Europarecht

Erwerb eines Dieselfahrzeugs: Schadensersatz bei Behauptung einer unzulässigen Abschalteinrichtung

Aktenzeichen  8 U 54/21

Datum:
17.12.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt 8. Zivilsenat
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 31 BGB
§ 826 BGB
Spruchkörper:
undefined

Verfahrensgang

vorgehend LG Magdeburg, 22. Juli 2021, 10 O 1403/20, Urteil

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 22.07.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
und beschlossen:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Stufe bis 30.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte im Zusammenhang mit dem sog. Dieselskandal auf Rückabwicklung eines am 22,09.2017 zu einem Kaufpreis von 36.000,00 € getätigten (finanzierten) Erwerbs eines Audi Q5 2.0 TDI in Anspruch, in welchem ein Motor des Typs EA288 EU6 SCR verbaut ist.
Dem Senat ist aus verschiedenen Parallelverfahren Folgendes (gerichts-) bekannt:
In einer E-Mail des (Name geschwärzt) Senior Counsel und Dipl.-Ing. Fahrzeugtechnik der Beklagten an das KBA vom 01.10.2015 wird zu Dieselmotoren mit Emissionsstufe EU6 der Beklagten Folgendes ausgeführt:
“Die Motor-Software enthält eine Fahrkurve zur Präkonditionierung sowie eine Temperatur- und eine Weg-Zeit-Sensierung, die mit Toleranzzugabe die Weg-Zeit-Funktion des NEFZ erkennt, wird eine der Toleranzgrenzen dieser Erkennung einmal überschritten, geht der Funktionsmodus in die Applikation für den Straßenbetrieb über und kann bis zum nächsten Motorstart nicht mehr in den NEFZ-Modus zurückkehren. Die Motorapplikation für beide Funktionsmodi ist identisch. Eine Lenkwinkel- oder Radrehzahlsensierung oder sonstige Sensierung von Fahrzeugdaten findet zu diesem Zweck nicht statt”.
Aus einem mit “Technisches Statement: Fahrzyklus-Erkennung” überschriebenen Dokument der Beklagten vom 19.10.2015 ergeben sich folgende Parameter, an welche die Fahrzyklus-Erkennung beim EA288 anknüpft:
Einschalten
Motorstart Temperatur -50 bis 140°C
Öltemperatur -50 bis 140°C
Kraftstofftemperatur -50 bis 140° C
Höhe (Umgebungsdruck) 795 hPa
Ausschalten
Zeit-Weg-Funktion Definierte Funktion
Daneben ist vermerkt:
“Emissionseinfluss Nein”
Im Rahmen eines am 02.10.2015 dort erfolgten Gesprächs hat die Beklagte dem KBA ein Dokument vorgelegt, in dem die “Umschaltstrategie EA288 EU6 SCR” wie folgt beschrieben wird:
“Die Funktion unterscheidet zwei SCR-Betriebsstrategien:
Strategie 1:
bis 200°C SCR-Kat-Temp höhere AGR Rate sowie geringere SCR-Dosierung
aktiv innerhalb Strecken-Zeit-Korridor ab Motorstart
Strategie 2:
ab 200°C SCR-Kat-Temp.: niedrigere AGR-Rate sowie höhere SCR-Dosierung
aktiv außerhalb des Strecken-Zeit-Korridors”,
Daneben ist vermerkt:
“Keine unterschiedlichen Emissionen zw. 1 und 2”
In einer 13-seitigen Stellungnahme der von der Beklagten beauftragten Kanzlei F. B. D. vom 04.10.2015 wird unter B. II. 1 I 3 die Funktionsweise des SCR- Systems wie folgt beschrieben:
“Aufgrund der Tatsache, dass der Testlauf auf dem Rollenprüfstand nach den EU-rechtlichen Vorgaben des NEFZ strikt auf einen bestimmten Zeitraum festgelegt ist (4 x 195 sec Simulation inner städtischer Verkehr insgesamt 4,052 km anschließend 400 sec Simulation außerstädtischer Verkehr, Wegstrecke 6,955 km), anschließend 400 sec. Simulation außerstädtischer Verkehr. Wegstrecke 6,955 km), innerhalb dessen nicht sicher damit gerechnet werden kann, ob/wann die Umschaltschwelle von 200°C erreicht ist, der Prüfzyklus indes widerspiegeln sollte, dass es tatsächlich eine Umschaltung von Betriebsmodus A zu B gibt sowie die Testergebnisse reproduzierbar sein sollten, wird im Rollenprüfstandsmodus das SCR-System nicht temperatur- sondern zeitgesteuert nämlich durch Umschaltung des SCR- Betriebsmodus von A auf B zu einem Zeitpunkt im ersten Drittel des außerstädtischen Verkehrs Die tatsächliche Wirksamkeit des SCR-Systems unterscheidet sich nicht, sie ist im normalen Fahrbetrieb nicht verringert.
Wurde das SCR-System auch auf dem Rollenstand nicht zeit-, sondern nach einem rechnerischen Algorithmus, der die Temperatur des SCR-System simuliert, gesteuert, so hatte dies keinen Einfluss darauf, dass die EU6- Emissionsgrenzwerte unverändert eingehalten werden”
Unter C. II. I 1 und 2 des vorgenannten Dokuments wird der obige Sachverhalt dann einer rechtlichen Würdigung unterzogen, und zwar dahingehend, dass die Umstellung der Temperatursteuerung des SCR-Systems auf eine Zeitsteuerung bei Durchfahren des NEFZ keine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle, weil sie nicht zu einer Verringerung der Wirksamkeit des Emissionsminderungssystems bzw. SCR-Systems unter normalen Fahrbedingungen führe: darüber hinaus sei
“äußerst zweifelhaft, ob schon im Ausgangspunkt eine Abschalteinrichtung” vorliege, da “die Temperatursteuerung des SCR-Systems der Grund- und Normalmodus für den Betrieb des Fahrzeugs” sei.
In der “Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien und Freigabevorgaben EA 288” der Beklagten vom 18.11.2015 heißt es zum EA 288 EU 6 SCR:
“Anwendungsbeschreibung:
SCR Bedatung, Aktivierung und Nutzung der Erkennung des Precon und NEFZ, um die Umschaltung der Rohemissionsbedatung (AGR-High/Low) streckengesteuert auszulösen (bis Erreichung SCR- Arbeitstemperatur und OBD-Schwellwerte).
Applikationsrichtlinie (Serienfreigaben):
SOP vor KW 22/16 (für SOP, Modellpflege): Fahrkurven dürfen nicht zur Einhaltung der Emissions- und OBD- Grenzwerte genutzt werden. Diese müssen durch Ausbedatung oder Software-Änderung entfernt werden Möglicherweise notwendige Umschaltungen zur Einhaltung der Emissions- und OBD-Grenzwerte müssen auf Basis physikalischer Randbedingungen erfolgen.
SOP ab KW22/16 (für SOP, Modellpflege); Bei neuen Freigaben sind die Fahrkurven aus der Software entfernt, Umschaltungen oder die Platzierung von Abgasnachbehandlungsevents muss auf Basis physikalischer Randbedingungen unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben für Roh- und Endrohremissionen erfolgen”.
Die Klägerin hat vorgetragen, in dem Fahrzeug sei eine sog. Akustikfunktion inklusive Fahrkurve (Zykluserkennung) installiert. Des Weiteren werde der Prüfstand am Lenkwinkel und der Öffnung der Motorhaube erkannt. Außerhalb des Prüfstands werde – anknüpfend an verschiedene Parameter wie Drehzahl, Drehmoment, verschiedene Temperaturen und Luftdruck – die AGR-Rate und die AdBlue-Dosierung reduziert. Zudem seien ein Thermofenster und eine unzulässige Aufwärmfunktion verbaut. Nach 1200 bzw 2000 Sekunden, d.h. nach Ende des Testzyklus, wechsele die Motorsteuerung “in den schmutzigen Abgasmodus”. Im Übrigen sei das OBD manipuliert.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 31.200.00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozent punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.06 2020 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw Audi Q5 2.0 TDI, FIN: …
die Beklagte zu verpflichten, sie von den weiteren Raten aus dem Darlehensvertrag der S. C. Bank AG, S.-Platz …, …. M., freizustellen.
festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des vorbezeichneten Pkw in Annahmeverzug befindet,
und die Beklagte zu verurteilen, sie von den durch die Beauftragung ihrer Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.696,13 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten seit dem 17.06.2020 freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, aus den Untersuchungen und amtlichen Auskünften des KBA ergebe sich, dass im EA288 keine unzulässigen Abschalteinrichtungen vorhanden seien; dementsprechend sei auch kein Rückruf durch das KBA erfolgt. Eine Fahrkurve, welche bereits zuvor nicht benötigt worden sei, um die Grenzwerte einzuhalten, sei im streitgegenständlichen Fahrzeug nicht mehr hinterlegt worden. Die AdBlue-Dosierung werde auf dem Prüfstand und im Realbetrieb nicht unterschiedlich angesteuert. Es gebe keine prüfstandsabhängige Aufheizstrategie. Das Thermofenster sei nicht unzulässig. Außerdem fehle es am Unrechtsbewusstsein bzw. Vorsatz.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es fehle an einem Rückruf des KBA. Aus dessen amtlichen Auskünften an das LG Bayreuth vom 15.12.2020 und an das LG Aschaffenburg vom 08 03.2021 ergebe sich, dass keine unzulässigen Abschalteinrichtungen vorhanden seien. Der entgegenstehende Vortrag der Klägerin sei unsubstanziiert. Das Thermofenster sei zulässig, Im Übrigen bestehe keine Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie trägt vor, ein Rückruf durch das KBA sei keine Voraussetzung für die deliktische Haftung der Beklagten. Der klägerische Vortrag sei hinreichend substanziiert. Die Beklagte treffe eine sekundäre Darlegungslast.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung
die Beklagte zu verurteilen, an sie 27.205,56 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.06.2020 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw Audi Q5 2.0, FIN: …
festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des vorbezeichneten Pkw in Annahmeverzug befinde,
die Beklagte zu verurteilen, sie von den durch die Beauftragung ihrer Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1 698,13 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten seit dem 17.06.2020 freizustellen,
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Im Senatstermin vom 02.12.2021 haben die Parteien als aktuellen Kilometerstand 73.287 km unstreitig gestellt.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus §§ 826, 31 BGB bzw. § 831 BGB.
Die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts sind zutreffend. Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass das Fahrzeug zwar über unzulässige Abschalteinrichtungen verfügt, mangels Täuschung des KBA sowie wegen fehlendem Unrechtsbewusstsein der Beklagten aber keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i.S.d. § 826 BGB vorliegt und infolge Nichtbestehen einer Stilllegungsgefahr auch kein Schaden entstanden ist.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung liegt eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung eines Fahrzeugkäufers vor, wenn der Motorenhersteller auf der Grundlage einer grundlegenden strategischen Entscheidung durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA einen Motor in Verkehr bringt, dessen Steuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten werden, denn damit geht einerseits die Gefahr einer erhöhten Umweltbelastung, und andererseits die Gefahr einer Betriebsbeschränkung- oder -untersagung einher (vgl BGH, Urt. v. 25.05 2020, VI ZR 252/19, Rn. 16; OLG Hamm, Urt. v. 22.06.2021, 13 U 194/20, Rn. 49)
Da das streitgegenständliche (Neu-) Fahrzeug unstreitig erst am 05.07.2017, d.h. deutlich nach der 22. Kalenderwoche 2016. ab der Neufahrzeuge nach der “Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien und Freigabevorgaben EA 288” keine Fahrkurve mehr enthalten sollten, produziert worden ist (vgl. Bl. 179, 208 f II d.A.). ist davon auszugehen, dass in dem Fahrzeug entsprechend dem Vortrag der Beklagten tatsächlich keine Fahrkurve, d.h. eine Prüfstandserkennung anhand eines Zeit-Strecken-Korridors (vgl. Bl. 133 II d.A.) mehr hinterlegt worden ist. Unabhängig davon stellt eine Fahrkurvenerkennung (vgl. OLG Naumburg; Urt. v. 31.05.2021, 12 U 35/21, Rn 16; OLG Stuttgart, Urt. v. 18.05.2021. 16a U 1576/20, Rn. 26; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12 05.2021, 18 U 526/19. Rn. 43; jeweils zitiert nach juris) und dementsprechend auch eine Erkennung eines Prüfstands anhand des Lenkwinkels oder der Öffnung der Motorhaube für sich betrachtet keine Abschalteinrichtung dar.
Dass die bei EA288 EU6 SCR Motoren mit Fahrkurvenerkennung an letztere anknüpfende, nur auf dem Prüfstand erfolgende Beibehaltung einer erhöhten AGR-Rate nach Erreichen der SCR-Betriebstemperatur von 200 °C (vgl, Bl. 103 I d.A.) sowie die nur im Prüfbetrieb bereits ab 130°C und nicht erst (wie im Realbetrieb) bei 150 °C SCR-Betriebstemperatur erfolgende AdBlue-Eindüsung (vgl. hierzu den eigenen diesbezüglichen Vortrag der Beklagten auf Bl. 4, 67 f III d.A. in der Parallelsache 8 U 13/21) auch noch bei EA288 EU 6 Motoren ohne Fahrkurvenerkennung erfolgt, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Vielmehr wird nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten die AGR und die AdBlue-Dosierung auf dem Prüfstand und im Realbetrieb gleich angesteuert (Bl. 80 I, 179 f II d.A.).
Der Bundesgerichtshof hat indes zunächst zum Thermofenster (BGH, Besohl. v. 19.01.2021, VI ZR 433/19, Rn. 17 ff; Beschl. v. 09.03.2021, VI ZR 889/20, Rn. 25 ff) und zwischenzeitlich auch zur Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung (vgl. BGH. Hinweisbeschluss vom 13.10.2021, VII ZR 99/21, Rn. 24) entschieden, dass bei Einrichtungen, die “im Grundsatz auf dem Prüfstand und im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise” arbeiten, von einem Unrechtsbewusstsein bzw Vorsatz der Beklagten nur bei Hinzutreten weiterer Umstände ausgegangen werden kann (in diesem Sinne auch OLG Hamm, Urt. v. 29.06.2021, 13 U 175/20, Rn. 67, Urt. v. 01.06.2021, 34 U 81/20, Rn. 80; Urt. v. 01.06.2021, 34 U 81/20, Rn. 111). Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung handelt die Beklagte auch dann nicht ohne weiteres sittenwidrig, wenn sie die Schaltkriterien für die AGR-Raten sowie die Ad-Blue Dosierung an die physikalischen Randbedingungen des NEFZ, also z.B. an bestimmte Temperaturen (vgl OLG Hamm, Urt. v. 22.06 2021, 13 U 194/20, Rn, 67; OLG Frankfurt, Urt. v. 20 05.2021, 4 U 176/20, Rn. 32 ff), Drücke, Drehzahlen und Lasten (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 01.06.2021, 34 U 81/20, Rn. 111; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.05.2021, 6 U 310/20, Rn. 95) anlehnt. Weitere Umstände, insbesondere Anhaltspunkte für wissentlich unterbliebene oder unrichtige Angaben der Beklagten im Typengenehmigungsverfahren, die noch dazu auf ein heimliches und manipulatives Vorgehen oder eine Überlistung des KBA und damit auf einen bewussten Gesetzesverstoß hindeuten würden, vermag der Senat nicht zu erkennen (vgl. BGH, Hinweisbeschluss v. 13.10.2021, VII ZR 99/21, Rn. 17, 26); insbesondere hat die Beklagte hinsichtlich des Thermofensters nicht die Abhängigkeit der Abgasrückführungsrate von der Außenlufttemperatur verschleiert (vgl. OLG Naumburg. Urt. v. 20.05.2021, 4 U 176/20, Rn, 37; OLG Frankfurt. Urt. v. 19.05.2021 4 U 247/19, Rn. 41; jeweils zitiert nach juris).
Selbst aber wenn auch EA288 EU 6 Motoren ohne Fahrkurvenerkennung noch über die oben dargestellten verschiedenen Betriebsmodi im Prüfstand und im Realbetrieb verfügen würden, würde dies am Ergebnis nichts ändern.
Auch in diesem Fall fehlt es nämlich an einer Täuschung des KBA durch die Beklagte (vgl. BGH. Beschl. v. 09.03.2021, VI ZR 889/20, Rn. 24, OLG Frankfurt, Urt. v. 28.09.2021, 24 U 208/20, Rn. 38, 44; OLG Hamm, Urt. v. 29.06.2021, 13 U 434/20, Rn. 94, 95: OLG Naumburg, Urt. v. 31.05.2021, 12 U 35/21, Rn. 21; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.05.2021, 6 U 310/20, Rn 57; jeweils zitiert nach juris). Vielmehr ergibt sich aus der bei dem anlässlich des Gesprächs vom 02.10.2015 beim KBA vorgelegten “UmschaltstrategieEA288 EUG SCR”. dem Schreiben der Beklagten an das KBA vom 29.12.2015 sowie den der Beklagten vorgelegten amtlichen Auskünften des KBA an das OLG Oldenburg vom 11.02.2021 an das OLG München vom 25.01.2021, an das OLG Stuttgart vom 13.11.2020, an das LG Berlin vom 01.02.2021 und an das LG Bayreuth vom 15.12.2020 (Anlagenkonvolut BE 1) hervor, dass die Fahrkurvenerkennung sowie die “Umschaltstrategie EA288 EUG SCR” beim KBA seit Ende 2015 bekannt waren und dort nicht als unzulässig eingestuft worden sind. Das KBA hat hierzu ausgeführt, die Fahrkurvenerkennung habe als ein zusätzliches Kriterium zur Umschaltung von Emissionsminderungsstrategien gedient, funktioniere auf dem Prüfstand und im Straßen betrieb gleichermaßen und habe keinen wesentlichen Einfluss auf die Schadstoffemissionen; auch bei Deaktivierung der Fahrkurvenerkennung würden die Grenzwerte für Stickoxide eingehalten (vgl. OLG Köln. Urt. v. 20.06.2021. 5 U 254/19, Rn. 38: OLG Hamm, Urt. v. 29.06.2021, 13 U 434/20, Rn. 88. 89; OLG München. Urt. v. 15.06.2021, 9 U 5466/20. Rn. 38 ff: OLG Hamm. Urt. v. 14 06.2021, 8 U 156/20, Rn. 40: OLG Stuttgart, Urt. v. 18.05.2021. 16a U 1576/20, Rn. 39: OLG Oldenburg, Urt. v. 14.05.2021, 6 U 310/20. Rn. 90; jeweils zitiert nach juris).
Vor diesem Hintergrund kann auch kein Unrechtsbewusstsein bzw. Vorsatz der Beklagten festgestellt werden Wenn das KBA als zuständige Fachbehörde die Rechtsauffassung vertritt, dass eine Fahrkurvenerkennung für sich betrachtet unproblematisch und eine hieran anknüpfende Umschaltung erst dann eine unzulässige Abschalteinrichtung sei, wenn sie sich auf die Einhaltung der Grenzwerte auswirke, kann man der Beklagten diesbezüglich kein unvertretbares Rechtsverständnis vorhalten (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 29.06.2021, 13 U 175/20, Rn. 49, 60: OLG Hamm, Urt. v. 01.06.2021, 34 U 81/20, Rn. 112; OLG Naumburg, Urt. v. 31.05.2021, 12 U 35/21 Rn. 21: Urt. v. 20.05.2021. 4 U 176/20, Rn. 39; jeweils zitiert nach juris).
Zudem fehlt es an einem Schaden der Klägerin, da keine Stilllegung des Fahrzeugs droht (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 28.09.2021, 24 U 208/20. Rn. 46, 49: OLG München. Urt. v. 15.06.2021, 9 U 5466/20, Rn. 34, OLG Hamm. Urt. v. 14.06.2021. 8 U 156/20, Rn. 36; OLG Frankfurt, Urt. v. 19.05.2021. 4 U 247/19. Rn. 28; jeweils zitiert nach juris). Insoweit kann sich die Klägerin auch nicht auf den Beschluss des BGH vom 28.01.2020, VIII ZR 57/19, stützen, wonach greifbare Anhaltspunkte für eine Abschalteinrichtung nicht erst nach Anordnung eines Rückrufs vorlagen, denn damit war lediglich der Fall gemeint, dass das KBA den betreffenden Motor noch nicht auf unzulässige Abschalteinrichtungen hin untersucht hatte, nicht aber der vorliegende umgekehrte Fall, dass bei diesbezüglichen Untersuchungen keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt worden sind (vgl. OLG Oldenburg, Urt. v. 14.05.2021, 6 U 310/20, Rn. 74, zitiert nach juris). In diesem Zusammenhang kann sich die Klägerin auch nicht auf den lediglich wegen einer Konformitätsabweichung erfolgten Rückruf 23Z7 von T-6 Modellen (OLG Hamm, Urt. v. 01.06.2021. 34 U 81/20, Rn. 62 ff: OLG Naumburg, Urt. v 20 05.2021, 4 U 176/20, Rn. 43 ff; jeweils zitiert nach juris) oder auf die freiwilligen Servicemaßnahmen 23X4, 23AV und 23YC berufen (vgl OLG Hamm. Urt. v. 01.06.2021, 34 U 81/20, Rn. 101, zitiert nach juris).
An seiner hinsichtlich der vorgenannten drei Punkte (fehlende Täuschung des KBA, fehlendes Unrechtsbewusstsein bzw. fehlender Vorsatz der Beklagten, fehlender Schaden) abweichenden Rechtsauffassung in seinem Urteil vom 09.04.2021 (8 U 68/20) hält der Senat nicht weiter fest.
Ob das OBD fehlerhaft arbeitet, kann dahingestellt bleiben, da es sich hierbei um ein Fahrzeugdiagnosesystem und keine Abschalteinrichtung handelt (vgl. OLG Oldenburg, Urt. v. 14.05.2021, 6 U 310/20, Rn. 91 ff; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.05.2021, 18 U 526/19, Rn. 37 ff; jeweils zitiert nach juris).
Der klägerische Vortrag, wonach das Fahrzeug angelehnt an die Prüfdauer nur 1200 bzw. 2000 Sekunden die Abgasgrenzwerte einhalte (Bl. 88 f I d.A.), ist im Hinblick darauf, dass die von der Beklagten vorgelegten amtlichen Auskünfte des KBA. der durch das BMVI veröffentlichte Bericht der der Untersuchungskommission V. sowie die im Rahmen der freizugebenden Software-Updates für das Nationale Forum Diesel und im Rahmen spezifischer Feldüberwachungen durchgeführten Untersuchungen die Anforderungen an die dem Kläger zum Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung obliegende Darlegungslast erhöhen (vgl OLG Köln, Urt. v. 20.06.2021, 5 U 254/19, Rn. 39; OLG Hamm, Urt. v. 29.06.2021, 13 U 434/20, Rn. 98, 99: Urt. v. 29.06.2021 13 U 175/20, Rn. 54 ff. jeweils zitiert nach juris), nicht hinreichend (nach-) substanziiert (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 14.06.2021. 8 U 156/20, Rn 43; Urt. v. 01.06.2021 34 U 81/20, Rn. 111).
Das gleiche gilt hinsichtlich der Aufwärmfunktion zumal die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, dass das streitgegenständliche Fahrzeug über keine prüfstandsbezogene Aufheizstrategie verfüge (Bl. 192 II d.A.).
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m, Schutzgesetzen (vgl. hierzu im Einzelnen OLG Hamm, Urt. v. 01.06.2021, 34 U 81/20, Rn. 115 ff, m.w.N.).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. §§ 708 Nr. 10, 709 S. 2, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht gem. § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (vgl. BGH, Beschl. v. 13.10.2021, VII ZR 99/21, Rn. 9).
Der Streitwert wurde gem. §§ 43 Abs. 1. 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO festgesetzt (vgl. BGH, Beschl. v. 26.01.2021, VI ZR 281/20, Rn 7; Beschl. v. 23.02.2021, VI ZR 1191/20. Rn. 4 ff; jeweils zitiert nach juris).


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