalls aufgrund der Schriften in D 4 und D 5 der Fachmann die Kenntnis von Arginin als geeignetes Gegenion für säurehaltige Wirkstoffe hatte und seine Verwendung folglich ohne erfinderische Tätigkeit in Erwägung gezogen hätte.
Zwar ist den Beklagten zuzugestehen, dass die Einspruchsabteilung zu dieser Beurteilung auch unter Bezugnahme auf die Entgegenhaltung D 8a gelangt. Daraus ergibt sich zur Überzeugung der Kammer jedoch nicht, dass die Einspruchsabteilung im Wesentlichen wegen dieser Entgegenhaltung zu ihrer Auffassung gelangt ist. Dagegen spricht etwa, dass der Satz „Arginine is a very well known counterion for acidic drugs as shown in D4 (…)“ im Text vor dem die Nachweise enthaltenen Klammerzusatz nur die Entgegenhaltung D 4 nennt und der Satz „Furthermore it is known that the formation of an arginine salt may improve the stability of some drugs (…)“ sogar (im Klammerzusatz) allein auf die Entgegenhaltungen D 4 und D 5 Bezug nimmt.
Die Aussage der Einspruchsabteilung unter Ziffer 15.4.12 wird auch nicht durch die nachfolgenden Ausführungen, etwa unter Ziffer 15.4.17 in Frage gestellt oder relativiert. Zwar bezieht sich die Einspruchsabteilung bei ihrer Aussage dort nur noch auf die Entgegenhaltung D 8a, die nach der hier maßgeblichen Priorität des Klagepatents veröffentlicht wurde. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass damit die unter Ziffer 15.4.12 gemachte Aussage nicht zutrifft oder ihre Grundlage allein in der Entgegenhaltung D 8a hätte. Hierfür gibt es keine Anhaltspunkte. Die Ausführungen unter Ziffer 15.4.17 sind vielmehr so zu verstehen, dass dort unabhängig von der von der Einspruchsabteilung vertretenen Ansicht einzelne Argumente der Patentinhaberin adressiert werden, ohne dass dies die zuvor gemachten Feststellungen relativiert.
Aus den oben dargelegten Gründen ist die Kammer – anders als das Oberlandesgericht München in seinem Urteil über die Berufung der hiesigen Beklagten im Verfügungsverfahren vom 25.02.2021, Az. 6 U 5222/20 (Anlage K 2, S. 42/43) – weiterhin der Auffassung, dass bereits aufgrund der Entscheidungsgründe der Widerrufsentscheidung der Einspruchsabteilung des EPA vom 16.10.2019 (Anlage K 36) das Naheliegen von Arginin als Austauschmittel für Natrium zu bejahen ist. Darüber hinaus sind aber aus Sicht der Kammer auch die Entgegenhaltungen D 4 und D 5 bei näherer Betrachtung für sich genommen geeignet, die Auffassung der Einspruchsabteilung zu stützen. So folgt aus der Tabelle III der D 4 (= Berge et al., Anlage K 20), dass bereits 1977 Arginin als ein „potentiell nützliches Salz für pharmazeutische Wirkstoffe“ („Potentially Useful Salt Forms of Pharmaceutical Agents“) in Betracht kam. Auch die D 5 (= Anderson et al., Anlage K 21) erwähnt Arginin als möglichen Salzbildner. Insgesamt sprechen zwar die Entgegenhaltungen D 4 und D 5 (sowie D 6) jeweils nur von der Möglichkeit, Arginin als Salzbildner zu verwenden. Das reicht zur Überzeugung der Kammer aber für ein Auffinden ohne erfinderisches Zutun aus, da der angesprochene Fachmann durch die Dokumente veranlasst war, gerade Arginin als alternativen Salzbildner in den Blick zu nehmen.
(d) Es kann hier jedoch dahinstehen, ob bereits die Widerrufsentscheidung der Einspruchsabteilung des EPA (Anlage K 36) oder zumindest die Entgegenhaltungen D 4 und D 5 für sich genommen als ausreichend angesehen werden können, die Auffindbarkeit von Arginin als Austauschmittel im Prioritätszeitpunkt zu begründen, da jedenfalls – insoweit in Einklang mit dem Urteil des Oberlandesgerichts München vom 25.02.2021, Az. 6 U 5222/20 (Anlage K 2, S. 43 ff.) – bei zusätzlicher Berücksichtigung der weiteren von der Klägerin vorgetragenen Argumente und vorgelegten Dokumente im Ergebnis davon auszugehen ist, dass für den Fachmann die Verwendung von Arginin als möglichen Salzbildner für Pemetrexed ohne erfinderischen Schritt auffindbar war.
So wird Arginin auch in der Entgegenhaltung D 6 (Bastin et al., Anlage K 27) aus dem Jahr 2000 bereits als „üblicher“ pharmazeutischer Salzbildner, nämlich als Kation für die Salzbildung mit Säuren, bezeichnet (siehe Tabelle 1, S. 428: „classification of common pharmaceutical salts“), wobei diese Veröffentlichung bereits am 24.02.2000 eingereicht wurde (siehe Anlage K 27, S. 435) und sich im Übrigen die dort festgestellte „Üblichkeit“ von Arginin als pharmazeutischer Salzbildner bereits vor diesem Zeitpunkt entwickelt haben muss. Zudem war neben der in den Entgegenhaltungen D 4 (Anlage K 20) und D 5 (Anlage K 21) und D 6 (Anlage K 27) dem Fachmann aufgezeigten theoretischen Möglichkeit, Arginin – eine körpereigene Aminosäure – als Salzbildner zu verwenden, auch eine praktische Verwendung von Arginin in Arzneimittelzusammensetzungen schon weit vor dem Prioritätszeitpunkt vorbekannt. Dies zeigt nicht nur die Zulassung eines oral zu verabreichenden Ibuprofen-Präparats in Form eines L-Argininsalzes unter dem Markennamen „Spedifen/Spidifen“ in der Schweiz seit dem Jahr 1990 (Anlage K 22), sondern darüber hinaus auch die bereits seit dem Jahr 1986 bekannte Verwendung von Arginin in dem parenteral zu verabreichenden Antibiotikum Azactam® (vgl. eidesstattliche Versicherungen Prof. S. vom 22.07.2020, Anlage K 23, und 02.12.2020, Anlage K 24). Das Antibiotikum Azactam® enthält nach den Erläuterungen von Herrn Prof. S. neben dem pharmazeutischen Wirkstoff Aztreonam als einzigen Hilfsstoff L-Arginin, wobei Arginin hier als Gegenion für einen sauren Wirkstoff eingesetzt werde und der Wirkstoff Aztreonam ebenso wie Pemetrexed zur Salzbildung mit Arginin fähige Carboxylsäuregruppen aufweise (vgl. eidesstattliche Versicherung Prof. S. vom 02.12.2020, Anlage K 24). Zwar wird seitens der Beklagten bestritten, dass Arginin in dem Antibiotikum Azactam® die Funktion eines Salzbildners zukomme, wobei sie sich u.a. auf eine eidesstattliche Versicherung von Frau Prof. T. stützt (Schriftsatz vom 12.10.2021, S. 4 mit Verweis auf Anlage AR 17, S. 3 f., Rz. 5; vgl. Klageerwiderung, S. 26, Rz. 86, 88). Jedoch ist jedenfalls unstreitig, dass es sich bei Azactam® wie bei dem streitgegenständlichen Medikament um ein parenteral verabreichtes Medikament handelt sowie dass Azactam® zur Salzbildung fähige Carboxylsäuregruppen aufweist und L-Arginin als einzigen Hilfsstoff enthält. Das Medikament Azactam® bzw. eine Kombination des Wirkstoffs Aztreonam mit Arginin war zum Prioritätszeitpunkt auch bereits Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen bzw. Dokumente (Anlagen K 39 bis HL 46), die – was jedenfalls teilweise auch von den Beklagten bestätigt wird (Klageerwiderung, S. 26, Rz. 87) – zum allgemeinen Fachwissen zu rechnen sind (Klage, S. 26 f.). Dies gilt insbesondere für das Federal Register der FDA aus dem Jahr 1987 (Anlage K 41, S. 4615, L.e Spalte), die Rote Liste aus dem Jahr 1987 (Anlage K 44) sowie das Deutsche Ärzteblatt aus dem Jahr 1985, das auf eine Berichtigung der Roten Liste zu Azactam® verweist (Anlage K 45, S. 1377, L.e Spalte). Entgegen der Ansicht der Beklagten (Klageerwiderung, S. 26/27, Rz. 88) kommt es daher vorliegend nicht darauf an, wie lange die Klägerin im Rahmen Verfügungsverfahren zum Auffinden dieses Medikaments benötigte. Daneben wird Azactam® in dem Lehrbuch „Pharmakologie und Toxikologie“ von Lüllmann und Mohr aus dem Jahr 1999 (Anlage K 42, S. 404 f.) und dem Pharmazeutischen Wörterbuch „Hunnius“ von Burger und Wachter aus dem Jahr 1998 (Anlage K 43, S. 170) erwähnt und war Gegenstand der Berichterstattung über eine Vertriebsvereinbarung auf dem Portal Pharmaceutical Online im Jahr 1998 (Anlage K 46). Formulierungen von Aztreonam mit Arginin werden in dem Artikel von Creasey et al. aus dem Jahr 1985 (Anlage K 39, S. 234, L.e Spalte) und in dem US-Arzneibuch „The United States Pharmacopeia“ aus dem Jahr 1995 (Anlage K 40, S. 155, rechte Spalte) beschrieben. Darüber hinaus zeigt die in Anlage K 23 von Herrn Prof. S. dargestellte und daneben auch aus dem vorgelegten Auszug aus der Roten Liste 1999 (Anlage K 28) ersichtliche Verwendung von Arginin als Hilfsstoff und in anderer Weise in verschiedenen, bereits im Prioritätszeitpunkt zugelassenen Arzneimitteln, dass Arginin zum Prioritätszeitpunkt im Arzneimittelbereich bereits eine Rolle gespielt hat.
Schließlich hat die Klägerin ergänzend noch eine Reihe weiterer Veröffentlichungen vorgelegt, die bereits weit vor dem Jahr 2000 Arginin als Salzbildner für Wirkstoffe verschiedener Therapiegebiete unter anderem auch zur parenteralen Anwendung beschreiben (Anlagen K 28 bis HL 34). So wird in dem Lehrbuch von Pfeifer et al., 1995 (Anlage K 28), Arginin als diskutierter Salzbildner bei Arzneistoffen mit unzureichender Bioverfügbarkeit im Zusammenhang mit dem Schmerzmittel Diclofenac dargestellt. Dieser Lehrbuchauszug zeigt jedenfalls, wie auch die Beklagten selbst zugestehen (vgl. Klageerwiderung, S. 28, Rz. 95), dass der Fachmann Arginin möglicherweise im Allgemeinen als Salzbildner in Betracht gezogen hätte, wenngleich er – wie von der Beklagtenseite weiter angeführt – aufgrund der individuellen Reaktionsmöglichkeiten eines jeden Wirkstoffs bei der Salzbildung daraus nicht ohne die Durchführung von Tests hätte ableiten können, ob Arginin als Salzbildner konkret für Pemetrexed in Betracht kommt. Der Auszug aus dem Buch von Georgiev, 1983 (Anlage K 29), verweist auf Arginin als Salzbildner für den als Antirheumatikum eingesetzten Wirkstoff Mefenaminsäure; die Autoren führen ferner ein LArgininsalz des Wirkstoffs Flufenaminsäure an (S. 303). In ihrem als Anlage K 30 vorgelegten Aufsatz aus dem Jahr 1987 beschreiben Iwaoku und Nakano Arginin als Salzbildner für den als Betäubungsmittel eingesetzten Wirkstoff Phenobarbital (S. 4647, Fig. 2). In dem Aufsatz von Yaginuma et al., 1981 (Anlage K 31), wird der Einfluss von „Basic Amino Acids“ auf die Resorption von Diclofenac behandelt (S. 3326 im Abstract). Hierfür wird unter anderem auch ein Diclofenacsalz mit Arginin beschrieben. In dem Aufsatz von Fini et al., 1998 (Anlage K 32), werden verschiedene Salzformen des Wirkstoffs Ursodesoxycholsäure genannt, darunter auch ein Argininsalz (S. 45, im Abstract). In dem als Anlage K 33 vorgelegten Aufsatz aus dem Jahr 1989 legen DeForrest et al. dar, dass eine Argininsalzform der ACE inhibierenden Einheit des Wirkstoffes Zofenopril im Versuch an Säuger verabreicht wurde (S. 887 im Abstract). Die Verabreichung erfolgte intravenös (i.v.), d.h. parenteral. Der als Anlage K 34 vorgelegte Aufsatz von Singhvi et al., 1990, beschreibt, dass das auch schon von DeForrest et al. beschriebene Argininsalz der ACE inhibierenden Einheit des Wirkstoffes Zofenopril in einer Studie nun auch an Menschen verabreicht wurde (S. 973, L.e Spalte). Auch hier erfolgte die Verabreichung intravenös, also parenteral. Die Klägerin hat weiterhin unter Verweis auf die eidesstattliche Versicherung des Herrn Prof. L. vom 06.02.2021 (Anlage K 35 unter Ziff. 12) dargelegt, dass es sich bei den vorstehend genannten Veröffentlichungen um Auszüge aus bekannten Zeitschriften bzw. Monographien handelt, die ein Durchschnittsfachmann regelmäßig liest und auswertet, was insoweit auch nicht von den Beklagten bestritten wurde. Herr Prof. L. führt in Anlage K 35 weiter aus, dass die Mehrheit dieser Dokumente (Anlagen K 28 bis K 34 sowie – bezüglich Azactam® – HL 43 bis HL 46) Argininsalze von Wirkstoffen beschrieben, die wie Pemetrexed Carboxygruppen aufwiesen. Auch in dem Aufsatz Morris et al. aus dem Jahr 1994 (Anlage K 38, S. 217, L.e Spalte) wird Arginin für die Entwicklung eines Salzes für Statine empfohlen, die ebenfalls eine Carboxylgruppe aufweisen (Klageerwiderung, S. 29, Rz. 98).
Weiterhin legt Herr Prof. L. in Anlage K 35 dar, dass bei Pemetrexed die Salzbildung an einer Glutaminsäure-Seitenkette (Glutamylseitenkette) erfolge, wobei der Fachmann bereits seit dem Jahr 1958 die Salzbildung aus Glutaminsäure mit Arginin kenne. So sei das Salz aus den beiden Aminosäuren L-Glutaminsäure und L-Arginin in der US 2,851,482 aus 1958 als Ersatz für Kochsalz (NaCl) beschrieben worden. In der US 3,020,201 aus dem Jahr 1962 werde darüber hinaus das Argininsalz der Glutaminsäure als geeignet für die parenterale Applikation beschrieben. Weiterhin seien seit Offenlegung der DE 2 063 027 (nachfolgend: DE ’027) im Jahr 1971 Argininsalze von Folaten zur parenteralen Verabreichung bekannt gewesen. In der DE ’027 werde L-Arginin als Salzbildner für Tetrahydrofolsäure genannt, wobei THFA und Pemetrexed die gleiche Glutamylseitenkette aufwiesen.
Für die Frage der Auffindbarkeit des Arginin im Prioritätszeitpunkt ist insoweit nicht relevant, für welche Indikation die jeweiligen Arzneimittel bestimmt waren, bei denen Arginin im Prioritätszeitpunkt bereits zum Einsatz kam oder diskutiert wurde, vielmehr wird der angesprochene Fachmann sich hier mit der chemischen Formulierung der jeweiligen Stoffe befassen. Maßgeblich ist, ob sich der Fachmann vor dem Hintergrund des vorhandenen Wissenstandes veranlasst sah, Arginin als Gegenion bzw. Salzbildner für Pemetrexed heranzuziehen, um die patentgemäße Aufgabe zu lösen, nämlich die mit der Verabreichung des verwendeten Antifolats verbundenen Nebenwirkungen signifikant zu reduzieren, ohne die therapeutische Wirksamkeit nachteilig zu beeinflussen. Dies ist auf Grundlage des von der Klägerin dargelegten Kenntnisstands des Fachmanns zu Arginin als möglichem Salzbildner anzunehmen. Die Verwendung des Arginins als Gegenion zur Pemetrexedsäure mag zwar die Durchführung labortechnischer Versuche vorausgesetzt haben. Es ist allerdings nicht ersichtlich und seitens der Beklagten auch nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass derartige Versuche einen das Erkenntnisvermögen des Durchschnittsfachmanns übersteigenden Aufwand erfordert hätten, also über – ggf. zeitaufwändige – Routineversuche hinausgingen und ein erfinderisches Bemühen voraussetzten (vgl. OLG München PharmR 2017, 402 Rn. 73; s.a. Widerrufsentscheidung der Einspruchsabteilung des EPA vom 16.10.2019 betreffend das Patent EP ’064, Anlage K 36, Ziff. 15.4.18: „Finally the Patentee argued it was difficult to prepare the arginine salt. However there appears not to be any technical prejudice in the field as the pemetrexed sodium salt has already been prepared (D1 and D 2) and this assertion has not been supported by experimental evidence. Furthermore the fact that a product is difficult21 O 9358/21 – Seite 27 – to obtain does not automatically confer an inventiveness to the product.“ – Hervorhebung hinzugefügt).
Diese Beurteilung wird geteilt durch die Feststellungen des Handelsgerichts Barcelona in seinem Beschluss vom 04.06.2020 (Anlagen K 37/37a). Das Handelsgericht gelangte dort auf der Grundlage eines fachlichen Gutachtens und unter Berücksichtigung des Artikels von Berge et al. (Anlage K 20 = D 4) und Bastin et al. (Anlage K 27 = D 6) ebenfalls zu der Erkenntnis, dass es in Expertenkreisen bereits seit den 1970er-Jahren allgemein bekannt gewesen sei, dass Argininsalz als Bildner alternativer Salze zum Natrium verwendet werden konnte, dass es sicher und angemessen zu diesem Zweck einsetzbar gewesen sei und dass es ein gemeines Mittel zur Herstellung von Salzen pharmazeutischer Wirkstoffe dargestellt habe (vgl. Anlage K 37a Rn. 5.9 und 6.9). Dabei stelle die Auswahl eines bestimmten Salzes für den Experten in der Materie eine Routineentscheidung dar (Anlage K 37a, Rn. 5.10).
(e) Das hiergegen gerichtete Vorbringen der Beklagten vermag nicht zu überzeugen.
(aa) Soweit sie auf die Erteilung des europäischen Patents EP ’666 (Anlage AR 14a) abstellen (Klageerwiderung, S. 15 ff.), das eine „Liquid Pharmaceutical Composition Comprising Pemetrexed“ („Flüssige pharmazeutische Zusammensetzung mit Pemetrexed“) betrifft, vermag diese die Annahme der Auffindbarkeit für den Fachmann nicht zu entkräften. Wie in der Beschreibung des EP ’666 ausgeführt wird, liegt diesem Patent die Aufgabe zugrunde, ein Arzneimittel enthaltend den Wirkstoff Pemetrexed zur Verfügung zu stellen, das lange haltbar und sicher ist (Abs. [0008]). Die mittels der beanspruchten pharmazeutisch wirksamen Zusammensetzung zu lösende Aufgabe ist somit eine andere, als diejenige, die vom Klagepatent gelöst wird. Denn das EP ’666 betrifft nicht die Krebsbehandlung in einer Kombinationstherapie mit Vitamin B12, sondern offensichtlich Fragen der Arzneimittelformulierung bzw. der Bereitstellung einer Arzneistofflösung, die gegenüber dem Stand der Technik besonders lagerstabil sein soll. Als Lösung schlägt das EP ’666 in seinem Hauptanspruch 1 eine flüssige pharmazeutische Zusammensetzung vor, die
a) Pemetrexed-Disäure,
b) Arginin,
c) wenigstens einen monothiolischen Antioxidanten,
d) 10-200 mg/ml Propylenglycol und e) ein oder mehrere parenterale Lösungsmittel enthält (Abs. [0009]).
Die erfinderische Leistung liegt hier in der Erkenntnis, dass die Haltbarkeit und Stabilität des Pemetrexed-Arzneimittels verbessert wird. Das Arginin dient insoweit nicht lediglich der Zurverfügungstellung eines Gegenions für das Pemetrexedanion, wie es nach der Lehre des Klagepatents die (alleinige) Funktion des Natriums – das in der angegriffenen Ausführungsform durch Argininersetzt wird – ist. Das EP ’666 betrifft dabei eine pharmazeutische Formulierung und nicht – wie das Klagepatent – eine therapeutische Anwendung.
Anhaltspunkte dafür, dass Arginin als Salzbildner für Pemetrexed nicht auffindbar gewesen wäre, also hierin bereits eine erfinderische Leistung begründet wäre, ergeben sich aus der Patenterteilung des EP ’666 demgegenüber nicht. Insbesondere kann auch vor dem Hintergrund der von der Beklagtenseite in Bezug genommenen Historie des Erteilungsaktes (Anlagen AR 14b und 14c) nicht festgestellt werden, dass die erfinderische Leistung gerade in der Verwendung des Arginins liegen sollte. So wurde in der Anlage AR 14b auf Seite 6 unter Ziffer 3 ausgehend von der Entgegenhaltung D 3 (WO 2012/015810 A 2) eine erfinderische Tätigkeit verneint. Daraufhin wurden von der Anmelderin (S B.V.) mit der als Anlage AR 14c vorgelegten Eingabe vom 06.12.2017 geänderte Ansprüche eingereicht, die unter anderem eine Beschränkung auf Arginin enthielten. In ihrer Eingabe (Anlage AR 14c) führt die Anmelderin auf Seite 2, zweiter Absatz, ausgehend von der Entgegenhaltung D 1 (WO 2013/179248 A 1) aus, dass die geänderten Ansprüche neben der Beschränkung auf Arginin – als nach ihrer Auffassung „hauptsächlicher“ Unterschied zur D 1 – auch Unterschiede in Bezug auf die D 1 hinsichtlich des angegebenen pHWerts sowie der Mengenangaben zu Propyleneglycol aufwiesen. Der technische Effekt, der sich aus diesen Unterschieden ergebe („the technical effect arising of these differences“), sei eine exzellente Lagerstabilität. Weiter wird im letzten Absatz aus Seite 2 der Eingabe festgestellt: „The present invention shows that liquid compositions comprising pemetrexed diacid and arginine, with the particular combination of excipients as given in claim 1 and within the pH range of 8.3 to 9.1, result in toxicological safe compositions exhibiting excellent long term stability.“ Die Anmelderin hat also zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit auf sämtliche genannten Unterschiede abgestellt und nicht allein auf die Verwendung von Arginin. Zwar hat die Anmelderin auf Seite 2 unten/Seite 3 oben ihrer Eingabe weiter ausgeführt, dass die Verwendung von Arginin „sehr überraschend“ eine sehr viel höhere Stabilität im Vergleich zu Zusammensetzungen mit Meglumin und Thromethamin ergeben habe, wie in den Tabellen 1 und 2 auf Seite 3 gezeigt, ausweislich derer im Rahmen der dargestellten Versuchsergebnisse der pH-Wert und das Propylenglycol jeweils vergleichbar gewesen seien, so dass die Wirkungen laut Tabelle 2 nur durch das Arginin verursacht worden sein könne. Hierzu hat allerdings das EPA in seiner Entscheidung vom 16.10.2019 zum EP ’064 (Anlage K 36) unter Ziffer 15.4.8 festgestellt, dass die Daten in den dargestellten Versuchen nicht als vergleichbar anzusehen seien und daher diesen angeblichen Effekt des Arginin gegenüber Meglumin und Thromethamin nicht zu stützen vermögen („However these data do not show convincingly that the arginine salt of pemetrexed has improved properties compared to the meglumine and thromethamine salts because the solution contains pemetrexed and arginine in a 1:3 molar ratio whereas the molar ratio between pemetrexed and meglumine or thromethamine is only 1:2.5. Therefore these experimental data are not comparable.“). Auch in Absatz [0022] der Patentbeschreibung der EP ’666 wird die Verwendung von Propylenglycol zusammen mit Pemetrexed als „überraschend“ wirksam für eine verbesserte Stabilität beschrieben. Weiterhin werden in der Patentschrift des EP ’666 Tests beschrieben, aus denen sich ergibt, dass keine Stabilisierung erzielt wurde, wenn das Propyleneglycol fehlte (vgl. Tabellen in Abs. [0046] und [0047] zu den Beispielen 8 bis 10). Gegen die Annahme, dass allein die Verwendung des Arginin in Kombination mit Pemetrexed-Disäure zur Patenterteilung geführt hat, spricht im Übrigen, dass für diese Kombination auch die sonstigen Erwägungen gelten müssten, die das EPA im Rahmen des Widerrufs des EP ’064 aufgestellt hat (vgl. Anlage K 36, s.o.).
Im Ergebnis lässt sich somit nicht feststellen, dass im Rahmen des Erteilungsverfahrens keine weitergehenden Erwägungen eine Rolle gespielt haben können, als sie im Rahmen der vorliegenden Äquivalenzprüfung zu prüfen sind, so dass der sachkundige Erteilungsakt des EP ’666 nicht dagegen spricht, dass die Verwendung des Arginins als Gegenion zu Pemetrexed ohne Überlegungen von erfinderischem Rang aufzufinden war (vgl. Rinken/Kühnen, in: Schulte, PatG, 10. Aufl. 2017, § 14 Rn. 93 unter c)).
(bb) Entgegen dem Vorbringen der Beklagten belegt auch das als Anlage AR 15 in Bezug genommene Patent EP ’612 nicht, dass „[s]elbst die Experten der Klägerin (…) die Verwendung des Argininsalzes für Pemetrexed im Prioritätsjahr 2001 nicht in Erwägung gezogen“ hätten (vgl. Klageerwiderung, S. 19 f., Rz. 62 ff.), vielmehr ist die Aufzählung von Salzen, den der Begriff „Pemetrexed“ laut Absatz [0020] umfassen soll, in der Anlage AR 15 nicht abschließend („.for example…“).
(cc) Auch die von den Beklagten in der Klageerwiderung (S. 13 ff.) und im Schriftsatz vom 12.10.2021 (S. 2 ff.) in Bezug genommenen Ausführungen von Frau Prof. Dressman in ihrem Parteigutachten vom 20.07.2020 (Anlage AR 11), von Herrn R. in seiner eidesstattlichen Erklärung vom 12.07.2020 (Anlage AR 12) und von Frau Frau Prof. T. in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 12.10.2021 (Anlage AR 17) genügen nicht, die von Klägerin dargelegte Auffindbarkeit des Arginins im Prioritätszeitpunkt in Frage zu stellen.
Soweit sich Frau Prof. D., Herr R. und Frau Prof. T. maßgeblich mit Fragen der Arzneimittelentwicklung und -formulierung bzw. -bereitstellung befassen, bilden diese nicht den Gegenstand der Lehre des Klagepatents. Die Lehre des Klagepatents bezieht sich – wie der Bundesgerichtshof in der Entscheidung Pemetrexed klargestellt hat (BGH GRUR 2016, 921 Rn. 83 f. – Pemetrexed) – nämlich nicht gegenständlich auf ein Herstellungsverfahren, sondern es handelt sich um einen verwendungsbezogenen Stoffschutz, so dass der Sache nach die besondere Eigenschaft des Stoffs geschützt ist, die dem hergestellten Medikament innewohnt. Etwaig zu überwindende Schwierigkeiten bei der Herstellung stehen daher der Annahme, dass der Durchschnittsfachmann mit Hilfe seiner Fachkenntnisse das Mittel zur Lösung der dem Patent zugrunde liegenden Aufgabe ohne erfinderisches Bemühen als gleichwirkendes Mitteln auffinden konnte, nicht grundsätzlich entgegen. Selbst wenn davon auszugehen ist, dass die für die Herstellung notwendigen Erkenntnisse abschließend erst über Versuche gewonnen werden konnten, steht das der Feststellung der Auffindbarkeit nicht entgegen, wenn die erforderlichen Versuche eine erfinderische Überlegung nicht voraussetzen (Scharen in: Benkard, 11. Aufl. 2015, PatG § 14 Rn. 109 m.w.N.). Eine erfinderische Überlegung im Zusammenhang mit den hier durchzuführenden pharmazeutischen Tests zur Verwendbarkeit von Arginin ist weder dem Vorbringen der Beklagtenseite zu entnehmen noch sonst erkennbar. Zudem ist auch insoweit darauf hinzuweisen, dass nach dem „Public Assessment Report“ des dezentralen Zulassungsverfahrens des streitgegenständlichen Produkts in den Niederlanden (Anlage K 19, S. 3, Ziff. I, und S. 7, Ziff. IV.5) explizit gerade keine Bioäquivalenzstudien durchgeführt wurden (s.o.). Das Erfordernis wissenschaftlicher Versuche stellt sich insbesondere nicht schon deshalb als erfinderischer Schritt dar, weil der Fachmann mit weniger Aufwand auch ein in der Praxis bereits gängigeres Salz hätte wählen können.
Soweit die Beklagten unter Bezugnahme auf die Ausführungen von Frau Prof. T. (Anlage AR 17, S. 6 f., Rz. 11) vorbringen, der Fachmann wäre aufgrund der Nebenwirkungen von Arginin selbst (Übelkeit, Erbrechen usw.) und des Potentials zur Verschlimmerung der Nebenwirkungen von Pemetrexed davon abgehalten worden, Arginin als Salzbildner für Pemetrexed zu verwenden (Schriftsatz vom 09.07.2021, S. 5 f.), kann dies angesichts des Umstandes, dass in dem „Public Assessment Report“ des dezentralen Zulassungsverfahrens des Produkts der Beklagten (Anlage K 19, s.o.) explizit darauf hingewiesen wird, dass keine Bioäquivalenzstudien durchgeführt wurden (S. 3, Ziff. I, und S. 7, Ziff. IV.5), dass trotz unterschiedlicher anfänglicher Bereitstellung die Infusionslösung keine Unterschiede aufweist, dass die unterschiedlichen Zusatzstoffe keine Auswirkungen auf das pharmakokinetische Profil von Pemetrexed haben und dass das Produkt pharmazeutisch als äquivalent, mit dem gleichen Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil, anzusehen ist (S. 6, Ziff. IV.2), nicht überzeugen.
Auch die Inkompatibilität von Arginin mit Cisplatin steht – entgegen dem auf die Ausführungen von Frau Prof. T. (Anlage AR 17, S. 8, Rz. 13) gestützten Vorbringen der Beklagten (Schriftsatz vom 09.07.2021, S. 6) – einem Naheliegen von Arginin als Austauschmittel nicht entgegen. Zwar ist den Beklagten zuzugestehen, dass das Klagepatent in den Absätzen [0047] und [0049] die Verwendung von Pemetrexed in einer Kombinationstherapie mit Cisplatin erwähnt. Nach dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung vom 20.10.2021 werden die beiden Wirkstoffe nie, d.h. auch nicht bei Verwendung des klägerischen Produkts A, zugleich verabreicht, da vor Verabreichung eines anderen Präparats stets, d.h. auch bei einer Kombinationstherapie, jeweils eine gewisse Entgiftung des Körpers eingetreten sein muss.
(dd) Schließlich führen auch die Ausführungen in der als Anlage AR 16/16a von Beklagtenseite vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Frau XY. 27.08.2020 nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Soweit Frau YX. unter Ziffer V.4 ihrer eidesstattliche Versicherung ausführt, im Jahr 2000 hätten keine von der FDA zugelassenen Argininsalze zur parenteralen Anwendung existiert, wurde diese Behauptung seitens der Klägerin widerlegt (vgl. eidesstattliche Versicherung Prof. S. vom 22.07.2020, Anlage K 23, Ziff. 5, wo auf das von der FDA am 31.12.1986 zugelassene Antibiotikum Azactam® hingewiesen wird).
(ee) Soweit Arginin in der Veröffentlichung Paulekuhn et al. aus dem Jahr 2006 (Anlage AR 6) unter einer Vielzahl an üblichen Salzbildnern unter anderem für die parenterale Verabreichung nicht erwähnt und in dem Leitfaden „Essentials of Pharmaceutical Preformulation“ (Anlage AR 7) in der Tabelle 6.7 auf Seite 107 zur prozentualen Häufigkeit der im Jahr 2008 eingesetzten Salzbildnern nicht genannt wird (vgl. Klageerwiderung, S. 8, Rz. 25 ff.), ist darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei jeweils um keine abschließende Aufzählung von in der Praxis eingesetzten Salzbildnern handelt. Dass laut der Tabelle 2 auf Seite 403 des „Handbook of Pharmaceutical Salts“ von Stahl et al. (Anlage AR 8) im Jahr 2011 noch um ein Vielfaches häufiger auf die alternativen Salzbildner Natrium und Calcium als auf Arginin zurückgegriffen wurde (vgl. Klageerwiderung, S. 8, Rz. 29), schließt ein Naheliegen ebenfalls nicht aus, da im Rahmen der Äquivalenzprüfung nicht nur das „naheliegendste“ Austauschmittel als auffindbar anzusehen ist (s.o.).
cc) Die Verwendung von Pemetrexed-Diarginin ist auch gleichwertig zur Verwendung von Pemetrexed-Dinatrium.
(1) Die Annahme der für eine äquivalente Verletzung erforderlichen Gleichwertigkeit setzt voraus, dass die Überlegungen, die der Fachmann anstellen muss, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sind, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als eine gleichwertige Lösung in Betracht zieht (BGH GRUR 2016, 921 Rn. 49 – Pemetrexed; BGH GRUR 2002, 515, 517 – Schneidmesser I; BGH GRUR 2011, 313 Rn. 35 – Crimpwerkzeug IV). Die angegriffene Ausführungsform muss in ihrer für die Merkmalsverwirklichung relevanten Gesamtheit eine auffindbar gleichwertige Lösung darstellen (BGH GRUR 2007, 959 Rn. 21 – Pumpeinrichtung). Das bedeutet allerdings nicht, dass die Beschreibung des Klagepatents Ausführungen dazu enthalten muss, die den Fachmann zu der von der angegriffenen Ausführungsform verwirklichten abweichenden Ausgestaltung der technischen Lehre der Erfindung hinlenken. Solche Ausführungen können zwar die Einbeziehung einer vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden Ausgestaltung in den Schutzbereich des Patents stützen. Sie sind hierfür jedoch keine notwendige Voraussetzung (OLG München PharmR 2017, 402 Rn. 78 m.w.N.).
(2) Eine Gleichwertigkeit der Lösung mit Pemetrexed-Diarginin mit derjenigen des Klagepatents ist gegeben. Die Überlegungen, die der Fachmann anstellen musste, um Pemetrexed mit Arginin für die ansonsten unveränderte Verwendung bereitzustellen, waren derart an der Lehre des Klagepatents orientiert, dass sich die Gesamtheit der Lösung als gleichwertig darstellt, weil sie zur Verabreichung eines Pemetrexed-Anions nach Dissoziierung an den Patienten in einer Weise führt, die die Wirksamkeit der Therapie bei ihrem Einsatz in der Vitamin-Kombinationsbehandlung nicht infrage stellt, während die massiven Toxizitäten – so wie es die technische Lehre des Patents erfordert – unverändert reduziert werden. Die Verwendung von Diarginin führt ebenso wie die Verwendung von Dinatrium dazu, dass der Wirkstoff Pemetrexed parenteral in Form einer (herzustellenden) Infusionslösung verabreicht werden kann. In beiden Fällen ist der Zusatzstoff Dinatrium bzw. Diarginin Mittel zum Zweck, aber nicht Zweck an sich. Der Zusatzstoff dient dazu, den Wirkstoff unter Umgehung des Magen-Darm-Traktes (= parenteral) dem Patienten zur Verfügung zu stellen, damit dieser seine therapeutische Wirkung ohne vorherige Metabolisierung im Verdauungstrakt entfalten kann. Diese Beurteilung wird geteilt durch die Feststellungen des21 O 9358/21 – Seite 32 – Tribunal Judiciaire de Paris in seiner Entscheidung vom 07.01.2021, wonach die maßgebliche therapeutische Wirkung durch die Auswahl von Diarginin nicht beeinflusst wird (Anlagen K 47/47a, S. 16).
Wie der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 14.06.2016 (GRUR 2016, 921 Rn. 49 ff. – Pemetrexed) außerdem festgestellt hat, kann eine Verletzung des Klagepatents mit äquivalenten Mitteln vorliegend auch nicht unter Rückgriff auf die Grundsätze zur Auswahlentscheidung verneint werden, wonach eine Ausführungsform aus dem Schutzbereich des Patents ausgeschlossen ist, die zwar offenbart oder für den Fachmann jedenfalls auffindbar sein mag, von der der Leser der Patentschrift aber annehmen muss, dass sie – aus welchen Gründen auch immer – nicht unter Schutz gestellt werden sollte, weil sich das Patent bei objektiver Betrachtung auf eine engere Anspruchsfassung beschränkt, als dies vom technischen Gehalt der Erfindung und gegenüber dem Stand der Technik geboten wäre (BGH GRUR 2016, 921 Rn. 50 – Pemetrexed; BGH GRUR 2011, 701 Rn. 36 – Okklusionsvorrichtung; BGH, GRUR 2012, 45 Rn. 44 – Diglycidverbindung). Denn vorliegend wird in der Patentschrift nur eine Ausführungsform – die Verwendung von Pemetrexeddinatrium – offenbart und eine Erweiterung der Grundsätze zur Auswahlentscheidung auf Ausführungsformen, die aufgrund der Angaben in der Patentschrift zwar nicht offenbart, aber auffindbar waren, führte zu weit, weil die Auffindbarkeit eine Grundvoraussetzung für die Bejahung von Äquivalenz ist und der Einsatz abgewandelter Mittel dann folglich niemals zu einer Patentverletzung führen könnte (BGH GRUR 2016, 921 Rn. 55 ff. – Pemetrexed). Wie der Bundesgerichtshof weiter festgestellt hat, führt auch der Umstand, dass im Zuge des Patenterteilungsverfahrens eine Konkretisierung auf Pemetrexeddinatrium erfolgt ist, nicht dazu, dass alle übrigen Formen des Antifolats Pemetrexed vom Schutzbereich des Patents ausgenommen sind (BGH GRUR 2016, 921 Rn. 63 ff. – Pemetrexed). Schließlich kann – entgegen dem Vorbringen der Beklagten (Klageerwiderung, S. 31, Rz. 109) – die Orientierung am Patentanspruch auch nicht allein deshalb verneint werden, weil der Begriff „Pemetrexeddinatrium“ eine exakte Umschreibung für eine bestimmte chemische Verbindung darstellt, denn dies bedeutet nicht, dass der Einsatz einer gleichwirkenden für den Fachmann auffindbaren Verbindung nicht ebenfalls am Sinngehalt des Patentanspruchs orientiert sein kann, weil der Fachmann eine gewisse Unschärfe als mit dem technischen bzw. stofflichen Sinngehalt einer Zahlenangabe oder einer chemischen Formel vereinbar ansieht (BGH GRUR 2016, 921 Rn. 77 ff. – Pemetrexed). Auch dem Umstand, dass in der Beschreibung des Klagepatents (Abs. [0022]) ausdrücklich ausgeführt wird, das Antifolat zur Verwendung in der Erfindung sei Pemetrexeddinatrium, kann eine darüber hinausgehende Festlegung ebenso wenig entnommen werden wie dem mit der Definition näher charakterisierten Begriff im Patentanspruch selbst, so dass dieser Umstand ebenfalls nicht ausreicht, um eine Orientierung am Patentanspruch zu verneinen (BGH GRUR 2016, 921 Rn. 81 – Pemetrexed).
III. Die als Pemetrexed-Diarginin angegriffene Ausführungsform der Beklagten ist in der Lauer-Taxe gelistet. Das stellt ein patentverletzendes Anbieten im Sinne von § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG dar (vgl. BGH GRUR 2007, 221, 222 – Simvastatin). Die rechtsverletzende Vertriebshandlung geht ausweislich der Anlagen K 14, HL 14a und HL 15 auf die beiden Beklagten zurück.
IV. Die Beklagten haben der Klägerin hinsichtlich der Verletzungshandlungen gemäß §§ 139 Abs. 2, 9 S. 2 Nr. 1 PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ dem Grunde nach Schadensersatz zu leisten (Klageantrag Ziffer II). Sie hätten die Schutzrechtsverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können (§ 276 BGB).
V. Der ausgesprochene Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung folgt aus § 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ.
1. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform gemäß Ziffer I.1 des Tenors ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstandes unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG i.V. mit Art. 64 Abs. 1 EPÜ, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG i.V. mit Art. 64 Abs. 1 EPÜ.
2. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB i.V. mit Art. 64 Abs. 1 EPÜ, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist im Übrigen auf die Angaben der Beklagten angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Die Beklagten werden durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Der Wirtschaftsprüfervorbehalt ist wie beantragt zu gewähren.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
D. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.


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