Europarecht

Ausbau der Bundeswasserstraße Elbe (“Elbvertiefung”)

Aktenzeichen  7 A 1/17, 7 A 1/17 (7 A 22/12)

Datum:
28.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2017:281117U7A1.17.0
Normen:
§ 12 Abs 7 S 3 WaStrG
§ 14 Abs 1 S 2 WaStrG
§ 6 WHG 2009
§ 27 WHG 2009
§ 3 Abs 1 S 2 UVPG vom 24.02.2010
§ 74 Abs 2 S 3 VwVfG
§ 74 Abs 4 S 1 VwVfG
§ 3 Abs 1 SeeFischG
§ 26 Abs 1 S 2 SeeSchStrO 1971
§ 59 SeeSchStrO 1971
§ 2 FischG ND
§ 16 FischG ND
§ 4 Abs 1 S 2 FischG SH
Spruchkörper:
7. Senat

Leitsatz

Die Belange von Berufsfischern haben gegenüber öffentlichen Interessen an einem Ausbau einer Bundeswasserstraße nur geringes Gewicht (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2011 – 7 A 9.09 – Buchholz 445.5 § 14 WaStrG Nr. 12).

Tatbestand

1
Die Kläger wenden sich gegen die Planfeststellungsbeschlüsse der Beklagten zur Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe.
2
Die Kläger zu 1 bis 4 und 6 sind Hamen- und Reusenfischer auf der Elbe. Die übrigen Kläger betreiben die Gemischte Küstenfischerei (überwiegend Krabbenfischerei).
3
Die Kläger zu 3 und 5 sind Inhaber bzw. Pächter von selbstständigen Fischereirechten, der Kläger zu 3 im Bereich von Stromkilometer 585,9 (Geesthachter Wehr) bis 607,5 (Bunthäuser Spitze), der Kläger zu 5 im Bereich von Stromkilometer 477 bis 500 (nahe Gorleben).
4
Der Planfeststellungsbeschluss der Beklagten zu 1 betrifft die sogenannte Delegationsstrecke auf dem Gebiet der Stadt Hamburg, der Beschluss der Beklagten zu 2 die Bundesstrecke von Tinsdal (km 638,9 bis zur Elbmündung (km 755,3); Träger des Vorhabens sind die beigeladene Hamburg Port Authority AöR und die Bundesrepublik Deutschland.
5
Die Ausbaustrecke ist knapp 136 km lang. Mit dem Ausbauvorhaben soll der Zugang zum Hamburger Hafen so verbessert werden, dass Containerschiffe mit einem Tiefgang von 13,5 m in Salzwasser die Elbe tideunabhängig befahren können. Für 14,5 m tiefgehende Containerschiffe soll das Zeitfenster für den tideabhängigen Verkehr vergrößert werden. Das Startfenster für die tideabhängige Fahrt ist so bemessen, dass in dieser Zeit von den drei großen Terminalbereichen im Hamburger Hafen jeweils ein Containerschiff mit einem Tiefgang von 14,5 m abfahren kann.
6
Die Ausbautiefen schwanken zwischen 0 m über dem BAB-Elbtunnel im Hamburger Hafen und 2,42 m bei Cuxhaven. Die Ausbaubreiten werden von Stromkilometer 748 bis zur Störkurve mit der derzeitigen Regelbreite von 400 m nicht verändert. Von der Störkurve bis zur Lühekurve wird die Regelbreite von 300 m auf 320 m vergrößert, damit sich dort Schiffe mit addierten Schiffsbreiten von 92 m begegnen können. In der Delegationsstrecke wird die Regelbreite der Fahrrinne bereichsweise ebenfalls um maximal 20 m vergrößert. Zwischen dem Ausgang der Lühekurve (km 644) und Blankenese (km 636) wird eine Begegnungsstrecke mit einer Fahrrinnenbreite von im Mittel 385 m für tideabhängig einlaufende Massengutschiffe und tideabhängig auslaufende Containerschiffe eingerichtet. Die Unterbringung des anfallenden Baggerguts von rund 42 Mio. cbm ist Gegenstand eines Strombau- und Verbringungskonzepts, das u.a. die Errichtung von Unterwasserablagerungsflächen (UWA) sowie Umlagerungsstellen und Übertiefenverfüllungen vorsieht. Mit den UWA, insbesondere der UWA Medemrinne Ost und Neufelder Sand im Bereich der Elbmündung, werden neben der Unterbringung des Ausbaubaggerguts auch strombauliche Zwecke verfolgt.
7
Das Planfeststellungsverfahren wurde im September 2006 eingeleitet. Im Zeitraum von September 2008 bis Ende 2010 wurden die Pläne dreimal geändert. Gegenstand der Planänderungen I bis III waren im Wesentlichen Modifikationen der Fahrrinnentrassierung und der UWA, die Planung von Ufersicherungsmaßnahmen im Bereich des Altenbrucher Bogens und der Wegfall der ursprünglich vorgesehenen Ufervorspülungen. Die Ufersicherungsmaßnahmen im Altenbrucher Bogen waren Gegenstand einer vorläufigen Anordnung von Mai 2010 und sind inzwischen abgeschlossen. Die Kläger sind im Verwaltungsverfahren beteiligt worden und haben gegen das Vorhaben Einwendungen erhoben. Die Pläne wurden mit Beschlüssen vom 23. April 2012 unter Anordnung verschiedener Auflagen etwa zu den Baumaßnahmen, zur Baggergutverbringung und zu den Kompensationsmaßnahmen sowie von Schutzauflagen u.a. zur Fischerei nebst einer Entschädigungsregelung und den Schiffsgeschwindigkeiten festgestellt und bekanntgemacht.
8
Die Kläger haben gegen die Planfeststellungsbeschlüsse jeweils fristgerecht Klage erhoben.
9
Die Kläger sehen durch die planfestgestellten Maßnahmen hergebrachte Fangplätze beeinträchtigt oder beseitigt. Namentlich gelte dies für die Bereiche der geplanten Begegnungsstrecke (Stromkilometer 636 bis 644), des Warteplatzes Brunsbüttel, der UWA Neufelder Sand, Medemrinne Ost und Glameyer Stack sowie der Umlagerungsstellen Medembogen und Neuer Luechtergrund. An den UWA und Umlagerungsstellen könne die Fischerei während der Bauzeit nicht und danach gegebenenfalls nur eingeschränkt betrieben werden. Neue Fangplätze gebe es im Aktionsradius der meisten Krabbenfischer und für alle Hamenfischer nicht. Fischereifreundlichere Alternativen zum planfestgestellten Strombaukonzept seien nicht abgewogen worden. Dies gelte auch für die Lage der Begegnungsstrecke. Die UWA Medemrinne Ost könne nicht wie planfestgestellt errichtet werden, ihre Wirksamkeit und die dauerhafte Funktionsfähigkeit sei nicht gewährleistet. Die Fischer würden durch eine erhöhte Strömung und einem verstärkten Tidehub sowie Sog und Schwell großer Schiffe, die mit hoher Geschwindigkeit führen, gefährdet, die Regelung über die Höchstgeschwindigkeit, die auch ihrem Schutz dienen solle, sei untauglich.
10
Die Auswirkungen des Vorhabens auf den Sauerstoffgehalt der betroffenen Oberflächenwasserkörper – und damit zugleich auf die Fischfauna – seien nicht ausreichend gewürdigt worden. Die Planfeststellungsbeschlüsse verstießen zudem gegen das in einem Vertrag vom 25. Februar 1998 zwischen der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, der Hamburger Wirtschaftsbehörde und den im Bereich von Unter- und Außenelbe tätigen Fischereibetrieben zur Erhaltung der Fischerei vereinbarte Rücksichtnahmegebot. Die Entschädigungsregelung sei unzureichend.
11
Die Kläger zu 45 und 51 und die Beklagten haben den Rechtsstreit für erledigt erklärt.
12
Die übrigen Kläger beantragen,
1. die Planfeststellungsbeschlüsse der Beklagten vom 23. April 2012 zur Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenelbe in Gestalt der Planergänzungsbeschlüsse vom 1. Oktober 2013 und vom 24. März 2016 sowie der Protokollerklärungen in den mündlichen Verhandlungen im Verfahren BVerwG 7 A 2.15 aufzuheben,
2. hilfsweise,
die Planfeststellungsbeschlüsse für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären,
hilfsweise,
die Beklagten zu verpflichten, die Anordnungen in Ziff. 5.4.1 und 5.4.2 in den Planfeststellungsbeschlüssen dahingehend um Schutzauflagen zu ergänzen, dass sichergestellt ist, dass
– alle auf der Elbe wirtschaftenden Fischereibetriebe bei einer mehr als unerheblichen Betroffenheit während der Bauphase für Fangausfälle entschädigt werden, wobei diese bemessen werden anhand eines Vergleichs der Betriebsergebnisse der letzten drei Jahre im Vergleich mit den Ergebnissen während der Bauzeit; hierbei kann der Anspruch auf Entschädigung auch als Vorauszahlung beantragt werden, um Existenzgefährdungen abzuwenden,
und
– Betrieben, bei denen die Betroffenheit auch nach Abschluss der Bauarbeiten gutachterlich (u.a. aufgrund des Wegfalls der Fangplätze, Unmöglichkeit des Fischens aus anderen vorhabenbedingten Gründen) als existenzgefährdend eingeschätzt wird, ein Entschädigungsanspruch für die Betriebsaufgabe oder die Betriebsverlagerung dem Grunde nach zugebilligt wird; die Entschädigung erfolgt hierbei nach den Maßstäben der jeweiligen Länder-Enteignungsgesetze.
13
Die Beklagten beantragen jeweils,
die Klage abzuweisen.
14
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
15
Die Beklagten treten dem Vorbringen der Kläger entgegen.

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