Europarecht

Neuheitsschonfrist zu Gunsten des Rechtsnachfolgers

Aktenzeichen  21 O 12764/19

Datum:
5.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2020, 30958
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GebrMG § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 S. 3, § 19 S. 1

 

Leitsatz

1. Für die Neuheitsschonfrist ist nicht die Rechtsnachfolge, sondern die lückenlose Kette der tatsächlichen Wissensvermittlung als Voraussetzung dafür ausschlaggebend, dass die vom Erfinder selbst ausgehende vorzeitige Benutzung als ausnahmsweise nicht neuheitsschädlich anzusehen ist (Anschluss an BPatG GRUR 1978, 637 – Lückenlose Kette). (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
2. Betracht, wenn diese auf eine Erfindung zurückgeht, die ein Dritter unabhängig vom Anmelder oder dessen Rechtsnachfolger gemacht hat (Anschluss an BGH GRUR 1980, 713 – Kunststoffdichtung). (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Sinn von § 3 Abs. 1 S. 3 GebrMG, den Erfinder hinsichtlich der Folgen eigener Vorverlautbarungen zu schonen, erstreckt sich nicht darauf, eine durch eine fremde Vorverlautbarung neuheitsschädlich getroffene Anmeldung eines Dritten dadurch zu heilen, dass der Dritte sie auf den Urheber der Vorverlautbarung als seinen Rechtsnachfolger überträgt (Anschluss an BPatG Beschl. v. 14.07.2004 – 5 W (pat) 429/03), BeckRS 2004, 17355). (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
4. Vergleichbares gilt im umgekehrten Fall, dass der Anmelder fremde neuheitsschädliche Vorverlautbarungen erwirbt, um seine eigene (gegenüber dem Stand der Technik nicht neue) Anmeldung zu heilen. Dieser Vorgang ist vom Begriff des „Rechtsvorgängers“ im Sinne von § 3 Abs. 1 S. 3 PatG nicht umfasst. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Rechtsstreit wird bis zur rechtskräftigen Entscheidung im gegen das Gebrauchsmuster DE vor dem Deutschen Patent und Markenamt erhobenen Löschungsverfahren (Az. 20 2016 106 107.7) ausgesetzt.

Gründe

A.
Die Parteien streiten um Ansprüche wegen einer von der Klägerin geltend gemachten Gebrauchsmusterverletzung.
Die Klägerin ist ein niederländisches Unternehmen mit Sitz in Amsterdam und Teil der Jacobs Douwe Egberts-Unternehmensgruppe, die Kaffee- und Teeprodukte herstellt und weltweit vertreibt.
Die Beklagte ist ein schweizerisches Unternehmen mit Sitz in Bi . Sie zählt zu den größten Kaffeeröstereien auf dem Schweizer Markt und vertreibt auch in Deutschland unter Marken wie Cr und C, Kaffeekapseln und -pads.
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Gebrauchsmusters DE (Klagegebrauchsmuster – Anlage K1). Das Klagegebrauchsmuster wurde am 17.05.2016 unter Inanspruchnahme der Prioritäten der internationalen Patentanmeldungen PCT/ vom 15.05.2015 und PCT/ vom 13.05.2016 angemeldet. Die Eintragung erfolgte am 25.11.2016, die Veröffentlichung am 05.01.2017. Das Klagegebrauchsmuster steht in Kraft (vgl. Registerauszug Anlage K2).
Das Klagegebrauchsmuster betrifft gemäß Abs. [0001] ein System und eine Kapsel für die Zubereitung eines trinkbaren Getränks durch Extrahieren einer Getränkesubstanz mittels Zufuhr eines Fluids unter Druck.
Anspruchsgemäß gemäß Anspruch 45 des Klagegebrauchsmusters ist ein System zur Zubereitung eines trinkbaren Getränks aus einer Kapsel unter der Verwendung eines Fluids, das unter Druck in die Kapsel zugeführt wird, umfassend: eine Getränkezubereitungsvorrichtung, umfassend ein einschließendes Element zum Aufnehmen der Kapsel, wobei das einschließende Element ein Fluideinspritzmittel zum Zuführen von Fluid unter Druck in die Kapsel aufweist, wobei die Getränkezubereitungsvorrichtung ferner ein Verschlusselement, wie zum Beispiel eine Extraktionsplatte, umfasst, um das einschließende Element der Getränkezubereitungsvorrichtung zu verschließen, wobei das einschließende Element der Getränkezubereitungsvorrichtung ferner ein ringförmiges Element umfasst, das eine Mittelachse des ringförmigen Elements und ein freies Kontaktende aufweist, wobei das freie Kontaktende des ringförmigen Elements optional mit einer Vielzahl sich radial erstreckender offener Nuten ausgestattet ist; eine Kapsel, die eine Substanz für die Zubereitung eines trinkbaren Getränks durch Extrahieren und/oder Lösen der Substanz mittels des unter Druck durch das Fluideinspritzmittel der Getränkezubereitungsvorrichtung in die Kapsel zugeführten Fluids enthält, wobei die Kapsel einen Aluminiumkapselkörper aufweist, der eine mittlere Kapselkörperachse hat, wobei der Aluminiumkapselkörper mit einem Boden, einer Seitenwand und einem sich nach außen erstreckenden Flansch ausgestattet ist, wobei die Kapsel ferner einen Aluminiumdeckel umfasst, der an dem sich nach außen erstreckenden Flansch befestigt ist, wobei der Deckel die Kapsel hermetisch abschließt, wobei die Kapsel ferner ein Dichtungselement am sich nach außen erstreckenden Flansch aufweist, um einen fluiddichten Kontakt mit dem einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung vorzusehen, wenn die Kapsel in dem einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung angeordnet ist und das einschließenden Element mittels des Verschlusselements der Getränkezubereitungsvorrichtung verschlossen wird, sodass der sich nach außen erstreckende Flansch der Kapsel und mindestens ein Teil des dichtenden Elements der Kapsel zwischen dem einschließenden Element und dem Verschlusselement der Getränkezubereitungsvorrichtung in dichtendem Eingriff sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Kapsel ein Lager für das einschließende Element der Getränkezubereitungsvorrichtung umfasst, wenn die Kapsel in dem einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung angeordnet ist und das einschließende Element mittels eines Verschlusselements der Getränkezubereitungsvorrichtung verschlossen wird, wobei das Lager mindestens einen Teil des freien Kontaktendes des ringförmigen Elements umschließt, wobei vor der Verwendung mindestens ein erster Teil des Lagers auf einer ersten Höhe oberhalb des Deckels liegt, wobei in der Verwendung beim Schließen des einschließenden Elements mittels des Verschlusselements der mindestens eine erste Teil des Lagers dadurch abgesenkt wird, dass das freie Kontaktende des ringförmigen Elements zum Verschlusselement hin bewegt wird, wobei das Lager mindestens teilweise über das freie Kontaktende des ringförmigen Elements gefaltet wird, sodass nach dem Schließen des einschließenden Elements mittels des Verschlusselements der mindestens eine erste Teil des Lagers auf einer zweiten Höhe oberhalb des Deckels liegt, wobei die erste Höhe größer als die zweite Höhe ist und die zweite Höhe null sein kann.
Die Beklagte bietet Aluminiumkaffeekapseln unter der Marke „C “, die für das N System kompatibel sind, in der Bundesrepublik Deutschland an und vertreibt diese (nachfolgend: angegriffene Ausführungsformen).
Die Klägerin trägt vor, dass
Die Beklagte das Klagegebrauchsmuster im Umfang der geltend gemachten Ansprüche verletze und dass der Rechtsstreit im Übrigen nicht auszusetzen sei.
Insbesondere ist die Klägerin der Auffassung, dass das Klagegebrauchsmuster nicht das Absenken des Bodes des Lagers bzw. Plateaus erfordere – es lasse vielmehr ausdrücklich auch Ausführungsformen zu, bei denen ein anderer Teil des Plateaus abgesenkt werde.
Auch sei der im Klagegebrauchsmuster verwendete Begriff des „Schließens“ nicht auf einen mechanischen Verschlussvorgang beschränkt, sondern beziehe auch eine Bewegung durch Fluiddruck ein.
Zuletzt erfordere das Klagegebrauchsmuster auch keine Abdichtung durch„Tiefziehen“, wie es die Beklagte vortrage. Diese Auslegung werde vom Wortlaut der Beschreibung nicht getragen, die den Begriff des Tiefziehens im Zusammenhang mit der beanspruchten Abdichtung nicht verwende – sondern nur im Zusammenhang mit der Herstellung von Kaffeekapseln.
Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, dass das Klagepatent rechtsbeständig sei.
Insbesondere trägt sie vor, dass das Klagegebrauchsmuster neu gegenüber der Entgegenhaltung D1 (WO 2014/184652 A1) sei, da diese bei richtiger Auslegung keine Kapsel offenbare, bei der der Deckel an dem sich nach außen erstreckenden Flansch befestigt sei. Vielmehr sei der Deckel bei der D1 am Boden des Lagers bzw. Plateaus befestigt. Das Plateau sei allerdings bei richtiger Auslegung des Klagegebrauchsmusters nicht Teil des Flansches.
Im Übrigen liege die D1 innerhalb der Neuheitsschonfrist des § 3 Abs. 1 S. 3 GebrMG, von der die Klägerin vorliegend Gebrauch machen könne. § 3 Abs. 1 S. 3 GebrMG finde auch auf einen Fall wie den vorliegenden Anwendung.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
I. die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,
Kapseln, enthaltend eine Substanz zur Zubereitung eines trinkbaren Getränks durch Extrahieren und/oder Lösen der Substanz mittels der Zufuhr eines Fluids unter Druck in die Kapsel in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
wobei die Kapseln einen Aluminiumkapselkörper umfassen, der eine mittlere Kapselkörperachse hat, wobei der Aluminiumkapselkörper mit einem Boden, einer Seitenwand und einem sich nach außen erstreckenden Flansch ausgestattet ist, wobei die Kapsel ferner einen Aluminiumdeckel umfasst, der auf dem sich nach außen erstreckenden Flansch befestigt ist, wobei der Deckel die Kapsel hermetisch abschließt, wobei die Kapsel ferner ein Dichtungselement an dem sich nach außen erstreckenden Flansch umfasst, um einen fluiddichten Kontakt mit einem einschließenden Element einer Getränkezubereitungsvorrichtung vorzusehen, wenn die Kapsel in dem einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung angeordnet ist und das einschließende Element mittels eines Verschlusselements der Getränkezubereitungsvorrichtung, wie zum Beispiel einer Extraktionsplatte der Getränkezubereitungsvorrichtung, verschlossen wird, sodass der sich nach außen erstreckende Flansch der Kapsel und mindestens ein Teil des Dichtungselements der Kapsel zwischen dem einschließenden Element und dem Verschlusselement der Getränkezubereitungsvorrichtung in dichtendem Eingriff sind, wobei das einschließende Element der Getränkezubereitungsvorrichtung ein ringförmiges Element umfasst, das eine Mittelachse des ringförmigen Elements und ein freies Kontaktende aufweist, wobei das freie Kontaktende des ringförmigen Elements optional mit einer Vielzahl sich radial erstreckender offener Nuten ausgestattet ist,
dadurch gekennzeichnet, dass die Kapsel ein Lager für das einschließende Element der Getränkezubereitungsvorrichtung umfasst, wenn die Kapsel in dem einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung angeordnet ist und das einschließende Element mittels eines Verschlusselements der Getränkezubereitungsvorrichtung verschlossen wird, wobei das Lager mindestens einen Teil des freien Kontaktendes des ringförmigen Elements umschließt, wobei vor der Verwendung mindestens ein erster Teil des Lagers auf einer ersten Höhe oberhalb des Deckels liegt, wobei in der Verwendung beim Schließen des einschließenden Elements mittels des Verschlusselements der mindestens eine erste Teil des Lagers dadurch abgesenkt wird, dass das freie Kontaktende des ringförmigen Elements zum Verschlusselement hin bewegt wird, wobei das Lager mindestens teilweise über das freie Kontaktende des ringförmigen Elements gefaltet wird, sodass nach dem Schließen des einschließenden Elements mittels des Verschlusselements der mindestens eine erste Teil des Lagers auf einer zweiten Höhe oberhalb des Deckels liegt, wobei die erste Höhe größer als die zweite Höhe ist und die zweite Höhe null sein kann
– Anspruch 1 (unmittelbare Verletzung) -,
und
das Lager, das mindestens einen Teil des freien Kontaktendes des ringförmigen Elements umschließt, mindestens teilweise durch das Dichtungselement ausgebildet wird
– Anspruch 27 -,
und
das Dichtungselement einen Fortsatz, der von dem sich nach außen erstreckenden Flansch vorsteht, und ein Plateau zwischen dem Fortsatz und der Seitenwand des Aluminiumkapselkörpers umfasst, wobei das Lager von dem Fortsatz, dem Plateau und der Seitenwand des Aluminiumkapselkörpers ausgebildet wird, wobei der Abstand zwischen dem Fortsatz und der Seitenwand so ist, dass das freie Kontaktende des ringförmigen Elements von dem Fortsatz und der Seitenwand des Aluminiumkapselkörpers eingeschlossen wird, wenn die Kapsel in dem einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung angeordnet ist und das einschließende Element mittels eines Verschlusselements der Getränkezubereitungsvorrichtung verschlossen wird, wobei vor der Verwendung mindestens ein erster Teil des Plateaus auf einer ersten Höhe oberhalb des Deckels liegt, wobei in der Verwendung beim Verschließen des einschließenden Elements mittels des Verschlusselements der mindestens eine erste Teil des Plateaus dadurch abgesenkt wird, dass das freie Kontaktende des ringförmigen Elements zum Verschlusselement hin bewegt wird, sodass das Plateau mindestens teilweise über das freie Kontaktende gefaltet wird, wobei nach dem Verschließen des einschließenden Elements mittels des Verschlusselements der mindestens eine erste Teil des Plateaus auf einer zweiten Höhe oberhalb des Deckels liegt, wobei die erste Höhe größer als die zweite Höhe ist und die zweite Höhe null sein kann
– Anspruch 31 -,
insbesondere wenn
die Dicke des Aluminiumkapselkörpers 20 bis 120 µm, vorzugsweise 100 µm beträgt
– Anspruch 5 -,
und/oder wenn
die Seitenwand des Aluminiumkapselkörpers ein freies Ende gegenüber dem Boden hat, wobei sich der nach außen erstreckende Flansch von dem freien Ende der Seitenwand in einer Richtung erstreckt, die mindestens im Wesentlichen quer zur mittleren Kapselkörperachse verläuft
– Anspruch 9 -,
dies insbesondere wenn
der sich außen erstreckende Flansch einen eingerollten äußeren Rand hat
– Anspruch 10 -,
dies insbesondere
wenn das Dichtungselement zwischen dem freien Ende der Seitenwand des Aluminiumkapselkörpers und einem inneren Rand des eingerollten äußeren Rands des sich nach außen erstreckenden Flanschs angeordnet ist
– Anspruch 12 -,
und/oder wenn
die Höhe des Dichtungselementteils, der zuerst durch das freie Ende des einschließenden Elements zu kontaktieren ist, wenn das einschließende Element geschlossen wird, mindestens ungefähr 0,1 mm ist, vorzugsweise mindestens 0,2 mm und noch besser mindestens 0,8 mm und höchstens 3 mm, noch besser höchstens 2 mm und am besten höchstens 1,2 mm ist
– Anspruch 20 -,
dies insbesondere wenn
mindestens ein Fortsatz ein Fortsatzoberteil umfasst, und wobei der mindestens eine Fortsatz so konfiguriert ist, dass sein Fortsatzoberteil eine radiale Kraft auf das freie Kontaktende des ringförmigen Elements ausübt, wenn die Kapsel in dem einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung angeordnet ist und das einschließende Element mittels eines Verschlusselements der Getränkezubereitungsvorrichtung verschlossen wird
– Anspruch 34 -,
und/oder wenn
mindestens ein Fortsatz eine Fortsatz-Seitenwand umfasst, die relativ zu dem sich nach außen erstreckenden Flansch des Aluminiumkapselkörpers geneigt ist
– Anspruch 35 -,
und/oder wenn
das Plateau einen gekrümmten Teil umfasst
– Anspruch 37 -,
und/oder wenn
die Dichtungsstruktur verformbar ist, sodass das Lager mindestens einen Teil des freien Kontaktendes des ringförmigen Elements fluiddicht umschließt, wenn in der Verwendung der maximale Fluiddruck im einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung im Bereich von 6 bis 20 bar, vorzugsweise zwischen 12 und 18 bar ist
– Anspruch 39 -,
und/oder wenn
die Dichtungsstruktur verformbar ist, sodass das Lager mindestens einen Teil des freien Kontaktendes des ringförmigen Elements fluiddicht umschließt, wenn während des Aufbrühens das freie Kontaktende des ringförmigen Elements eine Kraft F2 auf die Dichtungsstruktur der Kapsel ausübt, wobei F2 im Bereich von 500 bis 1500 N, vorzugsweise im Bereich von 750 bis 1250 N ist, wenn der Fluiddruck P2 im einschließenden Element außerhalb der Kapsel im Bereich von 6 bis 20 Bar, vorzugsweise zwischen 12 und 18 bar ist
– Anspruch 40 -,
und/oder wenn die Dichtungsstruktur verformbar ist, sodass das Lager mindestens einen Teil des freien Kontaktendes des ringförmigen Elements fluiddicht umschließt, wenn in der Verwendung, vor oder bei Beginn des Aufbrühens das freie Kontaktende des ringförmigen Elements eine Kraft F1 auf die Dichtungsstruktur der Kapsel ausübt,
wobei die Kraft F1 im Bereich von 30 bis 150 N, vorzugsweise von 40 bis 150 N, noch besser von 50 bis 100 N ist, wenn der Fluiddruck P1 im einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung außerhalb der Kapsel im Bereich von 0,1 bis 4 bar, vorzugsweise zwischen 0,1 und 1 Bar beträgt
– Anspruch 41 -;
und/oder wenn
die Dichtungsstruktur und der Rest des Kapselkörpers aus dem gleichen Blechmaterial hergestellt sind
– Anspruch 44 -;
2. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,
Kapseln, welche für die Verwendung in einem System zur Zubereitung eines trinkbaren Getränks aus einer Kapsel unter der Verwendung eines Fluids, das unter Druck in die Kapsel zugeführt wird, geeignet sind, Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern,
wobei das System umfasst:
eine Getränkezubereitungsvorrichtung, umfassend ein einschließendes Element zum Aufnehmen der Kapsel, wobei das einschließende Element ein Fluideinspritzmittel zum Zuführen von Fluid unter Druck in die Kapsel aufweist, wobei die Getränkezubereitungsvorrichtung ferner ein Verschlusselement, wie zum Beispiel eine Extraktionsplatte, umfasst, um das einschließende Element der Getränkezubereitungsvorrichtung zu verschließen, wobei das einschließende Element der Getränkezubereitungsvorrichtung ferner ein ringförmiges Element umfasst, das eine Mittelachse des ringförmigen Elements und ein freies Kontaktende aufweist,
wobei das freie Kontaktende des ringförmigen Elements optional mit einer Vielzahl sich radial erstreckender offener Nuten ausgestattet ist; eine Kapsel, die eine Substanz für die Zubereitung eines trinkbaren Getränks durch Extrahieren und/oder Lösen der Substanz mittels des unter Druck durch das Fluideinspritzmittel der Getränkezubereitungsvorrichtung in die Kapsel zugeführten Fluids enthält, wobei die Kapsel einen Aluminiumkapselkörper aufweist, der eine mittlere Kapselkörperachse hat, wobei der Aluminiumkapselkörper mit einem Boden, einer Seitenwand und einem sich nach außen erstreckenden Flansch ausgestattet ist, wobei die Kapsel ferner einen Aluminiumdeckel umfasst, der an dem sich nach außen erstreckenden Flansch befestigt ist, wobei der Deckel die Kapsel hermetisch abschließt, wobei die Kapsel ferner ein Dichtungselement am sich nach außen erstreckenden Flansch aufweist, um einen fluiddichten Kontakt mit dem einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung vorzusehen, wenn die Kapsel in dem einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung angeordnet ist und das einschließenden Element mittels des Verschlusselements der Getränkezubereitungsvorrichtung verschlossen wird, sodass der sich nach außen erstreckende Flansch der Kapsel und mindestens ein Teil des dichtenden Elements der Kapsel zwischen dem einschließenden Element und dem Verschlusselement der Getränkezubereitungsvorrichtung in dichtendem Eingriff sind,
dadurch gekennzeichnet, dass die Kapsel ein Lager für das einschließende Element der Getränkezubereitungsvorrichtung umfasst, wenn die Kapsel in dem einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung angeordnet ist und das einschließende Element mittels eines Verschlusselements der Getränkezubereitungsvorrichtung verschlossen wird, wobei das Lager mindestens einen Teil des freien Kontaktendes des ringförmigen Elements umschließt, wobei vor der Verwendung mindestens ein erster Teil des Lagers auf einer ersten Höhe oberhalb des Deckels liegt, wobei in der Verwendung beim Schließen des einschließenden Elements mittels des Verschlusselements der mindestens eine erste Teil des Lagers dadurch abgesenkt wird, dass das freie Kontaktende des ringförmigen Elements zum Verschlusselement hin bewegt wird, wobei das Lager mindestens teilweise über das freie Kontaktende des ringförmigen Elements gefaltet wird, sodass nach dem Schließen des einschließenden Elements mittels des Verschlusselements der mindestens eine erste Teil des Lagers auf einer zweiten Höhe oberhalb des Deckels liegt, wobei die erste Höhe größer als die zweite Höhe ist und die zweite Höhe null sein kann
– Anspruch 45 (mittelbare Verletzung) -,
und
das Lager, das mindestens einen Teil des freien Kontaktendes des ringförmigen Elements umschließt, mindestens teilweise durch das Dichtungselement ausgebildet wird
– Anspruch 71 -,
und
das Dichtungselement einen Fortsatz, der von dem sich nach außen erstreckenden Flansch vorsteht, und ein Plateau zwischen dem Fortsatz und der Seitenwand des Aluminiumkapselkörpers umfasst, wobei das Lager von dem Fortsatz, dem Plateau und der Seitenwand des Aluminiumkapselkörpers ausgebildet wird, wobei der Abstand zwischen dem Fortsatz und der Seitenwand so ist, dass das freie Kontaktende des ringförmigen Elements von dem Fortsatz und der Seitenwand des Aluminiumkapselkörpers eingeschlossen wird, wenn die Kapsel in dem einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung angeordnet ist und das einschließende Element mittels eines Verschlusselements der Getränkezubereitungsvorrichtung verschlossen wird, wobei vor der Verwendung mindestens ein erster Teil des Plateaus auf einer ersten Höhe oberhalb des Deckels liegt, wobei in der Verwendung beim Verschließen des einschließenden Elements mittels des Verschlusselements der mindestens eine erste Teil des Plateaus dadurch abgesenkt wird, dass das freie Kontaktende des ringförmigen Elements zum Verschlusselement hin bewegt wird, sodass das Plateau mindestens teilweise über das freie Kontaktende gefaltet wird, wobei nach dem Verschließen des einschließenden Elements mittels des Verschlusselements der mindestens eine erste Teil des Plateaus auf einer zweiten Höhe oberhalb des Deckels liegt, wobei die erste Höhe größer als die zweite Höhe ist und die zweite Höhe null sein kann
– Anspruch 75 -,
insbesondere wenn
die Dicke des Aluminiumkapselkörpers 20 bis 120 µm, vorzugsweise 100 µm beträgt
– Anspruch 49 -,
und/oder wenn
die Seitenwand des Aluminiumkapselkörpers ein freies Ende gegenüber dem Boden hat, wobei sich der nach außen erstreckende Flansch von dem freien Ende der Seitenwand in einer Richtung erstreckt, die mindestens im Wesentlichen quer zur mittleren Kapselkörperachse verläuft
– Anspruch 53 -,
dies insbesondere wenn
der sich außen erstreckende Flansch einen eingerollten äußeren Rand hat
– Anspruch 54 -,
dies insbesondere wenn
das Dichtungselement zwischen dem freien Ende der Seitenwand des Aluminiumkapselkörpers und einem inneren Rand des eingerollten äußeren Rands des sich nach außen erstreckenden Flanschs angeordnet ist
– Anspruch 56 -,
und/oder wenn
die Höhe des Dichtungselementteils, der zuerst durch das freie Ende des schließenden einschließenden Elements kontaktiert wird, mindestens ungefähr 0,1 mm ist, vorzugsweise mindestens 0,2 mm und noch besser mindestens 0,8 mm und höchstens 3 mm, noch besser höchstens 2 mm und am besten höchstens 1,2 mm ist
– Anspruch 64 -,
dies insbesondere wenn mindestens ein Fortsatz ein Fortsatzoberteil umfasst, und wobei der mindestens eine Fortsatz so konfiguriert ist, dass Fortsatzoberteil eine radiale Kraft auf das freie Kontaktende des ringförmigen Elements ausübt, wenn die Kapsel in dem einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung angeordnet ist und das einschließende Element mittels eines Verschlusselements der Getränkezubereitungsvorrichtung verschlossen wird
– Anspruch 78 -,
und/oder insbesondere wenn
mindestens ein Fortsatz eine Fortsatz-Seitenwand umfasst, die relativ zu dem sich nach außen erstreckenden Flansch des Aluminiumkapselkörpers geneigt ist
– Anspruch 79 -,
und/oder insbesondere wenn
das Plateau einen gekrümmten Teil umfasst
– Anspruch 81 -,
und/oder wenn
in der Verwendung der maximale Fluiddruck im einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung im Bereich von 6 bis 20 bar, vorzugsweise zwischen 12 und 18 bar ist
– Anspruch 83 -,
und/oder wenn
das System so angeordnet ist, dass in der Verwendung während des Aufbrühens ein freies Ende des einschließenden Elements der Getränkezubereitungsvorrichtung eine Kraft F2 auf das Dichtungselement der Kapsel ausübt, um einen fluiddichten Kontakt zwischen dem sich nach außen erstreckenden Flansch der Kapsel und dem einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung vorzusehen, wobei F2 im Bereich von 500 bis 1500 N, vorzugsweise im Bereich von 750 bis 1250 N ist, wenn der Fluiddruck P2 im einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung außerhalb der Kapsel im Bereich von 6 bis 20 bar, vorzugsweise zwischen 12 und 18 bar ist
– Anspruch 84 -,
und/oder wenn
das System so angeordnet ist, dass in der Verwendung vor oder bei Beginn des Aufbrühens ein freies Ende des einschließenden Elements der Getränkezubereitungsvorrichtung eine Kraft F1 auf das Dichtungselement der Kapsel ausübt, um einen fluiddichten Kontakt zwischen dem sich nach außen erstreckenden Flansch der Kapsel und dem einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung bereitzustellen, wobei F1 im Bereich von 30 bis 150 N, vorzugsweise im Bereich von 40 bis 150 N, noch besser von 50 bis 100 N ist, wenn der Fluiddruck P 1 im einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung außerhalb der Kapsel im Bereich von 0,1 bis 4 bar, vorzugsweise zwischen 0,1 und 1 bar beträgt
– Anspruch 85 -;
und/oder wenn
während der Verwendung, wenn das Verschlusselement der Getränkezubereitungsvorrichtung das einschließende Element der Getränkezubereitungsvorrichtung verschließt, mindestens das freie Kontaktende des einschließenden Elements der Getränkezubereitungsvorrichtung sich relativ zum Verschlusselement der Getränkezubereitungsvorrichtung unter der Wirkung Drucks des Fluids in dem einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung zu dem Verschlusselement der Getränkezubereitungsvorrichtung hin bewegen kann, um die maximale Kraft zwischen dem Flansch der Kapsel und dem freien Ende des einschließenden Elements der Getränkezubereitungsvorrichtung anzulegen, wobei optional das einschließende Element einen ersten Teil und einen zweiten Teil umfasst, wobei der zweite Teil das freie Kontaktende des einschließenden Elements umfasst, wobei der zweite Teil sich relativ zum ersten Teil zwischen einer ersten und einer zweiten Position bewegen kann, wobei der zweite Teil sich von der ersten Position zur zweiten Position in der Richtung des Verschlusselements unter dem Einfluss von Fluiddruck in dem einschließenden Element bewegen kann, wobei optional die Kraft F1 gemäß Anspruch 85 erreicht wird, wenn der zweite Teil in der ersten Position ist, mit einem Fluiddruck P1 in dem einschließenden Element, wie in Anspruch 85 angegeben, und wobei optional die Kraft F2 gemäß Anspruch 84 erreicht wird, wenn der zweite Teil zur zweiten Position hin bewegt wird, unter dem Einfluss des Fluiddrucks P2 in dem einschließenden Element, wie in Anspruch 84 angegeben
– Anspruch 88 -,
und/oder wenn
während der Verwendung, wenn das Verschlusselement der Getränkezubereitungsvorrichtung das einschließende Element der Getränkezubereitungsvorrichtung verschließt, sich das einschließende Element der Getränkezubereitungsvorrichtung relativ zu dem Verschlusselement der Getränkezubereitungsvorrichtung unter dem Effekt des Drucks des Fluids in dem einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung zum Verschlusselement der Getränkezubereitungsvorrichtung bewegen kann, um die maximale Kraft zwischen dem Flansch der Kapsel und dem freien Ende des einschließenden Elements der Getränkezubereitungsvorrichtung anzulegen
– Anspruch 89 -;
3. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1 und 2.2 bezeichneten Handlungen seit dem 5. Januar 2017 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren;
c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
4. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I.1. und 2.2 bezeichneten Handlungen seit dem 25. November 2016 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, – preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, – preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten des erzielten Gewinns,
wobei die Angaben zu d) nur für die Zeit seit dem 05. Februar 2017 und nur für die unter Ziffer I. 1 bezeichneten Handlungen zu machen sind, und
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob in bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
5. die sich in der Bundesrepublik Deutschland in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer I.1. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben;
6. die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten gebrauchsmusterverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
1.der Klägerin für die durch Handlungen entsprechend der Ziffer I. 1 seit dem 25. November 2016 bis einschließlich 4. Februar 2017 rechtsgrundlos erlangten, aber nicht mehr herausgebbaren Gebrauchsvorteile Wertersatz zu leisten;
2.der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I. 1 und 1.2 bezeichneten, in der Zeit seit dem 05. Februar 2017 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung im gegen das Gebrauchsmuster DE vor dem Deutschen Patent und Markenamt erhobenen Löschungsverfahren (Az. 20 2016 106 107.7) auszusetzen.
Die Beklagte ist der Auffassung,
dass die Klage unbegründet sei bzw. zumindest das Verfahren wegen fehlender Rechtsbeständigkeit des Klagegebrauchsmusters auszusetzen sei.
Insbesondere müsse nach der Lehre des Klagegebrauchsmusters die erstrebte „fluiddichte“ Abdichtung bereits durch das mechanische Schließen der Getränkezubereitungsvorrichtung bewirkt sein. Außerdem erfordere dies einen spezifischen, kausalen Absenk-Falt-Vorgang. Ein Absenken irgendeines Punktes oder Bereiches des Kapselrandes sei gerade nicht ausreichend. Die angegriffene Ausführungsform habe insbesondere kein anspruchsgemäßes Plateau.
Außerdem bestünden durchgreifende Zweifel an der Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters, so dass eine Aussetzung nach § 19 GebrMG in jedem Fall geboten sei.
Insbesondere sei das Klagegebrauchsmuster aus der deutschen Patentanmeldung DE 10 2016 006 034.4 abgezweigt worden. Diese Anmeldung habe die Klägerin fallengelassen, als das Deutsche Patent- und Markenamt mit Prüfungsbescheid vom 05.07.2017 (Anlage B5) den Gegenstand als nicht neu bzw. nicht erfinderisch gewertet habe.
Im Übrigen stehe der Rechtsbeständigkeit des Klagegebrauchsmusters die D1 entgegen. Die Neuheitsschonfrist des § 3 Abs. 1 S. 3 GebrMG finde vorliegend keine Anwendung, da eine lückenlose Kette der Wissensübermittlung vorliegen müsse. Die Offenbarung der D1 beruhe jedoch nicht auf der gleichen Erfindung. Im Übrigen könne die Klägerin nicht ausreichend belegen, dass ihr die D1 übertragen wurde. Die D1 sei auch neuheitsschädlich. Nach zutreffender Auslegung umfasse der sich nach außen erstreckende Flansch sämtliche Strukturen, die sich von der Seitenwand der Kapsel nach außen weg erstrecken. Daher sei auch der Deckel in der D1 am Flansch befestigt, wie es das Klagegebrauchsmuster für sich beanspruche.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlungen vom 13.05.2020 und 15.07.2020 Bezug genommen.
B.
In pflichtgemäßer Ausübung ihres Ermessens nach § 19 S. 1 GebrMG setzt die Kammer den Rechtsstreit aus, weil die Entscheidung von der Gebrauchsmusterfähigkeit der geltend gemachten Ansprüche des Klagegebrauchsmusters abhängt (I.) und die Kammer Zweifel an der Gebrauchsmusterfähigkeit dieser Ansprüche hat (II.).
I.
1. Die Entscheidung hängt von der Gebrauchsmusterfähigkeit der geltend gemachten Ansprüche 1, 27 und 31 bzw. 45, 71 und 75 ab. Die angegriffenen Ausführungsformen machen von dem von der Klägerin hauptsächlich als verletzt geltend gemachten Ansprüchen unmittelbar wortsinngemäß (1, 27 und 31) bzw. mittelbar (45, 71 und 75) Gebrauch.
2. Die durch das Klagegebrauchsmuster unter Schutz gestellte technische Lehre ist aus der Sicht des angesprochenen Durchschnittsfachmanns aus den Merkmalen der hier maßgeblichen Ansprüche 1, 27 und 31 bzw. 45, 71 und 75 im Einzelnen und ihrer Gesamtheit unter Heranziehung der Beschreibung sowie der Zeichnungen zu ermitteln.
a. Die vom Klagegebrauchsmuster beanspruchte Erfindung bezieht sich auf eine Kapsel, die eine Substanz zur Zubereitung eines trinkbaren Getränks durch Extrahieren und/oder Lösen der Substanz mittels der Zufuhr eines Fluids unter Druck in die Kapsel enthält (vgl. Abs. [0001]) bzw. auf ein System zur Zubereitung eines trinkbaren Getränks aus einer Kapsel unter der Verwendung eines Fluids, das unter Druck in die Kapsel zugeführt wird (vgl. Abs. [0002]).
b. Entsprechende Kapseln und Systeme sowie deren Verwendung waren bereits im Stand der Technik bekannt (vgl. insbes. Abs. [0004]). Das Klagegebrauchsmuster macht es sich zur Aufgabe, ein alternatives Dichtungselement vorzusehen, das relativ leicht herzustellen ist, das umweltfreundlich ist, wenn die Kapsel nach der Verwendung weggeworfen wird, und/oder das eine zufriedenstellende Abdichtung selbst in einem Fall eines einschließenden Elements vorsieht, dessen freies Kontaktende mit sich radial erstreckenden offenen Nuten ausgestattet ist (vgl. Abs. [0005]). Das Klagegebrauchsmuster macht es sich außerdem zur Aufgabe, ein alternatives System zum Zubereiten eines trinkbaren Getränks aus einer Kapsel vorzusehen und eine alternative Verwendung einer Kapsel in einer Getränkezubereitungsvorrichtung vorzusehen (vgl. Abs. [0006]).
c. Dies wird insbesondere gelöst durch die von der Klägerin hauptsächlich geltend gemachten Ansprüche 1, 27 und 31 bzw. 45, 71 und 75, die sich wie folgt gliedern lassen (vgl. Merkmalsgliederung der Klägerin, Anlage K3):
Anspruch 1
1. Kapsel,
1.1 enthaltend eine Substanz zur Zubereitung eines trinkbaren Getränks durch Extrahieren und/oder Lösen der Substanz mittels der Zufuhr eines Fluids unter Druck in die Kapsel,
1.2 wobei die Kapsel einen Aluminiumkapselkörper umfasst,
1.2.1 der eine mittlere Kapselkörperachse hat,
1.2.2 wobei der Aluminiumkapselkörper mit einem Boden, einer Seitenwand und einem sich nach außen erstreckenden Flansch ausgestattet ist,
1.3 wobei die Kapsel ferner einen Aluminiumdeckel umfasst,
1.3.1 der auf dem sich nach außen erstreckenden Flansch befestigt ist,
1.3.2 wobei der Deckel die Kapsel hermetisch abschließt,
1.4 wobei die Kapsel ferner ein Dichtungselement an dem sich nach außen erstreckenden Flansch umfasst,
1.4.1 um einen fluiddichten Kontakt mit einem einschließenden Element einer Getränkezubereitungsvorrichtung vorzusehen, wenn die Kapsel in dem einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung angeordnet ist und das einschließende Element mittels eines Verschlusselements der Getränkezubereitungsvorrichtung, wie zum Beispiel einer Extraktionsplatte der Getränkezubereitungsvorrichtung, verschlossen wird,
1.4.2 sodass der sich nach außen erstreckende Flansch der Kapsel und mindestens ein Teil des Dichtungselements der Kapsel zwischen dem einschließenden Element und dem Verschlusselement der Getränkezubereitungsvorrichtung in dichtendem Eingriff sind,
1.5 wobei das einschließende Element der Getränkezubereitungsvorrichtung ein ringförmiges Element umfasst, das eine Mittelachse des ringförmigen Elements und ein freies Kontaktende aufweist,
1.6 wobei das freie Kontaktende des ringförmigen Elements optional mit einer Vielzahl sich radial erstreckender offener Nuten ausgestattet ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
1.7 die Kapsel ein Lager für das einschließende Element der Getränkezubereitungsvorrichtung umfasst, wenn die Kapsel in dem einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung angeordnet ist und das einschließende Element mittels eines Verschlusselements der Getränkezubereitungsvorrichtung verschlossen wird,
1.7.1 wobei das Lager mindestens einen Teil des freien Kontaktendes des ringförmigen Elements umschließt,
1.7.2 wobei vor der Verwendung mindestens ein erster Teil des Lagers auf einer ersten Höhe oberhalb des Deckels liegt,
1.7.3 wobei in der Verwendung beim Schließen des einschließenden Elements mittels des Verschlusselements der mindestens eine erste Teil des Lagers dadurch abgesenkt wird, dass das freie Kontaktende des ringförmigen Elements zum Verschlusselement hin bewegt wird,
1.7.4 wobei das Lager mindestens teilweise über das freie Kontaktende des ringförmigen Elements gefaltet wird,
1.7.5 sodass nach dem Schließen des einschließenden Elements mittels des Verschlusselements der mindestens eine erste Teil des Lagers auf einer zweiten Höhe oberhalb des Deckels liegt, wobei die erste Höhe größer als die zweite Höhe ist und die zweite Höhe null sein kann.
Anspruch 27
27. Kapsel gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche,
27.1 wobei das Lager, das mindestens einen Teil des freien Kontaktendes des ringförmigen Elements umschließt, mindestens teilweise durch das Dichtungselement ausgebildet wird.
Anspruch 31
31. Kapsel gemäß Anspruch 27,
31.1 wobei das Dichtungselement einen Fortsatz, der von dem sich nach außen erstreckenden Flansch vorsteht, und ein Plateau zwischen dem Fortsatz und der Seitenwand des Aluminiumkapselkörpers umfasst,
31.2 wobei das Lager von dem Fortsatz, dem Plateau und der Seitenwand des Aluminiumkapselkörpers ausgebildet wird,
31.3 wobei der Abstand zwischen dem Fortsatz und der Seitenwand so ist, dass das freie Kontaktende des ringförmigen Elements von dem Fortsatz und der Seitenwand des Aluminiumkapselkörpers eingeschlossen wird, wenn die Kapsel in dem einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung angeordnet ist und das einschließende Element mittels eines Verschlusselements der Getränkezubereitungsvorrichtung verschlossen wird,
31.4 wobei vor der Verwendung mindestens ein erster Teil des Plateaus auf einer ersten Höhe oberhalb des Deckels liegt,
31.5 wobei in der Verwendung beim Verschließen des einschließenden Elements mittels des Verschlusselements der mindestens eine erste Teil des Plateaus dadurch abgesenkt wird, dass das freie Kontaktende des ringförmigen Elements zum Verschlusselement hin bewegt wird,
31.6 sodass das Plateau mindestens teilweise über das freie Kontaktende gefaltet wird,
31.7 wobei nach dem Verschließen des einschließenden Elements mittels des Verschlusselements der mindestens eine erste Teil des Plateaus auf einer zweiten Höhe oberhalb des Deckels liegt, wobei die erste Höhe größer als die zweite Höhe ist und die zweite Höhe null sein kann.
Anspruch 45
45. System
45.1 zur Zubereitung eines trinkbaren Getränks aus einer Kapsel unter der Verwendung eines Fluids, das unter Druck in die Kapsel zugeführt wird, umfassend:
45.2 eine Getränkezubereitungsvorrichtung, umfassend
45.2.1 ein einschließendes Element zum Aufnehmen der Kapsel,
[45.2.1.1] wobei das einschließende Element ein Fluideinspritzmittel zum Zuführen von Fluid unter Druck in die Kapsel aufweist,
42.2.1.2 wobei das einschließende Element der Getränkezubereitungsvorrichtung ferner ein ringförmiges Element umfasst, das eine Mittelachse des ringförmigen Elements und ein freies Kontaktende aufweist,
45.2.1.3 wobei das freie Kontaktende des ringförmigen Elements optional mit einer Vielzahl sich radial erstreckender offener Nuten ausgestattet ist;
45.2.2.2 wobei die Getränkezubereitungsvorrichtung ferner ein Verschlusselement, wie zum Beispiel eine Extraktionsplatte, umfasst, um das einschließende Element der Getränkezubereitungsvorrichtung zu verschließen,
45.2 eine Kapsel,
45.2.2 die eine Substanz für die Zubereitung eines trinkbaren Getränks durch Extrahieren und/oder Lösen der Substanz mittels des unter Druck durch das Fluideinspritzmittel der Getränkezubereitungsvorrichtung in die Kapsel zugeführten Fluids enthält,
45.2.2 wobei die Kapsel einen Aluminiumkapselkörper aufweist,
[45.2.2.2] der eine mittlere Kapselkörperachse hat,
[45.2.2.2] wobei der Aluminiumkapselkörper mit einem Boden, einer Seitenwand und einem sich nach außen erstreckenden Flansch ausgestattet ist,
45.2.2 wobei die Kapsel ferner einen Aluminiumdeckel umfasst,
[45.2.2.3] der an dem sich nach außen erstreckenden Flansch befestigt ist,
[45.2.2.3] wobei der Deckel die Kapsel hermetisch abschließt,
45.2.2 wobei die Kapsel ferner ein Dichtungselement am sich nach außen erstreckenden Flansch aufweist,
[45.2.2.4] um einen fluiddichten Kontakt mit dem einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung vorzusehen, wenn die Kapsel in dem einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung angeordnet ist und das einschließenden Element mittels des Verschlusselements der Getränkezubereitungsvorrichtung verschlossen wird,
[45.2.2.4] sodass der sich nach außen erstreckende Flansch der Kapsel und mindestens ein Teil des dichtenden Elements der Kapsel zwischen dem einschließenden Element und dem Verschlusselement der Getränkezubereitungsvorrichtung in dichtendem Eingriff sind,
dadurch gekennzeichnet, dass
45.2.2 die Kapsel ein Lager für das einschließende Element der Getränkezubereitungsvorrichtung umfasst, wenn die Kapsel in dem einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung angeordnet ist und das einschließende Element mittels eines Verschlusselements der Getränkezubereitungsvorrichtung verschlossen wird,
[45.2.2.5] wobei das Lager mindestens einen Teil des freien Kontaktendes des ringförmigen Elements umschließt,
[45.2.2.5] wobei vor der Verwendung mindestens ein erster Teil des Lagers auf einer ersten Höhe oberhalb des Deckels liegt,
[45.2.2.5] wobei in der Verwendung beim Schließen des einschließenden Elements mittels des Verschlusselements der mindestens eine erste Teil des Lagers dadurch abgesenkt wird, dass das freie Kontaktende des ringförmigen Elements zum Verschlusselement hin bewegt wird,
[45.2.2.5] wobei das Lager mindestens teilweise über das freie Kontaktende des ringförmigen Elements gefaltet wird,
[45.2.2.5] sodass nach dem Schließen des einschließenden Elements mittels des Verschlusselements der mindestens eine erste Teil des Lagers auf einer zweiten Höhe oberhalb des Deckels liegt, wobei die erste Höhe größer als die zweite Höhe ist und die zweite Höhe null sein kann.
Anspruch 71
71. System gemäß einem der Ansprüche 45 bis 70,
71.1 wobei das Lager, das mindestens einen Teil des freien Kontaktendes des ringförmigen Elements umschließt, mindestens teilweise durch das Dichtungselement ausgebildet wird.
Anspruch 75
75. System gemäß Anspruch 71
75.1 wobei das Dichtungselement einen Fortsatz, der von dem sich nach außen erstreckenden Flansch vorsteht, und ein Plateau zwischen dem Fortsatz und der Seitenwand des Aluminiumkapselkörpers umfasst,
75.2 wobei das Lager von dem Fortsatz, dem Plateau und der Seitenwand des Aluminiumkapselkörpers ausgebildet wird,
75.3 wobei der Abstand zwischen dem Fortsatz und der Seitenwand so ist, dass das freie Kontaktende des ringförmigen Elements von dem Fortsatz und der Seitenwand des Aluminiumkapselkörpers eingeschlossen wird, wenn die Kapsel in dem einschließenden Element der Getränkezubereitungsvorrichtung angeordnet ist und das einschließende Element mittels eines Verschlusselements der Getränkezubereitungsvorrichtung verschlossen wird,
75.4 wobei vor der Verwendung mindestens ein erster Teil des Plateaus auf einer ersten Höhe oberhalb des Deckels liegt,
75.5 wobei in der Verwendung beim Verschließen des einschließenden Elements mittels des Verschlusselements der mindestens eine erste Teil des Plateaus dadurch abgesenkt wird, dass das freie Kontaktende des ringförmigen Elements zum Verschlusselement hin bewegt wird,
75.6 sodass das Plateau mindestens teilweise über das freie Kontaktende gefaltet wird,
75.7 wobei nach dem Verschließen des einschließenden Elements mittels des Verschlusselements der mindestens eine erste Teil des Plateaus auf einer zweiten Höhe oberhalb des Deckels liegt, wobei die erste Höhe größer als die zweite Höhe ist und die zweite Höhe null sein kann.
3. Den zwischen den Parteien vorrangig streitigen Merkmalen legt der angesprochene Fachmann folgendes Verständnis zugrunde:
a. Flansch
In Bezug auf den anspruchsgemäßen Flansch teilt die Kammer nicht die Auffassung der Klägerin, dass dieser vom Dichtungselement und Plateau der beanspruchten Kapsel abzugrenzen sei. Diese Auslegung findet keine ausreichende Stütze im Anspruchswortlaut und in der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters. Selbst die Klägerin trug in der Klageschrift noch vor, dass hinsichtlich des Dichtungselements nicht erforderlich sei, dass es sich von ein vom Flansch „separates Element“ handele (S. 34 d. Klageschrift).
Das Klagegebrauchsmuster selbst beschreibt den Flansch als „sich nach außen erstreckend“. Mit nach „außen erstreckend“ ist erkennbar gemeint, dass dieser sich vom Aluminiumkapselkörper nach außen erstreckt. Der Flansch ist in der Klagegebrauchsmusterschrift mit der Bezugsziffer 20 gekennzeichnet. Aus Figur 3A und 3B ist ersichtlich, dass sowohl der Teil rechts als auch links des Dichtungselements 28 als Flansch bezeichnet werden kann:
Die Fig. 4A bis 4E zeigen demgegenüber, dass das Dichtungselement unterschiedlich ausgestaltet werden kann:
Insgesamt entnimmt damit der angesprochene Fachmann der Klagegebrauchsmusterschrift und dem Anspruchswortlaut, dass der Begriff Flansch den Teil der Aluminiumkapsel meint, der sich vom Körper nach außen erstreckt.
Soweit die Klägerin demgegenüber etwa auf die Ansprüche 35, 38 bzw. 79 und 82 in Zusammenhang mit den Ansprüchen 31 bzw. 75 verweist und vorträgt, dort sei durch den Wortlaut – das Dichtungselement umfasse einen Fortsatz und ein Plateau, wobei der Fortsatz „relativ zu dem sich nach außen erstreckenden Flansch“ geneigt sei – eine klare Abgrenzung des Dichtungselements vom Flansch beschrieben, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar mag das Dichtungselement einen abgrenzbaren Teil des Flansches darstellen – dass es das Klagegebrauchsmuster jedoch nicht als Teil des Flansches ansehe, ist damit nicht gesagt.
Der Fachmann entnimmt vielmehr dem Anspruch, dass die Kapsel „ein Dichtungselement an dem sich nach außen erstreckenden Flansch umfasst“. Er wird daher das Dichtungselement als Teil des Flansches verstehen. Dies sieht er darin bestätigt, dass die Fig. 4A bis 4E unterschiedlichste mögliche Ausgestaltungen des Dichtungselements zeigen, die einen spezifisch ausgestalteten Teil des Flansches bilden.
b. Schließen
In Bezug auf das anspruchsgemäße Schließen, das das Klagegebrauchsmuster an mehreren Stellen des Anspruchs beschreibt, kann die Kammer der Ansicht der Beklagten nicht folgen, dass dies lediglich ein mechanisches Schließen umfasst.
Insoweit fordert etwa Merkmal 1.4.1, dass – um einen fluiddichten Kontakt vorzusehen – das einschließende Element mittels eines Verschlusselements der Getränkezubereitungsvorrichtung, wie zum Beispiel einer Extraktionsplatte der Getränkezubereitungsvorrichtung, verschlossen wird. Auch Merkmal 1.7 fordert etwa, dass das einschließende Element mittels eines Verschlusselements verschlossen wird.
Der Anspruchswortlaut enthält insoweit keine Angaben dazu, mit welcher Art von Kraft dieses Verschließen hervorgerufen wird. Insoweit läge eine Auslegung unter den Wortlaut vor, wenn man es auf einen rein mechanischen Schließvorgang beschränken würde.
Vielmehr zeigt der Anspruch etwa in Merkmal 1.7.3, dass das Schließen in der Verwendung stattfindet. Auch zeigt etwa dieses Merkmal, dass beim Schließen das freie Kontaktende des ringförmigen Elements zum Verschlusselement hinbewegt wird.
Der angesprochene Fachmann entnimmt dem, dass jede Bewegung des freien Kontaktelements zum Verschlusselement ein anspruchsgemäßes Schließen darstellt. Diese Bewegung kann jedoch sowohl mechanisch als auch hydraulisch durch anliegenden Fluiddruck, erzeugt werden.
c. Falten
In Bezug auf das anspruchsgemäße Absenken und Falten kann die Kammer der Beklagten ebenfalls nicht folgen. Die Beklagte hat insoweit vorgetragen, dass dieses durch einen spezifischen, kausalen Absenk-Falt-Vorgang bewirkt werden müsse und dass das Klagegebrauchsmuster insoweit das technische Prinzip nach Art eines Tiefziehens beschreibe.
Der Fachmann entnimmt insoweit dem Anspruch, dass Zweck des Absenk/Faltvorgangs ist, dass ein Teil des Lagers bzw. Plateaus zum Deckel hinbewegt wird. Denn diesbezüglich heißt es etwa in Merkmal 1.7.5 bzw. 31.7, dass mindestens ein erster Teil des Lagers bzw. Plateaus auf einer zweiten Höhe oberhalb des Deckels liegt, wobei die erste Höhe größer als die zweite Höhe ist und die zweite Höhe null sein kann. Auch entnimmt er dem Anspruch, dass das Lager bzw. Plateau zumindest teilweise „über das freie Kontaktende des ringförmigen Elements gefaltet wird“.
Diesem Begriff „Falten“ misst er unter Zugrundelegung insbesondere der Fig. 4A bis 4E die Bedeutung bei, dass durch einen Kontakt mit dem ringförmigen Element eine Verformung stattfindet.
Insgesamt ist daher für den angesprochenen Fachmann ausreichend, dass eine teilweise Verformung des Lagers bzw. Plateaus stattfindet.
d. Lager bzw. Plateau
Der angesprochene Fachmann legt weiterhin den Begriff Lager bzw. Plateau im Sinne des Klagegebrauchsmusters weit aus. Insoweit kann daher ebenfalls der Beklagten nicht gefolgt werden, die den Begriff des Plateaus offensichtlich zu eng auslegt.
Der angesprochene Fachmann entnimmt insbesondere Abs. [0075] der Beschreibung, dass auch Fig. 4D eine Ausführungsform mit Plateau (Ziff. 52) zeigt. Ebenfalls entnimmt er der Beschreibung, dass das Plateau auch gekrümmt sein kann und einen gekrümmten Teil umfassen kann (der tatsächlich einen Teil der inneren Seitenwand des Fortsatzes (53) bildet). Insofern zeigt Fig. 4D auch, dass anspruchsgemäß ausreichend ist, wenn dieser gekrümmte Teil abgesenkt wird:
Insoweit kann der Beklagten nicht gefolgt werden, dass als Plateau allein der flache Teil zu definieren ist.
4. Von dieser technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters machen die angegriffenen Ausführungsformen Gebrauch. Der Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen durch die Beklagte verletzt das Klagegebrauchsmuster. Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen die Merkmale der geltend gemachten Ansprüche unmittelbar wortsinngemäß gem. § 11 Abs. 1 S. 2 GebrMG bzw. mittelbar gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 GebrMG.
Insbesondere sind die von der Beklagten als nicht erfüllt angesehenen Merkmale 1.4.1, 1.4.2, 1.7 (inkl. 1.7.1 – 1.7.5) in Verbindung mit 31.5 – 31.7 bzw. 45.3.4.1, 45.3.4.2,45.3.5 (inkl. 45.3.5.1 – 45.3.5.5) in Verbindung mit 75.5 – 75.7 verwirklicht.
Die Klägerin hat durch die vorgelegten Untersuchungsberichte (insb. Anlage K7, Klageerwiderung S. 12 ff.) gezeigt, dass die vom Klagegebrauchsmuster geforderten Verformungen der Kapsel (vgl. oben) bei der angegriffenen Ausführungsform vorliegen. Da zum anspruchsgemäßen Schließen auch der Zeitraum gehört, in dem bereits ein Fluiddruck anliegt – solange sich das einschließende Element weiter bewegt – finden diese Verformungen („Absenken“ und „Falten“) auch beim Schließen statt.
II.
Die Kammer hat Zweifel an der Gebrauchsmusterfähigkeit der von der Klägerin als verletzt geltend gemachten Anspruchskombinationen. So lässt sich die Neuheit gem. § 1 Abs. 1 GebrMG zumindest mit Blick auf die Entgegenhaltung D1 nicht vertretbar begründen.
1. Eine Aussetzung im Gebrauchsmusterverletzungsstreit gem. § 19 S. 1 GebrMG ist regelmäßig bereits dann geboten, wenn Zweifel bestehen, ob das Deutsche Patent- und Markenamt bzw. die Rechtsmittelinstanzen die Schutzfähigkeit des mit dem Löschungsverfahren angegriffenen Gebrauchsmusters bestätigen werden (vgl. Beschluss d. Kammer vom 17.07.2013, 21 O 22131/12 – BeckRS 2014, 20366, OLG München GRUR 1957, 272 – Kufenstühle).
Die Prognose der Kammer für das Löschungsverfahren fällt hinsichtlich der Bestandsfähigkeit des Klagegebrauchsmusters in der geltend gemachten Anspruchskombination negativ aus.
2. Die Kammer erachtet die Entgegenhaltung D1 als neuheitsschädlich.
Zu dieser Entgegenhaltung trägt die Klägerin im Ergebnis lediglich vor, dass diese keine Befestigung des Deckels am sich nach außen erstreckenden Flansch offenbare. Insoweit verweist die Klägerin insbesondere auf die Figuren 4, 8 und 14 der D1, die wie folgt dargestellt sind:
Dieser Feststellung der Klägerin – dass der Deckel gemäß der D1 nicht am Flansch befestigt sei – liegt ein falsches Verständnis des gebrauchsmustergemäßen Flansches zu Grunde (vgl. oben). Bei der richtigen Auslegung ist auch in der D1 der Deckel am Flansch befestigt (vgl. oben). Demgemäß nimmt die D1 alle Merkmale des Klagegebrauchsmusters vorweg.
Soweit sich die Klägerin hinsichtlich der Neuheit ergänzend auf die Patenterteilung GB 2574726 beruft (Anlage K8, Replik S. 18 ff.), musste sie in der mündlichen Verhandlung selbst eingestehen, dass die dortigen Ansprüche nicht wie angemeldet erteilt wurden und daher nicht mehr mit der Anspruchsfassung des Klagegebrauchsmusters übereinstimmen. Eine Vermutungswirkung aus dieser Patenterteilung für den Rechtsbestand des Klagegebrauchsmusters kann daher nicht gefolgert werden.
Vielmehr ist ergänzend zu berücksichtigen, dass das Deutsche Patent- und Markenamt die Patentanmeldung DE 10 2016 006 034.4, aus der das Klagegebrauchsmuster mit identischen Ansprüchen 1-89 abgezweigt wurde, mit Bescheid vom 5.7.2017 als nicht neu bzw. nicht erfinderisch wertete (Anlage B5), worauf hin die Klägerin die Anmeldung nicht mehr weiterverfolgte. Es mag sein, dass die Klägerin – wie vorgetragen – die Bedenken des Deutschen Patent- und Markenamts überwunden hätte, trotzdem ist dieser Bescheid in die Gesamtbetrachtung miteinzubeziehen.
3. Die Klägerin kann sich im Hinblick auf die D1 nicht auf die Neuheitsschonfrist des § 3 Abs. 1 S. 3 GebrMG berufen.
Die Klägerin macht insoweit geltend, dass sie die D1 inzwischen erworben habe und insoweit „Rechtsnachfolgerin“ im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 3 GebrMG sei. Durch die Übertragung der D1 sei diese Beschreibung oder Benutzung des Rechtsvorgängers der Klägerin. Daher finde die Neuheitsschonfrist des § 3 Abs. 1 S. 3 GebrMG Anwendung. Dass die D1 auf der gleichen Quelle beruhe – also etwa vom gleichen Erfinder stamme, trägt die Klägerin im Ergebnis nicht vor.
Insoweit kann dahinstehen, ob die Klägerin tatsächlich Inhaberin der D1 geworden ist, was von der Beklagten bestritten wurde. Denn der Fall des Erwerbs einer von dem Gebrauchsmuster unabhängigen Erfindung ist von § 3 Abs. 1 S. 3 GebrMG nicht erfasst. Vielmehr erfordert der Begriff „Rechtsvorgänger“ in § 3 Abs. 1 S. 3 GebrMG, dass das Recht an der Erfindung erworben worden sein muss, die nunmehr zum Gebrauchsmuster angemeldet wurde.
Entsprechend hat das Bundespatentgericht entschieden, dass für die Neuheitsschonfrist nicht die Rechtsnachfolge, sondern die lückenlose Kette der tatsächlichen Wissensvermittlung als Voraussetzung dafür ausschlaggebend ist, dass die vom Erfinder selbst ausgehende vorzeitige Benutzung als ausnahmsweise nicht neuheitsschädlich anzusehen ist (BPatG GRUR 1978, 637 – Lückenlose Kette).
Zwar hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die erfolgte „Beschreibung oder Benutzung“ im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 3 GebrMG nicht voll deckungsgleich mit dem Gegenstand der später angemeldeten Erfindung sein muss (BGH GRUR 1969, 271 – Zugseilführung). Damit hat er jedoch nur zum Ausdruck gebracht, dass das Ergebnis der geistigen Tätigkeit des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers von dem anderer Personen abgegrenzt werden soll (BGH GRUR aaO., S. 273). Vielmehr kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Neuheitsschonfrist für eine Veröffentlichung dann nicht in Betracht, wenn diese auf eine Erfindung zurückgeht, die ein Dritter unabhängig von dem Anmelder oder dessen Rechtsvorgänger gemacht hat (BGH GRUR 1980, 713 – Kunststoffdichtung).
Im gleichen Sinne hat das Bundespatentgericht entschieden, dass der Sinn der Vorschrift, den Erfinder hinsichtlich der Folgen eigener Vorverlautbarungen zu schonen, sich nicht darauf erstreckt, eine durch eine fremde Vorverlautbarung neuheitsschädlich getroffene Anmeldung eines Dritten dadurch zu heilen, dass der Dritte sie auf den Urheber der Vorverlautbarung als seinen Rechtsnachfolger überträgt (BPatG, Beschluss vom 14.07.2004 – 5 W (pat) 429/03, BeckRS 2004, 17355).
Das gleiche muss für den umgekehrten Fall gelten, dass der Anmelder fremde neuheitsschädliche Vorverlautbarungen erwirbt, um seine eigene (gegenüber dem Stand der Technik nicht neue) Anmeldung zu heilen. Dieser Vorgang ist vom Begriff des „Rechtsvorgängers“ in § 3 Abs. 1 S. 3 GebrMG nicht umfasst – es genügt damit nicht, in irgendein Recht an einer neuheitsschädlichen selbständigen Erfindung einzutreten, vielmehr muss in das Recht an der gleichen, nicht notwendig voll deckungsgleichen Erfindung eingetreten werden. Die angemeldete Erfindung und die vorveröffentlichte Beschreibung oder Benutzung müssen demnach auf der gleichen Quelle beruhen. Nicht ausreichend ist demgegenüber, dass die vorveröffentlichte Beschreibung oder Benutzung auf einer parallel getätigten Erfindung aus einer anderen Quelle beruhen.
Diese Ansicht wird auch einhellig durch die Kommentarliteratur geteilt (vgl. etwa Stief/Bühler in Haedicke/Timman, § 17 Rn. 26, Mes, PatG, § 3 GebrMG, Rn. 14, Fitzner/Metzger in BeckOK Patentrecht, § 3 GebrMG, Rn. 24, Loth, GebrMG, § 3 Rn. 233, Goebel/Engel in Benkard, PatG, § 3 GebrMG, Rn. 16 – jeweils m. w. N.). Es bestehen daher keine Anhaltspunkte dafür, dass das Deutsche Patent- und Markenamt im Löschungsverfahren die D1 wegen § 3 Abs. 1 S. 3 GebrMG nicht zur Prüfung heranziehen wird.


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