Europarecht

Aufhebung der Befristung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis

Aktenzeichen  23 ZB 19.1646

Datum:
4.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 16254
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GlüStV § 24 Abs. 2 S. 2
VwGO § 114 S. 2
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1

 

Leitsatz

1. n der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass der Betrieb einer Spielhalle im Einklang mit Verfassungs- und Unionsrecht (unter anderem) einem Erlaubnisvorbehalt unterstellt werden kann; des Weiteren ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung mehrfach bestätigt, dass die gesetzliche Pflicht zur Befristung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Orientierung der Befristung an der Restlaufzeit des geltenden Glückspielstaatsvertrags richtet sich sachgerecht an dem geltenden Regelungsregime aus. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 5 K 18.1401 2019-07-25 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf Euro 15.000,– festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Das Zulassungsvorbringen legt weder den innerhalb der Rechtsmittelbegründungsfrist geltend gemachten Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der (Ergebnis-)Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) dar.
1.1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173, 186 = juris Rn. 32 m.w.N.).
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag, die in Nr. 2 der glücksspielrechtlichen Erlaubnis vom 31. Juli 2018 enthaltene Befristung bis zum 30. Juni 2021 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Befristung zu entscheiden, als unbegründet abgewiesen. Die Befristung der der Klägerin erteilten Erlaubnis bis zum 30.6.2021 sei rechtmäßig, insbesondere frei von Ermessensfehlern. Bei der Entscheidung über die Fristdauer habe sich die Behörde an der Geltungsdauer glückspielrechtlicher Erlaubnisse für Wettvermittler (4 Jahre) und der Laufzeit des Glückspielstaatsvertrags (GlüStV) orientiert. Dabei handele es sich um sachgerechte Gesichtspunkte. Der Einwand der Klägerin, erfahrungsgemäß amortisierten sich die Investitionen in eine Spielhalle nicht innerhalb der Befristungsdauer, greife nicht durch, da der diesbezügliche Vortrag unsubstantiiert geblieben sei und jedenfalls das wirtschaftliche Interesse der Klägerin gegenüber dem Interesse an der Verwirklichung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrages zurücktreten müsse.
Die gegen diese Wertung erhobenen Einwände der Klägerin greifen nicht durch. Es liegt kein Ermessensfehler des Beklagten zu Lasten der Klägerin vor.
a) Der Beklagte hat ausweislich der Begründung des streitgegenständlichen Erlaubnisbescheids das ihm hinsichtlich der Länge der gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Befristung (vgl. § 24 Abs. 2 Satz 2 GlüStV) zustehende Ermessen erkannt und dieses im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsätzen vom 10. Dezember 2018 und 12. Juli 2019 in zulässiger Weise ergänzt (§ 114 Satz 2 VwGO). Er hat sich bei der Entscheidung hierüber jedenfalls in sachgerechter Weise an der Restlaufzeit des geltenden Glücksspielstaatsvertrags orientiert und damit den Zweck der Ermächtigung nicht verfehlt. In der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung ist bereits mehrfach und wiederholt geklärt, dass der Betrieb einer Spielhalle im Einklang mit Verfassungs- und Unionsrecht (unter anderem) einem Erlaubnisvorbehalt unterstellt werden kann (vgl. BVerfG, B.v. 7.3.2017 – 1 BvR 1314/12 u.a. – BVerfGE 145,20; BVerwG, U.v. 16.12.2016 – 8 C 6.15 – BVerwGE 157, 126 = juris Rn. 39 m.w.N.; U.v. 5.4.2017 – 8 C 16.16 – juris Rn. 30 ff.; OVG NW, B.v. 10.3.2021 – 4 A 4700/19 – juris Rn. 33 m.w.N.; B.v. 30.4.2021 – 4 A 2781/20 – juris Rn. 16 f.; NdsOVG, B.v. 4.9.2017 – 11 ME 206/17 – juris Rn. 10ff m.w.N.). Des Weiteren ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung mehrfach bestätigt, dass die gesetzliche Pflicht zur Befristung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis nicht gegen höherrangiges Recht verstößt (vgl. BayVGH, B.v. 26.3.2014 – 22 ZB 14.221, juris Rn. 16 ff.; BayVGH, B.v. 22.12.2020 – 23 ZB 18.1732 – juris Rn. 54 f.; OVG NW, B.v. 10.3.2021 – 4 A 4700/19 – juris Rn. 59 ff., 69 f. und 71 ff. m.w.N.; B.v. 30.4.2021 – 4 A 2781/20 – juris Rn. 16 f.). Die gewählte Befristungsdauer bis zum Ende der Laufzeit des geltenden Glückspielstaatsvertrags ist das effektivste Mittel der Behörde zur Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts und der geltenden Anforderungen an Spielhallen zum Schutz der Spieler. Denn der Betrieb der Spielhalle der Klägerin könnte möglicherweise ab dem 1. Juni 2021 wegen veränderter Regelungen des an die Stelle des derzeit gültigen Staatsvertrags tretenden neuen Staatsvertrags und eines entsprechenden Ausführungsgesetzes nicht mehr erlaubnisfähig sein, wenn etwa zusätzliche Qualitätsanforderungen an die Betreiber oder den Betrieb von Spielhallen, etwa ein Spielersperrsystem, gestellt werden. Die Befristung dient daher in legitimer Weise der Gewährleistung, dass etwaige Neuregelungen effektiv umgesetzt werden können und über eine längere Geltung erst dann entschieden wird, wenn feststeht, welche Anforderungen für die Zeit nach dem 30.6.2021 gelten (BayVGH, B.v. 25.2.2021 – 23 ZB 19.1820 – juris Rn. 20; B.v. 22.12.2020 – 23 ZB 18.1735 – juris Rn. 54; NdsOVG, B.v. 13.5.2019 – 11 LA 389/18 – juris Rn. 8).
Unbehelflich ist ferner der Hinweis der Klägerseite auf gesetzliche Regelungen anderer Länder, die teilweise eine längere Befristung vorsähen. Insoweit ist festzustellen, dass es eine solche Regelung in Bayern gerade nicht gibt und sich die Orientierung an der Restlaufzeit des geltenden Glückspielstaatsvertrags auch mit Blick auf die Vorschrift des Art. 12 AGGlüStV, wonach auch eine Befreiung im Sinne des § 24 Abs. 4 Satz 4 GlüStV nicht über die Geltungsdauer des Glücksspielstaatsvertrags hinaus erteilt werden kann, sachgerecht an dem geltenden Regelungsregime ausrichtet (vgl. BayVGH, B.v. 25.2.2021 – 23 ZB 19.1820 – juris Rn. 20; B.v. 22.12.2020 – 23 ZB 18.1735 – juris Rn. 54). Die Frage, ob die gesetzliche Konzeption zu einer Ermessensbeschränkung führt, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da der Beklagte – wie ausgeführt – das ihm zustehende Ermessen erkannt hat und eine weitgehend gleichmäßige Handhabung oder die Verwendung von „Bausteinen“ entgegen der Auffassung des Zulassungsvorbringens schon mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Eine abweichende Ermessenspraxis anderer Länder würde den Beklagten in seiner Ermessensausübung hingegen nicht binden, wobei schon weder dargelegt noch ersichtlich ist, dass andere Länder in ihrer ständigen Erlaubnispraxis für Spielhallen Befristungen vorsehen, die über die Restlaufzeit des geltenden Glücksspielstaatsvertrags hinausgehen (vgl. nur OVG Hamburg, B.v. 20.10.2020 − 4 Bs 226/18 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 26.6.2020 – 9 CS 16.2218 – juris Rn. 23; OVG Rh-Pf, B.v. 6.8.2019 – 6 A 11643/18 – juris Rn.10; NdsOVG, B.v. 13.5.2019 – 11 LA 389/18 – juris Rn. 8 f.; SächsOVG, B.v. 7.2.2019 – 3 B 398/18 – juris Rn. 2).
b) Die Klägerin hat auch keine Umstände dargelegt, die in Bezug auf ein berechtigtes Vertrauen auf die Amortisierung der getätigten Investitionen eine längere Befristung oder gar eine Erlaubnis ohne Befristung abweichend von der gesetzlichen Konzeption erforderlich machen würden. Zwar verweist die Klägerin zurecht darauf, dass der auf eine Dauer von zehn Jahren abgeschlossene Mietvertrag ihr entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts für den Fall der Erteilung einer insoweit kürzer befristeten Erlaubnis kein Sonderkündigungsrecht einräumt. Dennoch ist es auch unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens nicht zu beanstanden, dass der Beklagte und das Verwaltungsgericht von einem Überwiegen des oben dargelegten öffentlichen Interesses an einer möglichst effektiven Durchsetzung der Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags sowie etwaiger Nachfolgeregelungen zum Schutz der Spieler gegenüber den wirtschaftlichen Interessen der Klägerin ausgegangen sind. Zurecht weist das Verwaltungsgericht insoweit darauf hin, dass es sich bei dem getätigten Vertragsabschluss und den Investitionen um Dispositionsentscheidungen der Klägerin handelt, die sie eingegangen ist, ohne sicher zu wissen, wie lange die zwingend zu erfolgende Befristung ausfallen wird, so dass ein vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG erfasstes Vertrauen auf eine Amortisierung dieser Investitionen nicht besteht. Eine durch die Befristungsentscheidung bewirkte unverhältnismäßige Beeinträchtigung der dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG unterfallenden Erwerbschancen der Klägerin ist indes nicht dargetan, zumal die eingegangenen vertraglichen Bindungen und getätigten Investitionen bei einer Entscheidung über die Erteilung einer neuen glücksspielrechtlichen Erlaubnis zu berücksichtigen sind, sofern die Klägerin die Erlaubnisvoraussetzungen nach neuem Recht weiterhin erfüllt.
1.2. Die Rechtssache weist auch keine grundsätzliche Bedeutung auf. Die Klägerseite hat bereits keine konkrete und gleichzeitig verallgemeinerungsfähige Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert. Allein der Verweis auf noch anhängige Gerichtsverfahren, die ebenfalls die Befristung glücksspielrechtlicher Erlaubnisse für Spielhallen zum Gegenstand haben, zeigt keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf einer allgemein klärungsfähigen Rechts- oder Tatsachenfrage auf.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 54.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 58, 68; wie Vorinstanz).
4. Mit dieser Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig.


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