Europarecht

Hauptwohnsitz als Voraussetzung eines Bewohnerparkausweises

Aktenzeichen  B 1 K 17.1026

Datum:
18.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 47453
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVO § 45 Abs. 1b Nr. 2a, § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 11
GG Art. 6 Abs. 1
StVG § 6 Abs. 1 Nr. 14
BayMeldG Art. 15 Abs. 1 S. 2
BMG § 22

 

Leitsatz

Das Kriterium eines amtlich gemeldeten Hauptwohnsitzes für die Erteilung eines Bewohnerparkausweises verstößt weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen Art. 6 Abs. 1 GG. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Über die Klage konnte aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
II.
Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Bewohnerparkausweises. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten vom 5. Dezember 2017 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 45 Abs. 1b Nr. 2a Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) ist die Straßenverkehrsbehörde berechtigt, Parkmöglichkeiten zugunsten der Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel einzurichten. Nach Ziffer X Nr. 7.35 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 45 StVO hat Anspruch auf Erteilung eines Parkausweises, wer in diesem Bereich meldeberechtigt registriert ist und dort tatsächlich wohnt. Je nach örtlichen Verhältnissen kann die angemeldete Nebenwohnung ausreichen. Der Bewohner erhält einen Parkausweis für ein auf ihn als Halter zugelassenes oder nachweislich von ihm dauerhaft genutztes Kraftfahrzeug. Die Beklagte hat von der ihr eingeräumten Ermächtigung Gebrauch gemacht und unter anderem im Lizenzgebiet D einen Bewohnerparkbereich eingerichtet. Die Verwaltungsvorschrift Ziffer X. Nr. 7.35 zu § 45 StVO hat sie ausweislich Blatt 35 und 36 der Behördenakte dahingehend konkretisiert, dass für die Erteilung eines Bewohnerparkausweises ein amtlich gemeldeter Hauptwohnsitz erforderlich ist. Dieses Kriterium verletzt den Kläger weder in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichbehandlungsgebot) noch in dem aus Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz von Ehe und Familie). Hierzu hat bereits das Verwaltungsgericht Frankfurt im Urteil vom 6. Januar 2007 (12 E 1343/05 – juris) Folgendes ausgeführt:
„Dass die Beklagte Parkausweise nur Einwohnern ausstellt, die in dem Regelungsbereich mit Hauptwohnsitz gemeldet sind, ist mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, weil für die Differenzierung zwischen Haupt- und Nebenwohnsitz sachliche Gründe gegeben sind (HessVGH, Beschluss vom 20.10.1992 – 2 TG 729/92 -, NJW 1993, 1091, 1092; OVG NRW, Urt. v. 18.03.1996 – 25 a 33 55/95, veröffentlicht in JURIS). Die Einführung von Bewohnerparkzonen dient dazu, Wohngebiete der Innenstädte durch eine Verbesserung der Parkraumsituation wieder attraktiver zu gestalten und so der Umlandflucht entgegen zu wirken. Die Parkraumnot erschwert die Lebensumstände der dortigen Wohnbevölkerung im besonderen Maße und bildet ein entscheidendes Hindernis für die Verbesserung des Wohnumfeldes und damit für die Erhaltung und Modernisierung dieser Wohngebiete. Die Parkraumnot trifft in erster Linie diejenigen Bewohner, die in dem Regelungsbereich den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehung begründet haben, also diejenigen Menschen, die mit Hauptwohnsitz im Regelungsbereich gemeldet sind. Wer sich dagegen nur gelegentlich oder häufig in dem fraglichen Wohngebiet aufhält, leidet nicht in gleichem Maße unter der Situation, die Anlass für die Gewährung von Sonderparkberechtigungen ist. Dieser zumindest graduelle Unterschied der Belastung rechtfertigt die von der Oberbürgermeisterin der Beklagten getroffene Differenzierung. Darüber hinaus ist die Differenzierung nach Haupt- und Nebenwohnsitz auch geeignet, Missbrauchsfällen vorzubeugen. Zwar kann auch ein Hauptwohnsitz nur zum Schein begründet werden; aber angesichts der Rechtsfolgen, die an dem Hauptwohnsitz geknüpft sind (wie z.B. Behördenzuständigkeiten und Wahlrecht) ist die Gefahr der Begründung eines Scheinwohnsitzes hinsichtlich des Hauptwohnsitzes erheblich geringer einzuschätzen als in Bezug auf einen Nebenwohnsitz. …Schließlich folgt ein weiterer sachlicher Grund für die hier vorgenommene Differenzierung daraus, dass die Straßenverkehrsbehörde auf eigene Erhebungen zu den Lebensgewohnheiten der Bewohner in einem Bewohnerparkbereich verzichten und sich aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung auf die meldeamtlichen Angaben des Einwohners beziehen können. Dass sich aus einer typisierenden Regelung im Einzelfall Nachteile ergeben können, ist von den Betroffenen grundsätzlich in Kauf zu nehmen. Es muss lediglich gewährleistet sein, dass diese Nachteile nur eine verhältnismäßig geringe Anzahl von Personen betreffen und vom Ausmaß her die Grenze der Unerträglichkeit nicht überschreiten… Der Kläger wird auch durch die Versagung des Bewohnerparkausweises nicht in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG verletzt. Art. 6 Abs. 1 GG, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt, verbietet deren Schlechterstellung gegenüber anderen Lebens- und Erziehungsgemeinschaften (Diskriminierungsverbot, vgl. BVerfG, BVerfGE 76, 1, 72; 99, 216, 232). Der streitgegenständliche Bescheid der Oberbürgermeisterin der Beklagten verstößt nicht gegen dieses Diskriminierungsverbot des Art. 6 Abs. 1 GG. Soweit sich der Kläger für seine gegenteilige Auffassung auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, Urt. v. 11.10.2005 – 1 BvR – 12 32/00, 1 – BvR – 26 27//03 beruft, kann das Gericht dem nicht folgen. Nach dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verstößt die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer auf Innehabung einer aus beruflichen Gründen gehaltenen Wohnung eines nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Die hierfür maßgeblichen Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts kommen im vorliegenden Fall jedoch nicht zum Tragen. Abgesehen davon, dass es hier nicht um die Auferlegung einer steuerlichen Belastung und somit einen Eingriff in die Einkommenssituation der Eheleute geht, fehlt es nach Auffassung des erkennenden Gerichts auch an einer unmittelbaren Anknüpfung der von der Oberbürgermeisterin der Beklagten getroffenen Regelung an das Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit ausgeführt, dadurch, dass die Zweitwohnungssteuer an das Halten einer Wohnung anknüpfe, die im melderechtlichen Sinne eine Zweitwohnung sei, liege ihr daher ein Steuergegenstand zugrunde, in dem sich das eheliche Zusammenleben in spezifischer Weise verwirkliche. Steuerlich belastet würde die Entscheidung, die gemeinsame eheliche Wohnung nicht aufzulösen und bei Wahrung des Fortbestands der gemeinsamen Wohnung am bisherigen Ort nur eine Zweitwohnung zu begründen. Es sei nämlich durch die melderechtliche Regelung für Verheiratete ausgeschlossen, die Wohnung am Beschäftigungsort trotz deren vorwiegender Nutzung zum Hauptwohnsitz zu bestimmen und damit der Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer zu entgehen; für Verheiratete bestimmten die melderechtlichen Vorschriften zwingend die vorwiegend genutzte Wohnung der Familie zum Hauptwohnsitz … .Die steuerliche Belastung mit einer Zweitwohnungssteuer knüpft demnach an eine bestimmte Form des Zusammenlebens der Eheleute an. An einer solchen unmittelbaren Anknüpfung einer belastenden Maßnahme an das Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft fehle es jedoch im Falle der Regelung einer Sonderparkberechtigung für Bewohner. Abgesehen davon, dass es sich hierbei nicht um eine eigentliche Eingriffsmaßnahme seitens der Behörde handelt, knüpft diese allenfalls mittelbar an dem Bestand einer Ehe an. Denn es geht im vorliegenden Fall nur darum, ob der Kläger aufgrund der Erteilung eines Bewohnerparkausweises eine erhöhte Chance erhält, in der Nähe seiner Zweitwohnung einen öffentlichen Parkplatz zu finden.“
Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht an. Hinzu kommt, dass durch die Vorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO die Straßenverkehrsbehörde in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen genehmigen kann, wodurch im Einzelfall etwaigen Nachteilen von Eheleuten durch eine grundrechtskonforme Auslegung und Anwendung der Norm begegnet werden könnte. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier aber nicht vor. Soweit der Kläger angegeben hat, dass die Familie des Klägers annähernd die Hälfte der Zeit in B… wohne (Schreiben vom 24. Juli 2018), kann die Wohnung in B… als Hauptwohnung bestimmt werden, wenn sie die vorwiegend benutzte Wohnung der Familie darstellt (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Bundesmeldegesetz – BMG). Dann hätte es aber der Kläger selbst in der Hand, durch die Begründung des Hauptwohnsitzes für die gesamte Familie die von ihm begehrte Vergünstigung zu erhalten. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung kann von der Beklagten nicht erwartet werden, dass sie die melderechtlichen Voraussetzungen in jedem Einzelfall auf ihre Richtigkeit hin überprüft. Sie darf sich auf die tatsächlichen Eintragungen verlassen zumal es eine Ordnungswidrigkeit darstellt, wenn eine Änderung der Hauptwohnung der Meldebehörde nicht fristgerecht mitgeteilt wird (vgl. § 54 Abs. 2 Nr. 6 BMG). Soweit der Kläger vorträgt, dass er eine Wohnung für Staatsbedienstete in Anspruch nehmen möchte und ihm hierfür die Auflage erteilt worden sei, den Erstwohnsitz in die …stadt zu verlegen, ist es nicht Sache der Beklagten, hierfür einen Ausgleich zu schaffen. Seine Situation ist nicht mit dem Sachverhalt, der dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (B. v. 11. Oktober 2005 – 1 BvR 1232/00) zu Grunde lag vergleichbar, da er aus anderen als ehebedingten Gründen zur Wohnsitznahme in M… verpflichtet ist. Gerade der Fall des Klägers, der im laufenden Verfahren stets widersprüchliche Angaben zur Nutzung seines Wohnsitzes in B… machte, zeigt, dass es sachgerecht ist, nach objektiven melderechtlichen Gesichtspunkten vorzugehen, um etwaigen Missbrauchsfällen vorzubeugen.
2. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich nicht aus § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO. Danach kann die Straßenverkehrsbehörde in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller u.a. Ausnahmen genehmigen von der Vorschrift, an Parkscheinautomaten nur mit einem Parkschein zu halten und von den Verboten oder Beschränkungen, die u.a. durch Richtzeichen (§ 42 StVO) erlassen sind. Die Erteilung einer solchen Ausnahmegenehmigung steht, wie der Wortlaut der Vorschrift („kann“) belegt, im Ermessen der Beklagten. Einen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung hat der Kläger daher nur dann, wenn das Ermessen der Beklagten vorliegend auf Null reduziert wäre, die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung an den Kläger damit die einzig rechtmäßige Ermessensbetätigung wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Die getroffene Ermessensentscheidung der Beklagten kann das Gericht gemäß § 114 VwGO nur eingeschränkt daraufhin überprüfen, ob die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen erkannt, von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht und ob sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten hat.
Hiervon ausgehend lässt sich nicht feststellen, dass die Beklagte ermessensfehlerhaft gehandelt hat. Sie hat ihr Ermessen zweckentsprechend betätigt und die Grenzen zulässiger Ermessensausübung nicht überschritten. Geht es um eine Entscheidung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 StVO, muss die Straßenverkehrsbehörde bei der Ausübung ihres Ermessens die mit dem Verbot verfolgten öffentlichen Interessen und die besonderen Belange der vom Verbot Betroffenen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegenüberstellen. Dabei wird das Ermessen der Beklagten im Sinne einer bundeseinheitlich gleichmäßigen, am Gesetzeszweck orientierten Anwendung durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur StVO gesteuert, die vornehmlich eine besondere Dringlichkeit des Ausnahmefalls unter Anwendung eines strengen Maßstabs voraussetzt. Da die Beklagte bei begrenzt vorhandenem Parkraum über eine Vielzahl von Anträgen auf Erteilung von Ausnahmegenehmigungen zu entscheiden hat, hat der Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG bei der Ermessensausübung einen hohen Stellenwert (VG München, U.v. 04.04.2012 – M 23 K 11.5428 – juris).
Besondere Umstände in der Person des Klägers, die möglicherweise die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung rechtfertigen könnten, wurden nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Der Kläger hat angegeben, dass sich das Auto unter der Woche in M… befinde und seine Frau mit diesem nach B… fahre, er selbst fahre mit dem Zug. Es könne der Frau nicht zugemutet werden, dass sie einen Kilometer vom Wohnsitz in B… entfernt im … einen Parkplatz suche (Begleitschreiben zum Antrag vom 27. September 2017). Auch wenn der Kläger nun nach seinem neuen Sachvortrag unter der Woche in B… wohnen sollte (neue Arbeitsstelle in …), so hat sich an der Nutzung des Autos durch die neue Arbeitsstelle keine Veränderung ergeben (bzw. eine solche wurde nicht vorgetragen). Diese Nutzung entspricht der Nutzung, wie sie für einen Nebenwohnsitzinhaber typisch ist….Der Kläger wird durch die Versagung der beantragten Genehmigung nicht unangemessen benachteiligt. Die Beklagte hat ausgeführt, dass in fußläufiger Entfernung von 200 m bis 300 m eine Tiefgarage und eine größere, kostenpflichtige mit Parkticket nutzbare Parkfläche vorhanden sind. Die Entscheidung der Beklagten trifft den Kläger nicht härter als andere Nebenwohnsitzinhaber in B…
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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