Europarecht

Mindestfeststellungen bei Sanktionserhöhung wegen Wiederholungstat iSv Nr. 242.1 BKat

Aktenzeichen  2 Ss OWi 129/16

Datum:
25.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2016, 07463
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
OWiG OWiG § 71 Abs. 1
StPO StPO § 267 Abs. 3 S. 1
StVG StVG § 25
BKatV BKatV § 1, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 3
BKat Nr. 242.1

 

Leitsatz

1. Begründet das Tatgericht seine verschärfte Sanktionsentscheidung für eine fahrlässige Ordnungswidrigkeit nach den §§ 24a I i. V. m. III StVG mit der Annahme eines Wiederholungsfalls i. S. d. §§ 1 I, II, 3 I, 4 III BKatV i. V. m. Nr. 242.1 BKat, kann im Rahmen der nach den §§ 71 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 267 Abs. 3 Satz1 StPO gebotenen Zumessungserwägungen auf entsprechende Feststellungen zur Vorahndungssituation des Betroffenen nicht verzichtet werden. (amtlicher Leitsatz)
2. Um dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung der Rechtsfolgenentscheidung zu ermöglichen, muss aus den Urteilsgründen deshalb entweder hervorgehen, dass die (rechtskräftige) Vorahndung i. S. v. Nr. 242.1 BKat im (neuen) Tatzeitpunkt im Fahreignungsregister (FAER) bereits eingetragen war oder aber dem Betroffenen vor der neuerlichen Zuwiderhandlung auf andere Weise das Unrecht der (einschlägigen) früheren – wenn auch nur fahrlässig begangenen – Tat, etwa durch positive Kenntnis von der Verfolgung aufgrund eines ihm zugestellten Bußgeldbescheids, vor Augen geführt worden ist. (amtlicher Leitsatz)

Gründe

Oberlandesgericht Bamberg
2 Ss OWi 129/16
Beschluss
vom 25.2.2016
Zum Sachverhalt:
Das AG verurteilte die Betr. am 18.11.2015 wegen fahrlässigen Führens eines Kfz unter Alkoholeinfluss gem. § 24a I, III StVG (Tatzeit: 03.12.2014) zu einer Geldbuße von 1000 EUR und verhängte gegen sie ein Fahrverbot von 3 Monaten. In seinen Urteilsgründen verweist das AG auf eine dem Urteil angeheftete Auskunft aus dem Fahreignungsregister (FAER), aus der sich ergibt, dass die Betr. rechtskräftig seit 01.04.2015 wegen eines am 13.03.2014 erfolgten Führens eines Kfz unter der Wirkung eines berauschenden Mittels mit einer Geldbuße von 500 EUR sowie einem einmonatigen Fahrverbot vorgeahndet ist. Zu den Rechtsfolgen hat das AG im Wesentlichen ausgeführt, dass die Sanktionserhöhung als Regelfolge deshalb angezeigt sei, weil im FAER bereits eine Entscheidung nach § 24a II StVG eingetragen sei. Gegen die Betr. sei mit am 01.04.2014 rechtskräftig gewordenem Bußgeldbescheid bereits eine Geldbuße von 500 € und ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet worden, weil sie am 13.03.2014 ein Kfz unter der Wirkung eines berauschenden Mittels führte; aus demselben Grund scheide wegen der verfahrensgegenständlichen Tat ein vorläufiger Vollstreckungsaufschub nach § 25 IIa StVG aus. Die gegen das Urteil mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründete Rechtsbeschwerde führte zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs.
Aus den Gründen:
Die statthafte (§ 79 I 1 Nrn. 1 und 2 OWiG) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde der Betr. hat auf die Sachrüge – zumindest vorläufig – insoweit Erfolg, als der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils keinen Bestand hat; im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde aber unbegründet.
1. Der Schuldspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Betr. auf (§ 349 II StPO i. V. m. § 79 III 1 OWiG). […]
2. Indes hält die Rechtsfolgenentscheidung rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil sich die Feststellungen des AG zur Vorahndungslage der Betr. gemäß §§ 71 I OWiG i. V. m. § 267 III 1 StPO als lückenhaft und widersprüchlich erweisen und die auf die Annahme eines Wiederholungsfalles i. S.v. Nr. 242.1 BKat gestützte Sanktionsentscheidung nicht tragen (zur Anwendbarkeit des § 267 III 1 StPO im Bußgeldverfahren vgl. Göhler/Seitz OWiG. 16. Aufl. § 71 Rn. 40).
a) Im Ansatz zutreffend geht das AG davon aus, dass ein fahrlässiger Verstoß gem. § 24a I i. V. m. III StVG nach §§ 24a IV, 25 I 2 StVG i. V. m. §§ 1 I und II, 3 I, 4 III BKatV i. V. m. Nr. 242.1 BKat im Wiederholungsfall, also bei Eintragung bereits einer Entscheidung nach § 24a StVG, § 316 StGB oder § 315c I Nr. 1a StGB im FAER, im Regelfall mit einer Geldbuße von 1.000 Euro sowie einem Fahrverbot von 3 Monaten zu ahnden ist. Dabei knüpft die Annahme eines Wiederholungsfalles an eine zum Tatzeitpunkt im FAER eingetragene einschlägige Vorahndung an. Dies ergibt sich letztlich aus der übergeordneten Erwägung, dass eine Sanktionsverschärfung regelmäßig dann geboten ist, wenn der in der ganz überwiegenden Anzahl von Fällen nur fahrlässig handelnde Betr. im Zeitpunkt der neuerlichen Zuwiderhandlung für ihn formell verbindliche, nämlich rechtskräftige Vorwarnungen und die sich hieran anschließenden Ahndungsmaßnahmen missachtet hat. Insoweit hat der Verordnungsgeber einen bestimmten Regelfall herausgenommen und rechtlich verselbstständigt; er hat damit aber nicht zum Ausdruck gebracht, dass die Annahme eines (sanktionserhöhenden) Wiederholungsfalles stets die Eintragung der Vorahndung im FAER und damit deren Rechtskraft voraussetzt. Ohnehin sind die Regelsätze der BKatV nur Zumessungsrichtlinien, die den Tatrichter nicht von eigenen Zumessungserwägungen, insbesondere nicht von einer Einzelfallprüfung in Bezug auf die Berechtigung des Katalogsatzes im konkreten Fall entbinden (vgl. Hentschel/König/Dauer Straßenverkehrsrecht 43. Aufl. § 24 StVG Rn. 64). Sanktionserhöhend kann sich vielmehr im Einzelfall auch auswirken, dass dem Betr. vor der neuerlichen Tat das Unrecht der einschlägigen früheren Tat auf andere Weise vor Augen geführt wurde, etwa dadurch, dass der Betr. durch die Zustellung eines Bußgeldbescheides positive Kenntnis von der Verfolgung der früheren – wenn auch nur fahrlässig begangenen – Tat erlangt hatte und die hierfür erforderlichen zusätzlichen tatrichterlichen Feststellungen den Schluss zulassen, der Betr. habe sich über den vorausgegangenen Warnappell hinweggesetzt (zur Parallelproblematik bei der Annahme eines beharrlichen Pflichtenverstoßes vgl. zuletzt OLG Bamberg, Beschl. v. 16.03.2015 – 3 Ss OWi 236/15 = VerkMitt 2015, Nr. 35 = DAR 2015, 392= OLGSt StVG § 25 Nr. 59 unter Hinweis auf BayObLG NStZ-RR 1996; OLG Hamm NZV 2000, 53; Burhoff/Deutscher Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren 4. Aufl. Rn. 1595; Hentschel/König/Dauer § 25 StVG Rn. 15, jeweils m. w. N.).
b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze tragen die bisherigen Feststellungen des AG die Annahme eines Wiederholungsfalls und die hierauf gestützte Sanktionsentscheidung nicht. Ob zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Tat vom 03.12.2014 eine einschlägige Vorahndung im FAER eingetragen war, ist den Feststellungen des AG schon nicht hinreichend sicher zu entnehmen, da sich aus der im Urteil in Bezug genommenen Auskunft aus dem FAER als Datum der Rechtskraft der Vorahndung der 01.04.2015 ergibt, während im Urteil selbst der 01.04.2014 angegeben ist, was jedoch im Hinblick auf den zugehörigen Tatzeitpunkt am 13.03.2014 auf ein Schreibversehen hindeuten dürfte. Wäre danach die Vorahndung erst am 01.04.2015 rechtskräftig geworden, so hätten zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Tat keine Eintragungen im FAER vorgelegen. Ob die verhängten Rechtsfolgen gleichwohl Bestand haben können, hängt damit von der Frage ab, ob zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Tat der der Vorahndung zugrundeliegende Bußgeldbescheid bereits erlassen und der Betr. auch bekannt war. Insoweit lässt das angefochtene Urteil, das schon nicht den Zeitpunkt des Erlasses des Bußgeldbescheides mitteilt, die erforderlichen Feststellungen vermissen. […]


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