Europarecht

LKW-Kartell II

Aktenzeichen  KZR 19/20

Datum:
13.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:130421UKZR19.20.0
Normen:
§ 33 Abs 3 GWB 2005
§ 33 Abs 5 GWB 2005
§ 204 Abs 2 BGB
Art 263 Abs 4 AEUV
Spruchkörper:
Kartellsenat

Leitsatz

LKW-Kartell II
1. Der Erfahrungssatz, dass im Rahmen eines Kartells erzielte Marktpreise im Schnitt über denjenigen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache gebildet hätten, ist auch bei der Abstimmung von Listenpreisen eines Produkts durch Hersteller zu beachten, wenn die Listenpreise die Grundlage der Preisgestaltung auf der Herstellerebene bilden und Listenpreiserhöhungen für die nicht am Kartell beteiligten Vertriebsunternehmen der Hersteller oder deren Produkte vertreibende selbständige Händler, die die Transaktionspreise mit den Abnehmern vereinbaren, Kostensteigerungen bei der Produktion indizieren.
2. Die Sechsmonatsfrist des § 204 Abs. 2 BGB beginnt bei Kartellschadensersatzansprüchen, deren Verjährung wegen der Einleitung eines Verfahrens durch die Europäische Kommission wegen eines Kartellverstoßes gemäß § 33 Abs. 5 GWB 2005 gehemmt wird, nicht mit der Bekanntgabe des Bußgeldbescheids, sondern mit dem Ablauf der Frist für die Erhebung der Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV.

Verfahrensgang

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 17. Februar 2020, Az: 16 U 43/19 Kart, Urteilvorgehend LG Kiel, 18. April 2019, Az: 6 O 108/18, Urteil

Tenor

Auf die Revision wird das Urteil des Kartellsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 17. Februar 2020 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Die Klägerin nimmt die beklagte Daimler AG auf Ersatz kartellbedingten Schadens im Zusammenhang mit dem Erwerb mehrerer Lastkraftwagen in Anspruch.
2
Die Beklagte ist einer der führenden LKW-Hersteller im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Mit – auf einem Vergleich (Settlement) mit den Betroffenen beruhenden – Beschluss vom 19. Juli 2016 stellte die Europäische Kommission fest, dass die Beklagte und mindestens vier weitere LKW-Hersteller, nämlich MAN, Volvo/Renault, Iveco und DAF, die ebenso wie Scania Streithelferinnen der Beklagten sind, durch Absprachen über Preise und Bruttolistenpreiserhöhungen für mittelschwere und schwere Lastkraftwagen sowie über den Zeitplan und die Weitergabe der Kosten für die Einführung von Emissionstechnologien für diese Fahrzeuge nach den Abgasnormen EURO 3 bis EURO 6 gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 EWR-Abkommen verstoßen haben. Für die Zuwiderhandlung, die sich über den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum erstreckte und vom 17. Januar 1997 bis zum 18. Januar 2011 andauerte, verhängte die Kommission gegen die Beklagte ein Bußgeld von gut einer Milliarde Euro.
3
Die Klägerin betreibt eine Spedition. Sie erwarb im März 2001 bei der Beklagten ab Werk einen Lastkraftwagen der Marke Mercedes-Benz, Typ 1828 L 4×2 5100 ATEGO. Im November 2003 wurden unter der Anschrift der Klägerin zwei weitere Lastkraftwagen dieses Typs bei der Beklagten erworben und einem Unternehmen “W.                                        ” in Rechnung gestellt. Ferner erwarb die Klägerin im Zeitraum zwischen September 2004 und August 2006 bei selbständigen DAF-Vertragshändlern drei Lastkraftwagen des Typs DAF FA LF45 sowie drei weitere Lastkraftwagen des Typs DAF FA XT95.
4
Die Klägerin, die mit ihrer am 28. Februar 2018 eingegangenen und der Beklagten am 20. März 2018 zugestellten Klage zunächst die Feststellung begehrt hat, dass die Beklagte ihr den durch den Erwerb unter anderem der vorgenannten Lastkraftwagen aufgrund von Kartellabreden entstandenen Schaden zu ersetzen habe, verlangt Zahlung von Schadensersatz in Höhe von gut 50.000 € wegen der genannten neun Erwerbsvorgänge. Sie berechnet ihren Schaden auf der Grundlage einer – anhand einer auf allgemeinen Marktdaten beruhenden Vergleichsmarktanalyse ermittelten – Preisüberhöhung bei den Produkten der Beklagten und der Streithelferinnen in Höhe von 7.007,49 € für bis Ende 2003 verkaufte Lastkraftwagen und von 5.231,76 € für ab 2004 verkaufte Lastkraftwagen.
5
Das Landgericht hat die Klage für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen und von den Streithelferinnen unterstützten Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die vollständige Klagabweisung.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben