Europarecht

Frage nach der energiesteuerrechtlichen Behandlung einer Nassvercharterung nicht klärungsbedürftig

Aktenzeichen  VII B 116/12

Datum:
14.5.2014
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO
§ 4 Abs 1 Nr 3 MinöStG 1993
§ 50 Abs 1 MinöStV
§ 27 Abs 2 Nr 2 EnergieStG
Art 14 Abs 1 Buchst b EGRL 96/2003
Spruchkörper:
7. Senat

Leitsatz

1. NV: Die Frage, ob ein Unternehmen, das ein aufgetanktes Flugzeug einschließlich eines Piloten gegen Entgelt anderen Unternehmen zur Verfügung stellt (Nassvercharterer), als Nutzungsberechtigter und damit Begünstigter i.S. des Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EnergieStRL angesehen werden kann, ist nicht klärungsbedürftig.
2. NV: Ein Unternehmen, das einem anderen Unternehmen im Rahmen eines Chartervertrages gegen Entgelt ein aufgetanktes und versichertes Flugzeug nebst einem Piloten für beliebige Flüge überlässt, kann keine Mineralölsteuerentlastung nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 MinöStG 1993 i.V.m. § 50 Abs. 1 MinöStV beanspruchen.

Verfahrensgang

vorgehend FG Düsseldorf, 2. Mai 2012, Az: 4 K 3189/08 VM,VE, Urteil

Tatbestand

1
I. Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) ist Ehefrau eines Kaufmanns und Piloten, der Eigentümer und Halter eines Flugzeugs ist. Nachdem sie das Flugzeug mit dem damaligen Geschäftsbetrieb von ihrem Ehegatten übernommen hatte, nutzte sie das Flugzeug im Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2007, indem sie für zahlreiche gewerbliche Unternehmen für deren eigenbetriebliche Zwecke Mitarbeiter beförderte. Dazu berechnete sie ihren Kunden die in Minuten bemessene Flugzeit zum angegebenen Ziel zuzüglich Abflug- und Landegebühren. Flugzeugführer des Flugzeugs war stets der Ehemann der Klägerin. Mit ihrer Tätigkeit erzielte die Klägerin einen Gewinn.
2
Den Antrag auf Vergütung der auf dem verwendeten Flugbenzin lastenden Mineralöl- bzw. Energiesteuer lehnte der Beklagte und Beschwerdeführer (das Hauptzollamt –HZA–) mit der Begründung ab, die Klägerin sei kein Luftfahrtunternehmen und führe keine Luftfahrt im verbrauchsteuerrechtlichen Sinn durch. Der Einspruch blieb erfolglos.
3
Die daraufhin erhobene Klage erachtete das Finanzgericht (FG) als überwiegend begründet. Es urteilte, die Klägerin habe mit dem Flugzeug unmittelbar entgeltliche Luftfahrtdienstleistungen erbracht, denn sie habe das Flugzeug ihren Kunden nicht zeitweise überlassen, sondern mit ihm einschließlich des von ihr eingesetzten Piloten vertraglich vereinbarte Beförderungen durchgeführt und diese Leistung auch abgerechnet. Damit habe sie keinen Charter-, sondern einen Beförderungsvertrag abgeschlossen. Es komme nicht darauf an, ob die Klägerin eine Betriebsgenehmigung nach § 20 des Luftverkehrsgesetzes habe. Den ihr zustehenden Entlastungsanspruch könne die Klägerin unmittelbar auf Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/96/EG (EnergieStRL) des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 283/51) stützen. Soweit sie das Flugzeug für die Durchführung von Prüfungsflügen verwendet habe, stehe ihr allerdings hinsichtlich der Mineralölsteuer nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG 1993) i.V.m. § 50 Abs. 1 der Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung (MinöStV) kein Entlastungsanspruch zu, denn mit diesen Flügen habe sie keine Beförderungsdienstleistungen erbracht. In Bezug auf die Energiesteuer ergebe sich ein Vergütungsanspruch aus § 27 Abs. 2 Nr. 2 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG), denn diese Flüge dienten der Instandhaltung des Luftfahrzeugs.
4
Mit seiner Beschwerde begehrt das HZA die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) und Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtsfrage, ob ein Nassvercharterer, der sein Flugzeug einschließlich eines Piloten gegen Entgelt anderen Unternehmen zur Verfügung stelle, als Nutzungsberechtigter i.S. des Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EnergieStRL angesehen werden könne, oder ob der Mieter bzw. Charterer Nutzungsberechtigter sei, so dass es darauf ankomme, ob dieser mit dem Flugzeug selbst unmittelbar eine entgeltliche Luftfahrtdienstleistung erbringe. Sähe man einen Nassvercharterer als Nutzungsberechtigten an, bestehe die Gefahr eines Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten. Die Ansicht des FG Düsseldorf führe zu einem erheblichen fiskalischen Risiko für den Bundeshaushalt, weil künftig auch Unternehmen begünstigt würden, die lediglich Vercharterungen bzw. Vermietungen durchführten. Eine Abweichung vom Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. Februar 2012 VII R 9/09 (BFHE 237, 475, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern –ZfZ– 2012, 335) bestehe insoweit, als das FG dem Umstand keine Bedeutung beigemessen habe, dass die Klägerin keine luftverkehrsrechtliche Zulassung als Luftfahrtunternehmen besitze. Die fehlende Betriebsgenehmigung sei als Indiz dafür zu werten, dass der Betrieb der Klägerin nicht auf eine Personenbeförderung, sondern auf eine Vercharterung angelegt sei. Indem das FG eine bloße Vercharterung als gewerbliche Tätigkeit für die Steuerentlastung als ausreichend erachte, ohne die Verwendung des Flugzeugs durch den Charterer zu berücksichtigen, weiche es vom Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 21. Dezember 2011 C-250/10 (ZfZ 2012, 98) und von den Urteilen des FG Hamburg vom 13. Mai 2009 4 K 53/08 und 4 K 157/08 ab. In den Fällen der Nassvercharterung sei auf den Mieter bzw. Charterer abzustellen. Dieser könne keine Entlastung beanspruchen, wenn er das Flugzeug nur für eigene betriebliche Zwecke verwende, ohne Luftfahrtdienstleistungen zu erbringen. Schließlich weiche das Urteil des FG von der Entscheidung des EuGH vom 1. Dezember 2011 C-79/10 (Slg. 2011, I-12511) ab. Der EuGH habe die Begünstigung des Art. 15 Abs. 1 Buchst. j EnergieStRL auf Unternehmen beschränkt, deren Gegenstand die Fertigung, Entwicklung, Erprobung oder Wartung von Luftfahrzeugen ist. Demgegenüber habe das FG Düsseldorf verkannt, dass diese Bestimmung durch § 27 Abs. 2 Nr. 2 bzw. 3 EnergieStG umgesetzt worden sei. Danach werde eine Steuerentlastung nur bestimmten Instandhaltungsbetrieben gewährt. Demgegenüber habe das FG entschieden, dass auch ein Unternehmen, dessen Hauptgeschäftszweck nicht die Instandhaltung von Luftfahrzeugen ist, eine Steuerentlastung beanspruchen könne.
5
Die Klägerin ist der Beschwerde entgegengetreten. Sie macht geltend, das HZA stütze seine Beschwerde auf einen zumindest unvollständigen Sachverhalt. Sämtliche Werft- und Prüfungsflüge seien als private Flüge gekennzeichnet und nicht in der Summe der Flugminuten enthalten, für die eine Entlastung beantragt und eingeklagt worden sei. Allenfalls beruhe das Urteil auf einer Ungenauigkeit, die durch eine Tatbestandsberichtigung hätte korrigiert werden können. Die vom HZA aufgeworfene Frage sei nicht klärungsbedürftig und auch nicht klärungsfähig, da das FG gerade keine Vercharterung, sondern die Erbringung einer Dienstleistung angenommen habe. Im Übrigen sei eine Abweichung von den vom HZA als Divergenzentscheidungen in Bezug genommenen Gerichtsurteilen nicht erkennbar.
6
Mit Schriftsatz vom 3. Januar 2013 hat die Klägerin die Vorsitzende Richterin am BFH … und den Richter am BFH … wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Mit weiterem Schriftsatz vom 18. Februar 2013 hat die Klägerin beantragt, das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde bis zur Rechtskraft der Entscheidung des FG Düsseldorf im Verfahren 4 K 454/13 auszusetzen.
7
Mit Beschluss vom 11. April 2014 VII S 9/13 hat der BFH den Befangenheitsantrag gegen den an diesem Verfahren noch mitwirkenden Richter am BFH … zurückgewiesen.

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