Aktenzeichen 10 B 18/09
Verfahrensgang
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 29. April 2009, Az: 3 A 627/07.A, Urteil
Gründe
1
Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
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1. a) Die Beschwerde hält in rechtlicher Hinsicht zunächst für grundsätzlich klärungsbedürftig,
“ob bei der Prüfung der Frage, ob eine nach asylerheblichen Kriterien abgrenzbare Personenmehrheit einer Gruppenverfolgung im potentiellen Verfolgerstaat unterliegt, maßgeblich quantitative oder auch maßgeblich qualitative Aspekte – wie die generelle Einstellung der staatlichen Sicherheitsbehörden gegenüber dieser Gruppierung – eine entscheidende Rolle zu spielen haben,”
ohne in diesem Zusammenhang die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage näher darzulegen. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme einer Gruppenverfolgung, an denen auch unter Geltung der Richtlinie 2004/83/EG festzuhalten ist, sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich geklärt (vgl. Urteil vom 21. April 2009 – BVerwG 10 C 11.08 – Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 39 m.w.N.). Danach setzt die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung grundsätzlich eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus. Der Feststellung dicht und eng gestreuter Verfolgungsschläge bedarf es allerdings nicht, wenn hinreichend sichere Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm bestehen, dessen Umsetzung bereits eingeleitet ist oder alsbald bevorsteht (vgl. Urteil vom 5. Juli 1994 – BVerwG 9 C 158.94 – BVerwGE 96, 200 ). Eine derartige Extremsituation hat das Berufungsgericht in Sri Lanka sowohl in Bezug auf die Gruppe der Tamilen insgesamt als auch in Bezug auf nach weiteren Kriterien einzuschränkende Untergruppen verneint und dies anhand der ihm vorliegenden Erkenntnisquellen im Einzelnen begründet (vgl. UA S. 60 ff). Dem hält die Beschwerde – ohne sich mit den Feststellungen des Berufungsgerichts näher auseinanderzusetzen – entgegen, die Frage eines staatlichen Verfolgungsprogramms dränge sich hier wegen der grundsätzlichen Haltung der srilankischen Regierung und ihrer Sicherheitsbehörden gegenüber der ethnischen Minderheit der Tamilen auf, Tamilen würden von der srilankischen Regierung und den Sicherheitsbehörden grundsätzlich nicht als “vollwertige Bürger”, sondern als “inferor” angesehen und systematisch diskriminiert. Mit dieser Behauptung wendet sich die Beschwerde primär in tatsächlicher Hinsicht gegen die ihrer Auffassung nach unzutreffende Bewertung der Lage der Tamilen in Sri Lanka und damit gegen die den Tatsachengerichten vorbehaltene Sachverhalts- und Beweiswürdigung. Darauf kann eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Sache nicht mit Erfolg gestützt werden.
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b) Auch die von der Beschwerde weiter aufgeworfene Frage,
“ob bei der Prüfung des Vorliegens einer Gruppenverfolgung – gegebenenfalls auch in quantitativer Hinsicht – zu Gunsten des jeweiligen Asylbewerbers berücksichtigt werden muss, dass der potentielle Verfolgerstaat eine Aufklärung von asylerheblichen Übergriffen durch Medien, nicht staatliche Organisationen usw. systematisch behindert und möglichst unmöglich machen will,”
rechtfertigt keine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Insoweit fehlt es bereits an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage. Die Beschwerde zeigt nicht auf, inwiefern das Berufungsgericht darauf abgestellt hat, dass der srilankische Staat die Aufklärung von asylerheblichen Übergriffen durch Medien, nicht staatliche Organisationen usw. systematisch behindert oder möglichst unmöglich machen will. Dagegen spricht im Übrigen, dass das Berufungsgericht seine Entscheidung auf eine Vielzahl von Erkenntnisquellen stützt, in denen asylerhebliche Übergriffe im Einzelnen dokumentiert sind (vgl. UA S. 26 ff). Dessen ungeachtet ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass die Instanzgerichte bei der Prüfung einer Gruppenverfolgung die zahlenmäßigen Grundlagen der gebotenen Relationsbetrachtung zur Verfolgungsdichte nicht mit quasi naturwissenschaftlicher Genauigkeit feststellen müssen, sondern es genügt, die ungefähre Größenordnung der Verfolgungsschläge zu ermitteln und sie in Beziehung zur Gesamtgruppe der von Verfolgung Betroffenen zu setzen. Dabei dürfen sie bei unübersichtlicher Tatsachenlage und nur bruchstückhaften Informationen aus einem Krisengebiet auch aus einer Vielzahl ihm vorliegender Einzelinformationen eine zusammenfassende Bewertung des ungefähren Umfangs der asylerheblichen Verfolgungsschläge und der Größe der verfolgten Gruppe vornehmen. Auch für die Annahme einer erheblichen Dunkelziffer nicht bekannter Übergriffe müssen die gerichtlichen Feststellungen zur Größenordnung der Gesamtheit der Anschläge aber in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise begründet werden (vgl. Urteil vom 21. April 2009 a.a.O.).
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2. Die Beschwerde zeigt auch die von ihr geltend gemachten Verfahrensmängel nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend auf. Insoweit sieht sie einen Verstoß gegen § 86 Abs. 2 und 3, § 108 VwGO sowie Art. 103 Abs. 1 GG, weil das Berufungsgericht seine Entscheidungsfindung nicht auf einer nachvollziehbaren Tatsachengrundlage getätigt habe.
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Die Beschwerde greift weitgehend die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts an (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind nach ständiger Rechtsprechung revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen. Ein Verfahrensverstoß kann allenfalls ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn die Beweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder die allgemeinen Erfahrungsgrundsätze missachtet (vgl. Beschluss vom 25. Juni 2004 – BVerwG 1 B 249.03 – Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 284 m.w.N.). Dass die angefochtene Entscheidung derartige Mängel aufweist, legt die Beschwerde ebenso wenig dar wie einen Verstoß gegen die Begründungspflicht (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO) und das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO). Ein Verstoß gegen § 86 Abs. 2 und 3 VwGO wird von der Beschwerde nicht einmal ansatzweise dargelegt. Dies gilt auch, falls ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) gemeint sein sollte. Im Übrigen bemerkt der Senat:
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a) Die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe eine Gruppenverfolgung der aus dem westlichen Ausland abgeschobenen Tamilinnen und Tamilen, zumal solcher die ursprünglich aus den tamilischen Siedlungsgebieten Sri Lankas stammten, abgelehnt, ohne in diesem Zusammenhang die für eine nachvollziehbare Relationsprüfung erforderlichen Feststellungen zur Größe und zum Umfang der gegen diese Gruppe ergriffenen asylerheblichen Maßnahmen getroffen zu haben. Dabei übergeht die Beschwerde allerdings die Feststellung des Berufungsgerichts, dass allein die Tatsache des Auslandsaufenthalts und die Stellung eines Asylantrags im Ausland bei der Einreise nach Sri Lanka keinen Anknüpfungspunkt für Übergriffe der Sicherheitskräfte darstellen (vgl. UA S. 44) und allenfalls hinsichtlich abgeschobener Tamilen Übergriffe bekannt geworden sind (UA S. 47). Inwiefern der Kläger hiervon auch im Falle der ihm möglichen freiwilligen Ausreise betroffen wäre, legt die Beschwerde nicht dar. Bei dieser Sachlage hätte näherer Darlegung bedurft, inwiefern die Entscheidung auf den von der Beschwerde vermissten Tatsachenfeststellungen beruhen kann.
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b) Hinsichtlich der Untergruppe der aus dem Norden und Osten Sri Lankas stammenden Tamilinnen und Tamilen wird ein Verfahrensmangel ebenfalls nicht schlüssig dargelegt. Auch hier rügt die Beschwerde das Fehlen der für eine Relationsprüfung erforderlichen Feststellungen zur Größe und zum Umfang der in Colombo gegen diese Untergruppe ergriffenen asylerheblichen Maßnahmen, ohne sich allerdings damit auseinanderzusetzen, dass dem Berufungsurteil zumindest ansatzweise Feststellungen zur Größe dieser Gruppe zu entnehmen sind. So ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass nach einer Studie aus dem Jahr 2005 die Tamilen mit rund 300 000 Personen inzwischen die Mehrheit in der ursprünglich singhalesisch dominierten Hauptstadt Colombo bildeten (vgl. UA S. 51), sie zu “einem großen Teil” aus den nördlichen und östlichen Landesteilen stammten (vgl. UA S. 53) und der Anteil der Tamilen aus den Kriegsgebieten weiter ansteigen dürfte (allein im August 2008 seien nach Angaben der Schweizerischen Flüchtlingshilfe weitere 6 950 Personen nach Colombo gekommen, vgl. UA S. 51, 53). Die Beschwerde legt nicht dar, inwiefern bei dieser Sachlage – selbst wenn man unterstellt, dass die vom Berufungsgericht festgestellten asylerheblichen Übergriffe in Colombo sich ausschließlich gegen Tamilinnen und Tamilen richteten, die aus dem Norden oder Osten des Landes stammten – es zumindest möglich erscheint, dass die für eine Verfolgung dieser Untergruppe erforderliche Verfolgungsdichte besteht. Im Übrigen setzt die Beschwerde sich auch nicht damit auseinander, dass das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, dass den aus dem Norden oder Osten des Landes stammenden Tamilen ein Ausweichen in ihre Herkunftsgebiete grundsätzlich möglich und zumutbar sei, nachdem die nordöstlichen Provinzen wieder erreichbar seien (vgl. UA S. 53).
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c) Ein Verfahrensmangel ist auch nicht in Bezug auf die Verhältnisse der tamilischen Bevölkerung im Norden des Landes schlüssig dargelegt. Auch hier wird noch nicht einmal ansatzweise dargelegt, inwiefern die für eine Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte auf der Grundlage der vom Berufungsgericht festgestellten Übergriffe möglich erscheint. Stattdessen unterstellt die Beschwerde erneut, dass die srilankischen Sicherheitsbehörden gerade und insbesondere in dieser Region seit Jahren systematisch jedwede unabhängige Berichterstattung und Recherche seitens unabhängiger Stellen, Journalisten etc. praktisch unmöglich gemacht hätten, und folgert daraus, dass sich dem Berufungsgericht die Prüfung hätte aufdrängen müssen, ob insoweit nicht zugunsten des Klägers eine Beweislastumkehr oder jedenfalls eine Vermutung für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung anzunehmen sei. Dabei setzt sich die Beschwerde weder konkret mit den vom Berufungsgericht herangezogenen Erkenntnisquellen auseinander noch legt sie dar, dass und warum die Schlussfolgerungen des Berufungsgericht zur Lage der Tamilen im Norden des Landes verfahrensfehlerhaft sind. Stattdessen setzt sie der Einschätzung des Berufungsgerichts, dass eine Gruppenverfolgung auch im Norden des Landes nicht stattfindet (vgl. UA S. 58 ff.), lediglich ihre gegenteilige Auffassung entgegen. Diesem Vorbringen ist ein die Revision rechtfertigender Verfahrensmangel nicht zu entnehmen.
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Der Senat sieht von einer weiteren Begründung der Entscheidung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).