Europarecht

Rücknahme der Bescheide über die Gewährung von Betriebsprämien

Aktenzeichen  Au 8 K 17.1728

Datum:
31.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 17987
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VO (EG) Nr. 73/2009 Art. 2, Art. 33, Art. 34 Abs. 2
VO (EG) Nr. 1120/2009 Art. 2 lit. c
VO (EG) Nr. 1122/2009 Art. 80
VwVfG § 48 Abs. 2, § 49a Abs. 1, Abs. 2
MOG § 10 Abs. 1 S. 1
InVeKoSV § 8a Abs. 1
DirektZahlVerpflV § 5 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3, Nr. 4 lit. a

 

Leitsatz

1 In Bezug auf die Feststellungen, ob es sich bei einer landwirtschaftlich genutzten Fläche um eine beihilfefähige Fläche im Sinne von Art. 34 Abs. 2 lit. a VO (EG) Nr. 73/2009 handelt oder nicht, kommt der Behörde ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Anerkennung als „landwirtschaftliche Fläche“ iSv Art. 2 lit. c VO (EG) Nr. 1120/2009 hängt von der Nutzung als Dauergrünland ab. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3 Aufgrund des gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums muss der Betriebsinhaber zeitnah zu den von der Behörde bei einer Vor-Ort-Kontrolle getroffenen Feststellungen eine andere Auffassung zu den tatsächlichen Verhältnissen in geeigneter Weise dokumentieren, um diese später den behördlichen Feststellungen entgegenhalten zu können (Anschluss an VG Meiningen BeckRS 2016, 112599). (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die auf Aufhebung des Bescheids vom 16. März 2015, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2017, gerichtete Anfechtungsklage ist zulässig, sie ist jedoch unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 16. März 2015, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2017, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dabei war der Bescheid vom 16. März 2015, soweit er hinsichtlich der Änderung der Bescheide aus den Jahren 2011 und 2012 und der jeweils damit verbundenen Rückforderung von Teilbeträgen eine Verwechslung der jeweiligen Beträge enthielt, gemäß Art. 47 Abs. 1 BayVwVfG dahingehend umzudeuten, dass die Bescheide aus den Jahren 2011 und 2012 hinsichtlich der jeweils darin tatsächlich genannten Beträge geändert wurden und eine dementsprechende Rückforderung erfolgen sollte.
1. Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bewilligungsbescheide aus den Jahren 2011 bis 2013 ist § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen (Marktorganisationsgesetz; MOG) vom 31. August 1986, neugefasst am 24. Juni 2005 (BGBl I 2005,1847). Da das Europarecht für den (indirekten) Vollzug des Gemeinschaftsrechts durch nationale Behörden keine allgemeinen Regelungen zu Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten kennt, ist – sofern keine speziellen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts bestehen – grundsätzlich nationales Recht anwendbar. Im Regelfall sind daher – soweit bayerische Landesbehörden tätig werden – Art. 48, 49 BayVwVfG maßgebend, nach Art. 1 Abs. 1 BayVwVfG allerdings nur, soweit keine spezielleren Regelungen (des Bundesrechts) eingreifen. Als solche Regelung ist § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 MOG anzusehen (vgl. BayVGH, U.v. 16.2.2009 – 19 B 08.2522 – juris Rn. 23; VG Lüneburg, U.v. 18.1.2018 – 1 A 131/15 – juris Rn. 23 m.w.N.).
2. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG sind rechtswidrige begünstigende Bescheide in den Fällen der §§ 6 und 8, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, zurückzunehmen; § 48 Abs. 2 bis 4 und § 49a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sind anzuwenden.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG liegen vor. Die Bewilligungsbescheide bezüglich der Betriebsprämien vom 21. November 2011, 12. Dezember 2012 und 9. Dezember 2013 sind teilweise rechtswidrige begünstigende Bescheide in den Fällen der §§ 6 und 8 MOG. Auf Vertrauensschutz gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 MOG i.V.m. § 48 Abs. 2 VwVfG kann sich der Kläger nicht berufen.
a) Die Betriebsprämie ist eine besondere Vergünstigung i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. g MOG in der Fassung vom 2. Dezember 2014, da es sich bei der Betriebsprämie um eine flächenbezogene Beihilfe handelt.
b) Die Bewilligungsbescheide bezüglich der Betriebsprämien für die Jahre 2011, 2012 und 2013 sind insoweit rechtswidrig, als sie die Gewährung der beantragten Beihilfe über eine Fläche von 0,37 ha hinaus betreffen.
Die gemeinschaftsrechtliche Grundlage für die Gewährung der Betriebsprämie in den Jahren 2011 bis 2013 sind die Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates vom 19. Januar 2009, der Verordnung (EG) Nr. 1120/2009 der Kommission vom 29. Oktober 2009 und der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 der Kommission vom 30. November 2009 – jeweils mit späteren Änderungen. Die Umsetzung dieser Vorschriften auf nationaler Ebene ist durch das Gesetz zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie (Betriebsprämiendurchführungsgesetz – BetrPrämDurchfG) vom 21. Juli 2004 (BGBl. I S. 1763) sowie durch die Verordnung zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie (Betriebsprämiendurchführungsverordnung – BetrPrämDurchfV) vom 3. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3204) – mit späteren Änderungen – erfolgt. Weitere Konkretisierungen auf nationaler Ebene enthält die Verordnung über die Durchführung von Stützungsregelungen und gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen nach der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 im Rahmen des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems (InVeKoSV) vom 3. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3194) – mit späteren Änderungen.
Gemäß Art. 33 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 73/2009 können Betriebsinhaber die Betriebsprämienregelung in Anspruch nehmen, wenn sie Zahlungsansprüche besitzen, die sie nach der VO (EG) Nr. 1782/2003 oder im Rahmen der VO (EG) Nr. 73/2009 unter anderem durch Übertragung oder aus der nationalen Reserve erhalten haben. Gemäß Art. 34 Abs. 1 VO (EG) Nr. 73/2009 wird den Betriebsinhabern eine Stützung im Rahmen der Betriebsprämienregelung bei Aktivierung eines Zahlungsanspruchs je beihilfefähiger Hektarfläche gewährt. Bei aktivierten Zahlungsansprüchen besteht Anspruch auf die Zahlung der darin festgesetzten Beträge.
Eine beihilfefähige Hektarfläche ist gemäß Art. 34 Abs. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 73/2009 jede landwirtschaftliche Fläche des Betriebs, die für eine landwirtschaftliche Tätigkeit oder hauptsächlich für eine landwirtschaftliche Tätigkeit genutzt wird, wenn sie auch für nichtlandwirtschaftliche Zwecke genutzt wird. Eine landwirtschaftliche Tätigkeit ist nach Art. 2 Buchst. c VO (EG) Nr. 73/2009 die Erzeugung, die Zucht oder der Anbau landwirtschaftlicher Erzeugnisse, einschließlich Ernten, Melken, Zucht von Tieren und Haltung von Tieren für landwirtschaftliche Zwecke oder die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand gemäß Art. 6 dieser Verordnung. Gemäß Art. 2 Buchst. h dieser Verordnung ist landwirtschaftliche Fläche jede Fläche, die als Ackerland, Dauergrünland oder mit Dauerkulturen genutzt wird. Die Begriffe „Ackerland, Dauergrünland und Dauerkulturen“ werden in Art. 2 VO (EG) Nr. 1120/2009 bestimmt. Demnach sind „Dauergrünland” Flächen, die durch Einsaat oder auf natürliche Weise (Selbstaussaat) zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt werden und mindestens fünf Jahre lang nicht Bestandteil der Fruchtfolge des landwirtschaftlichen Betriebs waren, ausgenommen Flächen im Rahmen von Stilllegungsregelungen gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2078/92 des Rates, gemäß den Artikeln 22, 23 und 24 der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 des Rates und gemäß Artikel 39 der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates; zu diesem Zweck sind „Gras oder andere Grünfutterpflanzen” alle Grünpflanzen, die herkömmlicherweise in natürlichem Grünland anzutreffen oder normalerweise Teil von Saatgutmischungen für Grünland oder Wiesen in dem Mitgliedstaat sind, unabhängig davon, ob die Flächen als Viehweiden genutzt werden (Art. 2 Buchst. c VO (EG) Nr. 1120/2009).
Gemessen hieran steht dem Kläger eine über die Fläche von 0,37 ha hinausgehende Bewilligung der Betriebsprämien in den Jahren 2011 bis 2013 nicht zu. Die vom Beklagten beanstandeten Flächen sind nicht anerkennungsfähig.
In Bezug auf die Feststellungen, ob es sich bei der streitgegenständlichen Fläche um eine beihilfefähige Fläche im Sinne der vorgenannten Vorschriften handelt oder nicht, kommt der Behörde ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Es ist nämlich zu beachten, dass angesichts des unvermeidlichen Zeitablaufs zwischen der Vor-Ort-Kontrolle und der mündlichen Verhandlung vor Gericht durch die ständige natürliche und agrartechnisch herbeigeführte Weiterentwicklung der Vegetation der konkrete Zustand im Zeitpunkt der Vor-Ort-Kontrolle nicht – auch nicht beispielsweise durch sachverständige Hilfe oder durch Einnahme eines Augenscheins – rekonstruiert werden kann. Für die Annahme eines Beurteilungsspielraums spielt es keine Rolle, dass unmittelbar europäisches Recht vollzogen wird. Den Mitgliedstaaten wird ein fachwissenschaftlicher Beurteilungsspielraum in Bezug auf die zu kategorisierenden Flächen eingeräumt, solange der durch das Gemeinschaftsrecht vorgegebene Kriterienkatalog beachtet wird. Erscheint danach eine Entscheidung fachlich vertretbar, so nimmt das Gemeinschaftsrecht diese Entscheidung hin (vgl. BVerwG, B.v. 12.6.2003 – 4 B 37.03 – juris Rn. 10). Wegen der Annahme eines Beurteilungsspielraums ist die gerichtliche Überprüfung der behördlichen (Tatsachen) Entscheidung, ob es sich bei den konkret bezeichneten Flächen um beihilfefähige Flächen handelt oder nicht, nur noch eingeschränkt möglich. Ein Rechtsverstoß liegt nur vor, wenn die Behörde Verfahrensfehler begangen hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, anzuwendendes Recht verkannt, bei seiner Anwendung allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzt hat oder sich von sachfremden Erwägungen leiten ließ (vgl. VG Meiningen, U.v. 14.7.2016 – 2 K 515.12 – juris Rn. 29; VG Karlsruhe, U.v. 20.1.2011 – 2 K 11.10 – juris Rn. 55 m. w. N.).
Entsprechende Rechtsverstöße sind hier nicht ersichtlich. Weder ist erkennbar, dass der Beklagte von einem nicht zutreffenden Begriff der „beihilfefähigen Fläche“ ausgegangen wäre, noch dass er im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle die Flächendifferenzen messtechnisch fehlerhaft festgestellt hätte.
Der Beklagte hat anzuwendendes Recht insoweit nicht verkannt, als er die Anerkennung als „landwirtschaftliche Fläche“ von der Nutzung als Dauergrünland abhängig gemacht und die Anerkennung als landwirtschaftliche Nutzfläche verneint hat. Nach dem Wortlaut der Vorschrift des Art. 2 Buchst. C VO (EG) Nr. 1120/2009 kommt es dabei entgegen der Ansicht des Klägers nicht auf eine Nutzung der Flächen als Viehweiden an.
Bei den Vor-Ort-Kontrollen am 8. September 2014 beziehungsweise am 19. November 2014 wurde unter anderem festgestellt, dass die Fläche im Osten und Nordosten des streitgegenständlichen Grundstücks, die entlang der … verläuft, aufgrund von Brombeerbewuchs vollständig verbuscht ist (Bl. 130 der Behördenakten). Des Weiteren wurde festgestellt, dass die Fläche im Südwesten bis Nordwesten und die Flächen im Osten am Bach und im Westen am Waldrand des FS 2 ebenfalls verbuscht sind (Bl. 116, 130 der Behördenakten).
Im Rahmen der Kontrolle am 14. Juli 2015 wurde auf dem FS 2 eine im Vergleich zum Jahr 2014 noch weiter verringerte förderfähige Fläche festgestellt, im Übrigen das Ergebnis der Vor-Ort-Kontrollen aus dem Jahr 2014 aber bestätigt (Bl. 242 der Behördenakten). Im Einzelnen wurde festgestellt, dass hinter der Reihe alter Fichten im Südwesten der streitgegenständlichen Fläche ein Abstand von etwa zehn Metern zum Wald besteht, das Kronendach jedoch geschlossen ist (Bl. 242 der Behördenakten). Die Fläche im Westen des FS 2 stellt eine Waldfläche dar (Bl. 242 der Behördenakten). Die Fläche im Norden und Nordosten des klägerischen Grundstücks ist überwiegend von Mädesüß, Springkraut, Brom- und Himbeeren, Salbei, Dost und anderen Hochstauden bewachsen (Bl. 242 der Behördenakten).
Dieser Zustand wurde im Rahmen des gerichtlichen Augenscheintermins am 16. Mai 2018 sowie durch die Einlassungen des Beklagten (Seite 2 der Niederschrift) in der mündlichen Verhandlung vom 31. Juli 2018 bestätigt.
Auf Grund dieser Feststellungen hat der Beklagte anzuwendendes Recht nicht verkannt. Vielmehr tragen diese Feststellung die Folgerung, dass das FS 2 hinsichtlich der beanstandeten Fläche mit einer Größe von 0,34 ha nicht förderfähig ist.
Da die Fläche entlang der … im Osten und Nordosten des streitgegenständlichen Grundstücks aufgrund von Brombeerbewuchs zum maßgeblichen Zeitpunkt verbuscht war, handelt es sich nicht um Dauergrünland i.S.d. Art. 2 Buchst. c VO (EG) Nr. 1120/2009. Brombeeren stellen keine Grünfutterpflanzen i.S.d Art. 2 Buchst. c VO (EG) Nr. 1120/2009 dar. Grünfutter ist die Bezeichnung für Pflanzen, die vor Abschluss ihres Wachstums gemäht und in frischem Zustand an landwirtschaftliche Nutztiere verfüttert werden; die Pflanzen des Grünlandes umfassen die drei Hauptgruppen Futtergräser, Kleearten (und andere Leguminosen) sowie Kräuter. Hierbei handelt es sich um sog. krautige Pflanzen. Hierunter sind Pflanzen zu verstehen, die im Unterschied zu den Gehölzen nicht oder nur schwach verholzen und gegen Ende der Vegetationsperiode gänzlich oder bis auf die bodennahen, unterirdisch oder im Wasser untergetauchten Sprossteile zugrunde gehen (vgl. NdsOVG, B.v. 13.8.2012 – 10 LA 93.11 – juris Rn. 7; VG Meiningen, U.v. 14.7.2016 – 2 K 515.12 – juris Rn. 37). Brombeersträucher stellen ähnlich wie das Heidekraut als Zwergstrauch (vgl. NdsOVG, B.v. 13.8.2012 – 10 LA 93.11 – juris Rn. 7) nach diesem Maßstab keine Grünfutterpflanze dar. Doch selbst wenn man eine solche Eigenschaft annähme, würde dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn nur das vereinzelte Vorkommen von Brombeersträuchern hindert die Einordnung einer Fläche als Dauergrünland grundsätzlich nicht. Der Anerkennung einer Fläche als Dauergrünland steht es jedoch entgegen, wenn – wie hier – die Brombeeren den Charakter der Fläche prägen, weil sie diese (vollständig) beherrschen (vgl. VG Oldenburg, U.v. 21.9.2017 – 12 A 3046.15 – juris Rn. 37). Dies ergibt sich auch aus der Stellungnahme der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft vom 30. Juli 2018. Darin wird auf Seite 2 ausgeführt, dass „vereinzelte Himbeer-, Brombeer- und Springkrautpflanzen den Charakter des Bestandes“ nicht ändern, solange „Gras den Bestand dominier[t]“. Wie bei den Vor-Ort-Kontrollen aber festgestellt, waren die beanstandeten Flächen weitgehend verbuscht, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass dort Gras und andere Grünfutterpflanzen weiterhin vorherrschten.
Da die Fläche im Norden und Nordosten des klägerischen Grundstücks überwiegend von Mädesüß, Springkraut, Brom- und Himbeeren, Salbei, Dost und anderen Hochstauden bewachsen ist, beherrschen die genannten Pflanzen diese Fläche und prägen sie maßgeblich (vgl. VG Oldenburg, U.v. 21.9.2017 – 12 A 3046.15 – juris Rn. 37). Aus diesem Grund stellt die Fläche im Norden und Nordosten kein Dauergrünland i.S.d. Art. 2 Buchst. c VO (EG) Nr. 1120/2009 dar. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Mädesüß in nur geringen Anteilen und Springkraut, Brom- und Himbeeren, Salbei sowie Dost nicht Bestandteil der Ansaatmischungen für Wirtschaftsgrünland sind (vgl. Bayerische Qualitätssaatgutmischungen für Wiesen und Weiden, abrufbar im Internet unter folgendem Link: http://www.lfl.bayern.de/mam/cms07/ipz/dateien/bqsm_merkblatt_2018.pdf), so dass diese Pflanzen zudem nicht normalerweise Teil von Saatgutmischungen für Grünland oder Wiesen sind.
Auf der Fläche im Südwesten des FS 2 hinter der Reihe alter Fichten besteht ein Abstand von etwa zehn Metern zum Wald, wobei das Kronendach geschlossen ist. Auch dies trägt die Folgerung, dass insoweit kein Dauergrünland vorliegt. Aufgrund der mit dem Kronenschluss verbundenen Beschattung des Bodens handelt es sich nicht um eine Fläche, die durch Einsaat oder auf natürliche Weise (Selbstaussaat) zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt wird.
Da die Fläche im Westen des streitgegenständlichen Grundstücks verbuscht beziehungsweise von Wald bewachsen ist, stellt sie ebenfalls kein Dauergrünland dar. Insoweit sind die oben im Einzelnen dargelegten Gründe, auf die der Beklagte die Nicht-Anerkennung der einzelnen Flächen gestützt hat, in gleicher Weise anzuwenden.
Auch die vom Kläger als Landschaftselemente geltend gemachten Flächen „Feldgehölz im Nordwesten“ sowie „bachbegleitende Hecke/Biotop an der …“ sind nicht förderfähig.
Gemäß § 8a Abs. 1 InVeKoSV – in den Fassungen vom 7. Mai 2010, 15. April 2011 und 15. Dezember 2012 – sind unter anderem Landschaftselemente im Sinne des § 5 Absatz 1 der Direktzahlungen-Verpflichtungenverordnung (DirektZahlVerpflV) Teil der Gesamtfläche derjenigen landwirtschaftlichen Parzelle, zu der die Landschaftselemente im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang stehen. § 5 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 4 Buchst. a DirektZahlVerpflV – in den Fassungen vom 21. April 2011 und 15. Dezember 2011 – definieren Landschaftselemente Hecken oder Knicks als lineare Strukturelemente, die überwiegend mit Gehölzen bewachsen sind und eine Mindestlänge von 10 Metern aufweisen (Nr. 1), als Feldgehölze überwiegend mit gehölzartigen Pflanzen bewachsene Flächen, die nicht der landwirtschaftlichen Erzeugung dienen, mit einer Größe von mindestens 50 Quadratmetern bis höchstens 2 000 Quadratmetern, wobei Flächen, für die eine Beihilfe zur Aufforstung oder eine Aufforstungsprämie gewährt worden ist, nicht als Feldgehölze gelten (Nr. 3) sowie als Feuchtgebiete mit einer Größe von höchstens 2.000 Quadratmetern Biotope, die nach § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 des Bundesnaturschutzgesetzes oder weitergehenden landesrechtlichen Vorschriften geschützt und über die Biotopkartierung erfasst sind (Nr. 4a).
Dies zugrunde gelegt stellen weder das Biotop mit der bachbegleitenden Hecke noch das Feldgehölz förderfähige Landschaftselemente i.S.d. § 8a Abs. 1 InVeKoSV, § 5 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 4 Buchst. a DirektZahlVerpflV dar.
Es kann dahinstehen, ob das Biotop mit der bachbegleitenden Hecke gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 Buchst. a DirektZahlVerpflV ein Landschaftselement ist. Da die Fläche entlang der … im Osten und Nordosten des streitgegenständlichen Grundstücks – wie oben dargestellt – keine landwirtschaftliche Fläche darstellt, steht das Biotop mit der bachbegleitenden Hecke nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer landwirtschaftlichen Parzelle, so dass keine Förderfähigkeit gegeben ist (§ 8a Abs. 1 InVeKoSV). Dem steht auch nicht entgegen, dass das Biotop gegebenenfalls gemäß § 30 Abs. 2 BNatSchG nicht beseitigt werden darf. Im zu entscheidenden Fall geht es nicht um die Beseitigung des Biotops, sondern um dessen Förderung als landwirtschaftliche Fläche.
Auch die schriftsätzlich als „Feldgehölz“ bezeichnete Fläche im Nordwesten des streitgegenständlichen Grundstücks ist kein förderfähiges Landschaftselement i.S.d. § 8a Abs. 1 InVeKoSV i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 DirektZahlVerpflV. Da die Fläche im Norden und Nordosten des klägerischen Grundstücks – wie oben dargestellt – nicht anerkennungsfähig ist, steht das „Feldgehölz“ nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer landwirtschaftlichen Parzelle, so dass eine Förderfähigkeit ausscheidet (§ 8a Abs. 1 InVeKoSV).
Ebenso ist nicht erkennbar, dass der Beklagte im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle die Flächendifferenzen messtechnisch fehlerhaft festgestellt hätte.
Aufgrund des gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums des Beklagten muss der Betriebsinhaber zeitnah zu den von der Behörde bei einer Vor-Ort-Kontrolle getroffenen Feststellungen eine andere Auffassung zu den tatsächlichen Verhältnissen in geeigneter Weise dokumentieren, um diese später den behördlichen Feststellungen entgegenhalten zu können (vgl. VG Meiningen, U.v. 14.7.2016 – 2 K 515.12 – juris Rn. 47). Es war damit erforderlich spätestens im Widerspruchsverfahren mögliche Fehler bei der Durchführung der Vermessung konkret zu beanstanden (vgl. VG Meiningen, U.v. 14.7.2016 – 2 K 515.12 – juris Rn. 48). Diesen Anforderungen ist der Kläger im vorliegenden Fall nicht gerecht geworden, da in der Widerspruchsbegründung vom 5. Mai 2015 (Bl. 216 der Behördenakten) Fehler bei der Durchführung der Vermessung zumindest nicht konkret beanstandet wurden. Auf die Einwände des Klägers im Schriftsatz vom 18. Juni 2018 hinsichtlich der Messdaten des Ortstermins vom 16. Mai 2018 kommt es somit nicht an.
c) Auf Vertrauensschutz kann sich der Kläger nicht berufen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 MOG i.V.m. Art. 48 Abs. 2 VwVfG).
Im hier vorliegenden Fall des indirekten Vollzugs von Unionsrechts (siehe dazu ausführlich oben unter 1.) können berechtigtes Vertrauen und Rechtssicherheit ohne Widerspruch zum Unionsrecht geschützt werden, da die Rechtsordnung der Union selbst die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit anerkennt. Allerdings muss im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Vertrauen des Betroffenen und dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme auch dem Interesse der Union in vollem Umfang Rechnung getragen werden (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 48 Rn. 277).
Nach diesen Maßstäben kann sich der Kläger – trotz vorgetragenen Verbrauchs der Leistungen – nicht auf den Vertrauensschutztatbestand des § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 MOG i.V.m. Art. 48 Abs. 2 VwVfG berufen. Zum einen liegt ein Widerspruch zum Unionsrecht vor, da die streitgegenständliche Fläche kein Dauergrünland i.S.d. Art. 2 Buchst. c VO (EG) Nr. 1120/2009 darstellt. Zum anderen regelt Art. 80 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 der Kommission vom 30. November 2009 in der jeweils gültigen Fassung, dass der Betriebsinhaber bei zu Unrecht gezahlten Beträgen zur Rückzahlung dieser Beträge verpflichtet ist. Um diesem Unionsinteresse vollumfänglich Rechnung tragen zu können, muss im Rahmen der oben genannten Abwägung das Vertrauen des Klägers hinter dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme zurückstehen.
3. Rechtsgrundlage für die Rückforderung der auf den Bewilligungsbescheiden aus den Jahren 2011 bis 2013 basierenden Auszahlungen in Höhe von insgesamt 724,46 € ist § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 Alt. 2 MOG i.V.m. § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Danach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen worden oder infolge Eintritts einer auflösenden Bedingung unwirksam geworden ist.
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, da die teilweise Rücknahme der Bewilligungsbescheide aus den Jahren 2011 bis 2013 zu Recht erfolgt ist (siehe dazu oben). Auf einen etwaigen Wegfall der Bereicherung gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 Alt. 2 MOG i.V.m. § 49a Abs. 2 Satz 2 VwVfG kommt es nicht an. Die anspruchsbegründenden Merkmale sind schon in § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG abschließend erfasst. § 49a Abs. 2 VwVfG stellt insofern nur eine Rechtsfolgenverweisung dar (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 49a Rn. 42).
Auch mit dem Einwand, der hier streitgegenständliche Betrag von 724,46 € sei vom Beklagten schon einbehalten worden, vermag der Kläger nicht durchzudringen. Im Rahmen der hier erhobenen Anfechtungsklage prüft das Gericht die Rechtmäßigkeit des Rücknahmebescheids vom 16. März 2015. Wie die konkrete Abwicklung des Bescheids erfolgt, ist dagegen nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Nach alledem war die Klage mit den Kosten aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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