Europarecht

Leistungsverzeichnis, Andere Zuwendungen, Rückforderung von Zuwendungen, Vergabeunterlagen, Vergabeverstoß, Leistungsbeschreibung, Beiladung, Verwaltungsgerichte, Nebenangebote, Produktspezifische Ausschreibung, Produktneutrale Ausschreibung, Technische Spezifikationen, Beendigung des Vergabeverfahrens, Ermessenserwägungen, Anderer Bieter, Verwaltungsvorschriften, Verwaltungsübung, Vergaberechtsverstoß, Vergaberechtswidrigkeit, Bewilligungsbescheid

Aktenzeichen  M 31 K 16.5187

Datum:
20.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 42815
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 49 Abs. 2a S. 1 Nr. 2
BayHO Art. 44
VOB/A 2012 § 13 Abs. 1 Nr. 5, § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. b

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.  

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) zugestimmt haben.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid vom 18. Oktober 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Widerrufsbescheid findet seine Rechtsgrundlage in Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG (1.). Die Klägerin hat gegen eine Auflage verstoßen, indem die Vergabe des Auftrags zu den von ihr öffentlich ausgeschriebenen Holzbauarbeiten im Widerspruch zu vergaberechtlichen Vorschriften erfolgt ist (2.), wobei dieser Verstoß als schwer anzusehen ist (3.). Dies hat nach der ständigen, gerichtlich nicht zu beanstandenden Praxis des Beklagten die verfügte Kürzung der bewilligten Zuwendung zur Folge. Ermessensfehler sind bei der Entscheidung über den teilweisen Widerruf des Bewilligungsbescheids nicht erkennbar (4.).
1. Maßgebliche Rechtsgrundlage für die teilweise Reduzierung der mit Bescheid vom 30. Oktober 2010 bewilligten Zuwendung für den „Neubau eines Gebäudes an der Grundschule Süd (Teilmaßnahme Kinderkrippe)“ ist Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG.
Unerheblich ist insoweit, ob der Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid teilweise auf ein sog. „vorläufiges Zuweisungsverfahren“ hinweist.
Das Gericht geht davon aus, dass der Zuwendungsbescheid vom 30. Oktober 2012 nicht vorläufig in dem Sinne war, dass erst nach Eingang des Verwendungsnachweises und einer abschließenden Prüfung ein endgültiger Zuweisungsschlussbescheid erlassen wird, sondern dass die Zuwendung von Fördermitteln mit Bescheid vom 30. Oktober 2010 bereits abschließend sein sollte, nachträglich aber nach den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen gegebenenfalls im Wege der vollständigen oder teilweisen Aufhebung nach Art. 48 ff. BayVwVfG geändert werden konnte. Für diese, dem Gericht aus einer Vielzahl anderer Förderverfahren des Beklagten bekannten Vorgehensweise, spricht bereits die unter Nr. 4 „Rechtliche Grundlagen“ enthaltene Formulierung im Bescheid vom 30. Oktober 2010, wonach für die Bewilligung, Auszahlung und Abrechnung der Zuweisung sowie für den Nachweis und die Prüfung der Verwendung, die gegebenenfalls erforderliche Aufhebung des Zuwendungsbescheides sowie die Rückforderung und Verzinsung der gewährten Zuweisung die Verwaltungsvorschriften zu Art. 44 BayHO sowie die Art. 48 bis 49a BayVwVfG gelten, soweit nicht in den zugrundeliegenden Förderrichtlinien Abweichungen zugelassen sind.
Der einschlägigen Richtlinie zur Förderung von Investitionen im Rahmen des Investitionsprogramms „Kinderbetreuungsfinanzierung“ 2008-2013 ist jedoch im „Abschnitt II: Verfahren“ keine andere Vorgehensweise zu entnehmen; vielmehr wird dort unter Nr. 6.1 Satz 1 für den Fall einer gegebenenfalls erforderlichen Aufhebung des Zuwendungsbescheids und die Rückforderung der gewährten Zuweisung ebenfalls die Geltung der Verwaltungsvorschriften zu Art. 44 BayHO sowie der Art. 48 bis 49a BayVwVfG angeordnet, ohne dass davon abweichende Regelungen der Förderrichtlinie zu entnehmen sind. Auch den zum Gegenstand des Bewilligungsbescheids vom 30. Oktober 2010 gemachten Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an kommunale Körperschaften (ANBest-K) – dort insbesondere die Bestimmungen unter Nr. 2 und 8 – ist keine andere Vorgehensweise zu entnehmen.
Vorläufig in diesem Sinn war damit allenfalls die Höhe der Zuwendung, falls sich die zuwendungsfähigen Kosten verringert hätten oder der Zuwendungsempfänger in den Genuss von anderen Zuwendungen gekommen wäre.
Dass dies – trotz der missverständlichen Formulierung – auch der Beklagte so gesehen hat, ergibt sich daraus, dass weiter unten in den Bescheidsgründen unter Angabe von Art. 49 Abs. 2a Satz 1 BayVwVfG Ausführungen zur Möglichkeit des Widerrufs eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes gemacht worden sind.
Unerheblich ist auch, dass der Beklagte – wohl irrtümlich – Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG als Rechtsgrundlage angegeben hat, weil die Widerrufsentscheidung ihre Grundlage in Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG findet.
Kommt ein Gericht – wie hier – zu dem Ergebnis, ein Bescheid sei auf eine nicht tragfähige Rechtsgrundlage gestützt worden, ist es gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch verpflichtet zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Bescheid mit Blick auf sonstige Rechtsgrundlagen aufrechterhalten werden kann (vgl. rechtsgrundsätzlich BVerwG, U.v. 19.8.1988 – 8 C 29/87 – juris LS; aktuell U.v. 31.3.2010 – 8 C 12/09 – juris Rn. 16; Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Auflage 2019, Rn. 7a zu § 47). Bei einer solchen Konstellation bedarf es keiner (richterlichen) Umdeutung, sodass die Aufrechterhaltung des Bescheides auch nicht davon abhängt, ob die Voraussetzungen für eine Umdeutung nach Art. 47 BayVwVfG erfüllt sind. So liegt der Fall hier. Der Regelungsgehalt des angegriffenen Bescheids bleibt unverändert, wenn die Kürzung der Zuwendung in zutreffender Weise als Teilwiderruf nach Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG anstelle der Nr. 1 angesehen wird. Dies lässt den Regelungsgehalt, die Kürzung der Zuwendung, inhaltlich unberührt. Es erforderte zudem auch keine anderen oder zusätzlichen als die im streitgegenständlichen Bescheid vorgenommen Ermessenserwägungen. Schließlich entspricht dies auch der Absicht der Regierung von Oberbayern; auch die Rechtsfolgen erweisen sich für die Klägerin letztendlich nicht ungünstiger.
Nach Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
Zunächst ist festzustellen, dass die Einhaltung des Vergaberechts im Bewilligungsbescheid vom 30. Oktober 2012 wirksam i.S.v. Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG beauflagt worden ist.
Vorliegend enthalten die ANBest-K, die gemäß Ziffer 3.1 des Bewilligungsbescheids für verbindlich erklärt worden sind, die Auflage, bei der Vergabe von Aufträgen zur Erfüllung des Zuwendungszwecks die Vergabegrundsätze anzuwenden, die das Staatsministerium des Innern im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen aufgrund von § 31 Abs. 2 KommHV bekannt gegeben hat (vgl. Nr. 3.1 ANBest-K). Weitergehende Bestimmungen, die den Zuwendungsempfänger zur Anwendung von Vergabevorschriften verpflichten (z.B. die §§ 98 ff. GWB i.V.m. der Vergabeverordnung – VgV – in ihrer jeweils geltenden Fassung und den Abschnitten 2 ff. der VOB/A bzw. VOL/A), bleiben unberührt. Wie in Nr. 1 und 5 der Richtlinien zur Rückforderung von Zuwendungen bei schweren Vergabeverstößen (StMF, Bek. v. 23.11.2006, FMBl. 2006, S. 228; im Folgenden: StMF-Rückforderungsrichtlinien) ausgeführt, ist die Einhaltung der gesetzlichen Vergabebestimmungen somit ausdrücklich eine mit dem Bewilligungsbescheid verbundene Auflage i.S.v. Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG. Eine andere Auslegung ergibt sich weder aus dem Wortlaut von Nr. 3.1 Satz 2 ANBest-K noch aus der einleitenden Formulierung der ANBest-K, wonach diese sowohl Nebenbestimmungen (Bedingungen und Auflagen) i.S.v. Art. 36 BayVwVfG als auch notwendige Erläuterungen enthalten (a.A. OVG RP, U.v. 25.9.2012 – 6 A 10478/12 – juris Rn. 28 f.; VGH BW, U.v. 17.10.2013 – 9 S 123/12 – DVBl 2014, 321 – juris Rn. 26 f.; SächsOVG, U.v. 11.5.2017 – 1 A 140/16 – juris 31 ff.). Denn gegen eine bloße Erläuterung spricht das der Klägerin als Zuwendungsempfängerin ohne weiteres für beide Sätze der Nr. 3.1 ANBest-K erkennbare Interesse des Beklagten, an eine vergaberechtswidrige Verwendung der Mittel möglichst weitgehende Konsequenzen knüpfen zu können, nämlich den Widerruf des Bescheids wegen eines Auflagenverstoßes. Nr. 3.1 ANBest-K statuiert nach ihrem Sinn und Zweck in ihren beiden Sätzen, unabhängig von der dort abweichend gewählten Formulierung, dass die Vergabegrundsätze auch im Verhältnis zwischen Zuwendungsgeber und Zuwendungsnehmer als Grundlage des Subventionsverhältnisses sichergestellt werden. Es handelt sich mithin nicht um einen Hinweis auf nach anderen Regelungen ohnehin bestehende rechtliche Pflichten (vgl. BayVGH. U.v. 9.2.2015 – 4 B 12.2326 – juris Rn. 19; OVG NRW, U.v. 22.2.2005 – 15 A 1065/04 – NVwZ-RR 2006, 86/87 – juris Rn. 58-60; allg. NdsOVG, B.v. 3.9.2012 – 8 LA 187/11 – juris Rn. 13 m.w.N.).
2. Durch die Erteilung des Auftrags für die Errichtung des Gewerks „Holzbauarbeiten“ an die Firma G. hat die Klägerin gegen die im Bewilligungsbescheid vom 30. Oktober 2010 enthaltene Auflage i.S.v. Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG zur Einhaltung vergaberechtlicher Bestimmungen – hier der VOB/A – verstoßen, da das Angebot der Firma G. gemäß § 16 Abs. 1 Nr.1 lit. b i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A wegen Änderung an den Vergabeunterlagen vom weiteren Wettbewerb hätte ausgeschlossen werden müssen.
Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 VOB/A in der 2012 geltenden Fassung sind Änderungen an den Vergabeunterlagen unzulässig. Ziel dieser Vorschrift ist es, Änderungen an den Vergabeunterlagen zu unterbinden, um so die Vergleichbarkeit der eingehenden Angebote und damit letztlich einen fairen Wettbewerb sicherzustellen. Dementsprechend sind Angebote, die Änderungen an den Vergabeunterlagen aufweisen, zwingend von der Wertung auszuschließen (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. b VOB/A). Die Feststellung, ob ein solcher Ausschlussgrund vorliegt, ist objektiv zu treffen, denn es handelt sich hierbei nicht um eine Ermessensentscheidung (vgl. Dippel in: jurisPK-VergR, 3. Aufl. 2011, Rn. 27 ff. zu § 13 VOB/A).
Der Begriff der Änderungen ist dabei weit auszulegen. Erfasst sind beispielsweise Streichungen, Hinzufügungen, die Entnahme von Seiten aus Formblättern oder auch der Austausch von Vertragsbedingungen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es aber auch eine unzulässige Änderung an den Vergabeunterlagen, wenn das Angebot eines Bieters eine Vorgabe des Leistungsverzeichnisses nicht einhält. Eine solche Abweichung führt – jedenfalls in der Regel – zwingend zum Ausschluss des Angebots von der Wertung (vgl. nur BGH, U.v. 1.8.2006 – X ZR 115/04 – juris Rn. 13; U.v. 8.9.1998 – X ZR 85/97 – juris Rn. 30; B.v. 18.2.2003 – X ZB 43/02 – juris Rn. 23 f.).
Liegt eine solche Änderung vor, spielt es keine Rolle, ob die vom Bieter vorgenommenen Änderungen zentrale und wichtige oder eher unwesentliche Leistungspositionen betreffen. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Abweichungen letztlich irgendeinen Einfluss auf das Wettbewerbsergebnis haben können. Dafür spricht schon der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. b VOB/A, dem eine Beschränkung auf sachlich oder betragsmäßig ins Gewicht fallende Leistungspositionen nicht zu entnehmen ist. Diese Vorschriften untersagen jedwede Abänderung der Verdingungsunterlagen und ordnen den Angebotsausschluss zwingend für jeden Fall einer unzulässigen Änderung und ohne Rücksicht auf die Bedeutung der betroffenen Leistungspositionen und die wirtschaftlichen Auswirkungen der vorgenommenen Änderung an. Ein solches Verständnis entspricht auch dem Normzweck (vgl. Dippel in: jurisPK-VergR, aaO).
2.1 Vorliegend hat die Firma G. die Verdingungsunterlagen dadurch abgeändert, dass sie unter Position 03.1 des Leistungsverzeichnisses ein Produkt angeboten hat, das – zwischen den Parteien unstreitig – von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses abgewichen ist. Ausgeschrieben war u.a. die Anforderung, dass Folien oder Anstriche zwischen Beton und Holzoberfläche nicht zulässig sei und zur Vermeidung von unkontrollierten Spannungsrissen die Schmalseiten der Längs- und Querlagen nicht durchgehend verleimt werden dürften. Die Firma G. hat das Produkt „Stora Enso CLT“ angeboten, das die im Leistungsverzeichnis geforderten Spezifikationen nicht eingehalten hat. Dies war auch der Grund, weshalb die Klägerin zunächst auf den ursprünglichen Vorschlag des mit der Ausschreibung beauftragten Beigeladenen das Angebot der Firma G. ausschließen wollte (vgl. Anschreiben an die Firma G. vom 20.3.2013). Wenn ein Bieter ein anderes Material anbietet als im Leistungsverzeichnis gefordert, hat er damit den Inhalt der ausgeschriebenen Leistung und somit die Vergabeunterlagen geändert (Weyand, ibr-online-Kommentar Vergaberecht, Stand 14.9.2015, Rn. 79 zu § 16 VOB/A).
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Anforderungen im Leistungsverzeichnis nicht produktneutral abgefasst waren.
Zwar ist es alleine Sache der Vergabestelle zu entscheiden, welche Leistungen sie ausschreibt. Es liegt jedoch dann eine Behinderung des Wettbewerbs vor, wenn Merkmale des geforderten Produkts durch einen Produkt- oder Markennamen bezeichnet werden und das Leistungsverzeichnis nach Form, Stofflichkeit, Aussehen und technischen Merkmalen so präzise definiert ist, dass dem Bieter keinerlei Ausweichmöglichkeit mehr bleibt. Hierbei kommt es nicht auf die Feststellung einer subjektiven Absicht der Vergabestelle an, bestimmte Unternehmen bevorzugen zu wollen. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob die Leistungsbeschreibung bei objektiver Betrachtung geeignet ist, bestimmte Unternehmen oder Erzeugnisse zu bevorzugen.
Gegen die Verpflichtung zur produktneutralen Ausschreibung wird nicht nur dann verstoßen, wenn ein Leitfabrikat offen und explizit in der Leistungsbeschreibung benannt worden ist, sondern auch dann, wenn durch die Vielzahl der Vorgaben verdeckt ein Leitfabrikat ausgeschrieben wurde, weil nur ein einziges Produkt allen Vorgaben gerecht werden kann (vgl. z.B. VK Bund, B.v. 16.3.2015 – VK 2-9/15 – IBR 2015, 382).
Die Klägerin hatte im Leistungsverzeichnis exakte Vorgaben zur Konstruktion der Holz-Beton-Verbunddecken gemacht. Sie hat insoweit selbst eingeräumt, dass diese Anforderungen so formuliert waren, dass sie nur das Produkt „K.“ des Herstellers K. GmbH erfüllen konnte (vgl. S. 5 des Schriftsatzes vom 27.12.2016). Hintergrund war offenbar eine im Vorfeld der Erstellung des Leistungsverzeichnisses erfolgte externe technische Beratung der Vergabestelle (vgl. E-Mail des Beigeladenen an die Klägerin vom 11.6.2013; Blatt 89 BA). Damit hat die Klägerin gegen das Gebot der produktneutralen Ausschreibung verstoßen.
Die interessierten Firmen hätten auch vor diesem Hintergrund gleichwohl so anbieten müssen, wie ausgeschrieben war. Dies folgt nach Auffassung des Gerichts aus den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Vorliegend ist davon auszugehen, dass es sich bei der Firma G. um einen Bieter mit erheblichem technischen Sachverstand und guter Marktkenntnis handelt, für den eine verdeckte Produktvorgabe in den Vergabeunterlagen bereits bei der Erstellung des Angebots erkennbar war. Dies ergibt sich für das Gericht auch daraus, dass die Firma G. bereits am 21. März 2013, also unmittelbar nach Erhalt des Schreibens der Klägerin über die geplante Vergabeentscheidung reagiert hat und in diesem Scheiben ausdrücklich auf das Produkt der Firma K., dessen Eigenschaften im Leistungsverzeichnis enthalten waren, Bezug genommen hat, obwohl der Name des Produkts im Schreiben der Klägerin gar nicht angeführt war. Daher hätte die Firma G. bereits im Angebot auf diesen Umstand aufmerksam machen müssen.
Offen bleiben kann, ob das Angebot der Firma G. (auch deshalb) nicht zu werten war, weil sie gegen eine Pflicht bzw. Obliegenheit zur Rüge des nicht vergaberechtskonformen Leistungsverzeichnisses verstoßen hat. Denn die Firma G. konnte unabhängig von einer etwaigen Rügeobliegenheit nicht „in eigener Regie“ allein deshalb vom Leistungsverzeichnis abweichen, weil dieses nicht produktneutral abgefasst war. Die Klägerin und die Submittenten sind insoweit an die Anforderungen im Leistungsverzeichnis gebunden, auch wenn dies so, wie aus dem Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten hervorgeht, von Seiten der Klägerin nicht gewollt gewesen war (vgl. VK Südbayern, B.v. 11.8.2014 – Z3-3-3194-1-29-06/14 – IBR 2015, 26).
Die Firma G. hat dadurch, dass sie unter Position 03.1 das Produkt „Stora Enso CLT“ angeboten hat, objektiv ein anderes Produkt angeboten als ausgeschrieben war. Ob dieses Produkt denselben Zweck erfüllt wie das ausgeschriebene und ob die technischen Eigenschaften, wie sie in den Vergabeunterlagen näher ausgeführt wurden, dieselben sind, ist dabei zunächst irrelevant.
Fehl geht die Auffassung der Klägerin unter Hinweis auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 6. Dezember 2012 (Verg 25/12 – juris), wonach im Falle einer – unzulässigen – produktspezifischen Ausschreibung ein Angebot, das ein anderes Produkt als das geforderte enthält, als Hauptangebot zu werten ist. In dem vom Oberlandesgericht München entschiedenen Fall war im Leistungsverzeichnis nämlich ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt worden, andere Produkte anzubieten; ähnlich waren in dem vergleichbaren Fall des Oberlandesgerichts Düsseldorf (B.v. 1.10.2012 – Verg 34/12 – juris Rn. 6) Alternativfabrikate zugelassen, was vorliegend – wie ausgeführt – aufgrund der detaillierten Anforderungen, die nur vom Produkt der Firma K. erfüllt wurden, gerade nicht der Fall war und weder Varianten noch Nebenangebote zugelassen waren. Würde man hier also das abweichende Angebot der Firma G. als zweites Hauptangebot werten, wäre die Chancengleichheit der anderen Bieter nicht gewahrt, die im Hinblick auf den Wortlaut der Ausschreibungsbedingungen auf Alternativangebote verzichtet haben. Auch ihnen hätte dann zumindest Gelegenheit gegeben werden müssen, ihr Angebot jedenfalls insoweit abzuändern, wenn nicht sogar das gesamte Verfahren zu wiederholen gewesen wäre (vgl. OLG Frankfurt, B.v. 11.6.2013 – 11 Verg 3/13 – IBR 2013, 559).
Im Übrigen ist auch der o.g. Entscheidung des Oberlandesgerichts München (aaO Rn. 32) die Anforderung zu entnehmen, dass alle Bieter die Leistungsbeschreibung einheitlich und richtig verstanden haben müssen. Davon kann vorliegend selbst dann nicht ausgegangen werden, wenn nicht nur die Firma G., sondern auch andere Firmen ein anderes Produkt angeboten haben als das, dessen Anforderungen in der Leistungsbeschreibung enthalten waren. Dabei ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Klägerin – worauf auch der Beklagte hinweist – selbst darauf hingewiesen hatte, dass die im Leistungsverzeichnis und den Planungsunterlagen angegebenen Konstruktionsmerkmale und Qualitäten zwingend gefordert würden.
2.2 Die Klägerin kann sich des Weiteren auch nicht darauf stützen, dass mit dem Anbieten eines anderen Produkts als dem, dessen Produktmerkmale in der Leistungsbeschreibung enthalten waren, eine zulässige Abweichung von einer technischen Spezifikation vorgelegen hat, da die vorliegende Abweichung nicht dem Anwendungsbereich des § 13 Abs. 2 VOB/A unterfällt.
Nach § 13 Abs. 2 VOB/A darf eine Leistung, die von den vorgesehenen technischen Spezifikationen nach § 7 Abs. 3 VOB/A abweicht, angeboten werden, wenn sie mit dem geforderten Schutzniveau in Bezug auf Sicherheit, Gesundheit und Gebrauchstauglichkeit gleichwertig ist, im Angebot eindeutig bezeichnet wurde und die Gleichwertigkeit mit dem Angebot nachgewiesen ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist das Angebot eines Bieters nicht als Nebenangebot sondern als Hauptangebot zu werten (§ 16 Abs. 7 VOB/A).
Vorliegend ist diese Voraussetzung jedoch nicht gegeben, da es sich bei den im Leistungsverzeichnis unter Position 03.1 aufgeführten Anforderungen nicht um technische Spezifikationen handelt.
Nach § 7 Abs. 3 VOB/A i.V.m. der Definition hierzu in Anhang TS Nr. 1 sind technische Spezifikationen sämtliche, insbesondere die in den Vergabeunterlagen enthaltenen technischen Anforderungen an eine Bauleistung, ein Material, ein Erzeugnis oder eine Lieferung, mit deren Hilfe die Bauleistung, das Material, das Erzeugnis oder die Lieferung so bezeichnet werden können, dass sie ihren durch den Auftraggeber festgelegten Verwendungszweck erfüllen. Zu diesen technischen Anforderungen gehören Qualitätsstufen, Umweltleistungsstufen, die Konzeption für alle Verwendungsarten („Design for all“) (einschließlich des Zugangs von Behinderten) sowie Konformitätsbewertungsverfahren, Terminologie, Symbole, Versuchs- und Prüfmethoden, Verpackung, Kennzeichnung und Beschriftung sowie Produktionsprozesse und -methoden. Außerdem gehören dazu auch die Vorschriften über die Planung und die Berechnung von Bauwerken, die Bedingungen für die Prüfung, Inspektion und Abnahme von Bauwerken, die Konstruktionsmethoden oder -verfahren und alle anderen technischen Anforderungen, die der Auftraggeber für fertige Bauwerke oder dazu notwendige Materialien oder Teile durch allgemeine und spezielle Vorschriften anzugeben in der Lage ist.
Bei einem weiten Verständnis der Definition der technischen Spezifikation – wie ihn der Wortlaut zunächst nahelegen könnte – wäre allerdings jegliche in einer Leistungsposition vorgegebene Abmessung oder technische Anforderung an die Bauausführung automatisch unter den Begriff der technischen Spezifikation zu subsumieren; dies liefe indessen dem Regelungszweck des § 13 Abs. 2 VOB/A zuwider.
Das Gericht folgt daher der Auffassung, wonach der Begriff der „Technischen Spezifikation“ einer einschränkenden Auslegung bedarf, da es der unionsrechtliche Hintergrund der Norm (nur) gebietet, seine Zielsetzung in der Austauschbarkeit der unterschiedlichen nationalen Normierungen, Maßeinheiten, Umweltgütezeichnen, Prüfmethoden o.ä. zu sehen (Weyand, ibr-online-Kommentar Vergaberecht, Stand 14.9.2015, Rn. 231 ff. zu § 7 VOB/A). Es soll den Bietern ermöglicht werden, unabhängig von der Bezeichnung der ihnen zur Verfügung stehenden Nachweise, die Gleichwertigkeit eines Produkts oder einer technischen Lösung belegen zu können (vgl. Erwägungsgrund 29 der Richtline 2004/18/EG). Auch von einer (nationalen) Normierung oder Zulassung bislang nicht erfasste technische Lösungen sollen nicht mit der Begründung abgelehnt werden können, sie ließen sich nicht unter bestehende Spezifikationen fassen (VK Bund, B. v. 21.1.2011 – VK 2 – 146/10 – IBRRS 2013, 3894; 1. VK Rheinland-Pfalz, B. v. 26.1.2012 – VK 1 – 43/11 – juris Rn. 59; 1. VK Sachsen, B. v. 17.8.2012 – 1/SVK/021-12 – IBRRS 2013, 1135).
Dagegen soll § 13 Abs. 2 VOB/A nicht die in einer Leistungsbeschreibung konkret und individuell für die gewünschte Leistung aufgestellten technischen Anforderungen, Abmessungen oder Zulassungen zur Disposition der Bieter stellen. § 13 Abs. 2 VOB/A ist daher – teleologisch einschränkend – dahin auszulegen, dass er Abweichungen eines Leistungsangebots von den konkret individuell vorgegebenen Leistungsparametern nicht erfasst, und zwar unabhängig davon, ob der Auftraggeber diese verbal bzw. numerisch oder durch Bezugnahme auf Bestimmungen eines allgemeinen technischen Regelwerks „spezifiziert“. Bei einem anderen Verständnis wäre einem vergleichbaren Wettbewerb jegliche Basis entzogen und jede Leistungsbeschreibung nur als ein unverbindlicher Vorschlag des Auftraggebers anzusehen, von dem die Bieter nach Belieben abweichen könnten, so sie nur eine Gleichwertigkeit nachweisen. Bei einem weiten Verständnis des Begriffs der „Technischen Spezifikation“ wäre der Bedeutung und der Möglichkeit von Nebenangeboten praktisch die Grundlage entzogen (VK Bund, B.v. 21.1.2011 aaO; B.v. 27.1.2017 – VK 2-145/16 – VPR 2017, 1608).
Diese einschränkende Auslegung des § 13 Abs. 2 S. 1 VOB/A, mit der zum einen der Begriff der „Technischen Spezifikation“ auf allgemeine technische Regelwerke eingegrenzt wird, steht das Normmotiv der Förderung des Wettbewerbs im EU-Binnenmarkt sowie der Ermöglichung neuer, von den bestehenden Regelwerken noch nicht erfasster technischer Lösungen nicht entgegen. Denn bei dem durch diese Auslegung bewirkten Ausschluss des Abweichens einer angebotenen Leistung von den konkret individuellen technischen Vorgaben des Leistungsverzeichnisses aus dem Anwendungsbereich des § 13 Abs. 2 Satz 1 VOB/A geht es nicht darum, dass – was diese Vorschrift zusammen mit § 7 Abs. 5 VOB/A verhindern soll – eine angebotene Leistung nur deshalb von der Wertung ausgeschlossen wird, weil sie, obwohl objektiv den konkret individuellen Leistungsanforderungen entsprechend, in formaler Hinsicht von keinem der in § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 lit. a – e VOB/A aufgeführten technischen Regelwerke erfasst wird, beispielsweise weil im Rahmen der Leistung zu liefernde Produkte (noch) nicht bestimmte, nach den genannten Regelwerken erforderliche technische Prüfungen durchlaufen haben und gegebenenfalls diesbezüglich nicht nach diesen Regelwerken zertifiziert sind, möglicherweise aber nach sonstigen (ausländischen) Regelwerken. In solchen Fällen soll der Auftraggeber die angebotene Leistung nach § 13 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 5 VOB/A nicht mit der Begründung unberücksichtigt lassen dürfen, für ihn sei die von den in § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 VOB/A genannten Regelwerken abweichende Klassifizierung eines ausländischen Regelwerks nicht auf die Gleichwertigkeit ihres technischen Aussagegehalts oder das angebotene Produkt nicht auf seine Konformität mit den Regelwerken des § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 VOB/A überprüfbar (2. VK Bund, B.v. 21.1.2011 aaO; Weyand, ibr-online-Kommentar Vergaberecht, Stand 14.9.2015, Rn. 234 zu § 7 VOB/A).
Nach dem Gesagten stellte das Angebot der Firma G. damit keine nach § 13 Abs. 2 VOB/A zulässige Abweichung von technischen Spezifikationen, sondern ein – nach den Vergabeunterlagen nicht zugelassenes – Nebenangebot dar.
Im Übrigen würde es – ohne dass es mit Blick auf das Vorstehende noch darauf ankommt – wohl auch bei Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 13 Abs. 2 VOB/A an den formalen Voraussetzungen für die Wertbarkeit des Angebots fehlen. Denn weder ist die Abweichung im Angebot eindeutig bezeichnet, noch wurde die Gleichwertigkeit mit dem Angebot nachgewiesen.
Bei Vorliegen einer Abweichung der „technischen Spezifikation“ fordert § 13 Abs. 2 Satz 2 VOB/A die eindeutige Bezeichnung der Abweichung im Angebot. Der Bieter muss nicht nur darlegen, dass er etwas anders macht, sondern auch, was genau er anders macht. Die eindeutige Bezeichnung der Abweichung ist nämlich Grundbedingung für die Prüfung des abweichenden Angebots durch den Auftraggeber (VK Südbayern, B.v. 24.8.2010 – Z3-3-3194-1-31-05/10 – IBRRS 2010, 4235). In den betreffenden Angebotspositionen, den davon erfassten Positionsgruppen, dem jeweiligen Abschnitt oder unter Umständen im ganzen Angebot ist eindeutig und klar verständlich zu sagen, dass eine Abweichung von den technischen Spezifikationen vorliegt und worin sie liegt (VK Lüneburg, B.v. 21.10.2004 – 203-VgK-47/2004 – IBRRS 2004, 3485).
Die Nachweispflicht gemäß § 13 Abs. 2 VOB/A dient dem Schutz des Auftraggebers und der Erleichterung der Prüfung von Änderungsvorschlägen der Bieter. Der Auftraggeber soll in die Lage versetzt werden, rasch und zuverlässig die fachliche Geeignetheit (Gleichwertigkeit) eines Nebenangebots zu beurteilen (OLG Düsseldorf, B.v. 4.7.2001 – Verg 20/01 – IBRRS 2011, 1900).
Im Angebot der Firma G. ist weder die Abweichung als solche geschweige denn deren technische Gleichwertigkeit vermerkt.
Zwar ermöglicht bzw. verpflichtet die Vorschrift des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A die Vergabestelle zur Nachforderung fehlender Erklärungen oder Nachweise, sofern das Angebot nicht entsprechend der Nrn. 1 oder 2 des § 13 Abs. 1 VOB/A ausgeschlossen worden ist. Ob dies im Anwendungsbereich des § 13 Abs. 2 VOB/A jedoch sowohl für die Erklärung, dass von technischen Spezifikationen abgewichen wird, als auch für den Nachweis der Gleichwertigkeit gilt oder nur für den Nachweis der Gleichwertigkeit, ist zumindest zweifelhaft. So ist nämlich ohne eine entsprechende Erklärung, von technischen Spezifikationen abzuweichen, für die Vergabestelle gar nicht erkennbar (§§ 133,157 BGB), dass ein Bieter mit seinem Angebot von der Möglichkeit einer Abweichung Gebrauch machen will. Die Nachweispflicht des § 13 Abs. 2 VOB/A soll auch im Interesse der zügigen Durchführung des Vergabeverfahrens den Auftraggeber in die Lage versetzen, rasch und zuverlässig die fachliche Geeignetheit bzw. Gleichwertigkeit des Angebots beurteilen zu können (OLG Düsseldorf, B.v. 4.7.2001 aaO). Fehlt es in einem Angebot daher sowohl an der Erklärung, von technischen Spezifikationen abzuweichen sowie auch an einem entsprechenden Nachweis der Gleichwertigkeit, so stellt sich die Frage, wie der Auftraggeber überhaupt erkennen können soll, dass der Bieter ein Hauptangebot nach § 13 Abs. 2 VOB/A (vgl. § 16 Abs. 7 VOB/A) und kein Nebenangebot abgegeben. Eine Pflicht zur Nachforderung von Erklärungen oder Nachweisen setzt zumindest voraus, dass es für die Vergabestelle erkennbar ist, welche Erklärungen oder Nachweise nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nachzufordern sind. Mangels Erkennbarkeit einer Abweichung von einer technischen Spezifikation im Angebot der Firma G. war es der Klägerin gar nicht möglich, Nachweise für die Gleichwertigkeit der angebotenen Leistung anzufordern.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass – selbst wenn man die Schreiben der Firma G. vom 21. und 25. März 2013 als unaufgeforderte Nachreichung der nach § 13 Abs. 2 VOB/A erforderlichen, jedoch mit dem Angebot nicht vorgelegten Erklärungen betrachten würde – auch in diesen Schreiben eine ausdrückliche Erklärung, von technischen Spezifikationen abzuweichen, gerade nicht enthalten war. Vielmehr hat sie darin nur aufgeführt, weshalb aus ihrer Sicht eine Bauausführung mit den (von der Klägerin verdeckt ausgeschriebenen) Platten der Firma K. nicht den gewünschten Effekt erzielen werde und die von ihr angebotene Konstruktion die technisch bessere Lösung darstelle.
Letztlich kommt es aber hierauf nicht entscheidungserheblich an, da – wie gesehen – bereits keine bloße Abweichung von einer technischen Spezifikation vorgelegen hat. Das Verhalten der Klägerin, zunächst das Angebot der Firma G. ausschließen zu wollen, ohne dass sie entsprechend ihrer Verpflichtung aus § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A die nach § 13 Abs. 2 VOB/A fehlenden Unterlagen (Erklärung des Bieters, dass er von technischen Spezifikationen abweiche sowie die Gleichwertigkeit der angebotenen Leistung) nachgefordert hat, zeigt im Übrigen vielmehr, dass sie zunächst selbst nicht davon ausgegangen ist, im Leistungsverzeichnis technische Spezifikationen aufgeführt zu haben, sondern dass ihrerseits die entsprechende Auffassung offenbar erst entwickelt worden ist, als die Reduzierung einer Zuwendung wegen eines schweren Vergabeverstoßes im Raum stand. Es fanden sich nämlich weder im Vergabevermerk noch im internen Schriftverkehr entsprechende Anhaltspunkte bzw. Hinweise auf die Regelung des § 13 Abs. 2 VOB/A. Auch die Firma G. hat – wie ausgeführt – in ihren Schreiben vom 21. und vom 25. März 2013 nicht auf eine Abweichung nach § 13 Abs. 2 VOB/A hingewiesen.
Das Angebot der Firma G. konnte im Übrigen auch nicht als sogenanntes Nebenangebot in die Wertung aufgenommen werden, weil Nebenangebote ausdrücklich ausgeschlossen waren (Nr. 5.1 des Formulars 211 Aufforderung zur Abgabe eines Angebots sowie Nr. 4.b der Bekanntmachung im Bayerischen Staatsanzeiger vom 1.3.2013).
Nach alledem war eine Wertung des Angebots der Firma G. nicht möglich. Der Verstoß gegen § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. b i.V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A hätte den zwingenden Ausschluss des Angebots der Firma G. zur Folge gehabt. Der öffentliche Auftraggeber hat bei Angeboten, die den Vorgaben des § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A nicht entsprechen, kein Recht zu einer wie auch immer gearteten großzügigen Handhabe, sondern ist gezwungen, das betreffende Angebot aus der Wertung zu nehmen. Ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren ist nur gewährleistet, wenn in jeder Hinsicht vergleichbare Angebote vorliegen. Aus Gründen der Gleichbehandlung und Transparenz (§ 97 Abs. 2 und Abs. 1 GWB) ist es dem Auftraggeber im Vergabeverfahren nicht gestattet, Anforderungen in der Leistungsbeschreibung nachträglich fallen zu lassen und damit Bieter, die sich an die Vorgaben gehalten haben, zu benachteiligen (VK Bund, B.v. 4.2.2010 – VK 3 – 3/10 – VPRRS 2014, 0404; B.v. 8.1.2010 – VK 3 – 229/09 – VPRRS 2013, 0655; VK Nordbayern, B.v. 6.9.2012 – 21.VK – 3194 – 15/12 – IBRRS 2012, 3752). Insbesondere ist es nicht mit dem Grundsatz der Chancengleichheit vereinbar, im Nachhinein als Auftraggeber großzügig zu sein und solche Angebote als gleichwertig zu akzeptieren, die sich in wesentlichen Ausstattungsmerkmalen von der ursprünglich ausgeschriebenen Leistung unterscheiden (Weyand, ibr-online-Kommentar Vergaberecht, Stand 14.9.2015, § 7 VOB/A, Rn 294/1,1). Auch die übrigen Teilnehmer an der Ausschreibung dürfen durch eine Änderung der Verdingungsunterlagen durch einen Mitbieter keinen Wettbewerbsnachteil erleiden (VK Nordbayern, B.v. 6.9.2012 – 21.VK – 3194 – 15/12 – aaO; OLG Karlsruhe, B.v. 20.5.2011 – 15 Verg 7/11 – juris Rn. 22).
Dies betrifft auch die Fallkonstellation, dass der Auftraggeber überschießende Produktanforderungen – solche Anforderungen also, die nicht unbedingt zur Zweckerreichung des Bauziels erforderlich sind – in den Vergabeunterlagen aufstellt; auch dann greift eine diesbezügliche Selbstbindung. Er ist daher bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gebunden, nur solche Angebote zu berücksichtigen, die diesen überzogenen Produktanforderungen gerecht werden. Nach Öffnung der Angebote ist dem Auftraggeber ein nachträglicher Verzicht auf diese Produktanforderungen zu Gunsten eines anderen Angebotes untersagt (1. VK Sachsen, B.v. 1.6.2011 – 1/SVK/016-11 – juris).
Ob die Vergabestelle dabei versehentlich eine produktspezifische Ausschreibung vorgenommen hat, weil sie – wie in der Klagebegründung vorgetragen – den Beigeladenen mit der Erstellung einer produktneutralen Ausschreibung beauftragt hatte, spielt dabei keine Rolle. Die Klägerin konnte dieses ihr nach § 278 BGB zuzurechnende Versäumnis, das sie nach eigenem Vortrag erst mit dem Einspruch der Firma G. gegen die Mitteilung über die geplante Vergabeentscheidung bemerkt hat, nicht dadurch beseitigen, dass sie nachträglich eine Prüfung der Gleichwertigkeit einer anderen als der ausgeschriebenen Leistung prüfte und akzeptierte. Denn insoweit kann schon nicht ausgeschlossen werden, dass eine solche Prüfung nicht der im Zeitpunkt der Ausschreibungsvorbereitung von äußeren Sachzwängen befreiten Entscheidungsposition entspricht, sondern möglicherweise dem nachträglichen Wunsch geschuldet ist, gleichwohl auf eine möglichst zügige Beendigung des Vergabeverfahrens hinzuwirken.
Eine von solchen Erwägungen unbeeinflusste Prüfung seitens der Vergabestelle wäre nur nach einer erneuten Ausschreibung (vgl. VK Südbayern, B.v. 21.7.2008 – Z3-3-3194-1-23-06/08 – IBR 2009, 229) oder zumindest durch Einräumung der Gelegenheit an alle Bieter, auf diese Veränderung durch Änderungen und Anpassungen ihrer Angebote zu reagieren, möglich gewesen. Der Auftraggeber hat den Bietern in jeder Lage des Verfahrens – auch nach einer bereits erfolgten Submission – Gelegenheit zu geben, auf eventuelle Änderungen zu reagieren. Dies ergibt sich aus § 7 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 VOB/A. Die dort ausgeführten Anforderungen an den öffentlichen Auftraggeber, die Leistung eindeutig und erschöpfend so zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen, konkretisieren den vergaberechtlichen Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz (OLG Düsseldorf, B.v. 5.1.2011 – VII-Verg 46/10 – IBR 2011, 156). Sollen die Bieter bei der Abfassung der Angebote die gleichen Chancen haben, müssen die Angebote aller Wettbewerber den gleichen Bedingungen unterworfen seien. Das Transparenzgebot verlangt, dass alle für die Zuschlagsentscheidung maßgeblichen Umstände den Bietern so bekannt gemacht werden, dass sie bei Anwendung der üblichen Sorgfalt deren genaue Bedeutung verstehen und in gleicher Weise auslegen können und der Auftraggeber prüfen kann, ob die Angebote der Bieter die geltenden Kriterien erfüllen (vgl. BGH, U.v. 22.7.2010 – VII ZR 213/08 – juris).
Auf die Frage, ob das Angebot der Firma G. bereits auch auszuschließen gewesen wäre, weil sie eine Änderung der Vergabeunterlagen auch durch die Beifügung eigener Lieferungs- und Zahlungsbedingungen herbeigeführt hat, kommt es mithin nicht an.
3. Den dargestellten Verstoß der Klägerin gegen die VOB/A hat der Beklagte in nicht zu beanstandender Weise als schweren Verstoß angesehen, der nach seiner ständigen – ebenfalls nicht zu beanstandenden – Ermessenspraxis eine Kürzung der Zuwendungen zur Folge hat.
Bei der Frage, was im Einzelnen als schwerer Verstoß gegen die Vorschriften der VOB/A anzusehen ist, kommt es maßgeblich darauf an, wie die Regierung von Oberbayern als zuständige Behörde für die Vergabe der Zuwendungen dies in vergleichbaren Fällen praktiziert. Nur für den Fall, dass die Vergabe der Zuwendungen aufgrund der ständigen Verwaltungspraxis der für die Vergabe zuständigen Behörde in vergleichbaren Fallgestaltungen keinen Abschlag vom Zuwendungsanspruch vorsieht, könnte aufgrund des ermessensbindenden Verhaltens der Behörde ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung der Zuwendung in vollem Umfang entstehen. Die Regierung von Oberbayern hat indes im Schriftsatz vom 22. Juni 2017 ausdrücklich erklärt, dass es der ständigen Verwaltungsübung entspreche, bei einem schweren Vergabeverstoß die Zuwendung zu kürzen.
Die Regierung von Oberbayern wendet auch in der vorliegenden Konstellation, in der es nicht um den Widerruf einer Zuwendung geht, für die Frage, ob ein festgestellter Verstoß gegen die VOB/A einen „schweren Verstoß“ darstellt, die Rückforderungsrichtlinien des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 23. November 2006 an. Dabei handelt es sich um ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften. Für die Frage, ob ein schwerer Vergabeverstoß vorliegt, kommt es daher nicht auf eine richterliche Interpretation dieses Begriffs, sondern vielmehr darauf an, wie die zuständige Behörde diese administrative Binnenvorschrift im maßgebenden Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie in Folge dessen durch den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) gebunden ist. Das Gericht hat hier nur zu prüfen, ob bei der Anwendung der Richtlinie in Einzelfällen, in denen die begehrte Leistung versagt bzw. gekürzt worden ist, der Gleichheitssatz verletzt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung gezogen ist, nicht beachtet wurde. Die Grenzen der Interpretation von Richtlinien vorliegender Art durch die zur Entscheidung berufene Behörde werden hier allein durch den gesetzlich umrissenen Subventionszweck bestimmt. (vgl. BVerwG U.v. 17.1.1996 – 11 C 5/95 – juris Rn. 21; BayVGH, U.v. 21.8.2002 – 4 B 00.1936 – juris Rn. 16; B.v. 11.2.2011 – 4 ZB 09.3145 – juris Rn. 6). Danach ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte hier von einem schweren Vergabeverstoß ausgegangen ist.
Der Beklagte ging zu Recht davon aus, dass es durch die unzulässige produktspezifische Ausschreibung und das Vorgehen der Klägerin, nachträglich zugunsten der Firma G. auf die allen Bietern bekannt gemachten Anforderungen der Leistungsbeschreibung abzuweichen, zu einer ungerechtfertigten Einschränkung des Wettbewerbs gekommen ist und hat daher den klägerischen Vergabeverstoß unter das Regelbeispiel in Nr. 4.2 (ungerechtfertigte Einschränkung des Wettbewerbs) der Rückforderungsrichtlinien subsumiert.
Eine konkrete Kausalitätsprüfung dahingehend, ob eine vergaberechtswidrige Ausschreibung im Einzelfall tatsächlich einen Ausschluss potentieller Bieter oder gar einen nachweisbaren finanziellen Schaden der ausschreibenden Stelle bewirkt hat, lässt sich im Nachhinein kaum mehr durchführen und wird von den ermessensbindenden Rückforderungsrichtlinien auch nicht verlangt. Die Aufnahme vergaberechtlicher Verfahrensverpflichtungen in den Zuwendungsbescheid soll der für die nachträgliche Prüfung und für einen möglichen Widerruf zuständigen Behörde entsprechende Nachforschungen und Nachweispflichten ersparen (vgl. BayVGH, B.v. 9.2.2015 – 4 B 12.2325 – juris Rn. 24; B.v. 20.1.2016 – 21 ZB 14.1428 – juris Rn. 53). Die Einhaltung der Vergabegrundsätze liegt insoweit allein in der Risikosphäre des Zuwendungsempfängers (BayVGH, U.v. 9.2.2015 – 4 B 12.2325 – juris Rn. 25).
Nicht durchzugreifen vermag daher der Einwand der Klägerin, es sei hier zu keiner Einschränkung des Wettbewerbs gekommen, weil alle Bieter die Möglichkeit gehabt hätten, von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses abzuweichen – insgesamt sollen drei Firmen in Position 03.1 ein Produkt angeboten haben, das nicht den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses entsprach – und keines dieser Angebote allein deswegen ausgeschlossen worden sei. Es ist durchaus nicht fernliegend, dass sich weitere Interessenten beworben hätten oder auch andere Bieter im Leistungsverzeichnis ein gegebenenfalls günstigeres Produkt angeboten hätten, wenn ihnen bekannt gewesen, dass die Klägerin auch andere Produkte akzeptieren würde. Aus der Tatsache, dass drei von sieben Bietern ein anderes Produkt angeboten haben, ist nicht zu schließen, dass diese Abweichungsmöglichkeit auch allen anderen Bietern erkennbar war. Hinzu kommt, dass es die Klägerin selbst war, die zunächst das Angebot der Firma G. ausschließen wollte, weil es nicht den von ihr im Leistungsverzeichnis beschriebenen Anforderungen entsprochen hat. Dann stellt sich die Frage, wie sie davon ausgehen konnte, dass es für alle Bieter, die nur das Leistungsverzeichnis vorliegen hatten, erkennbar gewesen sein soll, dass auch andere Produkte angeboten werden können.
Ob daneben auch noch ein schwerer Vergabeverstoß nach Nr. 4.4.4 der Rückforderungsrichtlinien wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen die Grundsätze nach § 97 GWB vorliegt, bedarf daher keiner Entscheidung, auch wenn einiges dafür spricht, dass die Klägerin zumindest bedingt vorsätzlich gegen das Gebot eines fairen Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung aller Bieter (§ 97 GWB) verstoßen hat, indem sie trotz der Tatsache, dass sie spätestens mit dem Schreiben der Firma G. vom 20. März 2013 – wie sie selbst eingeräumt hat – positiv davon Kenntnis hatte, dass das erstellte Leistungsverzeichnis nicht produktneutral formuliert war, nicht alle Bieter davon in Kenntnis gesetzt hat, dass sie Angebote nicht allein deshalb ausschließen werde, weil darin Produkte aufgeführt seien, die nicht den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses entsprechen.
Es ist nicht ersichtlich, dass die Regierung von Oberbayern mit dieser Einordnung die Grenzen ihres Ermessens überschreiten oder einen dem Zweck der Vorschriften nicht entsprechenden Gebrauch machen würde (vgl. § 114 VwGO). Ihre Einschätzung ist vielmehr von den Intentionen der ermessensbindenden Richtlinien gedeckt und beachtet vor allem die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Gleichbehandlung. Diese Handhabung wird auch gedeckt durch die Regelung in Nr. 4.2 Alt. 1 der Rückforderungsrichtlinien, wonach ein schwerer VOB-Verstoß unter anderem bei einer ungerechtfertigten Einschränkung des Wettbewerbs vorliegt. Dabei wird gerade kein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln vorausgesetzt. Allein der Umstand einer „ungerechtfertigten Einschränkung des Wettbewerbs“ reicht vielmehr für die Annahme eines schweren VOB-Verstoßes aus.
4. Der Beklagte hat auch das ihm in Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG eingeräumte Widerrufsermessen („kann“) rechtsfehlerfrei ausgeübt und in seinem Schriftsatz vom 22. Juni 2017 auch nicht – wie die Klägerin meint – sein Ermessen erstmals ausgeübt oder Ermessenserwägungen ausgetauscht, sondern in zulässiger Weise bereits im Bescheid vom 18. Oktober 2016 enthaltene Ermessenerwägungen ergänzt und konkretisiert (§ 114 Satz 2 VwGO).
Ermessensentscheidungen unterliegen nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (§ 114 Satz 1 VwGO). Dem Gericht ist es deshalb versagt, die behördlichen Ermessenserwägungen durch eigene zu ersetzen; es kann die Entscheidung nur auf Ermessensfehler (Ermessensausfall, Ermessensdefizit, Ermessensfehlgebrauch) hin überprüfen. Diese Prüfung erstreckt sich insbesondere auch darauf, ob die Behörde von einem ausreichend ermittelten und zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist und ob sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens beachtet und von der ihr eingeräumten Entscheidungsbefugnis in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Gemäß § 114 Satz 2 VwGO kann die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen (vgl. allg. BayVGH, U.v. 31.1.2013 – 12 B 12.860 – juris Rn. 27).
Soweit sich Behörden in ihren Ermessenserwägungen auf ermessensleitende Verwaltungsvorschriften stützen, ist zu beachten, dass diese nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen einer eigenständigen richterlichen Auslegung unterliegen. Sie sind verwaltungsinterne Weisungen und dazu bestimmt, für die Verteilung von Fördermitteln Maßstäbe zu setzen; insoweit regeln sie das Ermessen der letztlich für die Verteilung der Mittel zuständigen Stellen und unterliegen demgemäß nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle analog § 114 VwGO. Die Bewilligungsbehörde hat bei der Entscheidung über eine in ihrem Ermessen stehende Subventionsvergabe Entscheidungsspielräume und in gewissem Umfang die Interpretationshoheit über die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften. Für die verwaltungsgerichtliche Prüfung entscheidend ist daher – genauso wie bei der bereits erörterten Frage, ob ein schwerer Vergabeverstoß vorliegt – nur, wie die zuständigen Behörden die jeweilige Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt haben und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) oder die gesetzliche (Subventions-) Zweckbestimmung gebunden sind. Allerdings entbindet die generalisierende Regelbeurteilung ermessensleitender Verwaltungsvorschriften die Behörde nicht davon, die jeweiligen Einzelumstände angemessen zu würdigen; insbesondere sind im Rahmen der Ermessensausübung wesentliche Abweichungen von dem Regelfall zu berücksichtigen, auf den die ermessensleitende Verwaltungsvorschrift zugeschnitten ist (vgl. BVerwG, B.v. 13.2.2013 – 3 B 58/12 – juris Rn. 8; VGH BW, U.v. 17.10.2013 – 9 S 123/12 – juris Rn. 70). Dies kommt auch in Nr. 3.2 der StMF-Rückforderungsrichtlinien vom 23. November 2006 zum Ausdruck (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 20.1.2016 – 21 ZB 14.1428 – juris Rn. 44; VG München, U.v. 12.12.2013 – M 15 K 12.397 – juris Rn. 61).
Hiervon ausgehend ist zunächst die Ermessensausübung des Beklagten zugunsten des im Lichte des dargelegten eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs bei ermessensleitenden Verwaltungsvorschriften, der im Kern den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) und die gesetzliche (Subventions-) Zweckbestimmung in den Blick nimmt, rechtlich nicht zu beanstanden.
Auch die Höhe der vorgenommenen Kürzung ist dabei nicht zu beanstanden. Bei dem hier bejahten schweren Vergaberechtsverstoß sieht die ermessensbindende Richtlinie für die Rückforderung der Zuwendungen vor, dass die Kosten für die jeweilige Auftragseinheit (zum Beispiel Teillos oder Fachlos), bei der der Verstoß übermittelt wurde, von der Förderung ausgeschlossen werden soll. Für den Fall, dass ein solcher Ausschluss zu einem völligen oder sehr weitgehenden Förderausschluss für die Gesamtmaßnahme und damit zu einer erheblichen Härte für den Zuwendungsempfänger führen würde, könne der Kürzungsbetrag auf 20 bis 25% der Gesamtzuwendung beschränkt werden, wobei dieser Rahmen auch unter- oder überschritten werden kann. Den Behörden wird damit eine allgemeine Vorgabe gemacht, durch die ein landesweit gleichmäßiger Vollzug im Grundsatz sichergestellt wird und bei der zusätzlich die besonderen Umstände des Einzelfalles in die Entscheidung einfließen können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein schwerer Vergaberechtsverstoß als förderrechtliche Konsequenz durchaus auch den völligen Ausschluss der betroffenen Auftragseinheit von der Förderung rechtfertigen kann (vgl. Nr. 3.2 der Rückforderungsrichtlinien; BayVGH, U.v. 9.2.2015 – 4 B 12.2325 – juris Rn. 22). Hält sich die Behörde bei der Ermessensentscheidung über den Umfang der Rückforderung innerhalb des durch die Richtlinie vorgegebenen engen Rahmens, so ist sie nicht gehalten, mit zusätzlichen Ermessenserwägungen ausdrücklich darzulegen, weshalb sie gerade den gewählten Prozentsatz und keinen geringeren oder höheren für angemessen hält. Für eine solche Feinjustierung bestünde nur Anlass, wenn die bisherige Vollzugspraxis Ansatzpunkte für eine andere Handhabung böte. Wenn der auf den Normalfall zugeschnittene ermessensbindende Rahmen eingehalten wird, so kann die genaue Höhe der Rückforderungsquote nur dann als ermessensfehlerhaft gerügt werden, wenn in gleichgelagerten Fällen ein anderer (geringerer) Prozentsatz angewandt wurde und damit ein Gleichheitsverstoß vorliegt (vgl. BayVGH, B.v. 22.5.2017 – 4 ZB 16.577 -, Rn. 23 f., juris; VG München, U.v. 13.3.2014 – M 15 K 12.6087 – juris Rn. 38, 40). Einer weitergehenden Begründung bedurfte es insoweit nicht.
Besondere Umstände des Einzelfalls ergaben sich insbesondere – entgegen der Auffassung der Klägerin – auch nicht daraus, dass, wie von der Klägerin behauptet, ihr die wettbewerbsbeschränkende Wirkung der nicht produktneutral abgefassten Vorgaben des Leistungsverzeichnisses nicht bekannt gewesen seien. Die Klägerin muss sich – wie ausgeführt – das Verhalten des mit der Ausschreibung beauftragten Beigeladenen gemäß § 278 BGB zurechnen lassen.
Auch der Vortrag der Klägerin, dass ihr Vorgehen keine Auswirkungen auf das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gehabt hätte, geht ins Leere: Diese Argumentation verkennt insbesondere, dass es zum einen Zweck der Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen ist, das jeweils wirtschaftlichste Angebot zum Zuge kommen zu lassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass nur durch eine öffentliche Ausschreibung unter Ausnutzung des Leistungswettbewerbs und aller Chancen am Markt das günstigste Angebot erzielt wird (vgl. OVG NW, U.v. 20.4.2012 – 4 A 1055/09 – juris Rn. 129). Das streng formalisierte Verfahren, wie es die VOB/A vorsieht, dient gerade dazu, das wirtschaftlich günstigste Angebot zu erzwingen (vgl. OVG NW, U.v. 20.4.2012, aaO; VG Düsseldorf, U.v. 16.2.2016 – 19 K 3318/14 – juris Rn. 107 ff.). Zum anderen ist es aber gerade auch Sinn und Zweck der Auflage zur Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften, wirkungsvoll einer Korruptions- und Manipulationsgefahr zu begegnen sowie Wettbewerb und Transparenz bei der Vergabe von Aufträgen, die durch Fördergelder mitfinanziert werden, zu gewährleisten. Dies ergibt sich ausdrücklich auch aus der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 14. Oktober 2005 zur Vergabe von Aufträgen im kommunalen Bereich (AllMBl. 2005, S. 424; vgl. dort unter Nr. 1.2.1), auf die Nr. 3.1 der ANBest-K Bezug nimmt.
Die Regelungen des Vergaberechts dienen also nicht nur der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit, sondern auch dem wirtschaftspolitischen Interesse des chancengleichen Zugangs zu öffentlichen Aufträgen und damit dem Wettbewerb. Deshalb ist es auch unerheblich, ob dem Zuwendungsgeber durch die Nichtbeachtung des Vergaberechts ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist oder nicht. Vielmehr indiziert die Missachtung des Vergaberechts, das (auch) die Wirtschaftlichkeit der Auftragsvergabe sicherstellen soll, die Unwirtschaftlichkeit (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 17.1.1996 – 11 C 5/95 – NJW 1996, 1766 – juris Rn. 21; U.v. 1.10.2008 – 11 A 7719/06 – juris Rn. 37; BayVGH, U.v. 5.8.2010 – 4 B 08.2968 – juris Rn. 26; B.v. 18.2.2010 – 4 ZB 09.943 – juris Rn. 5 ff.; B.v. 4.8.2008 – 4 ZB 06.1321 – juris Rn. 9; U.v. 13.12.2001 – 4 B 01.623 – BayVBl 2002, 498 – juris Rn. 15; VG München, U.v. 13.3.2014 – M 15 K 12.6087 – juris Rn. 37 ff.).
Der Beklagte ist auch in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass im Rahmen der vorzunehmenden Interessensabwägung das öffentliche Interesse an einer Rückforderung überwiegt. Einer weitergehenden Begründung bedurfte es insoweit nicht. Wendet die Behörde eine ermessensbindende Verwaltungsvorschrift an und unterlässt es lediglich, eine Ausnahme zu erwägen, liegt darin kein Ermessensnichtgebrauch (BayVGH, U.v. 9.2.2015 – 4 B 12.2325 – juris Rn. 22). Wenn der Beklagte in derartigen Fällen keine „mildernden Umstände“ zubilligt, kann das so lange nicht beanstandet werden, als gleichmäßig verfahren wird, denn die Zuwendungsgewährung liegt stets im Ermessen des Beklagten.
Der Widerruf der Zuwendungen erfolgte schließlich auch innerhalb der einjährigen Entscheidungsfrist aus Art. 49 Abs. 2a Satz 2 BayVwVfG i.V.m. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG (vgl. allg. BayVGH, B.v. 20.1.2016 – 21 ZB 14.1428 – juris Rn. 26; U.v. 25.6.2013 – 10 B 11.2217 – juris Rn. 38; VG München, U.v. 12.12.2013 – M 15 K 12.397 – juris Rn. 76). Die Stellungnahme der Klägerin zu einer möglichen Kürzung der Förderung wurde dem Beklagten mit Schreiben vom 27. Juni 2016 (Eingang am 28.6.2016) übermittelt; der streitbefangene Bescheid vom 18. Oktober 2016 ist folglich fristgerecht ergangen.
Mithin war die Klage mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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