Europarecht

Schneidebrett

Aktenzeichen  I ZR 16/21

Datum:
24.3.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2022:240322UIZR16.21.0
Normen:
§ 1 Nr 1 GeschmMG 2004
§ 33 Abs 1 Nr 1 GeschmMG 2004
§ 37 Abs 1 GeschmMG 2004
Spruchkörper:
1. Zivilsenat

Leitsatz

Schneidebrett
1. Die Auslegung eines Designs kann zu dem Ergebnis führen, dass Abweichungen der Wiedergaben bei der Bestimmung des Schutzgegenstands außer Betracht bleiben müssen und der Schutzgegenstand gleichsam aus der Schnittmenge der allen Darstellungen gemeinsamen Merkmale besteht (Bestätigung von BGH, Urteil vom 8. März 2012 – I ZR 124/10, GRUR 2012, 1139 [juris Rn. 31] = WRP 2012, 1540 – Weinkaraffe; Beschluss vom 20. Dezember 2018 – I ZB 25/18, BGHZ 220, 344 [juris Rn. 17] – Sporthelm; Beschluss vom 20. Dezember 2018 – I ZB 26/18, GRUR 2019, 835 [juris Rn. 31] = WRP 2019, 1032 – Sportbrille). Das gilt auch dann, wenn eine Darstellung Elemente enthält, die auf den anderen Darstellungen nicht zu sehen sind, so dass das in den anderen Darstellungen zu sehende Erzeugnis vollständig in der einen Darstellung enthalten ist.
2. Die Auslegung eines Designs kann ergeben, dass sich der Schutzgegenstand aus mehreren Gegenständen zusammensetzt, die nach der Verkehrsauffassung ein einheitliches Erzeugnis – ein sogenanntes Kombinationserzeugnis – bilden. Dies liegt insbesondere dann nahe, wenn die abgebildeten Einzelgegenstände ästhetisch aufeinander abgestimmt sind und miteinander in einem funktionalen Zusammenhang stehen (Bestätigung von BGH, Urteil vom 8. März 2012 – I ZR 124/10, GRUR 2012, 1139 [juris Rn. 32] – Weinkaraffe). Die Auslegung kann auch lediglich aufgrund einer dieser Eigenschaften – gegebenenfalls unter Einbeziehung weiterer Umstände – zur Annahme eines Kombinationserzeugnisses führen. Maßgeblich ist, welchen Schutzgegenstand die Fachkreise des betreffenden Sektors aus den Darstellungen und den weiteren aus dem Register ersichtlichen Informationen entnehmen.
3. Im Fall eines Kombinationserzeugnisses ist ein isolierter Schutz für die Komponenten des Kombinationserzeugnisses – ohne eine gesonderte Anmeldung – ausgeschlossen, weil das Designrecht keinen Schutz für Teile oder Elemente eines eingetragenen Designs kennt (Bestätigung von BGH, Urteil vom 8. März 2012 – I ZR 124/10, GRUR 2012, 1139 [juris Rn. 28 und 35 bis 40] – Weinkaraffe).
4. Führt die Auslegung nicht zu einem hinreichend klaren Ergebnis und bleibt offen, ob Schutz für einen Einzelgegenstand oder ein Kombinationserzeugnis beansprucht wird, geht die Unklarheit zu Lasten des Anmelders und ist das Design nichtig.

Verfahrensgang

vorgehend OLG München, 17. Dezember 2020, Az: 29 U 6308/19vorgehend LG München I, 23. Oktober 2019, Az: 21 O 10580/18

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird unter Verwerfung des Rechtsmittels im Übrigen als unzulässig das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 17. Dezember 2020 insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Der Kläger ist Inhaber des eingetragenen Designs DE 40703405-0001, für dessen Wiedergabe drei Darstellungen im Register hinterlegt sind:
2
Als Erzeugnis ist “Schneidebretter” eingetragen. Eine Beschreibung zur Erläuterung der Wiedergabe oder ein Warenklassenverzeichnis hat der Kläger nicht zum Register eingereicht.
3
Die Beklagte vertreibt über ihre Internetseite ein Schneidebrett mit Auffangschale. Der Kläger hat die Beklagte nach erfolgloser Abmahnung wegen Verletzung seines Designs auf Unterlassung in Anspruch genommen und Folgeansprüche auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Zahlung seiner Abmahnkosten in Höhe von 1.044,40 € nebst Zinsen geltend gemacht. Die Beklagte hat widerklagend beantragt, das Design für nichtig zu erklären und den Kläger zur Zahlung von 1.044,40 € nebst Zinsen wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung zu verurteilen.
4
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen, auf die Widerklage das Design für nichtig erklärt und die Berufung gegen die Abweisung der Widerklage hinsichtlich des Zahlungsantrags zurückgewiesen.
5
Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

6
A. Das Berufungsgericht hat das Klagedesign für nach § 33 Abs. 1 Nr. 1, § 1 Nr. 1 DesignG nichtig gehalten und zur Begründung ausgeführt:
7
In der ersten Darstellung sei ein Schneidebrett mit Auffangschale, in der zweiten und dritten Darstellung dagegen ein Schneidebrett ohne Auffangschale wiedergegeben. Aus dem im Register angegebenen Erzeugnis “Schneidebretter” könne nicht geschlossen werden, dass die in der ersten Darstellung wiedergegebene Auffangschale nur – wie das auf dem Schneidebrett liegende Gemüse und die in der Auffangschale liegenden Abfälle – Beiwerk darstelle und nicht Teil der Erscheinungsform sei.
8
Vorliegend sei es nicht zulässig, aus den verschiedenen Ausführungsformen des dargestellten Schneidebretts mit und ohne Auffangschale eine Schnittmenge zu bilden und die Designanmeldung auf die Erscheinungsform des Schneidebretts ohne Auffangschale zu reduzieren. Die Anmeldung zeige nicht die Erscheinungsform “eines” Erzeugnisses, sondern zweier Erzeugnisse.
9
Der Designanmeldung könne auch nicht durch Auslegung entnommen werden, dass der Schutz sich nur auf die in der ersten Darstellung wiedergegebene Kombination von Schneidebrett und Auffangschale beziehe und die zwei Darstellungen, auf denen das Schneidebrett allein abgebildet sei, lediglich die Gestaltung des Schneidebretts verdeutlichen sollten. Ein funktionaler Zusammenhang zwischen dem Schneidebrett und der Auffangschale lasse sich den Darstellungen nur insoweit entnehmen, als die Auffangschale – jedenfalls teilweise – unter dem Schneidebrett platziert werden könne und die Abfälle vom Schneidebrett in die unter diesem befindliche Auffangschale geschoben werden könnten. Die vom Kläger vorgetragenen Einfräsungen seien nicht deutlich erkennbar, so dass nach den Darstellungen offenbleibe, ob die Schale in Schienen des Schneidebretts verlaufe. Inwieweit das Schneidebrett und die Auffangschale ästhetisch aufeinander abgestimmt seien, lasse sich der ersten Darstellung, die die Auffangschale im hervorgezogenen Zustand mit in ihr befindlichen Abfällen zeige, nicht entnehmen. Nach dieser Darstellung bleibe offen, ob die Auffangschale im zurückgeschobenen Zustand mit der Kante des Schneidebretts abschließe, nach vorne überstehe oder unter der Kante des Schneidebretts verschwinde. Der ästhetische Gesamteindruck des aus Schale und Brett zusammengesetzten Erzeugnisses außerhalb der konkret dargestellten Gebrauchssituation lasse sich daher nicht erkennen.
10
Da der ersten Darstellung nicht zu entnehmen sei, dass das Schneidebrett und die Auffangschale ästhetisch aufeinander abgestimmt seien und in funktionalem Zusammenhang zueinander stünden, sei zudem für Dritte und Mitbewerber entgegen dem Grundsatz der Registerklarheit nicht unmittelbar und eindeutig erkennbar, ob Schutz für ein aus Schneidebrett und Auffangschale zusammengesetztes Kombinationserzeugnis oder (auch) für das auf den weiteren Darstellungen allein abgebildete Schneidebrett ohne Auffangschale beansprucht werde.
11
Die Beklagte könne hingegen nicht den Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten vom Kläger verlangen. Es bestünden keine Schadensersatzansprüche wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Beklagten, weil es an einem Verschulden des Klägers fehle.
12
B. Die Revision des Klägers hat im Wesentlichen Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit dieses zum Nachteil des Klägers erkannt hat.
13
I. Die unbeschränkt eingelegte Revision des Klägers ist überwiegend zulässig. Das für die Zulässigkeit der Revision erforderliche Rechtsschutzbedürfnis setzt voraus, dass der Rechtsmittelführer durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist und das Rechtsmittel dazu dient, diese Beschwer zumindest teilweise zu beseitigen (BGH, Urteil vom 10. Januar 2019 – I ZR 267/15, GRUR 2019, 813 [juris Rn. 97] = WRP 2019, 1013 – Cordoba II, mwN). Der Kläger ist beschwert, soweit das Berufungsgericht die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben hat. An einer Beschwer fehlt es jedoch, soweit sich seine Revision gegen die teilweise Abweisung der Widerklage hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten der Beklagten richtet.
14
II. Soweit die Revision zulässig ist, ist sie auch begründet. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann das Klagedesign nicht für nichtig erklärt und die Klage abgewiesen sowie der Widerklage insoweit stattgegeben werden.
15
1. Gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 DesignG ist ein eingetragenes Design nichtig, wenn die Erscheinungsform des Erzeugnisses kein Design im Sinne des § 1 Nr. 1 DesignG ist. Nach § 1 Nr. 1 DesignG ist ein Design die zweidimensionale oder dreidimensionale Erscheinungsform eines ganzen Erzeugnisses oder eines Teils davon, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst oder seiner Verzierung ergibt. Nach § 37 Abs. 1 DesignG wird der Schutz für diejenigen Merkmale der Erscheinungsform eines eingetragenen Designs begründet, die in der Anmeldung sichtbar wiedergegeben sind. Die Anmeldung zur Eintragung eines Designs in das Register muss gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 DesignG eine zur Bekanntmachung geeignete Wiedergabe des Designs enthalten. Nach § 7 Abs. 1 DesignV erfolgt die Wiedergabe des Designs mit Hilfe von fotografischen oder sonstigen grafischen Darstellungen; pro Design sind bis zu zehn Darstellungen zulässig. Dabei darf eine Darstellung nach § 7 Abs. 3 Satz 3 DesignV nur eine Ansicht des Designs zeigen.
16
Insbesondere ist ein Design dann nichtig, wenn in der Anmeldung nicht die Erscheinungsform “eines” Erzeugnisses wiedergegeben wird, weil sich der Gegenstand des Designschutzes in diesem Fall nicht bestimmen lässt. Weichen verschiedene Darstellungen eines Designs voneinander ab und entstehen dadurch Unklarheiten über den Schutzgegenstand, ist der Schutzgegenstand des Designs durch Auslegung zu bestimmen. Bei der Auslegung, für die auf die Sicht der Fachkreise des betreffenden Sektors abzustellen ist, muss das Inter-esse des Verkehrs berücksichtigt werden, klar erkennen zu können, wofür der Anmelder Schutz beansprucht. Als Auslegungshilfe können insbesondere die Angabe der Erzeugnisse, in die das Design aufgenommen oder bei denen es verwendet werden soll (§ 11 Abs. 3 DesignG), sowie – soweit vorhanden – die Beschreibung zur Erläuterung der Wiedergabe (§ 11 Abs. 5 Nr. 1 DesignG) und das Verzeichnis mit der Warenklasse oder den Warenklassen, in die das Design einzuordnen ist (§ 11 Abs. 5 Nr. 3 DesignG), herangezogen werden (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2012 – I ZR 124/10, GRUR 2012, 1139 [juris Rn. 22 bis 25 und 30] = WRP 2012, 1540 – Weinkaraffe; Beschluss vom 20. Dezember 2018 – I ZB 25/18, BGHZ 220, 344 [juris Rn. 11 f.] – Sporthelm; Beschluss vom 20. Dezember 2018 – I ZB 26/18, GRUR 2019, 835 [juris Rn. 11 f.] = WRP 2019, 1032 – Sportbrille; Eichmann/Jestaedt in Eichmann/Jestaedt/Fink/Meiser, DesignG GGV, 6. Aufl., § 37 DesignG Rn. 19 bis 21; BeckOK.Designrecht/Stöckel, 11. Edition [Stand 15. Februar 2022], § 37 DesignG Rn. 12 bis 18; Ruhl in Ruhl/Tolkmitt, GGV, 3. Aufl., Art. 3 Rn. 147 bis 158 und Art. 36 Rn. 82).
17
Die Auslegung kann zu dem Ergebnis führen, dass Abweichungen der Wiedergaben bei der Bestimmung des Schutzgegenstands außer Betracht bleiben müssen und der Schutzgegenstand gleichsam aus der Schnittmenge der allen Darstellungen gemeinsamen Merkmale besteht (vgl. BGH, GRUR 2012, 1139 [juris Rn. 31] – Weinkaraffe; BGHZ 220, 344 [juris Rn. 17] – Sporthelm; BGH, GRUR 2019, 835 [juris Rn. 31] – Sportbrille; Kühne/Meiser in Eichmann/Jestaedt/Fink/Meiser aaO § 11 DesignG Rn. 29; Eichmann/Jestaedt in Eichmann/Jestaedt/Fink/Meiser aaO § 37 DesignG Rn. 14; BeckOK.Designrecht/Stöckel aaO § 37 DesignG Rn. 19 bis 23).
18
Eine Schnittmengenbildung ist aber ausgeschlossen, wenn mehrere Darstellungen eines im Wege der Einzelanmeldung angemeldeten Designs verschiedene Ausführungsformen eines Erzeugnisses mit unterschiedlichen Merkmalen der Erscheinungsform dieses Erzeugnisses zeigen. Ein aus der Schnittmenge der allen Darstellungen gemeinsamen Merkmale im Wege der Abstraktion gebildeter Schutzgegenstand wäre entgegen § 37 Abs. 1 DesignG in der Anmeldung nicht sichtbar wiedergegeben, sondern existierte allein in der Vorstellung des Betrachters. Darüber hinaus müssen Dritte und insbesondere Mitbewerber nach dem Grundsatz der Registerklarheit aus Gründen der Rechtssicherheit aus der Darstellung oder den Darstellungen des Designs im Register unmittelbar und eindeutig ersehen können, wofür der Anmelder Schutz beansprucht. Auch diesem Gebot ist nicht genügt, wenn der vom Anmelder beanspruchte Schutzgegenstand in mehreren gedanklichen Schritten aus den Darstellungen im Register erschlossen werden muss (vgl. BGHZ 220, 344 [juris Rn. 17 bis 19] – Sporthelm; BGH, GRUR 2019, 835 [juris Rn. 31 bis 33] – Sportbrille; zum Erfordernis der klaren Erkennbarkeit des Schutzgegenstands nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. c GGV vgl. EuGH, Urteil vom 5. Juli 2018 – C-217/17, juris Rn. 49 bis 60 – Mast-Jägermeister/EUIPO; Ruhl in Ruhl/Tolkmitt aaO Art. 36 Rn. 15 bis 17).
19
Die Auslegung kann auch ergeben, dass sich der Schutzgegenstand aus mehreren Gegenständen zusammensetzt, die nach der Verkehrsauffassung ein einheitliches Erzeugnis – ein sogenanntes Kombinationserzeugnis – bilden. Dies liegt insbesondere dann nahe, wenn die abgebildeten Einzelgegenstände ästhetisch aufeinander abgestimmt sind und miteinander in einem funktionalen Zusammenhang stehen (vgl. BGH, GRUR 2012, 1139 [juris Rn. 32] – Weinkaraffe; EuG, Urteil vom 25. Oktober 2013 – T-231/10, juris Rn. 32; Eichmann/Jestaedt in Eichmann/Jestaedt/Fink/Meiser aaO § 37 DesignG Rn. 15; Ruhl in Ruhl/Tolkmitt aaO Art. 3 Rn. 26 f.).
20
Die Auslegung der Designanmeldung obliegt im Wesentlichen dem Tatgericht. In der Revisionsinstanz ist nur zu prüfen, ob das Tatgericht einen zutreffenden Rechtsbegriff zugrunde gelegt, nicht gegen Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen und wesentliche Umstände nicht unberücksichtigt gelassen hat (vgl. BGH, GRUR 2012, 1139 [juris Rn. 27] – Weinkaraffe; BGHZ 220, 344 [juris Rn. 16] – Sporthelm; BGH, GRUR 2019, 835 [juris Rn. 16] – Sportbrille).
21
2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann das Klagedesign danach nicht für nichtig erklärt werden.
22
a) Die Annahme des Berufungsgerichts, es sei nicht zulässig, aus den verschiedenen Ausführungsformen des dargestellten Schneidebretts mit und ohne Auffangschale eine Schnittmenge zu bilden und die Designanmeldung auf die Erscheinungsform des Schneidebretts ohne Auffangschale zu reduzieren, ist in einem entscheidenden Punkt rechtsfehlerhaft. Das Berufungsgericht hat nicht hinreichend berücksichtigt, dass die zum Register eingereichten Darstellungen keine miteinander unvereinbaren Merkmale zeigen, sondern die erste Darstellung lediglich Elemente enthält (die Auffangschale mit Inhalt und das Gemüse auf dem Schneidebrett), die auf der zweiten und dritten Darstellung nicht zu sehen sind. Das in der zweiten und dritten Darstellung zu sehende Schneidebrett ist als Teilmenge aber vollständig in der ersten Darstellung enthalten. Der Schutzgegenstand eines Schneidebretts ohne Auffangschale wird in der zweiten und dritten Darstellung sichtbar wiedergegeben und existiert nicht nur in der Vorstellung des Betrachters. Deshalb ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob mit dem Design Schutz für ein Schneidebrett ohne Auffangschale oder für ein aus Schneidebrett und Auffangschale zusammengesetztes Kombinationserzeugnis beansprucht wird.
23
b) Auch die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Schutzgegenstand der Designanmeldung sei kein Kombinationserzeugnis aus einem Schneidebrett und einer Auffangschale, ist von Rechtsfehlern beeinflusst.
24
aa) Als rechtsfehlerfrei erweist sich allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, dass die abgebildeten Einzelgegenstände nicht ästhetisch aufeinander abgestimmt sind.
25
(1) Ohne Erfolg bezieht sich die Revision hierfür auf die zu Werbezwecken erstellten Ablichtungen der Produkte der Parteien (Anlagen K 1 und K 4). Diese sind für die Bestimmung des Schutzumfangs des Designs des Klägers irrelevant. Aus Gründen der Rechtsklarheit und -sicherheit kommt es für die Auslegung des Schutzumfangs eines Designs allein auf die aus dem Register ersichtlichen Informationen an.
26
(2) Soweit die Revision darüber hinaus rügt, für die Fachkreise liege eine ästhetische Abstimmung – insbesondere ein bündiger Abschluss zwischen Schneidebrett und Auffangschale in zurückgeschobenem Zustand – auf der Hand, versucht sie, ihre eigene Würdigung an die Stelle der des Tatgerichts zu setzen, ohne einen Rechtsfehler aufzuzeigen. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht für seine Feststellungen, mit denen es allein die zum Register eingereichten Darstellungen des Klagedesigns beschrieben hat, nicht zwischen den Fachkreisen und anderen Personengruppen (wie etwa Verbrauchern) differenziert hat. Die Revision legt insbesondere nicht dar, aus welchen Umständen die Fachkreise (anders als etwa Verbraucher) angesichts der in der ersten Darstellung sichtbaren Auffangschale in teilweise herausgezogenem Zustand zu dem Schluss gelangen sollten, diese schließe in zurückgeschobenem Zustand bündig mit dem Schneidebrett ab.
27
(3) Ebenfalls vergeblich bringt die Revision vor, den Ausführungen des Berufungsgerichts sei nicht zu entnehmen, warum es auf die Tiefe der Auffangschale ankomme. Die maßgebliche ästhetische Abstimmung sei aus Sicht der Fachkreise bereits dadurch hergestellt, dass in der Gebrauchssituation, die in der ersten Abbildung gezeigt werde, die Auffangschale passgenau zwischen den Füßen und der vordere Rand parallel zu der dem Benutzer zugewandten Seite des Schneidebretts verliefen. Entscheidend sei, dass die Fachkreise dem Design entnehmen könnten, welche Erscheinungsform des Erzeugnisses geschützt sei. Auch insoweit handelt es sich um einen unbehelflichen Angriff auf die tatgerichtlichen Feststellungen im Berufungsurteil, mit dem die Revision keinen Rechtsfehler des Berufungsgerichts aufzeigt.
28
bb) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Designanmeldung lasse sich kein hinreichender funktionaler Zusammenhang von Schneidebrett und Auffangschale entnehmen, hält der rechtlichen Nachprüfung jedoch nicht stand.
29
(1) Anders als die Revision meint hat das Berufungsgericht allerdings nicht festgestellt, dass es sich bei den Einfräsungen funktional um Schienen handelt, und daher nicht vorausgesetzt, dass die Aussparungen eine Trage- und Führungsfunktion haben. Es hat vielmehr unter Bezugnahme auf die Feststellungen des Landgerichts ausgeführt, die vom Kläger vorgetragenen Einfräsungen seien nicht deutlich erkennbar, so dass nach den Darstellungen des Erzeugnisses offenbleibe, ob die Schale in Schienen des Schneidebretts verlaufe. Soweit die Revision darüber hinaus meint, die Einfräsungen seien zwar nicht ohne Weiteres in der ersten Abbildung, aber in den Folgeabbildungen zu erkennen, und in der ersten Abbildung sei die räumliche Nähe der Ränder der Auffangschale zu den Schienen deutlich zu sehen, versucht sie erneut lediglich, ihre eigene Würdigung an die Stelle der des Tatgerichts zu setzen, ohne einen Rechtsfehler aufzuzeigen. Da das Berufungsgericht die Erkennbarkeit von Einfräsungen ohne Verstoß gegen das Verfahrensrecht verneint hat, kann die Revision auch nicht mit ihrem Argument durchdringen, den maßgeblichen Fachkreisen des betreffenden Sektors, vorliegend mit dem Schreinerhandwerk vertrauten Personen, erschließe sich ohne Weiteres, dass die auf der zweiten und dritten Abbildung erkennbaren Schienen keinen dekorativen Zweck hätten.
30
(2) Entgegen der Ansicht der Revision besteht auch kein Erfahrungssatz, nach dem die Darstellung einer Führungsschiene und eines zur Aufnahme geeigneten Gegenstands in einem engen räumlichen Zusammenhang üblicherweise zum Ausdruck bringt, dass die Schiene ihrer Funktion entsprechend eingesetzt werden soll. Darüber hinaus könnte ein solcher Erfahrungssatz auf Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts gar nicht zur Anwendung kommen, weil dieses weder die Erkennbarkeit von Einfräsungen noch deren Funktion als Führungsschiene festgestellt hat.
31
(3) Jedoch hat das Berufungsgericht insoweit einen funktionalen Zusammenhang zwischen dem Schneidebrett und der Auffangschale erkannt, als die Auffangschale – jedenfalls teilweise – unter dem Schneidebrett platziert werden kann und die Abfälle vom Schneidebrett in die so platzierte Auffangschale geschoben werden können. Gleichwohl hat es den funktionalen Zusammenhang im Ergebnis verneint, weil nach den Darstellungen offenbleibe, ob die Auffangschale in Schienen des Schneidebretts verlaufe. Damit hat es die Annahme eines funktionalen Zusammenhangs rechtsfehlerhaft von einer konstruktiven Verbindung zwischen diesen beiden Gegenständen abhängig gemacht. Ein solches Erfordernis besteht nicht; vielmehr kann sich ein funktionaler Zusammenhang zwischen zwei Einzelteilen eines Erzeugnisses auch anderweitig aus den Darstellungen des Designs erschließen.
32
cc) Danach kann die Beurteilung des Berufungsgerichts, im Streitfall liege kein Kombinationserzeugnis vor, insgesamt keinen Bestand haben. Allein aufgrund des vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommenen Fehlens einer ästhetischen Abstimmung zwischen dem Schneidebrett und der Auffangschale lässt sich die Annahme eines Kombinationserzeugnisses nicht verneinen. Nach der Rechtsprechung des Senats liegt die Annahme eines Kombinationserzeugnisses insbesondere dann nahe, wenn die abgebildeten Einzelgegenstände ästhetisch aufeinander abgestimmt sind und miteinander in einem funktionalen Zusammenhang stehen (vgl. BGH, GRUR 2012, 1139 [juris Rn. 32] – Weinkaraffe). Jedoch kann die Auslegung des Klagedesigns auch lediglich aufgrund einer dieser Eigenschaften – gegebenenfalls unter Einbeziehung weiterer Umstände – zur Annahme eines Kombinationserzeugnisses führen. So kann, wie etwa bei einem Gegenstand ohne Gebrauchsfunktion, eine ästhetische Abstimmung der Einzelteile ausreichen. Ebenso ist es denkbar, wie etwa bei einem Gebrauchsgegenstand, das Vorliegen eines Kombinationserzeugnisses allein aufgrund eines funktionalen Zusammenhangs der Einzelteile zu bejahen, wenn dieser mit hinreichender Klarheit aus den aus dem Register ersichtlichen Informationen auf ein einheitliches Erzeugnis schließen lässt.
33
c) Die Begründung, mit der das Berufungsgericht es für unklar gehalten hat, ob mit dem Design Schutz für ein aus Schneidebrett und Auffangschale zusammengesetztes Kombinationserzeugnis oder (auch) für ein Schneidebrett ohne Auffangschale beansprucht wird, hält der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand.
34
aa) Dem Berufungsurteil liegt insoweit bereits ein unzutreffender rechtlicher Ausgangspunkt zugrunde. Der Designschutz kann sich nur entweder auf das Kombinationserzeugnis aus Schneidebrett und Auffangschale oder allein auf das Schneidebrett beziehen. Im Fall eines Kombinationserzeugnisses ist ein isolierter Schutz für das Schneidebrett – ohne eine gesonderte Anmeldung – ausgeschlossen, weil das Designrecht keinen Schutz für Teile oder Elemente eines eingetragenen Designs kennt (vgl. BGH, GRUR 2012, 1139 [juris Rn. 28 und 35 bis 40] – Weinkaraffe; Eichmann/Jestaedt in Eichmann/Jestaedt/Fink/Meiser aaO § 37 DesignG Rn. 15; BeckOK.Designrecht/Stöckel aaO § 37 DesignG Rn. 22; zum Schutz von Teilen eines Erzeugnisses durch ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster vgl. aber BGH, Beschluss vom 30. Januar 2020 – I ZR 1/19, GRUR 2020, 302 [juris Rn. 21 bis 25] = WRP 2020, 478 – Front kit; EuGH, Urteil vom 28. Oktober 2021 – C-123/20, GRUR 2021, 1523 = WRP 2021, 42 – Ferrari).
35
bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts folgt aus seiner Beurteilung, das Schneidebrett und die Auffangschale seien nicht erkennbar ästhetisch aufeinander abgestimmt und stünden in keinem ersichtlichen funktionalen Zusammenhang zueinander, nicht zwingend, dass der Kläger keinen Schutz für ein Schneidebrett ohne Auffangschale beanspruchen kann (vgl. bereits Rn. 32). Zwar liegt es insbesondere dann, wenn die abgebildeten Einzelgegenstände ästhetisch aufeinander abgestimmt sind und in einem funktionalen Zusammenhang zueinander stehen, nahe, dass sich der Schutzgegenstand aus mehreren Gegenständen zusammensetzt, die nach der Verkehrsanschauung ein einheitliches Erzeugnis – ein Kombinationserzeugnis – bilden. Daraus folgt aber nicht, dass die Annahme eines Kombinationserzeugnisses im Fall des Fehlens einer ästhetischen Abstimmung oder eines funktionalen Zusammenhangs ausgeschlossen ist. Maßgeblich ist vielmehr, welchen Schutzgegenstand die Fachkreise des betreffenden Sektors – nicht Mitbewerber, Verbraucher oder beliebige Dritte – aus den Darstellungen und den weiteren aus dem Register ersichtlichen Informationen entnehmen. Im Streitfall bedarf es hierfür einer Auslegung der Designanmeldung anhand der zum Register eingereichten Darstellungen und der Erzeugnisangabe “Schneidebretter”, wobei die Kriterien der ästhetischen Abstimmung und des funktionalen Zusammenhangs in die Gesamtwürdigung einzubeziehen sind. Führt diese Auslegung nicht zu einem hinreichend klaren Ergebnis und bleibt offen, ob Schutz für einen Einzelgegenstand oder ein Kombinationserzeugnis beansprucht wird, geht die Unklarheit zu Lasten des Anmelders und ist das Design nichtig.
36
III. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst. Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist (zu diesem Maßstab vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – 283/81, Slg. 1982, 3415 [juris Rn. 21] = NJW 1983, 1257 – Cilfit u.a.; Urteil vom 6. Oktober 2021 – C-561/19, NJW 2021, 3303 [juris Rn. 33, 36 und 39 bis 49] – Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi).
37
C. Danach ist auf die Revision des Klägers das Berufungsurteil teilweise aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht wird die Auslegung der streitgegenständlichen Designanmeldung unter Beachtung der Ausführungen des Senats neu vorzunehmen haben.
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