Europarecht

Erwerb eines von der Abgasmanipulation betroffenen Fahrzeugs nach Bekanntwerden des Dieselskandals

Aktenzeichen  3 U 112/20

Datum:
15.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 29577
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 826

 

Leitsatz

Der Hersteller eines vom Diesel-Skandal betroffenen Fahrzeugs musste nach Bekanntwerden des Skandals nicht sein eigenes Verhalten gegenüber den Käufern als „sittenwidrige Schädigung“ bezeichnen oder als Sachmangel qualifizieren, um einer Inanspruchnahme nach § 826 BGB zu entgehen. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

3 U 112/20 2020-05-14 Hinweisbeschluss OLGBAMBERG OLG Bamberg

Tenor

1. Die Berufung der Klägerseite gegen das Endurteil des Landgerichts Bamberg vom 09.03.2020 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Das Ersturteil des Landgerichts ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 24.000,– € festgesetzt.

Gründe

I.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Ersturteil sowie auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 14.05.2020 Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist. Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss des Senats Bezug genommen. Zur klägerischen Stellungnahme vom 04.06.2020 ist anzumerken:
Die Klagepartei hat den Vorwurf der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung darauf gestützt, dass die Beklagte arglistig den Umstand verschwiegen hat, dass in ihrem Fahrzeug eine Manipulationssoftware verbaut worden sei, die während der offiziellen Messung die Motorsteuerung derart verändert habe, dass das Fahrzeug im Test weniger Abgase ausstoße als auf der Straße. Das Inverkehrbringen eines solchen Fahrzeugs stellt zwar im Grundsatz eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i. S. d. § 826 BGB dar (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19).
Der Senat hat jedoch bereits in seinem Hinweisbeschluss eingehend dargelegt, aus welchen Gründen vorliegend die Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB nicht erfüllt sind. Hierbei hat er daran angeknüpft, dass die Beklagte Maßnahmen zur Unterrichtung der Öffentlichkeit getroffen hat, die zu einer Unterbrechung des Rechtswidrigkeitszusammenhangs geführt haben mit der Folge, dass ein möglicher Schaden der Beklagten nicht mehr zurechenbar ist. Auch unter Berücksichtigung der klägerischen Gegenerklärung, die nach Art einer Textschablone schon keine ernsthafte Auseinandersetzung mit den einzelnen Senatshinweisen in der Sache erkennen lässt, ist daran festzuhalten, dass die im Hinweisbeschluss dargestellten Maßnahmen ausreichend waren, um das Fortwirken des Vorwurfs der sittenwidrigen Schädigung zu verhindern. Über diese Maßnahmen hinaus war die Beklagte nicht zu einer weiteren Aufklärung und insbesondere auch nicht dazu verpflichtet, ihr eigenes Verhalten als „sittenwidrige Schädigung“ zu bezeichnen oder als Sachmangel zu qualifizieren, um den Vorwurf eines sittenwidrigen Eingriffs in die Kaufentscheidung auszuräumen.
Diese Einordnung entspricht nunmehr auch der Feststellung im vorgenannten Piloturteil des BGH vom 25.05.2020, dort Rn. 3, wonach die X.-Seite bereits „im September 2015 öffentlich die Verwendung einer entsprechenden Software eingeräumt“ hat.
Überdies schweigt sich die Klagepartei weiterhin dazu aus, aus welchen Gründen sie trotz der wochen- und monatelangen Berichterstattung über den „Dieselskandal“ noch nicht einmal den Verdacht geschöpft haben will, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet sein könnte. Der Senat sieht sich deshalb in seiner Auffassung bestätigt, dass dies für die Kaufentscheidung der Klagepartei offensichtlich nicht relevant war.
Aus diesem Grund fehlt es für einen Anspruch der Klagepartei gegen die Beklagte auch auf der Grundlage des § 826 BGB an den notwendigen Voraussetzungen. Entsprechendes gilt, soweit die Klagepartei ihren Anspruch auf andere deliktische Anspruchsgrundlagen stützt.
Die Berufung der Klägerseite war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.


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