Europarecht

– Extrakt aus indischem Weihrauch –

Aktenzeichen  29 U 706/19

Datum:
30.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
PharmR – 2020, 709
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 586 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3
ZPO § 580 Nr. 6
ZPO § 579 Abs. 1 Nr. 4
ZPO § 222 Abs. 1, Abs. 2
BGB § 187 Abs. 1
BGB § 188 Abs. 2
MarkenG § 79 Abs. 1 Satz 1
MarkenG § 83 Abs. 1, Abs. 3

 

Leitsatz

1. Wird ein gewerbliches Schutzrecht, aus dem der Restitutionsbeklagte im Verletzungsstreit vor den ordentlichen Gerichten vorgegangen ist, vernichtet, so beginnt die Monatsfrist für die Erhebung einer Restitutionsklage nach §§ 586 Abs. 1, 586 Abs. 2 Satz 1, 580 Nr. 6 ZPO dann, wenn es sich um eine letztinstanzliche Vernichtungsentscheidung handelt, mit der Verkündung dieser Entscheidung in Anwesenheit des Verletzungsbeklagten und Restitutionsklägers oder seines Vertreters.
2. Auf die nachfolgende Zustellung der begründeten gerichtlichen Vernichtungsentscheidung kommt es bei der Zurückweisung einer Beschwerde gegen eine Vernichtungsentscheidung der Erteilungsbehörde nicht deshalb an, weil im Rahmen von §§ 586 Abs. 1, 586 Abs. 2 Satz 1, 580 Nr. 6 ZPO das auf sicheren Grundlagen beruhende Wissen des Restitutionsklägers über die Wiederaufnahmetatsachen erforderlich ist, da sich der konkrete Vernichtungsumfang bereits aus der vorangegangenen behördlichen Entscheidung ersehen lässt.
3. Die Zustellung der begründeten gerichtlichen Vernichtungsentscheidung ist für den Fristbeginn auch nicht nach § 586 Abs. 3 ZPO maßgeblich, weil der Umstand, dass die Klage begrifflich auf die „Nichtigkeit“ eines gewerblichen Schutzrechts als Restitutionsgrund gestützt wird, diese nicht zu einer Nichtigkeitsklage nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO macht.

Verfahrensgang

29 U 3907/16 2017-06-01 Urt OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

I. Die Restitutionsklage gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 19.09.2016, Az. 4 HK O 17405/14, und das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 01.06.2017, Az. 29 U 3907/16, wird als unzulässig verworfen.
II. Die Restitutionsklägerin trägt die Kosten des Restitutionsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Restitutionsklägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Restitutionsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

Die Restitutionsklage ist unzulässig.
1. Nach §§ 586 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1; 580 Nr. 6 ZPO ist die Restitutionsklage vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu erheben, wobei die Frist mit dem Tage beginnt, an dem die Partei von dem Restitutionsgrund Kenntnis erhalten hat, nicht jedoch vor eingetretener Rechtskraft des angegriffenen Urteils.
Maßgeblich ist insoweit das auf sicheren Grundlagen beruhende Wissen des Restitutionsklägers über die Wiederaufnahmetatsachen. Ein Kennenmüssen genügt nur, wenn sich die Partei oder ihr Vertreter der Kenntnisnahme bewusst verschließen. Die zutreffende rechtliche Einordnung, also die Kenntnis davon, dass die bekannt gewordenen Tatsachen einen Wiederaufnahmegrund darstellen, ist nicht maßgeblich (BGH VersR 1962, 175, 176; NJW 1993, 1596, 1597; NJW 1995, 332, 333).
Wird ein gewerbliches Schutzrecht, aus dem der Restitutionsbeklagte im Verletzungsstreit vor den ordentlichen Gerichten vorgegangen ist, vernichtet, so beginnt die Monatsfrist dann, wenn gegen diese Entscheidung ein Rechtsmittel gegeben ist, mit Ablauf der Rechtsmittelfrist und dem damit einhergehenden Eintritt der formellen Rechtskraft, dann, wenn es sich um eine letztinstanzliche Entscheidung handelt, mit der Verkündung der Entscheidung. Die Kenntnis von den die Wiederaufnahme rechtfertigenden Umständen, also der rechtskräftigen Komplett- oder Teilvernichtung des Klageschutzrechts, liegt zum Verkündungszeitpunkt vor, wenn der Verletzungsbeklagte und Restitutionskläger oder dessen Vertretungsorgan bei der fristauslösenden Verkündung der Beschwerdeentscheidung persönlich zugegen war (Cepl/Voß/Tochtermann, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl., § 586 ZPO, Rn. 5; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Aufl., Kap. G, Rn. 316, 321, 322).
2. Nach diesen Maßstäben hat die Notfrist des § 586 Abs. 1 ZPO von einem Monat mit Verkündung des Beschlusses durch das Bundespatentgericht nach § 586 Abs. 2 Satz 1 ZPO am 18.10.2018 zu laufen begonnen und endete nach §§ 222 Abs. 1, Abs. 2 ZPO; 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 19.11.2018, eines Montags. Die Restitutionsklage ging am 15.02.2019 und daher erst nach Fristende bei Gericht ein.
Für den Fristbeginn war die Verkündung des Beschlusses durch das Bundespatentgericht, nicht dessen Zustellung maßgeblich, weil der Beschluss (Anlage RK 5) mangels Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 1 MarkenG oder einem der in § 83 Abs. 3 MarkenG aufgezählten, schweren Verfahrensmängel sofort mit der Verkündung nach § 79 Abs. 1 Satz 1 MarkenG rechtskräftig wurde. Die notwendige Kenntnis der Restitutionsklägerin ergibt sich daraus, dass sie bzw. ihre Vertreter unstreitig bei der Verkündung anwesend waren.
Auf die Zustellung des Beschlusses kommt es im vorliegenden Fall – entgegen der Auffassung der Restitutionsklägerin – auch nicht deshalb an, weil sie sichere Kenntnis vom Restitutionsgrund hätte haben müssen und deshalb die vollständigen Entscheidungsgründe habe abwarten dürfen. Maßgeblich ist insoweit allein die sichere Kenntnis vom vermeintlichen Restitutionsgrund, der in der rechtskräftigen Teilvernichtung des maßgeblichen Schutzrechts lag.
Selbst wenn man der Auffassung der Restitutionsklägerin folgen würde, dass es auf den – vermeintlich nur in der Registernummer liegenden – Unterschied zwischen der Marke Nr. 599 und der Marke Nr. 930 wegen der vermeintlich gleichermaßen fehlenden Schutzfähigkeit nicht ankomme, hätte die Restitutionsklägerin mit der Verkündung der Entscheidung durch das Bundespatentgericht (Anlage RK 5) Kenntnis vom konkreten Vernichtungsumfang erlangt, weil hierdurch nur die Beschwerde gegen die vorangegangene Entscheidung des DPMA (Anlage RK 6) zurückgewiesen wurde, aus der sich dieser Umfang bereits ergab. Eine Kenntnis von der Begründung des Bundespatentgerichts selbst war nicht erforderlich.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Restitutionsklägerin angeführten Fundstelle in Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 586, Rn. 16, wo es ausweislich der Überschrift in Rn. 15 ausschließlich um die hier nicht einschlägigen Besonderheiten einer Nichtigkeitsklage nach §§ 586 Abs. 3, 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO geht. Soweit die Restitutionsklägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat darauf verwiesen hat, dass das Restitutionsverfahren hier eigentlich ein Nichtigkeitsverfahren sei, was sich aus der Markenrichtlinie (EU) Nr. 2015/2436 ergebe, so dass die Frist mit der Zustellung des begründeten Beschlusses in Lauf gesetzt werde, kann dem nicht gefolgt werden. Der Umstand, dass Urteile in bestimmten gegenüber § 580 Nr. 6 ZPO gänzlich anders gelagerten Fällen mit einer als Nichtigkeitsklage bezeichneten besonderen Klageform (§ 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO) angegriffen werden können, führt nicht dazu, dass die hiesige Klage als Nichtigkeitsklage im Sinne von § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO anzusehen wäre, weil sie auf die – nur begrifflich gleichlautende – „Nichtigkeit“ einer Marke als Restitutionsgrund gestützt wird. Selbst wenn man die Äußerung der Restitutionsklägerin im Termin dahingehend versteht, dass sie damit nur ein Nichtigkeitsverfahren im markenrechtlichen Sinne, nicht aber ein solches nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO gemeint haben kann, folgt daraus nicht, dass es für den Fristbeginn auf die Zustellung des Beschlusses durch das Bundespatentgericht ankommt. Dass die Markenrichtlinie (EU) Nr. 2015/2436 insoweit Regelungen des allgemeinen mitgliedstaatlichen Zivilprozessrechts, zumal solche über die Durchbrechung der Rechtskraft von Urteilen, abzuändern beabsichtigt hätte, ist nicht im Ansatz ersichtlich.
3. Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 Abs. 1 ZPO bis zur Entscheidung des Bundespatentgerichts über Beschwerden betreffend die Marken „…-…“ mit der Nummer … 657.2 und „…- …“ mit der Nummer … 718.8 scheidet aus, weil die dortigen Verfahren schon aufgrund der Unzulässigkeit der hiesigen Restitutionsklage für die Entscheidung darüber nicht vorgreiflich sind.
4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
5. Die Revision ist nicht aufgrund § 591 ZPO zuzulassen. Die Rechtssache hat wegen ihres Einzelfallcharakters keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV scheidet mangels Entscheidungserheblichkeit der von der Restitutionsklägerin aufgeworfenen Fragen ebenfalls aus (EuGH, Slg. 1981, 3045 Rn. 18 – Foglia/Novello).


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