Aktenzeichen 14 BV 17.1278, 14 BV 17.1279, 14 BV 17.1280, 14 BV 17.1281
UmwRG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, § 2 Abs. 1, Abs. 4, § 8 Abs. 2 Nr. 1
RL 92/43/EWG Art. 12, Art. 16
GrCh Art. 51 Abs. 1 S. 1
AAV idF 5.6.2013 § 2 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 5
BNatSchG § 44, § 45 Abs. 7
BayVwVfG Art. 37, Art. 47
Leitsatz
Jedenfalls in Konstellationen wie den vorliegenden, in denen es im Anwendungsbereich der FFH-Richtlinie um den unionsrechtlich determinierten (vgl. Art. 12, 16 FFH-Richtlinie) Vollzug von Artenschutzrecht geht, ist der Begriff des Vorhabens im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG unionsrechtskonform so auszulegen, dass er auch Bestellungen zum Abschuss von Bibern erfasst und damit eine Verbandsklagebefugnis eröffnet. (Rn. 28 – 29)
Verfahrensgang
RO 4 K 16.78 2017-04-25 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I. Die Verfahren 14 BV 17.1278, 14 BV 17.1279, 14 BV 17.1280 und 14 BV 17.1281 werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.
II. In den vorgenannten Verfahren werden auf die jeweilige Berufung des Klägers hin die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 25. April 2017 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Bescheide des Landratsamts S. vom 10. Dezember 2015 (14 BV 17.1279, 14 BV 17.1280 und 14 BV 17.1281) sowie der Bescheid des Landratsamts C. vom 15. Dezember 2015 (14 BV 17.1278) rechtswidrig waren.
III. Der Beklagte trägt die Kosten der Verfahren in beiden Rechtszügen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässigen Berufungen des Klägers sind begründet. Da die allesamt ordnungsgemäß (§ 173 Satz 1 VwGO, § 264 Nr. 2 ZPO) auf Fortsetzungsfeststellungsanträge umgestellten Klagen, die nach § 93 Satz 1 VwGO zu gemeinsamer Entscheidung verbunden werden konnten, zulässig und begründet sind, ist nach Aufhebung der Urteile des Verwaltungsgerichts festzustellen, dass die angegriffenen Bescheide rechtswidrig waren.
1. Die Klagen sind zulässig.
a) Sie sind als Fortsetzungsfeststellungsklagen im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft, weil sich die angegriffenen Bescheide nach Klageerhebung beim Verwaltungsgericht jeweils durch Zeitablauf erledigt haben (Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG), nachdem die Geltungsdauer der Bescheide vom 10. Dezember 2015 am 15. Juli 2017 und diejenige des Bescheids vom 15. Dezember 2015 am 31. März 2017 geendet hat.
b) Die Klagen sind auch von dem für sie jeweils erforderlichen berechtigten Feststellungsinteresse (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) getragen, weil eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr gegeben ist. Eine solche Wiederholungsgefahr liegt bereits wegen der in der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht mitgeteilten Absicht des Beklagten, bei neuerlichen Anträgen wieder entsprechende Bescheide zu erlassen, vor. Diese Wiederholungsgefahr realisierte sich mittlerweile, weil der Beklagte nach den Angaben seiner Vertreterin in der mündlichen Berufungsverhandlung sowohl durch das Landratsamt S. (am 27. Februar 2018) als auch durch das Landratsamt C. (am 2. März 2018) zwischenzeitlich neue (unbefristete) Bestellungen nach der – inhaltlich im Wesentlichen unveränderten und zwischenzeitlich bezüglich ihrer Gültigkeit bis 15. Juli 2027 verlängerten – Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung zu Biberabschüssen am E. Stausee vornahm, was erst recht für eine Wiederholungsgefahr spricht.
c) Der Kläger ist auch klagebefugt, weil die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Verbandsklage nach § 2 Abs. 1, § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG erfüllt sind.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG insbesondere einlegen, wenn die Vereinigung geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG) und sie geltend macht, in ihrem satzungsmäßigen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG berührt zu sein (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG). Bei Rechtsbehelfen gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a bis 6 UmwRG muss die Vereinigung zudem die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend machen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG).
Diese Voraussetzungen sind in den vorliegenden Fällen erfüllt. Insbesondere macht der Kläger als nach § 3 UmwRG anerkannte inländische Vereinigung geltend, dass die von ihm angegriffenen Bestellungen zum Abschuss von Bibern Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG waren, die unter Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften ergangen sind.
Entscheidungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG sind nach dieser Norm insbesondere Verwaltungsakte, durch die andere als in den Nummern 1 bis 2b des § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG genannte „Vorhaben“ unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union zugelassen werden.
Die angegriffenen Entscheidungen zum Abschuss von Bibern waren unzweifelhaft Verwaltungsakte im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG.
Durch diese Entscheidungen wurde in der Gestalt des Abschusses von Bibern auch jeweils ein Vorhaben im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG zugelassen. Die Materialien zum Umweltrechtsbehelfsgesetz sprechen für ein weites Verständnis des Gesetzgebers vom seinerseits in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG verwendeten Vorhabenbegriff (vgl. BT-Drs. 18/9526 S. 36). Denn dort ist ausdrücklich neben „technischen Anlagen“ und „anderen Anlagen“ auch von „sonstigen in Natur und Landschaft eingreifenden Maßnahmen“ die Rede. Maßgeblich soll für den Begriff des „Vorhabens“ allein sein, „ob für die Zulassungsentscheidung umweltbezogene Vorschriften des Bundes- oder Landesrechts anzuwenden sind“ (BT-Drs. 18/9526 S. 36 dritter Absatz), was vorliegend mit §§ 44, 45 BNatSchG der Fall wäre. Dabei ist zu sehen, dass die Bestellung (§ 2 Abs. 5 AAV a.F.) nach dem Regelungsmodell der Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung der letzte Schritt ist, ab dem Biber getötet werden dürfen. Allerdings versteht die Fachliteratur den Vorhabensbegriff teils ausschließlich anlagenbezogen und vertritt dabei den Standpunkt, artenschutzrechtliche Ausnahmen, die nicht an ein so verstandenes Vorhaben geknüpft seien, seien nicht von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG erfasst (so etwa Schlacke, NVwZ 2019, 1392/1399). Teils wird der besagte Vorhabensbegriff nur vorwiegend anlagenbezogen interpretiert und vertreten, er beziehe sich abgesehen von technischen und sonstigen Anlagen im Sinne des § 3 Abs. 5 BImSchG nur auf „sonstige in Natur und Landschaft eingreifende Maßnahmen“ (vgl. nur Fellenberg/Schille in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Februar 2019, § 1 UmwRG Rn. 103 ff.). Zur Konkretisierung dieser letztgenannten Maßnahmen wird der Eingriffsbegriff aus § 14 BNatSchG zugrunde gelegt und der Zugriff auf geschützte Arten nach § 44 Abs. 1 BNatSchG nur dann als Vorhaben im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG angesehen, wenn dieser Zugriff mit einem Verhalten verbunden ist, das den Eingriffstatbestand des § 14 BNatSchG verwirklicht (vgl. nur Fellenberg/Schille a.a.O., § 1 UmwRG Rn. 108). Nach den genannten Literaturansichten wäre in den vorliegenden Fällen somit jeweils kein Vorhaben im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG anzunehmen, weil die beabsichtigten Biberabschüsse weder selbst eine Anlage sind noch mit einem Verhalten im Sinne des § 14 Abs. 1 BNatSchG verbunden sind, das – wie etwa die Veränderung der Gestalt oder der Nutzung von Grundflächen – den Eingriffstatbestand des § 14 BNatSchG verwirklicht.
Die Frage der einfach-gesetzlichen Reichweite des Vorhabensbegriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG kann aber vorliegend auf sich beruhen. Denn jedenfalls in Konstellationen wie den vorliegenden, in denen es im Anwendungsbereich der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl EG Nr. L 206 S. 7 – FFH-Richtlinie) um den unionsrechtlich determinierten (vgl. Art. 12, 16 FFH-Richtlinie) Vollzug von Artenschutzrecht – die §§ 44 ff. BNatSchG setzen diese unionsrechtlichen Bestimmungen in nationales Recht um – geht (Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GrCh), ist der Begriff des Vorhabens im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG unionsrechtskonform so auszulegen, dass er auch Bestellungen zum Abschuss von Bibern erfasst und damit eine Verbandsklagebefugnis eröffnet (vgl. EuGH, U.v. 8.3.2011 – C-240/09 – ECLI:ECLI:EU:C:2011:125; U.v. 8.11.2016 – C-243/15 – ECLI:ECLI:EU:C:2016:838; U.v. 20.12.2017 – C-664/15 – ECLI:ECLI:EU:C:2017:987).
Die angegriffenen Entscheidungen „ließen“ die beabsichtigen Biberabschüsse auch im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des (Unionsrecht umsetzenden) Bundesrechts „zu“.
Der Beklagte ging davon aus, dass bereits § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 AAV a.F. eine im Sinne des § 45 Abs. 7 Satz 4 BNatSchG allgemeine Ausnahme vom für den Biber als besonders geschützter Art nach § 44 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. b BNatSchG bestehenden artenschutzrechtlichen Tötungsverbot gestatteten. Der Begriff der Zulassungsentscheidung ist aber weit zu verstehen und schließt anerkannter Maßen insbesondere Entscheidungen nach § 45 Abs. 7 BNatSchG ein (vgl. nur Fellenberg/Schille in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 1 UmwRG Rn. 109). Deshalb ist vorliegend – auch unabhängig von einer unionsrechtskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG – in der Bestellung eine Zulassung zu sehen, weil die angegriffenen Entscheidungen selbst ausweislich ihrer Gründe den letzten artenschutzrechtlich erforderlichen Schritt auf dem Weg zum Abschuss der Biber darstellten. Weil aber auch eine „Bestellung“ nach § 2 Abs. 5 AAV a.F. eine „Zulassung“ im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG ist, kommt es für die Anwendung des Begriffs der Zulassungsentscheidung nicht darauf an, ob die angegriffenen Entscheidungen als Einzelfallausnahmen im Sinne des § 45 Abs. 7 Satz 1 und 2 BNatSchG zu verstehen waren, wie es das Verwaltungsgericht angenommen hat (vgl. hierzu 2.a)).
Die angegriffenen Entscheidungen zum Biberabschuss ergingen entgegen der Ansicht des Beklagten auch „unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften“. Der Begriff der umweltbezogenen Rechtsvorschriften ist weit zu verstehen (vgl. nur Fellenberg/Schille in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 1 UmwRG Rn. 160; Schlacke, NVwZ 2019, 1392/1399). Umweltbezogene Rechtsvorschriften im Sinne des Umweltrechtsbehelfsgesetzes sind nach § 1 Abs. 4 Nr. 1 UmwRG Bestimmungen, die sich zum Schutz von Mensch und Umwelt auf den Zustand von Umweltbestandteilen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 des Umweltinformationsgesetzes (UIG) beziehen. Für einen solchen Bezug genügt es, wenn die Bestimmungen wahrscheinlich unmittelbare oder mittelbare Auswirkungen auf die Umwelt haben (vgl. nur Fellenberg/Schille a.a.O. § 1 UmwRG Rn. 161 m.w.N.). Da § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG auch die Artenvielfalt und ihre Bestandteile zu den von ihm erfassten Umweltbestandteilen zählt, ist § 2 Abs. 5 AAV a.F., auf dessen Grundlage die Entscheidungen zum Biberabschuss nach deren Gründen erfolgten, schon deshalb als umweltbezogene Rechtsvorschrift anzusehen, weil diese Norm nach ihrem Wortlaut an Maßnahmen nach § 2 Abs. 1 AAV a.F. und damit auch an die (Gestattung zur) Tötung des Bibers nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AAV a.F. anknüpft. Bereits deshalb weist § 2 Abs. 5 AAV a.F. einen hinreichenden artenschutzrechtlichen Bezug auf. Dasselbe gälte, wenn man die angegriffenen Entscheidungen im Ergebnis als Einzelfallausnahmen nach § 45 Abs. 7 Satz 1 und 2 BNatSchG verstünde, weil sich solche Einzelfallausnahmen ebenfalls auf das Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. b BNatSchG beziehen, indem sie es suspendieren.
Unabhängig davon ist nach § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AAV a.F. insbesondere zu Tötungsmaßnahmen nur berechtigt, wer die (dafür) erforderlichen Kenntnisse nachweisen kann. Dieses Erfordernis dient dem Schutz des Bibers, so dass § 2 Abs. 5 AAV a. F. auch unter diesem Aspekt als umweltbezogene Rechtsvorschrift anzusehen ist (vgl. hierzu allgemein nur Fellenberg/Schille in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 1 UmwRG Rn. 162).
Die angegriffenen Entscheidungen sind nach den vorstehenden Darlegungen Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG. Das am 23. August 2017 neu gefasste Umweltrechtsbehelfsgesetz (BGBl I 2017, 3290) ist in den vorliegenden Fällen auch zeitlich auf die Rechtsbehelfe gegen die streitgegenständlichen Entscheidungen anwendbar, weil sie am 2. Juni 2017 noch keine Bestandskraft erlangt haben (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 UmwRG).
2. Die zulässigen Klagen sind begründet (§ 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwRG), weil die angegriffenen, zwischenzeitlich erledigten und als Bestellungen zum Abschuss von Bibern im Sinne des § 2 Abs. 5 AAV a.F. auszulegenden Entscheidungen (a) gegen umweltbezogene Vorschriften verstießen, die für diese Entscheidungen von Bedeutung waren (b). Die fehlerhaft erteilten Bestellungen waren auch nicht in ordnungsmäße Einzelfallausnahmen nach § 45 Abs. 7 Satz 1 und 2 BNatSchG umzudeuten (c). Die Verstöße gegen umweltbezogene Vorschriften berührten schließlich Belange, die zu den Zielen gehören, welche der Kläger nach seiner Satzung fördert (d). Unabhängig davon wäre der Bescheid des Landratsamts C. vom 15. Dezember 2015 auch hinsichtlich seines räumlichen Geltungsbereichs nicht hinreichend bestimmt gewesen (e).
a) Die Auslegung (§§ 133, 157 BGB analog) der angegriffenen Entscheidungen, insbesondere in ihren jeweiligen Tenorierungen zu Nr. 1, ergibt, dass sie als Bestellungen zum Abschuss von Bibern im Sinne des § 2 Abs. 5 AAV a.F. und nicht als Einzelfallausnahmen im Sinne des § 45 Abs. 7 Satz 1 und 2 BNatSchG zu verstehen waren.
Abgesehen davon, dass in den weiteren Nummern 2 sowie 2.1 bis 2.3 des Tenors dieser Entscheidungen jeweils nur von einer „Bestellung“ und nicht etwa von der „Zulassung einer Ausnahme“ die Rede ist, spricht durchgreifend für Bestellungen im Sinne des § 2 Abs. 5 AAV a.F., dass die Begründungen der Bescheide abgesehen von der Erwähnung des Tötungsverbots nach § 44 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. b BNatSchG ganz die Artenschutzrechtliche Ausnahmeverordnung in den Mittelpunkt stellen. Es wird der Standpunkt vertreten, an Kläranlagen, an Triebwerkskanälen und an gefährdeten Stau- und Hochwasseranlagen dürfe ein Zugriff grundsätzlich ohne weitere Prüfung von Voraussetzungen erfolgen. Die Prüfung, ob ein Zugriff zur Abwendung erheblicher wirtschaftlicher Schäden oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit erforderlich sei, ob es keine anderweitig zufriedenstellende Lösung gebe und die Population des Bibers in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung (vgl. § 2 Abs. 1 und 2 AAV a.F.) in einem günstigen Erhaltungszustand verweile, sei für gefährdete Stau- und Hochwasserschutzanlagen, Kläranlagen und Triebwerkskanäle von Wasserkraftanlagen bereits vom Verordnungsgeber vorgenommen worden. Diese Begründungserwägungen zeigen, dass die Erteilung von Einzelfallausnahmen nach § 45 Abs. 7 Satz 1 und 2 BNatSchG angesichts der für die vorliegenden Fälle angenommenen Zugriffsgestattung durch die Artenschutzrechtliche Ausnahmeverordnung schon nicht für notwendig gehalten wurde. Es fehlt auch an Sachverhaltsfeststellungen etwa zum Tatbestand des Vorliegens eines die Entscheidungen rechtfertigenden Interesses der öffentlichen Sicherheit (§ 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG) für artenschutzrechtliche Einzelfallausnahmen als Ermessensentscheidungen und an Erwägungen zur Rechtfertigung der Länge der Bejagungszeiträume. Folglich waren die Entscheidungen als Bestellungen zum Abschuss von Bibern im Sinne des § 2 Abs. 5 AAV a.F. und nicht als Einzelfallausnahmen im Sinne des § 45 Abs. 7 Satz 1 und 2 BNatSchG zu verstehen.
b) Die angegriffenen Bestellungen zum Abschuss von Bibern verstießen gegen umweltbezogene Vorschriften, die für diese Entscheidungen von Bedeutung waren.
aa) Sämtliche Bestellungen verstießen schon deshalb gegen umweltbezogene Vorschriften, weil der von ihnen geregelte Geltungszeitraum dem Zeitraum, in dem § 2 Abs. 1 Satz 1 AAV a.F. die Tötung von Bibern gestattete, widerspricht.
Zur Abwendung erheblicher wirtschaftlicher Schäden sowie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit wurde durch § 2 Abs. 1 Satz 1 AAV a.F. nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 dieser Vorschrift abweichend von § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG gestattet, Biber in der Zeit vom 1. September bis 15. März zu töten. Bei dieser Bestimmung, die vor Erteilung der Bestellungen zu prüfen war, da § 2 Abs. 1 Satz 1 AAV a.F. eine Gestattung zur Tötung des Bibers nur nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 des § 2 AAV a.F. vorsah und weil sich § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AAV a.F. für die Bestellung ausweislich seines Wortlauts („hierzu“) auf Maßnahmen nach § 2 Abs. 1 AAV a.F. bezieht, handelt es sich um eine umweltbezogene Rechtsvorschrift, weil sie unmittelbare Auswirkungen auf die Umwelt hat, indem sie die Jagdzeit für den Biber regelt.
Im Widerspruch zu dieser in § 2 Abs. 1 Satz 1 AAV a.F. normierten jährlichen Jagdzeit für den Biber vom 1. September bis 15. März bestimmten die angegriffenen Bestellungen nach ihren jeweiligen Tenornummern 2.1 einen Geltungszeitraum vom Zugang dieser Bescheide (jeweils Mitte Dezember 2015) bis zum 15. Juli 2017 (Bescheide des Landratsamts S.*) bzw. bis zum 31. März 2017 (Bescheid des Landratsamts C***) und gingen damit rechtswidrig über die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AAV a.F. jährlich vorgesehene Jagdzeit hinaus, ohne für diese die Jagdzeit überlappenden Zeiträume etwa Einzelfallausnahmen nach § 45 Abs. 7 Satz 1 und 2 BNatSchG für Biberabschüsse zu erteilen. Diesen Widerspruch haben die Bescheide nicht dadurch ausgeräumt, dass ihnen jeweils der Normtext des § 2 AAV a.F. beigefügt war. Ganz im Gegenteil wurde gerade dadurch, dass die Bescheide in ihren jeweiligen Tenornummern 2.1 einen Geltungszeitraum regeln, der mit demjenigen des als Anlage beigefügten Normtextes des § 2 AAV a.F. nicht überstimmt, aus Sicht der Bestellten als Adressaten der Bescheide verunklart, für welchen der beiden nach den Bescheiden in Betracht kommenden Zeiträume die jeweilige Bestellung nun gelten soll. Diese Verunklarung wird in besonderer Weise dadurch verstärkt, dass jeweils außerhalb des § 2 Abs. 1 Satz 1 AAV a.F. liegende Endzeitpunkte gewählt wurden – 31. März bzw. 15. Juli 2017 -, an die sich kein zulässiger Abschusszeitraum mehr anschließen konnte, somit diese Zeiten auch nicht als bloße Übergangszeiträume eingeordnet werden könnten.
bb) Deshalb führte diese widersprüchliche Vorgehensweise gleichzeitig auch zu einem Verstoß der Bestellungen gegen Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG, wonach ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein muss. Gerade wenn ein Verwaltungsakt – wie hier die Bestellung, vgl. §§ 71 Abs. 1 Nr. 2, 69 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b BNatSchG – die Trennlinie zwischen straflosem und strafbarem Verhalten zieht, gelten besonders hohe Anforderungen an seine inhaltliche Bestimmtheit (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.2012 – 3 C 26.11 – BVerwGE 145, 275/282 f. Rn. 25). Die Reichweite einer Bestellung zum Abschuss von Bibern muss daher eindeutig sein.
c) Die fehlerhaft erteilten Bestellungen waren auch nicht in rechtmäßige Einzelfallausnahmen nach § 45 Abs. 7 Satz 1 und 2 BNatSchG umzudeuten (Art. 47 BayVwVfG).
Eine solche Umdeutung scheitert vorliegend schon daran, dass eine Einzelfallausnahme nach § 45 Abs. 7 Satz 1 und 2 BNatSchG der erkennbaren Absicht der die Bestellungen erlassenden Behörden widerspräche (Art. 47 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG). Denn nach dem bereits im Rahmen der Auslegung (siehe 2. a)) gewürdigten Inhalt der angegriffenen Bescheide wollten die entscheidenden Landratsämter die beabsichtigten Biberabschüsse gerade nicht durch Einzelfallausnahmen nach § 45 Abs. 7 Satz 1 und 2 BNatSchG regeln. Dies hat der Beklagte auch durch sein Vorbringen zur Berufungserwiderung bekräftigt.
Unabhängig davon scheitert eine Umdeutung auch an Art. 47 Abs. 3 BayVwVfG, der bestimmt, dass eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden kann. Die Bestellungen nach § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AAV a.F. waren gesetzlich gebundene Entscheidungen. Bei der Zulassung von Einzelfallausnahmen nach § 45 Abs. 7 Satz 1 und 2 BNatSchG handelt es sich dagegen um ausweislich des Wortlauts dieser Vorschriften („können“ bzw. „darf nur“) um Ermessensentscheidungen. Diese Rechtsnatur der Einzelfallausnahmen nach § 45 Abs. 7 Satz 1 und 2 BNatSchG steht einer Umdeutung auch dann entgegen, wenn man davon ausgeht, dass bei Erfüllung der entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen das Ermessen für eine Entscheidung nach § 45 Abs. 7 Satz 1 und 2 BNatSchG intendiert ist (vgl. hierzu nur Gläß in BeckOK Umweltrecht, Stand 1. Juli 2019, § 45 BNatSchG Rn. 37). Ein gebundener Verwaltungsakt kann grundsätzlich nicht in einen Verwaltungsakt umgedeutet werden, der eine Ermessensentscheidung voraussetzt. Als Ausnahme wird nur der – hier nicht vorliegende – Fall einer Ermessensreduzierung auf Null anerkannt (vgl. BVerwG, U.v. 28.2.1975 – IV C 30.73 – BVerwGE 48, 81/84 f.).
d) Der dargelegte jeweilige Verstoß gegen entscheidungserhebliche umweltbezogene Vorschriften berührte auch Belange, die zu den Zielen gehören, welche der Kläger nach seiner Satzung fördert (§ 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwRG). Denn nach § 2 seiner Satzung vom 17. September 2018 (https://www.bund-naturschutz.de/fileadmin/Bilder_und_Dokumente/Der_BUND_Naturschutz/ Organisation/Satzung/BUND_Naturschutz_in_Bayern_Satzung_September_2018.pdf) verfolgt er das Ziel, die natürlichen Lebensgrundlagen von Menschen, Tieren und Pflanzen und die Biodiversität im Ganzen vor weiterer Zerstörung zu bewahren und wiederherzustellen.
e) Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen wäre der Bescheid des Landratsamts C. vom 15. Dezember 2015 auch hinsichtlich seines räumlichen Geltungsbereichs nicht hinreichend bestimmt gewesen (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG).
aa) Es wurde bereits dargelegt, dass für einen Verwaltungsakt, der die Trennlinie zwischen straflosem und strafbarem Verhalten zieht, besonders hohe Anforderungen an seine inhaltliche Bestimmtheit gelten (siehe oben 2. b) bb)).
bb) Daran gemessen war der Bescheid des Landratsamts C. vom 15. Dezember 2015 auch hinsichtlich seines räumlichen Geltungsbereichs nicht hinreichend bestimmt (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG).
Er regelte in Nr. 1 seines Tenors zwar, dass der Beigeladene des Verfahrens 14 BV 17.1278 zum Abschuss von Bibern am E. Stausee, Bereich Jagdrevier R., bestellt wird. Im Gegensatz zu den Bescheiden des Landratsamts S. war diesem Bescheid aber kein Übersichtslageplan zur Konkretisierung des räumlichen Geltungsbereichs dieser Bestellung beigefügt. Aus dem Bescheid ergibt sich auch im Übrigen nicht, wo der E. Stausee in Abgrenzung zur ihn durchfließenden Schwarzach beginnt und wo er endet. Das strafrechtliche Risiko dieser Abgrenzung durfte das Landratsamt nicht auf den Adressaten dieser Bestellung verlagern. Dem Bescheid des Landratsamts C. vom 15. Dezember 2015 lässt sich zudem keine Konkretisierung zum genauen Verlauf des Jagdreviers R. entnehmen, obwohl diese Bezeichnung zur Verdeutlichung des räumlichen Geltungsbereichs der Bestellung beitragen sollte. Hier trägt die Erwägung, der Bestellte kenne als Jagdberechtigter sein Revier, schon angesichts der aufgezeigten strafrechtlichen Abgrenzungsrisiken nicht. Hinzu kommt, dass der räumliche Geltungsbereich einer Bestellung wie der vorliegenden auch deshalb eindeutig sein muss, weil die sachgerechte Wahrnehmung der mit ihr verbundenen Überwachungsaufgaben gleichfalls voraussetzt, dass der Umfang der erlaubten Tätigkeit für die Vollzugsbehörde klar erkennbar ist (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.2012 – 3 C 26.11 – BVerwGE 145, 275/282 f. Rn. 25).
Auch aus den seitens des Beklagten in der mündlichen Verhandlung geschilderten natürlichen Begebenheiten, auf die sich die Bestellung bezieht, lässt sich nichts für die Annahme einer hinreichenden Bestimmtheit ihres räumlichen Geltungsbereichs ableiten. Die Vertreter des Wasserwirtschaftsamts erklärten zur räumlichen Abgrenzung zwischen Stausee und Schwarzach ausdrücklich, dass eine Kennzeichnung der diese Gewässer trennenden Stelle (Stauwurzel auf Höhe der alten Wehranlage Hillstett) nicht erfolgt ist. Da nach den weiteren Aussagen der Vertreter des Wasserwirtschaftsamts der Unterschied zwischen dem freifließenden Fluss und dem aufgestauten See nur in Abhängigkeit von der (natürlich und menschlich) veränderlichen Stauhöhe besteht, kann dieser Unterschied nichts zur hinreichenden Bestimmtheit des räumlichen Geltungsbereichs der Bestellung beitragen, der für den Bestellten und die Vollzugsbehörde jederzeit klar erkennbar sein muss.
Vor diesem Hintergrund ist der vom Kläger aufgeworfenen Frage, ob die Artenschutzrechtliche Ausnahmeverordnung die Prüfung, dass ein Zugriff zur Abwendung erheblicher wirtschaftlicher Schäden oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit erforderlich ist, dass es keine anderweitig zufriedenstellende Lösung gibt und dass die Population des Bibers in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilt, nicht ohne Verstoß gegen Art. 16 FFH-Richtlinie allgemein vorwegnehmen durfte, vorliegend nicht nachzugehen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst, weil sie keine Anträge gestellt und damit auch kein Kostenrisiko übernommen haben (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 Halbs. 1 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.
4. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die in § 132 Abs. 2 VwGO hierfür vorgesehenen Voraussetzungen nicht vorliegen.