Europarecht

Auslegung eines Patentanspruches im Hinblick auf die mehrfache Verwendung des gleichen Begriffs

Aktenzeichen  21 O 17592/20

Datum:
29.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2021, 45244
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
PatG § 139
EPÜ Art. 69

 

Leitsatz

1. Gleiche Begriffe haben im Rahmen eines Patentanspruchs im Zweifel auch die gleiche Bedeutung; unterschiedliche Bedeutungen in unterschiedlichen Zusammenhängen können gleichen Begriffen im Rahmen der Auslegung eines Patentanspruchs nur dann zukommen, wenn die Auslegung des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit unter Berücksichtigung auch der Beschreibung und der Kennzeichnungen ein solches Verständnis ergibt (Bestätigung von BGH GRUR 2017, 152 – Zungenbett). (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Vorliegend sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Begriff der „Führungen“ innerhalb des Anspruchs 1 des Klagepatents, welches ein Regalbediengerät für Lagergüter betrifft, bei unterschiedlichen Merkmalen unterschiedlich auszulegen ist, d.h. unterschiedliche „Komponenten“ bezeichnet. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die bei der angegriffenen Ausführungsform gewählte Ausgestaltung eines als Führungsschlitten ausgeführten Kopfteils, an dem über die Halterungen die Winkelstücke zusammen mit den Klemmbacken angebracht sind und der auf einer Führungsschiene linear geführt in der Lagergutverschieberichtung bewegt wird, stellt kein eine äquivalente Verletzung begründendes Austauschmittel für patentgemäße Führungen dar. (Rn. 40 – 53) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerinnen haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Das Klagepatent betrifft ein Regalbediengerät zur Einlagerung und Auslagerung von Lagergütern auf bzw. von Regalböden eines Regals sowie ein Verfahren zum Betreiben des Regalbediengeräts (vgl. Abs. [0001]).
1. Aus dem in der Beschreibung des Klagepatents genannten Stand der Technik sind Regalbediengeräte mit Teleskopiervorrichtungen bekannt, die einen ausfahrbaren Stempel aufweisen, an dessen vorderen Ende eine Saugvorrichtung angeordnet ist (DE 20 2004 002 054 U1; vgl. Abs. [0002]). Aus der DE 19613707 A1 sind Regalbediengeräte mit einer Greifvorrichtung bekannt, deren Greifer in Transportrichtung der Lagergüter ein- und ausfahrbar sind sowie gegenläufig und parallel zueinander in eine Klemmstellung gegen die Seitenfläche der Lagergüter bewegbar (vgl. Abs. [0003]). Die Greifer tauchen in einen zwischen den Lagergütern freigelassenen Spalt ein, wobei die Greifer parallel geführt sind, was es ermöglicht, die Abmessungen des Spalts gering zu gehalten und dadurch eine hohe Ausnutzung der Regalfläche sicherzustellen. Ein weiteres, in der EP 1 693 317 A2 beschriebenes Regalbediengerät weist ebenfalls ein- und ausfahrbare Greifer auf, die gegenläufig und parallel zueinander in eine Klemmstellung gegen die Seitenfläche der Lagergüter bewegbar sind (vgl. Abs. [0004]).
2. Vor diesem Hintergrund stellt sich das Klagepatent die Aufgabe, ein Regalbediengerät und ein Verfahren zum Betreiben des Regalbediengeräts bereitzustellen, die eine hohe Umschlagleistung des Lagerguts ermöglichen (Abs. [0005]).
3. Hierfür schlägt das Klagepatent ein Regalbediengerät nach Maßgabe des Anspruchs 1 und ein Verfahren nach Maßgabe des Anspruchs 11 vor, die sich merkmalsmäßig wie folgt gliedern lassen (vgl. Klageerwiderung, S. 5/6; Anlage BM 4):
1. Regalbediengerät für Lagergüter (A, B), welche auf Regalböden (18, 18’) eines Regals (14, 14’) einzulagern oder von den Regalböden (18, 18’) des Regals (14, 14’) auszulagern oder zu transportieren sind,
1.1 mit einer Ablagefläche (28) für das Lagergut (A, B),
1.2 mit zwei Führungen (20a, 20b), die Greifarme (22a, 22b) aufnehmen,
1.2.1 die Greifarme sind
a) im Wesentlichen quer zur Regalgassen-Richtung (X) in Lagergut-Verschieberichtung (Y) verschiebbar und
b) aus den Führungen (20a, 20b) ausfahrbar,
1.2.2 wobei zumindest eine Führung (20a, 20b) um eine vertikale Regalachse (Z) drehbar ausgestaltet ist, sodass das Lagergut (A, B) durch ein Drehen der Führung (20a, 20b) mit den Greifarmen (22a, 22b) greifbar ist,
1.3 ein einziger Klemmantrieb (44) ist vorgesehen, mit dem die Führungen (20a, 20b) mit den Greifarmen (22a, 22b) gegeneinander quer zur Lagergut-Transportrichtung (Y) bewegbar sind.
11. Verfahren zum Betreiben des Regalbediengeräts für Lagergüter (A, B), welche auf Regalböden (18, 18’) eines Regals (14, 14’) einzulagern oder von den Regalböden (18, 18’) des Regals (14, 14’) auszulagern oder zu transportieren sind,
11.1 mit einer Ablagefläche (28) für das Lagergut (A, B),
11.2 mit zwei Führungen (20a, 20b), die Greifarme (22a, 22b) aufnehmen,
11.2.1 die Greifarme sind
a) im Wesentlichen quer zur Regalgassen-Richtung (X) in Lagergut-Verschieberichtung (Y) verschiebbar und
b) aus den Führungen (20a, 20b) ausfahrbar,
11.2.2 wobei zumindest eine Führung (20a, 20b) um eine vertikale Regalachse (Z) drehbar ausgestaltet ist, sodass das Lagergut (A, B) durch ein Drehen der Führung (20a, 20b) mit den Greifarmen (22a, 22b) greifbar ist,
11.3 ein einzigen Klemmantrieb (44) ist vorgesehen, mit dem die Führungen (20a, 20b) mit den Greifarmen (22a, 22b) gegeneinander quer zur Lagergut-Transportrichtung (Y) bewegbar sind,
11.4 das Lagergut (A, B) wird durch eine Drehung wenigstens einer Führung (20a, 20b) festgeklemmt.
II. Diese Lehre bedarf jedenfalls in einem entscheidenden Punkt näherer Erläuterung:
1. Das Klagepatent stellt ein Regalbediengerät zur Einlagerung und Auslagerung von Lagergütern auf bzw. von Regalböden eines Regals (Anspruch 1) sowie ein Verfahren zum Betreiben des Regalbediengeräts (Anspruch 11) unter Schutz. Zwei inhaltlich miteinander in Zusammenhang stehende Merkmale des Anspruchs 1 sind das Vorhandensein von Führungen, die Greifarme aufnehmen (Merkmal 1.2), sowie die Ausfahrbarkeit der Greifarme aus den Führungen (Merkmal 1.2.1.b)). Diese beiden Merkmale finden sich als Merkmale 11.2 und 11.2.1.b) gleichermaßen in Anspruch 11, der ein entsprechendes Verfahren zum Betreiben des Regalbediengeräts schützt, so dass insoweit eine einheitliche Auslegung geboten ist.
2. Dabei ergibt sich aus einer Zusammenschau der Merkmale 1.2 und 1.2.1.b) des Anspruchs 1 (bzw. der Merkmale 11.2 und 11.2.1.b) des Anspruchs 11), der in seiner Gesamtheit zu betrachten ist (BGH GRUR 2012, 1124, Rn. 27 – Polymerschaum; BGH GRUR 2004, 845, 846 – Drehzahlermittlung), dass es sich bei den Führungen und den Greifarmen um zwei unterschiedliche Elemente handeln muss, zwischen denen eine Relativbewegung möglich sein muss, weil gemäß Merkmal 1.2 die zwei Führungen (20a, 20b) „die Greifarme (22a, 22b) aufnehmen“ und gemäß Merkmal 1.2.1.b) die Greifarme „aus den Führungen ausfahrbar sind“. Die Begriffe „aufnehmen“ und „ausfahren“ bezeichnen unzweifelhaft Relativbewegungen. Dabei stellen die Führungen eine Art Schiene für die Greifarme dar und müssen folglich parallel zu den Greifarmen angeordnet sein. Die Verwendung der Begriffe „aufnehmen“ und „ausfahren“ beinhaltet außerdem, dass die beiden Elemente auch im Hinblick auf den benötigten Bauraum jedenfalls teilweise ineinander integriert werden. Diese Ausgestaltung und das Zusammenwirken der beiden Elemente wird auch durch Darstellung der Ausführungsbeispiele in den Figuren 1 und 3 bis 14 sowie die Beschreibung der Ausführungsbeispiele bestätigt. Die Darstellungen der Ausführungsbeispiele in den Figuren 1 und 3 bis 14 zeigen sämtlich eine Ausgestaltung entsprechend dem soeben dargelegten Verständnis (siehe exemplarisch die oben gezeigten Figuren 1 bis 3 mit den Bezugszeichen 20a und 20b für die Führungen und den Bezugszeichen 22a und 22b für die Greifarme). In Abs. [0026] wird für das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 eine entsprechende Anordnung und ein entsprechendes Zusammenwirken der beiden Elemente – Führungen und Greifarme – auch klar beschrieben („Das Regalbediengerät 10 enthält zwei gerade Führungen 20a, 20b, die im Wesentlichen quer zur Regalgassen-Richtung X beziehungsweise im Wesentlichen in einer Lagergut-Verschieberichtung Y angeordnet sind. Die Führungen 20a, 20b nehmen jeweils einen Greifarm 22a, 22b auf, der jeweils parallel zur Führung 20a, 20b in Längsrichtung der Führung 20a, 20b, also in Lagergut-Verschieberichtung Y aus- und einfahrbar ist. (…)“). Das Klagepatent enthält insoweit nur diese eine Lehre.
3. Ein abweichendes Verständnis ergibt sich – entgegen dem Vorbringen der Klägerin (Replik, S. 2/3) – auch nicht aus der Zusammenschau mit den weiteren Merkmalen 1.2.1.a), 1.2.2 und 1.3 des Anspruchs 1 (bzw. den Merkmalen 11.2.1.a), 11.2.2 und 11.3 des Anspruchs 11).
a) Nach Merkmal 1.2.1.a) sind die Greifarme „im Wesentlichen quer zur Regalgassen-Richtung (X) in Lagergut-Verschieberichtung (Y) verschiebbar“. Merkmal 1.2.2 sieht vor, dass „zumindest eine Führung (20a, 20b) um eine vertikale Regalachse (Z) drehbar ausgestaltet ist, sodass das Lagergut (A, B) durch ein Drehen der Führung (20a, 20b) mit den Greifarmen (22a, 22b) greifbar ist“. Nach Merkmal 1.3 ist „ein einzige[r] Klemmantrieb (44) (…) vorgesehen, mit dem die Führungen (20a, 20b) mit den Greifarmen (22a, 22b) gegeneinander quer zur Lagergut-Transportrichtung (Y) bewegbar sind“.
b) Hieraus leitet die Klägerin ab, dass der Fachmann dem Anspruchswortlaut im Zusammenhang mit den Erläuterungen in der Beschreibung entnehme, „dass der Ausdruck ‚Führung‘ im Zusammenhang mit der Translationsbewegung in der Lagergutverschieberichtung (Merkmal 2.1.a) den Grundkörper einer Führungsanordnung bezeichne (…), während der Ausdruck ‚Führungen‘ im Zusammenhang mit der Rotationsbewegung gemäß Merkmal 1.2.2 und der Bewegung quer zur Lagerguttransportrichtung die verfahrbaren Teile der Führung bezeichne (…), die mit den Greifarmen verbunden [seien]“ (Replik, S. 2). Hierzu nimmt die Klägerin auf ein Parteigutachten von Prof. Bernd Kühne vom 06.08.2021 (Anlage K9, dort S. 10/11) Bezug, das vorliegend wie auch im Folgenden als qualifizierter Parteivortrag zu werten ist. Weiter folgert die Klägerin hieraus, dass „der Ausdruck ‚Führungen‘ im Zusammenhang mit der mit dem Klagepatent unter Schutz gestellten Lehre, anders als im allgemeinen technischen Sprachgebrauch, zur Bezeichnung einzelner Komponenten einer Führungsanordnung (im allgemeinen technischen Sprachgebrauch insgesamt als Führung bezeichnet) benutzt [werde], wobei dieser Ausdruck im Sinne des Klagepatents einerseits einen stillstehenden Grundkörper einer Führungsanordnung für die Verschiebebewegung im Sinne des Merkmals 1.2.1.b) und andererseits ein bewegtes Teil einer Führungsanordnung zur Führung der Rotationsbewegung gemäß Merkmal 1.2.2 und der Bewegung in Lagerguttransportrichtung gemäß Merkmal 1.3 bezeichne (…)“ (Replik, S. 3).
c) Dieser Auslegung kann nicht gefolgt werden. Aus der Gesamtbetrachtung der genannten Merkmale kann nicht geschlossen werden, dass mit dem Begriff der „Führungen“ in Anspruch 1 unterschiedliche „Komponenten einer Führungsanordnung“ bezeichnet sind, je nachdem, ob es im Rahmen eines Merkmals betreffend die Verschiebebewegung oder im Rahmen eines Merkmals betreffend die Rotationsbewegung bzw. die Bewegung quer zur Lagerguttransportrichtung verwendet wird.
aa) Gleiche Begriffe haben im Rahmen eines Patentanspruchs im Zweifel auch die gleiche Bedeutung (BGH GRUR 2017, 152, Rn. 17 – Zungenbett). Unterschiedliche Bedeutungen in unterschiedlichen Zusammenhängen können gleichen Begriffen im Rahmen der Auslegung eines Patentanspruchs nur dann zukommen, wenn die Auslegung des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit unter Berücksichtigung auch der Beschreibung und der Kennzeichnungen ein solches Verständnis ergibt (BGH GRUR 2017, 152, Rn. 17 – Zungenbett). Dabei ist es unerheblich, ob die gleichen Begriffe im Oberbegriff oder im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs verwendet werden, da der äußere Aufbau des Patentanspruchs als solcher für die Ermittlung des Gegenstands des Patents außer Betracht zu bleiben hat (BGH GRUR 2017, 152, Rn. 17 – Zungenbett; vgl. BGH GRUR 1994, 357, 358 – Muffelofen).
bb) Vorliegend sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Begriff der „Führungen“ innerhalb des Anspruchs 1 bei unterschiedlichen Merkmalen unterschiedlich auszulegen ist, d.h. unterschiedliche – in der Terminologie der Klägerin – „Komponenten“ bezeichnet, je nachdem, auf welche Art der Bewegung ein Merkmal bezogen ist. Im Anspruchswortlaut ist eine derartige Unterscheidung nicht angelegt. Vielmehr werden im Anspruchswortlaut im Zusammenhang mit dem Begriff der „Führungen“ stets und einheitlich, d.h. unabhängig von der in den einzelnen Merkmalen jeweils beschriebenen Bewegung, die Bezugszeichen 20a, 20b verwendet. Auch im Rahmen der zeichnerischen Darstellungen der Ausführungsbeispiele in den Figuren 1 und 3 bis 14 werden diese Bezugszeichen stets und ausschließlich, d.h. insbesondere unabhängig von der jeweils dargestellten Bewegung, zur Bezeichnung der gleichen Bauteile verwendet. Das Klagepatent enthält insoweit nur diese eine Lehre.
Dass diese Führungen (20a, 20b) im Rahmen der unterschiedlichen Merkmale den Greifarmen unterschiedliche Arten der Bewegung – Verschiebebewegung (Merkmalsgruppe 1.2.1), Rotationsbewegung (Merkmale 1.2.2) oder Bewegung quer zur Lagerguttransportrichtung (Merkmal 1.3) – vermitteln, bedeutet nicht, dass es sich hierbei je nach Bewegungsart um unterschiedliche Komponenten eines größeren Gefüges handelt. Vielmehr verdeutlichen auch gerade die im Parteigutachten vom 06.08.2021 (Anlage K9, dort S. 10) in Bezug genommenen Figuren 1 und 3 der Beschreibung, dass klagepatentgemäß diese Bewegungen gerade durch die identischen Bauteile des Regalbediengeräts vermittelt werden, nämlich durch – mit den Bezugszeichen 20a, 20b bezeichnete – Führungen, die als eine Art Schiene für die Greifarme ausgestaltet und folglich parallel zu den Greifarmen angeordnet sind. Dass es sich hierbei um unterschiedliche „Komponenten einer Führungsanordnung“ handelt, ist an keiner Stelle der Beschreibung oder der Figuren ersichtlich.
III. Die angegriffenen Ausführungsformen machen jedenfalls von der technischen Lehre des Klagepatents gemäß den Merkmalen 1.2 und 1.2.1.b) des Anspruchs 1 keinen Gebrauch. Die Klägerin trägt diesbezüglich vor, die angegriffene Ausführungsform 1 verwirkliche Merkmal 1.2 in wortsinngemäßer Weise (Klageschrift, S. 14; Replik, S. 3/4) und Merkmal 1.2.1.b) in äquivalenter Weise (Klageschrift, S. 15/17; Replik, S. 4/6). Diese beiden Merkmale sind jedoch in der oben im Rahmen der Auslegung dargelegten Weise inhaltlich miteinander verbunden (s.o. II.1. und II.2.). Insoweit ist eine wortsinngemäße Verletzung weder von der Klägerin vorgetragen (vgl. Klageerwiderung, S. 19) noch ersichtlich. Die Merkmale 1.2. und 1.2.1.b) werden durch die angegriffene Ausführungsform 1 aber auch nicht in äquivalenter Weise verwirklicht. Dies gilt entsprechend gleichermaßen für die Merkmale 11.2 und 11.2.1.b) des Anspruchs 11 (vgl. oben II.1.).
1. Damit eine vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichende Ausführung in dessen Schutzbereich fällt, müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein: Die Ausführung muss erstens das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen. Zweitens müssen seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen schließlich drittens am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein, was voraussetzt, dass der Patentanspruch in allen seinen Merkmalen nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Überlegungen des Fachmanns bildet. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln aus fachmännischer Sicht als der wortsinngemäßen Lösung gleichwertige (äquivalente) Lösung in Betracht zu ziehen und damit nach dem Gebot des Artikels 2 des Protokolls über die Auslegung des Art. 69 EPÜ bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Patents zu berücksichtigen (st. Rspr. vgl. BGH GRUR 2015, 361, Rn. 18 – Kochgefäß; BGH GRUR 2002, 515, 517 – Schneidmesser I; GRUR 2007, 959, 961 – Pumpeinrichtung). Der Schutzbereich des Patents wird auf diese Weise nach Maßgabe dessen bestimmt, was der Fachmann auf der Grundlage der erfindungsgemäßen Lehre als äquivalent zu erkennen vermag, und damit an dem Gebot des Art. 1 des Protokolls über die Auslegung des Art. 69 EPÜ ausgerichtet, bei der Bestimmung des Schutzbereichs einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte zu verbinden (BGH GRUR 2015, 361 Rn. 18 – Kochgefäß; BGH GRUR 2011, 313 Rn. 35 – Crimpwerkzeug IV; BGH GRUR 2016, 921 Rn. 74 – Pemetrexed). Hintergrund der Erstreckung des Schutzbereichs auf äquivalente Benutzungsformen ist die Gefahr, dass dem Patentinhaber die gerechte Belohnung für die Bereicherung des Stands der Technik vorenthalten wird, wenn die angegriffene Ausführungsform gegenüber der Erfindung lediglich nahe liegende Veränderungen aufweist. Andererseits darf die Ausweitung des Schutzbereichs des Patents auf nicht wortsinngemäße Verwendungsformen nicht zu einer ungerechtfertigten „Übermonopolisierung“ führen.
2. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe verwirklicht die angegriffene Ausführungsform 1 die Merkmale 1.2 und 1.2.1.b) des Anspruchs 1 (sowie der Merkmale 11.2 und 11.2.1.b) des Anspruchs 11) nicht in äquivalenter Weise.
Nach dem insoweit übereinstimmenden Vortrag der Parteien (Klageschrift, S. 13/17; Klageerwiderung, S. 14/16) entspricht die angegriffene Ausführungsform 1 der Lehre der EP ’950 (Anlage K6), sodass die diesbezügliche Diskussion anhand der EP ’950, insbesondere der Darstellungen in deren Figuren 1 bis 4 (s.o.) erfolgt.
a) Die Klägerin trägt in Bezug auf die Merkmale 1.2 und 1.2.1.b) des Anspruchs 1 vor, dass aus den Figuren 1 und 2 der EP ’950 zu erkennen sei und in der Beschreibung der EP ’950 in Abs. [0020] erläutert werde, das die angegriffene Ausführungsform 1 als Klemmbacken 1a und 1b bezeichnete Greifarme aufweise. Die Klemmbacken 1a und 1b seien gemäß den Figuren 1 und 2 und den Erläuterungen in Abs. [0020] der Beschreibung der EP ’950 im Bereich eines Kopfteils endseitig in Winkelstücken 3a und 3b aufgenommen (Klageschrift, S. 13). Bei den Winkelstücken 3a und 3b handele es sich also um Führungen im Sinne des Anspruchs 1, die die als Klemmbacken verwirklichten Greifarme aufnähmen (Klageschrift, S. 14). Die Bewegung der in den Führungen (Winkelstücke 3a, 3b) aufgenommenen Greifarme (Klemmbacken 1a, 1b) in der Lagergutverschieberichtung erfolge bei der angegriffenen Ausführungsform 1 zusammen mit den Führungen. Eine lineare Führung dieser Bewegung erfolge dadurch, dass die als Winkelstücke 3a und 3b ausgeführten Führungen zusammen mit den als Klemmbacken 1a und 1b ausgeführten Greifarme an einem als Führungsschlitten ausgeführten Kopfteil 2 angebracht seien, der mit einem ersten Antrieb (vgl. Anlage K6, Abs. [0028]) auf einer Führungsschiene linear geführt in der Lagergutverschieberichtung bewegt werde, wie aus der Beschriftung der Darstellung gemäß Figur 3 der Anlage K6 hervorgehe. So seien die Greifarme mit den Führungen in der Lagergutverschieberichtung auf einem linear geführten Führungsschlitten geradlinig auf einen Regalboden des Regals ausfahrbar (Klageschrift, S. 15).
Anstelle der Führung der Linearbewegung der Greifarme durch die die Greifarme aufnehmenden Führungen, indem die Greifarme gemäß Merkmal 1.2.1.b) des Anspruchs 1 des Klagepatents aus den Führungen ausfahrbar seien, erfolge also bei der angegriffenen Ausführungsform 1 eine Führung der Linearbewegung der Greifarme (Klemmbacken 1a, 1b) mittels eines auf einer Führungsschiene geführten Führungsschlittens, an dem die Führungen (Winkelstücke 3a, 3b) mit den Greifarmen angebracht seien. Die Führung der Linearbewegung werde folglich ebenso wie bei der mit dem Klagepatent unter Schutz gestellten Lehre durch die die Greifarme aufnehmenden Führungen vermittelt (Klageschrift, S. 15). Während durch Merkmal 1.2.1.b) des Anspruchs 1 eine Linearführung der Bewegung der Greifarme in Lagergutverschieberichtung beschrieben werde, bei der die Führungen den stillstehenden Grundkörper der Führungsanordnung und die Greifarme die bewegten Teile bildeten, werde bei der angegriffenen Ausführungsform 1 die Bewegung in Lagergutverschieberichtung mit Hilfe einer Linearführung geführt, bei der die Führungen (Winkelstücke 3a, 3b) zusammen mit den Greifarmen (Klemmbacken 1a, 1b) und einem Führungsschlitten die bewegten Teile einer Führungsanordnung bildeten und der stillstehende Grundkörper durch eine feststehende Führungsschiene gebildet werde (Replik, S. 4/5).
Durch die Verwendung eines Führungsschlittens anstelle einer Teleskopführung werde die Lehre des Klagepatents im Wege der Äquivalenz verwirklicht (Klageschrift, S. 15).
Bei der Führung mit dem Führungsschlitten handele sich um ein zu der Teleskopführung gemäß Merkmal 1.2.1.b) gleichwirkendes Austauschmittel. Durch Aufnahme der als Klemmbacken ausgeführten Greifarme in den als Winkelstücke ausgeführten Führungen und Hineinfahren der Greifarme zusammen mit den Führungen in der Lagergutverschieberichtung zusammen mit einem auf einer Führungsschiene geführten Führungsschlitten werde erreicht, dass die Greifarme in der Lagergutverschieberichtung linear geführt auf den Regalboden des Regals ausgefahren werden könnten. Dadurch werde ebenso wie bei einer wortsinngemäßen Verwirklichung des Merkmals 1.2.1.b) eine lineare Führung verwirklicht, die es ermögliche, die Abmessungen des zwischen den in dem Regal eingelagerten Lagergütern freigehaltenen Spalts gering zu halten, so dass eine hohe Ausnutzung der Regalfläche sichergestellt sei (Klageschrift, S. 15/16).
Am Prioritätstag des Klagepatents seien die bei der angegriffenen Ausführungsform 1 eingesetzten Führungsschlitten als Austauschmittel anstelle einer Teleskopführung zur Führung einer linearen Bewegung der Greifarme für den einschlägigen Fachmann auch ohne Weiteres auffindbar gewesen. Das ergebe sich schon daraus, dass der Ausdruck „Führungen“, wie er in Merkmal 1.2.1.b) benutzt werde, für den auf dem einschlägigen Gebiet der Technik arbeitenden Fachmann, also einem Maschinenbauingenieur mit vertieften Kenntnissen auf dem Gebiet der geführten Bewegung von Maschinenteilen, Lagerstellen für geradlinige Bewegungen bezeichne, zu denen gerade Schlittenführungen gehörten (Klageschrift, S. 16).
Die Überlegungen des Fachmanns, die ihm die Ersetzung der räumlich-körperlichen Ausgestaltung der linearen Führung der Bewegung der Greifarme in der Lagergutverschieberichtung mittels einer Teleskopführung durch eine lineare Führung der Greifarme in der Lagergutverschieberichtung mittels eines Führungsschlittens erlaubten, seien auch am Patentanspruch orientiert. Gemäß der höchstrichterlichen Rechtsprechung komme es für die Beurteilung der Frage, ob die Überlegungen des Fachmanns, die ihm die Ersetzung eines wortsinngemäßen Merkmals durch ein abgewandeltes, aber im Zusammenhang der technischen Lehre gleichwirkendes Mittel erlaubten, am Patentanspruch orientiert sind, im Zweifel weniger auf die räumlich-körperliche Ausgestaltung des Mittels als solches als vielmehr auf deren Funktion im Kontext der patentgemäßen Lehre an. Im vorliegenden Fall sei also auf die Funktion des Merkmals 1.2.1.b) als Mittel zur linearen Führung der Bewegung der Greifarme in der Lagergutverschieberichtung abzustellen, die für den Fachmann im Zusammenhang mit der technischen Lehre des Klagepatents auch ohne Weiteres erkennbar sei. Bei einer Orientierung an dieser Funktion der räumlichkörperlichen Ausgestaltung des Führungsmittels gemäß Merkmal 1.2.1.b) stoße der Fachmann schon mit Blick auf die allgemeine Bedeutung des im Anspruch benutzten Ausdrucks „Führungen“ ohne Weiteres auf die Verwendung von Führungsschlitten anstelle von Teleskopführungen.
Wie im Rahmen der Auslegung ausgeführt, entnehme der Fachmann dem Anspruch 1 des Klagepatents eindeutig, dass der Ausdruck „Führungen“ im Rahmen der mit dem Klagepatent unter Schutz gestellten Lehre einerseits bewegte Teile der Führungsanordnung und andererseits nur im Zusammenhang mit der Linearführung gemäß Merkmal 1.2.1.b) einen feststehenden Grundkörper einer Führungsanordnung zur Linearführung der Bewegung der Greifarme in der Lagergutverschieberichtung umschreibe. Wie unter Ziffer 2.6 des als Anlage K9 vorgelegten Parteigutachtens dargelegt, werde so eine in bestimmter Weise gekoppelte Bewegung des Einfahrens der Greifarme und der Änderung der Drehwinkel bzw. der Schwenkwinkel beschrieben. Gemäß den Ausführungen unter Ziffer 2.7 der Anlage K9 werde der Fachmann ohne Weiteres diese in Abs. [0043] der Klagepatentschrift beschriebene und für ihn im Zusammenhang mit der Bewegung der Lagergüter als fehleranfällig erkennbare Kopplung der linearen Führung mit der rotatorischen Führung vermeiden und als Austauschmittel dieser einfachen Linearführung eine Schlittenführung verwenden, weil diese Schlittenführung eine ihm als gleichwirkend bekannte einfache Entkopplung der Linearführung von der zum Fixieren der Lagergüter benötigten rotatorischen Führung der Greifarme im Sinne einer Erhöhung der Prozesssicherheit ermögliche. Die Überlegungen orientierten sich am Sinngehalt der Patentansprüche, weil dieser Sinngehalt eine auch in der Beschreibung des Klagepatents herausgestellte Kopplung der linearen Führung mit der rotatorischen Führung vermittele, die als fehleranfällig erkennbar sei, wobei das Austauschmittel (Schlittenführung) dem Fachmann auf der Hand liege (Replik, S. 5/6).
b) Diesem Vortrag der Klägerin kann nicht gefolgt werden. Die bei der angegriffenen Ausführungsform 1 gewählte Ausgestaltung, bestehend aus einem als Führungsschlitten ausgeführten Kopfteil, an dem über die Halterungen 8a und 8b die Winkelstücke 3a und 3b zusammen mit den Klemmbacken 1a und 1b angebracht sind und der auf einer Führungsschiene linear geführt in der Lagergutverschieberichtung bewegt wird, stellt kein eine äquivalente Verletzung begründendes Austauschmittel für Führungen, die Greifarme aufnehmen und aus denen die Greifarme ausfahrbar sind, gemäß den Merkmalen 1.2 und 1.2.1.b) dar.
Im Einzelnen:
aa) Bei der im Rahmen der angegriffenen Ausführungsform 1 verwendeten Ausgestaltung handelt es sich nicht um ein gleichwirkendes Austauschmittel für Führungen, die Greifarme aufnehmen und aus denen die Greifarme ausfahrbar sind, gemäß den Merkmalen 1.2 und 1.2.1.b).
Die Merkmale 1.2 und 1.2.1.b) stehen im Zusammenhang mit dem Merkmal 1.2.1.a), demzufolge die Greifarme im Wesentlichen in Lagergutverschieberichtung verschiebbar sind (vgl. Klageschrift, S. 14/15; Klageerwiderung, S. 20). Bei der angegriffenen Ausführungsform 1 wird diese Bewegung der Greifarme bzw. Klemmbacken in Lagergutverschieberichtung dadurch bewirkt, dass ein aus einem als Führungsschlitten ausgeführter Kopfteil, an dem über Halterungen 8a und 8b die Winkelstücke 3a und 3b zusammen mit den Klemmbacken 1a und 1b angebracht sind, auf einer Führungsschiene linear geführt in der Lagergutverschieberichtung bewegt wird.
Bereits diese umfangreiche Aufzählung der verschiedenen Elemente, die nach Auffassung der Klägerin das Austauschmittel für die Führungen gemäß den Merkmalen 1.2 und 1.2.1.b) darstellen, legt nahe, dass die angegriffene Ausführungsform 1 in Bezug auf die Bewegung der Greifarme bzw. Klemmbacken in Lagergutverschieberichten einen völlig anderen Mechanismus verwendet, wobei für die verschiedenen Elemente dieses Mechanismus notwendigerweise auch entsprechend zusätzlicher Bauraum im Rahmen der Gesamtkonstruktion vorgesehen werden muss.
Außerdem würde bei dieser klägerseitig vorgetragenen Betrachtungsweise der Sinn des Merkmals 1.2.1 b) jedenfalls teilweise in Merkmal 1.2.1 a) aufgehen, da dort bereits gefordert wird, dass die Greifarme in Lagergutverschieberichtung verschiebbar sein müssen. Diese Verschiebung soll aber gemäß der Präzisierung in Merkmal 1.2.1 b) in Zusammenschau mit Merkmal 1.2 gerade durch das teleskopartige Ausfahren der Greifarme aus den Führungen erfolgen und nicht auf andere Art und Weise. Bei Merkmal 1.2.1.b) geht es – entgegen dem diesbezüglichen Vorbringen der Klägerin (Klageschrift, S. 10, 15/17; Replik, S. 4/6; s.o. III.2.a)) – nicht lediglich darum, die Bewegung der der Greifarme in Lagergutverschieberichtung auf eine Linearführung zu konkretisieren. Auch bezeichnet der Begriff des „Aufnehmens“ in Merkmal 1.2 – anders als es die Klägerin im Rahmen ihres Vorbringens zur Verletzung anzunehmen scheint (vgl. Klageschrift, S. 14) – nicht bloß jede Art der Befestigung der Greifarme an den Führungen. Vielmehr zeigt die Zusammenschau von Merkmal 1.2.1.b) mit Merkmal 1.2, wonach die „zwei Führungen (20a, 20b), die Greifarme (22a, 22b) aufnehmen“, dass die Bewegung in Lagergutverschieberichtung gerade durch ein teleskopartiges Aufnehmen und Ausfahren der Greifarme durch die Führungen bewirkt werden muss, dass also zwischen diesen beiden Elementen eine Relativbewegung stattfindet und dass diese beiden Elemente auch im Hinblick auf den benötigten Bauraum jedenfalls teilweise ineinander integriert werden (s.o. II.2.).
Schließlich würde das Verständnis der Klägerin dazu führen, dass im Rahmen der angegriffenen Ausführungsform 1 in Bezug auf einzelne Merkmale (1.2.2 und 1.3) bestimmte Bauteile klagepatentgemäße „Führungen“ darstellen würden, während in Bezug auf andere Merkmale (1.2 und 1.2.1.b)) gänzlich andere Bauteile als Austauschmittel für „Führungen“ anzusehen wären. Nach dem klägerischen Vortrag sollen nämlich im Rahmen der Merkmale 1.2.2 und 1.3 und in Bezug auf die dort vermittelten Rotationsbewegung und die Bewegung quer zur Lagerguttransportrichtung nur die Winkelstücke 3a und 3b die klagepatentgemäßen Führungen bilden (Klageschrift, S. 14; Replik, S. 3/4). Ob dies im Ergebnis zutrifft, kann hier dahinstehen, aber für die weitere Diskussion unterstellt werden, insbesondere da insoweit eine Verwirklichung des Begriffs der „Führungen“ durch andere Komponenten der angegriffenen Ausführungsform weder vorgetragen noch ersichtlich ist, weil jedenfalls nur die Winkelstücke, nicht aber der Führungsschlitten mit der Führungsschiene der angegriffenen Ausführungsform 1 entsprechend den Merkmalen 1.2.2 und 1.3 gedreht (Merkmal 1.2) bzw. gegeneinander quer zur Lagerguttransportrichtung (Merkmal 1.3) bewegt werden können (vgl. Klageerwiderung, S. 15, 22/23). Wie im Rahmen der Auslegung dargelegt (s.o. II.3.c)), sieht das Klagepatent aber gerade vor, dass im Rahmen des Anspruchs 1 (wie auch des Anspruchs 11) „Führungen“ stets und einheitlich, d.h. unabhängig von der in den einzelnen Merkmalen beschriebenen Bewegung, durch die gleichen Komponenten gebildet werden, d.h. dass die verschiedenen Funktionen (Vermittlung unterschiedlicher Bewegungen) jeweils durch die gleichen Komponenten erfüllt werden. Den Begriff der „Führungen“ einerseits als durch bestimmte Bauteile als wortsinngemäß verwirklicht und andererseits durch andere Bauteile als ein (äquivalentes) Austauschmittel ersetzt anzusehen, würde dem widersprechen.
bb) Die bei der angegriffenen Ausführungsform 1 gewählte Konstruktion aus einem als Führungsschlitten ausgeführten Kopfteil, an dem über Halterungen Winkelstücke zusammen mit Klemmbacken angebracht sind und der auf einer Führungsschiene linear geführt in der Lagergutverschieberichtung bewegt wird, stellt zudem auch kein als naheliegend auffindbares Austauschmittel für Führungen, die Greifarme aufnehmen und aus denen die Greifarme ausfahrbar sind, gemäß den Merkmalen 1.2 und 1.2.1.b) dar. Für eine Auffindbarkeit spricht – entgegen dem diesbezüglichen Vorbringen der Klägerin – nicht bereits, dass für den angesprochenen Fachmann der Begriff der „Führungen“ „Lagerstellen für geradlinige Bewegungen bezeichne (…), zu denen (…) gerade Schlittenführungen gehör[t]en“ (Klageschrift, S. 16; s.o. III.2.a)). Auch insoweit sind nämlich die einheitliche Verwendung und entsprechende Auslegung des Begriffs der „Führungen“ in Anspruch 1 (s.o. II.3.c)) zu berücksichtigen. Es kann nicht als für den angesprochenen Fachmann naheliegend angesehen werden, die Komponente der „Führungen“ im Hinblick auf die Merkmale 1.2 und 1.2.1.b) durch eine aus mehreren Elementen zusammengesetzte Konstruktion (Führungsschlitten auf Führungsschiene) zu ersetzen, während im Rahmen der übrigen Merkmale völlig andere Bauteile (Winkelstücke) die Komponente der „Führungen“ bilden sollen. Hiergegen spricht darüber hinaus auch allgemein, dass bei der angegriffenen Ausführungsform 1 nicht nur – wie es die Klägerin darstellt (vgl. Klageschrift, S. 16; Replik, S. 5) – einfach eine andere Variante der linearen Führung der Greifarme verwendet wurde, sondern dass gleich mehrere zwischengeschaltete Elemente benötigt werden, um eine Linearführung in Lagergutverschieberichtung zu bewirken. Denn die Greifarme (1a, 1b) der angegriffenen Ausführungsform 1 werden nicht direkt auf den Führungsschienen bewegt, sondern es ist ein komplettes Kopfteil (2) dazwischengeschaltet, an dem die Greifarme (1a, 1b) über Winkelstücke (3a, 3b) an Halterungen (8a, 8b) angebracht sind.
cc) Schließlich ist das oben beschriebene Austauschmittel auch nicht an der Lehre des Patentanspruchs orientiert. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es auch insoweit nicht lediglich auf die lineare Führung der Bewegung der Greifarme in der Lagergutverschieberichtung an. Vielmehr ist auch insoweit der Anspruch 1 in seiner Gesamtheit zu betrachten und zu berücksichtigen, dass klagepatentgemäß sämtliche Arten von Bewegungen einheitlich durch die gleichen Bauteile vermittelt werden (s.o. II.3.c)). Im Gegensatz zu dieser Lehre spielt die von der Klägerin als Austauschmittel identifizierte Konstruktion – Führungsschlitten auf Führungsschiene – für die Dreh- oder Klemmbewegung der Greifarme keine Rolle. Daher ist auch bei einer funktionalen Betrachtung im Gesamtkontext der Lehre des Klagepatents keine Orientierung an gerade dieser Lehre gegeben.
Soweit die Klägerin darüber hinaus vorträgt, „[g]emäß den Ausführungen unter Ziffer 2.7 der Anlage K9 [werde] der Fachmann ohne Weiteres diese in Abs. [0043] der Klagepatentschrift beschriebene und für ihn im Zusammenhang mit der Bewegung der Lagergüter als fehleranfällig erkennbare Kopplung der linearen Führung mit der rotatorischen Führung vermeiden“, ergibt sich hieraus keine Orientierung des Austauschmittels am Patentanspruch. In dem in Bezug genommenen Abs. [0043] der Beschreibung wird zwar die Ausführung mehrerer Bewegungen beschrieben. Es findet sich dort – wie auch in der Patentschrift im Übrigen – aber keinerlei Hinweis darauf, dass eine Kombination dieser mehreren Bewegungen „fehleranfällig“ oder „als fehleranfällig erkennbar“ sei. Die Klägerin beschränkt ihren Vortrag insoweit auf eine Bezugnahme auf Ziff. 2.7 des als Anlage K9 vorgelegten Parteigutachtens, das als qualifizierter Parteivortrag anzusehen ist. Weitere Ausführungen zu dieser vorgebrachten Fehleranfälligkeit, insbesondere solche, die am Patentanspruch orientiert wären, enthält jedoch auch das Parteigutachten nicht.
3. Auch die angegriffene Ausführungsform 2 macht von der technischen Lehre des Klagepatents gemäß den Merkmalen 1.2 und 1.2.1.b) unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenz keinen Gebrauch.
Nach dem insoweit übereinstimmenden Vortrag der Parteien (Klageschrift, S. 17/19; Klageerwiderung, S. 17/19) entspricht die angegriffene Ausführungsform 2 der Lehre der EP ’421 (Anlage K8), so dass die diesbezügliche Diskussion anhand der EP ’421, insbesondere der Darstellungen in deren Figuren 4a und 4b (s.o.) erfolgt.
Hiervon ausgehend trägt die Klägerin vor, dass bei der angegriffenen Ausführungsform 2 die – auf den Führungsschienen 61a und 61b (vgl. Klageerwiderung, S. 24) – „als linear geführter Führungsschlitten ausgeführte (…) Klemmbackenführungsanordnung 30“ (Klageschrift, S. 18) die in Merkmal 1.2.1.b) beschriebene Teleskopführung als äquivalentes Austauschmittel ersetze, und verweist zur Begründung insoweit auf ihre Argumentation zur angegriffenen Ausführungsform 1 (Klageschrift, S. 19).
Aus den im Rahmen der Verletzungsprüfung hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 1 dargelegten Gründen (s.o. III.2.b)) stellt eine Ausgestaltung bestehend aus einem auf einer Führungsschiene angebrachten Führungsschlitten, an dem Klemmbacken bzw. Greifarme über Bauteile, die von der Klägerin als Führungen (20a, 20b) im Sinne der Merkmale 1.2.2 und 1.3 identifiziert wurden (Klageschrift, S. 18), angebracht sind, kein äquivalentes Austauschmittel für Führungen, die Greifarme aufnehmen und aus denen die Greifarme ausfahrbar sind, gemäß den Merkmalen 1.2 und 1.2.1.b) dar.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.


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