Europarecht

Diesel – Abgasskandal

Aktenzeichen  18 U 65/20

Datum:
27.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 32228
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31, § 826
ZPO § 513 Abs. 1, § 522 Abs. 2

 

Leitsatz

An dem für Ersatzansprüche erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Täuschung und eingegangener Verpflichtung fehlt es in Fällen des sog. Dieselabgasskandals dann, wenn der Entschluss zum Abschluss des Kaufvertrages auf ergänzenden (unter Umständen fehlerhaften) Angaben des Verkäufers zu den Folgen des Skandals und seiner Behebung (hier: Software-Update) beruht. (Rn. 10 und 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 O 3956/18 2019-12-09 Urt LGTRAUNSTEIN LG Traunstein

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 09.12.2019, Az. 5 O 3956/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 09.12.2019 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Dies zeigt die Berufungsbegründung nicht auf.
I.
Das Landgericht hat Schadensersatzansprüche der Klagepartei wegen des Erwerbs eines vom sogenannten Dieselskandal betroffenen Pkw jedenfalls im Ergebnis zu Recht verneint und die Klage als unbegründet abgewiesen.
1. Das Landgericht hat dem Kläger den geltend gemachten Schadensersatzanspruch in erster Linie deshalb versagt, weil die Beklagte im Zeitpunkt des Erwerbs des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch den Kläger am 19.05.2016 die Öffentlichkeit bereits über die maßgeblichen den Täuschungsvorwurf begründenden Umstände informiert hatte. Aus diesem Grunde kann nach Ansicht des Landgerichts nicht mehr davon ausgegangen werden, dass eine vorsätzliche Täuschungshandlung der Beklagten vorliege.
2. Ob die Begründung des Landgerichts tragfähig ist, kann offen bleiben. Ein grundsätzlich in Betracht kommender deliktischer Schadensersatzanspruch, insbesondere aus § 826, § 31 BGB, scheitert im vorliegenden Fall daran, dass die Klagepartei weder hinreichend dargelegt noch nachgewiesen hat, dass eine Täuschung seitens der Beklagten für ihre Entscheidung zum Erwerb des streitgegenständlichen Pkw kausal geworden ist und sie diesen nicht erworben hätte, wenn sie von einer Betroffenheit des Fahrzeugs vom sogenannten Diesel-Abgasskandal gewusst hätte. Vielmehr hat der Kläger selbst bei seiner informatorischen Anhörung angegeben, zum Zeitpunkt des Kaufvertrages sowohl Kenntnis vom „Dieselskandal“ als auch von der Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs gehabt zu haben.
a) Die Schädigungshandlung der Beklagten kann allein darin gesehen werden, dass sie einen Dieselmotor des Typs EA 189 entwickelt und in Verkehr gebracht hat, der von der sog. „VW-Abgasthematik“ betroffen ist, also mit einer – nicht offen gelegten – Motorsteuerungssoftware ausgestattet ist, die den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem Ausstoß im normalen Fahrbetrieb reduziert. Dieser Motor sollte bestimmungsgemäß in ein Kraftfahrzeug eingebaut und sodann an einen Endkunden, dem gegenüber die Funktionsweise der Software nicht offengelegt wird, verkauft werden. In Übereinstimmung mit dem Oberlandesgericht Karlsruhe (Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18, BeckRS 2019, 3395) wertet der Senat das Inverkehrbringen eines mit einer solchen nicht offengelegten Abschalteinrichtung ausgestatteten Motors als konkludente Täuschung des Endkunden, der das Fahrzeug, in das der Motor eingebaut worden ist, erwirbt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht der Schaden im Fall einer durch arglistige Täuschung verübten sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) regelmäßig in der eingegangenen Verpflichtung, die der Getäuschte bei Kenntnis der Umstände nicht eingegangen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.2004 – VI ZR 306/03, BGHZ 161, 361, juris Rn. 14 ff.).
Die Darlegungs- und Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen Täuschung und eingegangener Verpflichtung trifft den Geschädigten; auf den Nachweis der konkreten Kausalität der Täuschung für den Willensentschluss des Getäuschten kann nicht verzichtet werden (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 79. Aufl., § 826 Rn. 18; BGH, Urteil vom 04.06.2013 – VI ZR 288/12, NJW-RR 2013, 1448, juris Rn. 25). Dabei kann es genügen, dass der Getäuschte Umstände darlegt, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten, und dass die arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung hat (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.1995 – V ZR 34/94, NJW 1995, 2361, juris Rn. 17).
b) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe fehlt es im vorliegenden Fall an einer für den Erwerb des streitgegenständlichen Pkw durch den Kläger kausalen Täuschungshandlung der Beklagten.
Der Kläger hat bei seiner informatorischen Anhörung durch das Landgericht angegeben, er habe zum Zeitpunkt des Kaufvertrages am 19.05.2016 Kenntnis von dem sogenannten Dieselskandal gehabt. Der Verkäufer habe ihm auf Nachfrage mitgeteilt, dass das streitgegenständliche Fahrzeug betroffen sei, dass dem Kläger aber durch das Softwareupdate kein Nachteil entstünde und dass das Softwareupdate auch nur optional sei. Aufgrund der Umstände habe der Kläger einen Preisnachlass erhalten. Hätte er gewusst, dass das Softwareupdate verpflichtend sei, da sonst die Betriebszulassung entzogen würde, hätte er sich für den Kauf des Fahrzeugs nicht entschieden (Bl. 243 d.A.).
Damit war aber schon nach dem Vortrag des Klägers die Schädigungshandlung seitens der Beklagten nicht kausal für den Kaufvertragsabschluss. Vielmehr beruht der Entschluss zum Abschluss des Kaufvertrages auf den ergänzenden (unter Umständen fehlerhaften) Angaben des Verkäufers. Der Kläger hat aber nicht vorgetragen, dass und warum die Beklagte sich diese Angaben zurechnen lassen müsste.
3. Die vorstehenden Ausführungen gelten in gleicher Weise für alle übrigen von der Klagepartei ins Feld geführten deliktischen Anspruchsgrundlagen. Die Darlegungs- und Beweislast für den erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Schädigungshandlung und Schaden trifft bei allen in Betracht kommenden Haftungstatbeständen den Geschädigten (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 79. Aufl., § 823 Rn. 80 ff.).
II.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Zulassung der Revision nicht geboten und damit eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nicht nach § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 oder 3 ZPO ausgeschlossen.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, weil die Frage der Kausalität einer Täuschungshandlung in jedem Einzelfall von den Instanzgerichten zu klären ist und keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat.
III.
Zur Vermeidung weiterer Kosten regt der Senat die Zurücknahme der offensichtlich unbegründeten Berufung an. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz).


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