Europarecht

Berufung, Revision, Fahrzeug, Rechtsmittel, Kommission, Haftung, Auskunft, Widerspruch, Rechtsverfolgung, Hinweisbeschluss, Verfahren, Zinsen, Zugang, Sicherung, Fortbildung des Rechts, Aussicht auf Erfolg, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung

Aktenzeichen  21 U 2963/21

Datum:
16.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 53565
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

61 O 3967/20 2021-04-19 LGINGOLSTADT LG Ingolstadt

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 19.04.2021, Aktenzeichen 61 O 3967/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Ingolstadt und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.923,02 € festgesetzt.

Gründe

I.
1. Die Parteien streiten um Ansprüche nach einem Pkw-Kauf im Zusammenhang mit dem sogenannten „Diesel-Abgasskandal“.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts sowie im Hinweisbeschluss des Senats vom 12.07.2021 (Bl. 249 ff. d.A.) Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren beantragte die Klagepartei mit Schriftsatz vom 18.06.2021:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei EUR 26.440,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2020 abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von EUR 5.516,98 Zugum-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges … mit der Fahrgestellnummer … zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 01.10.2020 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 1.744,64 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2020 zu zahlen.
hilfsweise,
4. das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Ingolstadt, Az.: 61 O 3967/20, verkündet am 19.04.2021, aufzuheben und zur erneuten Verhandlung zurück zu verweisen, hilfsweise, 
5. die Revision zuzulassen.
Die Beklagte hat die Zurückweisung der Berufung beantragt, aber im Übrigen auf die Berufung bisher noch nicht erwidert.
2. Mit Schriftsatz vom 04.08.2021 (Bl. 263 ff. d.A.) hält die Klagepartei an ihrem Berufungsbegehren fest. Hierauf wird Bezug genommen. Die Klagepartei wiederholt ihre Ausführungen in Bezug auf eine Haftung der Beklagten wegen des Thermofensters, bekräftigt, das Temperaturfenster betrage 10°C zwischen 20°C und 30°, aus dem Beschluss des BGH vom 19.01.2021, Az.: VI ZR 433/19, ergebe sich eine Offenbarungspflicht gegenüber der Typengenehmigungsbehörde in Bezug auf das Thermofenster und die Beklagte habe zum Funktionieren der Abgasrückführung bei niedrigen Temperaturen unwahre Angaben gemacht, wozu die Klagepartei nunmehr einen Mustertypengenehmigungsbogen der … AG (Anlage BB8) vorlegt.
Sie bekräftigt, es seien hinreichend Anhaltspunkte vorgetragen, die eine Haftung der Beklagten nach § 826 BGB begründeten. Sie bezieht sich erneut auf ein Sachverständigengutachten aus einem Verfahren vor dem Landgericht Bielefeld und auf ein Anhörungsverfahren. Sie rügt erneut, auf etwaige Bewertungen durch das Kraftfahrtbundesamt könne es aus verschiedenen Gründen nicht ankommen. Die Klagepartei wendet ein, es sei nicht nachvollziehbar, dass der Vortrag zu einer Lenkwinkelerkennung und dem Warmlaufprogramm vom Senat als nicht tragend angesehen werde. Sie nimmt Bezug auf Testergebnisse der Deutschen Umwelthilfe.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 19.04.2021, Aktenzeichen 61 O 3967/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Hinweisbeschluss vom 12.07.2021 Bezug, in dem bereits ausführlich dargelegt wurde, weshalb der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klagepartei durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen und an dem der Senat festhält. Die Ausführungen im Schriftsatz vom 04.08.2021 geben keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung. Ergänzend ist insofern auszuführen:
1. Die Ausführungen zum Thermofenster erschöpfen sich weitgehend in Wiederholungen des bisherigen Vortrags. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird Bezug genommen auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss, dort S. 6 ff. (Bl. 254 ff. d.A.). Auch unter Berücksichtigung des nunmehrigen Vorbringens zu einem Mustertypengenehmigungsbogen der … AG erfolgt die zweitinstanzliche Behauptung der Klagepartei, die Beklagte habe unwahre Angaben gemacht bei den Angaben zum Funktionieren des Abgasrückrückführungssystems bei niedrigen Temperaturen, ersichtlich ins Blaue: Angaben der … AG in einem Mustertypengenehmigungsbogen sind – unabhängig von der Frage der Verspätung des Vortrags – nicht geeignet, die Behauptung zu untermauern, die Beklagte habe unwahre Angaben gemacht in Bezug auf Fahrzeuge ihrer Produktion mit Motoren aus ihrer Entwicklung. Überdies ist die bloße Angabe zur Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems – zumal mit dem Hinweis auf die Anpassung/Optimierung der AGR-Rate u.a. hinsichtlich der Ansauglufttemperatur – und zum Funktionieren des AGR bei niedrigen Temperaturen, nicht geeignet, unwahre Angaben zum Thermofenster und der AGR herauszulesen (vgl. Art. 3 Nr. 9, 4. Absatz der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge, ABl. L 199 vom 28.07.2008, S. 1 ff.).
2. Zur Relevanz des Vortrags im Übrigen hat der Senat im Hinweisbeschluss ausführlich erläutert, warum die von der Klagepartei vorgetragenen Anhaltspunkte nicht genügen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich des Einwands zur Relevanz eines Sachverständigengutachtens in einem Verfahren vor dem Landgericht Bielefeld und zur Frage der Maßgeblichkeit von Bewertungen des Kraftfahrtbundesamtes Bezug genommen auf den Hinweisbeschluss, dort S. 12, 11 (Bl. 260, 259 d.A.).
Erstinstanzlich hatte die Klagepartei mit Schriftsatz vom 12.03.2021 (Bl. 117 ff. d.A.) angeregt, eine Auskunft zu erholen, „ob“ das streitgegenständliche Fahrzeug einem Anhörungsverfahren unterfällt (a.a.O. S. 2); dem Vortrag der Beklagten hierzu (Bl. 171 d.A.) ist die Klagepartei nicht mehr entgegengetreten, worauf das Landgericht in der Urteilsbegründung abstellt. Dies hat die Klagepartei in der Berufung nur unzureichend angegriffen, indem sie dort ausführte, „Aus der oben angeführten Auskunft des KBA ist im Übrigen ersichtlich, dass es ein Anhörungsverfahren zu dem hier gegenständlichen Motor geben muss. Davon ist in der Klageerwiderung nichts zu lesen.“ Das nunmehrige Bestreiten ist verspätet. Soweit sich die Klagepartei mit Schriftsatz vom 04.08.2021 darauf beruft, aus dem als Anlage BB1 vorgelegten Schreiben vom 01.02.2021 ergebe sich, dass das Anhörungsverfahren in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug noch nicht abgeschlossen sei, steht dies im Widerspruch zum bisherigen Vortrag zu diesem Schreiben: Erstinstanzlich wie auch in der Berufungsbegründung zitiert die Klagepartei dieses Schreiben zum Beleg der Behauptung, das streitgegenständliche Motorenmodell sei „Gegenstand weiterer Untersuchungen“ (Bl. 117 ff. d.A., dort S. 2, Bl. 225 d.A.). Überdies: Der Unterlage BB1 lässt sich kein Hinweis entnehmen, inwieweit die dort betroffenen Fahrzeuge konkret vergleichbar sind mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug, gleiches gilt für das auszugsweise wiedergegebene, aber nicht als Anlage BB5 vorgelegte Schreiben vom 06.05.2021. Soweit die Klagepartei erstinstanzlich ferner auf ein Anhörungsverfahren zu Motoren der Variante 180 kw abstellt, fehlt es an Anhaltspunkten zur Vergleichbarkeit; ferner wurde dieses Anhörungsverfahren nach dem klägerischen Vortrag bereits am 29.11.2019 eingeleitet (Bl. 117 ff. d.A., dort S. 6), mithin vor eineinhalb Jahren. Letztlich stellt allein ein Anhörungsverfahren in Bezug auf das Emissionsverhalten eines Fahrzeugs kein Indiz für ein objektiv sittenwidriges Verhalten dar, da bereits nicht jede unzulässige Abschalteinrichtung ohne weiteres den Vorwurf objektiv sittenwidrigen Verhaltens trägt.
Soweit die Klagepartei erneut auf die nicht mehr gültige Fassung des Rückrufs unter der Nr. 7130 in der Rückrufdatenbank des Kraftfahrtbundesamtes hinweist (Bl. 264 d.A.), nimmt der Senat auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss, dort S. 11 (Bl. 259 d.A.) Bezug, dort wurde bereits auf die erfolgte Korrektur des Eintrags durch das Kraftfahrtbundesamt hingewiesen. Zu dem Einwand, es sei nicht nachvollziehbar, dass der Vortrag zu einer Lenkwinkelerkennung und dem Warmlaufprogramm nach den vorgelegten internen Unterlagen der … AG vom Senat als nicht tragend bewertet werde, wird darauf hingewiesen, dass diese internen Unterlagen der … AG im vorliegenden Verfahren nicht vorgelegt wurden.
Kein Indizcharakter kommt vorliegen den vorgetragenen Messwerten zu Fahrten im Realbetrieb zu; es wird Bezug genommen auf BGH, Urteil vom 13.07.2021, Az.: VI ZR 128/20, Rdnr. 23 a.E.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung von § 40, 47, 48 GKG, § 3 ZPO bestimmt.


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