Europarecht

Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung – Definition von Schädigungsvorsatz

Aktenzeichen  8 U 2471/19

Datum:
15.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 54763
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 522 Abs. 2, § 529, § 531 Abs. 2
BGB § 31, § 166, § 278, § 823 Abs. 2, § 826
EG-VO Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 Buchst. a
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1
AEV Art. 277

 

Leitsatz

Verfahrensgang

24 O 14697/18 2019-04-01 LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 01.04.2019, Az. 24 O 14697/18, gemäß § 522 II ZPO zurückzuweisen.
2. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 15.11.2019.
3. Innerhalb dieser Frist können sich die Parteien auch zum Streitwert äußern, den der Senat beabsichtigt auf bis zu 30.000 € festzusetzen.

Gründe

Die Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung des Klägers nach § 522 II ZPO scheinen vorliegend gegeben.
Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche des Klägers im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Neufahrzeugs der Marke BMW Typ 318d Touring, Euro Norm 6 mit Kaufvertrag vom 31.03.2016 von der Beklagten zu 2) zu einem Kaufpreis von 43.300 €.
I. Offensichtliche Aussichtslosigkeit der Berufung, § 522 II Nr. 1 ZPO
Die Berufung des Klägers hat nach der derzeitigen vorläufigen Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, § 522 II Nr. 1 ZPO. Das angefochtene Urteil entspricht der Sach- und Rechtslage und ist zumindest im Ergebnis richtig. Es beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 I, 546 ZPO). Vielmehr rechtfertigen die Tatsachen, die der Senat im Rahmen des durch § 529 ZPO festgelegten Prüfungsumfangs der Beurteilung des Streitstoffes zugrunde zu legen hat, keine andere Entscheidung. Die Ausführungen des Klägers in der Berufungsbegründung (nachfolgend abgekürzt: BB) vom 17.06.2019 (Bl. 195/ 238), in die auch die zuvor erfolgten Ausführungen aus dem klägerischen Schriftsatz vom 05.06.2019 (Bl. 183/ 194) nochmals Eingang gefunden haben, vermögen dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg zu verhelfen. Zur Begründung nimmt der Senat zunächst Bezug auf die zutreffenden Gründe des Ersturteils. Zu ergänzen ist folgendes:
Die BB, die eine hinreichende Differenzierung bezüglich der beiden Beklagten weitgehend vermissen lässt und immer wieder den Anschein erweckt, sie betreffe nicht das vorliegende Ersturteil (z.B. S. 15 Mitte, S. 22 unten, S. 28 oben, S. 30 oben der BB), befasst sich mit zwei angeblichen deliktischen Schädigungshandlungen der Beklagten zu 1) in Gestalt der Täuschung über den Einbau einer gem. VO (EG) Nr. 715/ 2007 (künftig: EG-VO)
– unzulässigen Abschalteinrichtung (vgl. dazu allgemein nachfolgend unter B.)
– im streitgegenständlichen Fahrzeugmotor (vgl. dazu nachfolgend unter C.)
– durch Einsatz von sog. „Manipulationssoftware“ (entsprechend den bekannten VW- Fällen zum Motor EA 189, vgl. dazu nachfolgend unter D.) bzw.
– durch Einsatz eines sog. Thermofensters (vgl. dazu nachfolgend unter E.).
Sie streift auf S. 35f. Ansprüche gegen die Beklagte zu 2) (vgl. dazu nachfolgend unter F.).
A. Verspäteter Berufungsvortrag
Vorauszuschicken ist, dass die BB insbesondere ab S. 36 in deren Gliederungspunkten 12 bis 15 in großem Umfang Vorbringen enthält, das sich im Ersturteil und in den erstinstanzlichen Schriftsätzen so nicht findet und von dem der Senat daher davon ausgehen muss, dass es im Berufungsverfahren neu ist und dort schon mangels entsprechender Berufungsrüge i.S.v. § 520 III Nr. 4 ZPO nicht mehr gem. § 531 II ZPO zugelassen werden kann (vgl. auch die mitgeteilten Allgemeinen Verfahrenshinweise des Senats, nach Bl. 179/ 180).
Abgesehen davon ist auch eine Entscheidungserheblichkeit des neuen, weitgehend aus Zahlenwerk und Messungen aus dem Jahr 2017 bestehenden Vortrages nicht erkennbar. Es fehlt schon eine differenzierte und widerspruchsfreie Zuordnung zum streitgegenständlichen Motor (N47 oder B47?) und zu den etwaig tangierten Abschalteinrichtungen. Lediglich der Vortrag unter Ziff. 12 der BB scheint wohl das sog. Thermofenster zu betreffen, worauf nachfolgend im Abschnitt E. näher einzugehen sein wird. Hinzu kommt, dass sämtliche dort in Bezug genommenen Tests nach dem Vortrag der Beklagten auf S. 26 ff. der Berufungserwiderung dem Kraftfahrtbundesamt (nachfolgend abgekürzt: KBA) bei der Untersuchung eines vergleichbaren Modells mit einem vergleichbaren Motor aus der sog. 3er Reihe der Beklagten (BMW 320d) vorlagen und diesem ausweislich der Presserklärung vom 15.02.2018 (Anlage B 1) auch keine Veranlassung zur Beanstandung oder Maßnahmen gegeben haben. Mithin besteht auch auf der Basis des neuen, verspäteten Vortrags keine Veranlassung an den Feststellungen des Erstgerichts auf S. 6 unten der Urteilsgründe, die an die Feststellungen des KBA anknüpfen, zu zweifeln. Abgesehen davon ist der Vortrag anhand der einerseits mit Schriftsatz vom 05.06.2019, der quasi ab S. 4 in die BB ab S. 36 übertragen wurde, angeblich vorgelegten Anlagen K 34 ff. (die als solche dem Senat nicht vorliegen und auch nicht erkennbar sind) und den andererseits mit der BB angeblich vorgelegten Anlagen BK 8 ff. (die als solche dem Senat ebenfalls nicht vorliegen und nicht erkennbar sind) nicht nachvollziehbar/ nicht belegt.
B. Allgemein zur Haftung der Beklagten zu 1) für eine „unzulässige Abschalteinrichtung“
Mangels vertraglicher Beziehungen zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) kommt allenfalls eine deliktische Haftung der Beklagten zu 1) wegen angeblich im Fahrzeugmotor verbauter, unzulässiger Abschalteinrichtungen nach § 826 BGB in Betracht. Eine solche Haftung setzt Vortrag des darlegungs- und beweispflichtigen Klägers zur konkreten Schädigungshandlung voraus (dazu nachfolgend Ziff. 1), der schlüssig sein und hinreichend unter Beweis gestellt werden muss (dazu nachfolgend Ziff. 2), sowie Vortrag zum Schädigungsvorsatz (dazu nachfolgend Ziff. 3), nachdem vorliegend eine grundsätzlich auch fahrlässig begehbare Schutzgesetzverletzung ausscheidet (dazu nachfolgend Ziff. 4). Im Einzelnen:
1. Schädigungshandlung
a.) Zwar kann Einbau und Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung grundsätzlich eine unerlaubte Handlung darstellen (vgl. z.B. OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5.3.2019 – 13 U 142/18; OLG Köln, Beschluss vom 3.1.2019 – 18 U 70/18, je zum VW-Motor EA189).
b.) „Abschalteinrichtung“ ist dabei gem. Art. 3 Nr. 10 EG-VO „ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird“. Nach Art. 5 II lit. a) EG-VO ist eine Abschalteinrichtung aber z.B. dann nicht unzulässig, wenn „die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten“. Eine „unzulässige Abschalteinrichtung“ liegt somit nach Auffassung des Senats nur vor, wenn
(1) ein „Konstruktionsteil“ im Motor des jeweiligen Fahrzeugs vorhanden ist,
(2) das in bestimmten Umwelt- oder Fahrsituationen i.S.v. Art. 3 Nr.10 EGVO die Abgasreinigung abschaltet, und
(3) dies nicht notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten.
c.) Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast nimmt der Senat Bezug auf die von ihm in Fällen der vorliegenden Art vertretenen, allgemeinen Rechtsgrundsätze (OLG München, Beschluss vom 29.08.2019, Az.: 8 U 1449/19, BeckRS 2019, 19592). Erforderlich ist demnach zumindest im Rahmen einer behaupteten unerlaubten Handlung, dass klägerseits die Umstände gem. (1) und (2) voll dargelegt und ggf. auch nachgewiesen werden. Zur Abgrenzung von grundsätzlich unbeachtlichem Vortrag ins Blaue wird der Anspruchsteller insoweit auch greifbare Anhaltspunkte aufzuzeigen haben. Auch zum vorgenannten Bereich (3) wird man zunächst zumindest eine allgemeine Darlegung des Anspruchstellers erwarten müssen, dass und warum die entsprechende Abschalteinrichtung nicht technisch notwendig sein soll. Auch insoweit werden zur Abgrenzung von einem unbeachtlichen Vortrag ins Blaue entsprechende greifbare Anhaltspunkte aufzuzeigen sein. Erst dann kann den beklagten Autohersteller eine sekundäre Darlegungslast treffen, nämlich insbesondere soweit es um die Frage geht, aus welchen technischen Gründen eine konkret dargelegte und ggf. nachgewiesene Abschalteinrichtung herstellerseits für notwendig gehalten wird. Die Beweislast für die fehlende Notwendigkeit trifft dann ggf. aber wieder voll den Anspruchssteller.
2. Schädigungsvorsatz
Eine Schadensersatzpflicht gemäß § 826 BGB erfordert, dass der Schädiger bzw. dessen gesetzlicher Vertreter den objektiven Tatbestand des § 826 BGB in Kenntnis der Tatumstände, die das Verhalten sittenwidrig erscheinen lassen, vorsätzlich verwirklicht hat. Die Annahme eines bedingten Vorsatzes, welcher genügt, setzt dabei voraus, dass der Handelnde die relevanten Umstände jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat, denn der Vorsatz enthält ein „Wissens “ und ein „Wollenselement“. Der Handelnde muss die Umstände, auf die sich der Vorsatz beziehen muss, – im Fall des § 826 BGB auf die sittenwidrige Schädigung eines Anderen – im Zeitpunkt seines Handelns gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben (BGH, Urteil vom 20.12.2011, Az.: VI ZR 309/10, WM 2012, 260, 261 mwN.; Urteil vom 20.11.2012, Az.: VI ZR 268/ 11, WM 2012, 2377, 2380).
Grundsätzlich trägt die Klagepartei die Darlegungs- und Beweislast auch für den Vorsatz, da sie als Anspruchsteller alle Tatsachen darzulegen und zu beweisen hat, aus denen sie ihren Anspruch herleitet. Eine etwaige sekundäre Darlegungslast der Gegenseite kommt auch hier nur ausnahmsweise und unter ganz besonderen tatsächlichen Umständen zum Tragen, setzt aber ebenfalls zunächst voraus, dass der Anspruchsteller zumindest hinreichende greifbare Anhaltspunkte hierfür dargelegt hat (s.o.).
3. Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB, §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV bzw. von Art. 5 II iVm Art. 3 Nr. 10 der VO Nr. 715/2007
Eine etwaige Haftung der Beklagten zu 1) gemäß § 823 Abs. 2 BGB, deren Begehung auch fahrlässig möglich ist, scheidet vorliegend schon mangels denkbarer Verletzung eines Schutzgesetzes aus. Mit der ganz h.M ist der Schutzgesetzcharakter der §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV bzw. von Art. 5 II iVm Art. 3 Nr. 10 der VO Nr. 715/2007 zu verneinen (OLG Braunschweig Urt. v. 19.2.2019 – 7 U 134/17, BeckRS 2019, 2737, Rz. 130 ff.; ganz h.M., vgl. z.B. Legner, VuR 2018, 251; Steenbuck, MDR 2016, 185 (190)). Der Senat nimmt zur Begründung hierfür und zur Frage der Notwendigkeit einer Vorlage an den EuGH gem. Art. 277 AEV auf seinen Beschluss vom 29.08.2019 (aaO) Bezug.
C. Darlegung und Nachweis für den konkret streitgegenständlichen Fahrzeugmotor
Wie soeben aufgezeigt muss die gebotene Darlegung und der Nachweis einer angeblich „unzulässigen Abschalteinrichtung“ zumindest grundsätzlich auf den im streitgegenständlichen Fahrzeug konkret verbauten Motor gerichtet sein, denn, wie der Kläger zutreffend auf S. 5 unten der BB ausführt, ist eine etwaige Manipulation „vom Motor und nicht vom darum verbauten Blech abhängig“. Im Tatbestand des Ersturteils finden sich dazu keine Feststellungen. Schlüssiger Klägervortrag zur zentralen Vorfrage, welcher Motortyp in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbaut ist, ist nicht erkennbar. Der Kläger hat zunächst auf S. 17 der Klage vorgetragen, dass ein Motor der Reihe N47 verbaut sei. Die Beklagte ihrerseits erwiderte, dass ein Grundmotor B47 verbaut sei (Bl. 72, 83). Des Weiteren hat sie auf S. 7 der Berufungserwiderung (Bl. 249) „klargestellt“, dass hier „unstreitig“ der vorgenannte Motor verbaut sei. Offensichtlich ist dies vorliegend aber nicht unstreitig, denn der Kläger spricht in der BB teilweise vom Motortyp N47 (S. 10 oben, 40, 43), teilweise vom Motortyp B47 (S. 38 unten, 39, 40, 43), teilweise vom Motortyp „hier eben N47/ B47 (S. 6 oben).
D. Haftung der Beklagten zu 1) wegen Verwendung einer sog. „Manipulationssoftware“
Eine deliktische Haftung der Beklagten zu 1) wegen Verwendung einer sog. „Manipulationssoftware“ scheidet nach der derzeitigen, vorläufigen Rechtsauffassung des Senats wohl aus, da hinreichender klägerische Tatsachenvortrag zu einer etwaigen Schädigungshandlung und einem etwaigen Schädigungsvorsatz fehlt. Dies gilt unabhängig von der Berufungsrüge auf S. 28 der BB, wonach das Erstgericht „zu dem Fehlschluss (gekommen sei), dass der Klagepartei auch schon grundsätzlich kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus § 826 BGB zustehen könne“, da eine solche Aussage dem vorliegenden Ersturteil nicht zu entnehmen ist.
1. Schädigungshandlung
a.) Der diesbezügliche Vortrag des Klägers wäre wohl, abgesehen von der Frage des konkret inmitten stehenden Fahrzeugmotors, jedenfalls noch schlüssig. Denn dass eine Abschalteinrichtung, die gerade dazu dient, bei erkanntem Prüfbetrieb ein vom Echtbetrieb abweichendes Emissionsverhalten des Fahrzeugs herbeizuführen, um auf diese Weise die Einhaltung der (andernfalls nicht erreichten) Emissionsgrenzwerte sicherzustellen, unzulässig wäre, liegt auf der Hand (BGH, Beschluss vom 08. Januar 2019 – VIII ZR 225/17 – Rn. 13, zu dem VW-Motor EA189).
b.) Allerdings fehlen hinreichende greifbare Anhaltspunkte dafür, dass im streitgegenständlichen Fahrzeugmotor eine derartige „Manipulationssoftware“ verbaut ist; daher erweist sich der diesbezügliche Vortrag des Klägers letztlich als „ins Blaue hinein“, wie schon das Landgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat und folgerichtig den Beweisanträgen des Klägers nicht nachgegangen ist (so auch OLG Düsseldorf, Beschluss v. 28.09.2018, Az.: 22 U 95/18, Rz.: 12 ff.; OLG Koblenz, aaO, Rz. 32 ff.).
aa) Eine entscheidungserhebliche Rechtsverletzung des § 286 Abs. 1 ZPO in Form unzulässig übergangener Zeugenbeweisangebote ist nicht erkennbar:
(1) Die Ablehnung eines Beweisantrages für eine beweiserhebliche Tatsache ist nur dann zulässig, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann (BGH NJW 1991, 2707). Dann liegt in Wahrheit ein der Ausforschung dienender sog. „Beweisermittlungsantrag“ vor, durch den sich die Partei erst die Grundlage für genügend konkreten Sachvortrag beschaffen will (vgl. z.B. Thomas/Putzo, ZPO, 40. Aufl. 2019, § 284 Rz. 3). Die Zurückweisung einer beantragten Zeugenvernehmung wegen Ungeeignetheit des Beweismittels kommt ansonsten nur ausnahmsweise in Betracht, wenn es völlig ausgeschlossen erscheint, dass diese Vernehmung sachdienliche Erkenntnisse erbringen kann; weder die Unwahrscheinlichkeit der Tatsache noch die Unwahrscheinlichkeit der Wahrnehmung der Tatsache durch den benannten Zeugen berechtigen den Tatrichter schon dazu, von der Beweisaufnahme abzusehen (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2018 – XII ZR 99/17).
(2) Der Berufungsvortrag des Klägers (S. 4 der BB) bezüglich der Zeugen B., T., Sch., M., Br. und M. vermag das Ersturteil nicht zu erschüttern. Die Berufungsrüge genügt schon nicht dem Gesetz (§§ 520 III 2 Nr. 3, 529 I Nr. 2 ZPO) bzw. den allgemeinen Verfahrenshinweisen des Senats, da nicht angegeben wird, wann in 1. Instanz diesbezügliche Beweisangebote unterbreitet worden sein sollen. Soweit die Zeugen in der Klage auf S. 11 zu einer angeblich illegalen angeblichen Entschließung der Beklagten bezüglich der Abgasreinigung angeboten wurden, ist deren Einvernahme mangels Entscheidungserheblichkeit der auch unbestimmten Tatsachenbehauptung unzulässig. Soweit sie im Schriftsatz vom 18.03.2019 (Bl. 109) zur Verwendung und Folge einer sog. „Funktion 14/ 15 -V“ angeboten werden, ist nicht erkennbar, welche konkrete Bedeutung diese Beweistatsache für eine etwaige (welche/ wann?) Schädigung der Klägers im vorliegenden Fall haben soll. Der Vortrag in der BB, S. 4, zu Vorgängen im Jahr 2006/ 2007 vermag, abgesehen davon, dass er wohl neu und gemäß § 531 II ZPO schon deshalb präkludiert ist, weil ein Zulassungsgrund nicht vorgetragen wurde, eine etwaige Entscheidungserheblichkeit mangels Bezug zu einer konkret unzulässigen Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug noch weniger zu erhellen. Mithin liegt in Wahrheit nur ein der Ausforschung dienender sog. „Beweisermittlungsantrag“ vor, der auch keine sekundäre Darlegungslast der Beklagten auslöst.
(3) Das gilt auch für den auf S. 4 der BB angesprochenen Zeugen Mü. Auch diese Berufungsrüge ist als solche schon unzureichend, da erneut nicht angegeben wird, wann und zu welcher Beweistatsache das Zeugenangebot erstinstanzlich unterbreitet worden sein soll und worauf sich die Berufungsrüge konkret bezieht. Erstinstanzlich wurde der Zeuge, soweit ersichtlich, mehrfach zu verschiedensten Beweistatsachen benannt (z.B. auf S. 7, 9, 11 der Klage und auf S. 19 der Replik vom 18.03.2019, Bl. 120), deren Entscheidungserheblichkeit sich ebenso wenig erschließt wie die des Tatsachenvortrages auf S. 4 der BB.
bb) Auch ist keine entscheidungserhebliche Rechtsverletzung in Form einer angeblich unzulässig übergangenen Einholung eines Sachverständigengutachtens erkennbar; dies wurde vielmehr zu Recht vom Erstgericht auf S. 8 der Urteilsgründe abgelehnt:
(1) Auch insoweit genügt die Berufungsrüge auf S. 4/5 der BB mangels Konkretisierung des konkreten Beweisangebots/ der konkreten Beweistatsache, die übergangen worden sein soll, schon nicht dem Gesetz (§§ 520 III 2 Nr. 3, 529 I Nr. 2 ZPO) bzw. den Allgemeinen Verfahrenshinweisen des Senats. Es bleibt damit unklar, wozu genau (welcher angeblich unzulässigen Abschalteinrichtung) vom Erstgericht ein Sachverständigengutachten hätte eingeholt werden sollen.
(2) Der Kläger hat einen BMW Typ 318d Touring, Euro Norm 6 erworben, für den es weder irgendwelche Anordnungen seitens des KBA noch eine Rückrufaktion der Beklagten zu 1) noch eine Aufforderung zu einem Softwareupdate bzw. einer Nachrüstung der Software gibt.
Er trug unter Bezugnahme auf einen Artikel bei Spiegel Online vom 26.02.2018 zur „Rolle der Beklagten in der „Diesel-Affäre“ vor, dass „bereits seit dem Jahr 2008 … nach Medienberichten durch die Beklagte zu 1) mehrere Millionen Dieselfahrzeuge mit einem unzulässig hohen Schadstoffausstoß verkauft“ worden seien (Bl. 6). Die Beklagte zu 1) habe dabei eine Abschalteinrichtung, wie sie im Zuge des Dieselskandals weltweit bekannt wurde, auch im streitgegenständlichen Fahrzeug verwendet (Bl. 2). Er untermauerte diesen sehr allgemein gehaltenen Vortrag mit Messungen der Deutschen Umwelthilfe vom 05.12.2017 zu einem BMW Touring 320d, Euro Norm 6 (Bl. 13 ff., Anlage K 6a), die laut Pressemitteilung des KBA vom 15.02.2018 keine Veranlassung zur Einleitung von Maßnahmen gaben (Anlage B 1), mit diversen „NOx – Abgasmesswerten“ des Umweltbundesamtes bzw. der Technischen Universität G. zu Dieselfahrzeugen verschiedenen Alters und verschiedener Hersteller (Bl. 14 ff., Anlagen K 6a/7)) und mit einem Rückruf des KBA zu Fahrzeugen des Typs BMW M 550 und BMW 750 3.0 Diesel Euro 6 vom 03.04.2018 (Bl. 37 f.). Weiter trug er vor, dass es „letztlich … auf die Feststellung der einen Prüfzyklus erkennenden Software gar nicht wesentlich ankommen“ wird, „da das streitgegenständliche Fahrzeug auch über ein so genanntes Thermofenster“ verfüge (Bl. 108).
All das liefert keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeugmotor eine „Manipulationssoftware“ verbaut ist. Der Kläger äußert vielmehr, losgelöst von dem in seinem Fahrzeug eingebauten Motortyp, letztlich spekulativ den Generalverdacht, dass auch bei seinem Fahrzeug eines anderen Fahrzeugherstellers, das nicht von dem im Rahmen des sog. Dieselskandals bekannt gewordenen Motors des Typs VW EA 189 angetrieben wird, vom Vorliegen einer entsprechenden „Manipulationssoftware“ auszugehen sei (so auch OLG Koblenz, aaO, Rz. 32 f.).
(3) Auf dieser Grundlage war die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu einer etwaigen Schädigungshandlung der Beklagten zu 1) vorliegend auch deshalb nicht geboten, da der Kläger willkürlich und erkennbar ohne Substanz Behauptungen zur von der Beklagten angeblich verbauten „Manipulationssoftware“ „aufs Geratewohl“ bzw. „ins Blaue hinein“ aufgestellt hat. Der (nicht näher konkretisierte) Beweisantritt Sachverständigengutachten ist mithin nicht dem Beweis vorgetragener Tatsachen zu dienen bestimmt, sondern bezweckt stattdessen die Ausforschung von Tatsachen, ist unzulässig und vermag auch keine sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu 1) auszulösen.
c.) Abgesehen von all dem greift auch die in der BB (S. 5/6) erhobene Rüge der fehlerhaften Beweiswürdigung nicht, da das Erstgericht zu Recht den Messungen der Deutschen Umwelthilfe, des Umweltbundesamtes (Anlagen K 6a/ 7) und der Technischen Universität G. angesichts der Prüfung des KBA und mangels Bezug zu dem streitgegenständlichen Fahrzeug keine entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen hat.
2. Schädigungsvorsatz
Im Übrigen wurde unter Berücksichtigung der oben dargestellten Rechtsgrundsätze auch hinreichender Sachvortrag zu den subjektiven Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten zu 1) gemäß §§ 826, 31 BGB im Zusammenhang mit der Verwendung einer etwaigen „Manipulationssoftware“ nicht erbracht. Auch insoweit geht die diesbezüglich auf S. 21 ff. der BB erhobene Berufungsrüge am Ersturteil, das sich mit § 31 BGB nicht befasst hat, vorbei und scheint auch nicht den vorliegenden Sachverhalt zu betreffen, ist doch dort von einem Fahrzeugerwerb im Jahr 2017 die Rede.
Der Kläger hat zum Vorsatz der Beklagten zu 1) und einer etwaigen Zurechnung des Verhaltens ihrer Organe nur rudimentär, ohne Differenzierung nach den Abschalteinrichtungen und weitgehend unter Bezugnahme/ Wiedergabe von Gerichtsentscheidungen, die andere Fahrzeuge mit anderen Motoren anderer Fahrzeughersteller betreffen, in der Klage auf S. 35 ff. und auf S. 28 ff des Schriftsatzes vom 18.02.2019, wobei letzterer ausweislich S. 11 f. wohl das sog. Thermofenster betreffen dürfte, vorgetragen. Mithin fehlt es an jeglichem konkreten Vortrag, welches verfassungsmäßige Organ der Beklagten zu 1) angeblich zu welchem Zeitpunkt Kenntnis von welchen Tatsachen hatte und den Kläger habe schädigen wollen. Auch insoweit erscheint der Vortrag des Klägers hier letztlich „ins Blaue“/ ohne konkrete Anhaltspunkte für seine Behauptungen, so dass dieser – unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange beider Parteien und der besonderen Umstände des vorliegenden Sachverhalts (die nicht mit dem sog. Dieselskandal im Zusammenhang mit dem Motor EA 189 vergleichbar sind) – auch keine sekundäre Darlegungslast der Beklagten auslösen kann (so auch OLG Köln, aaO, Rz. 6).
E. Haftung der Beklagten zu 1) wegen Verwendung eines sog. Thermofensters
Auch ein deliktischer Anspruch im Zusammenhang mit dem vom Kläger mit Schriftsatz vom 18.03.2019 (Bl. 102 ff.) erstmals in den Blick genommenen sog. Thermofensters scheidet wohl aus.
1. Schädigungshandlung
a.) Das KBA führt auf seiner Webseite aus: „Das Thermofenster ist kein fest definierter Begriff, (dieser) wird aber häufig verwendet, um das Abgasverhalten von Fahrzeugen im Betrieb abhängig von der Außentemperatur zu beschreiben. Ein Thermofenster kann eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen.“ Experten sprechen von einem „Thermofenster“, wenn die Abgasreinigung abhängig von der Außentemperatur gesteuert wird. Grund sind Kohlenwasserstoffe und Ruß im Abgas. Wenn die unverbrannten Rückstände in den kalten Rohrleitungen kondensieren, setzen sie die abgasführenden Bauteile zu. Diese Erfahrung haben viele Hersteller gemacht: Unter Hinweis auf den gesetzlich zulässigen Bauteilschutz reduzieren sie die Abgasrückführung bei deutschen Durchschnittstemperaturen (Süddeutsche Zeitung, Das Thermofenster – legal oder ni…, 22. Juli 2017). Eine von Bundesverkehrsminister D. eingesetzte „Untersuchungskommission“ hat dazu festgestellt: „Alle Hersteller nutzen Abschalteinrichtungen“. Die Automobilindustrie und ihr folgend der Bundesverkehrsminister gehen davon aus, ein „Thermofenster“ sei zulässig (Führ, NVwZ 2017, 265).
Hierzu wird im vom Kläger z.B. auf S. 12 der Klage zitierten Abschlussbericht der Untersuchungskommission „Volkswagen“ des BMVI (Anlage K 5) auf S. 123 im Abschnitt D. I. 2. b. nach Aufzeigen der Unschärfe der Bestimmung ausgeführt: „Konsequenz dieser Unschärfe der europäischen Regelung könnte sein, dass unter Berufung auf den Motorschutz die Verwendung von Abschalteinrichtungen letztlich stets dann gerechtfertigt werden könnte, wenn von Seiten des Fahrzeugherstellers nachvollziehbar dargelegt wird, dass, ohne die Verwendung einer solchen Einrichtung dem Motor Schaden droht, sei dieser auch noch so klein“. Die Bundesregierung hält sog. Thermofenster, innerhalb dessen die Hersteller die Abgasreinigung zurückfahren, für rechtlich zulässig, wenn die Einrichtung notwendig sei, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen. Bei einigen der untersuchten Fahrzeugtypen hätte die Untersuchungskommission Zweifel gehabt, ob die „Thermofenster“ in vollem Umfang durch den Motorschutz gerechtfertigt seien, erklärte der Minister. Daraufhin habe die Untersuchungskommission die Hersteller aufgefordert, die betroffenen Fahrzeuge zurückzurufen. Es handele sich europaweit um rund 630.000 Fahrzeuge (Quelle: hibheute im Bundestag Nr. 243 v. 27.04.2016, zitiert nach Juris).
b.) Diesbezüglicher hinreichend schlüssiger Sachvortrag des Klägers zum Einbau einer solchen unzulässigen Abschalteinrichtung in den Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch die Beklagte zu 1) ist nicht dargetan.
aa) Entgegen der mehrfachen Behauptung des Klägers in der BB, S. 9, und in dem Schriftsatz vom 18.03.2019, S. 11, ist zwischen den Parteien nicht unstreitig, dass das streitgegenständliche Fahrzeug über ein unzulässiges Thermofenster verfügt. Erstinstanzlich hat die Beklagte zu 1) zu dem erst kurz vor der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz nicht mehr Stellung genommen, da am Ende der Verhandlung ein sog. Stuhlurteil erging. In ihrer Berufungserwiderung, S. 16, hat sie ausdrücklich klargestellt, dass sie die Verwendung eines „derart pauschal vorgetragenen unzulässigen Thermofensters“ keineswegs eingeräumt/ nicht bestritten habe.
bb) Soweit der Kläger auf S. 6 der BB auf seinen diesbezüglichen Vortrag im Schriftsatz vom 18.03.2019, Seiten 7ff. (Bl. 108 ff.) verweist, enthält dieser keinen – gemessen an den vom Senat oben unter I.B.1. dargelegten Anforderungen an die Darlegungslast – schlüssigen Sachvortrag zum Verbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Gestalt eines Thermofensters im Sinn von Art. 3 Nr. 10 und Art. 5 II lit. a) EG-VO. Der Kläger stellt zunächst auf S. 7 die für den Senat nicht nachvollziehbare Behauptung auf, dass „das streitgegenständliche Fahrzeug (auch) über ein sog. Thermofenster“ verfügt, das die Funktionsweise bzw. den Wirkungsgrad der Abgasreinigung in Abhängigkeit von der Außentemperatur bei gleichbleibender Außentemperatur auch dauerhaft reduziert“. Er trägt dann zur Abgasreinigung im Temperaturbereich zwischen 20 und 30 Grad und darunter und schließlich „konkret“ zur „Optimierung der Thermofenster u.a. in den Motoren der von der Beklagten hergestellten Fahrzeug“ unter Benennung diverser technischer Parameter bezüglich der Abgasrückführung im Temperaturbereich zwischen -11 Grad und +33 Grad vor (Bl. 108). Ein unter die vorgenannten Bestimmungen subsumierbarer, schlüssiger Sachvortrag ergibt sich daraus nicht, zumal ein konkreter Bezug zum streitgegenständlichen Fahrzeugmotor fehlt und die diversen Temperaturangaben widersprüchlich sind. Auf S. 8 des vorgenannten Schriftsatzes trägt der Kläger zwar zu einer Abschalteinrichtung „in der Motorsteuerung der Motoren N47“ vor, allerdings steht, wie oben unter I.C. aufgezeigt, nicht fest, dass ein solcher Motor vorliegend verbaut ist und im Übrigen wird ein etwaiges deliktisches Handeln der Beklagten nicht konkretisiert („unter bestimmten Umständen“). Ab S. 9 ff. zitiert der Kläger über weite Strecken lediglich längere Passagen aus dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 17.01.2019, Az.: 23 O 178/ 19 (das sich mit dem sog. Thermofenster bezüglich eines anderen Fahrzeugherstellers und eines anderes Fahrzeug befasst). Die dann folgenden Seiten 11 ff. enthalten lediglich theoretische, allgemeine wissenschaftliche Ausführungen zur Abschalteinrichtung als solcher und zu deren nach Meinung des Klägers, die offensichtlich von der des KBA und des BMVI abweicht (S. 14, 20), grundsätzlichen Unzulässigkeit, S. 14 ff. Sie lassen konkreten Bezug zum streitgegenständlichen Fahrzeug und erst recht zu einem konkreten deliktischen Handeln der Beklagten zu 1), an das bei einem sog. Thermofenster andere Anforderungen zu stellen sind als bei dem Einsatz einer sog. Manipulationssoftware (so auch OLG Koblenz, aaO, Rz. 38 f.), vermissen.
cc) Soweit der Kläger auf S. 10 der BB zur „Optimierung der Thermofenster in dem hier verbauten Motor N47“ unter eingeschränkter Wiederholung der technischen Parameter aus dem Schriftsatz vom 18.03.2019 vorträgt, ist schon nach dem eigenen Klägervortrag nicht nachgewiesen, dass das streitgegenständliche Fahrzeug den dort genannten Motor N47 enthält. Im Übrigen gilt das soeben Gesagte. Zu Ziff. 7 der BB (Bl. 209 ff.) ist festzuhalten, dass diese am vorliegenden Ersturteil vorbeigeht, da sich dieses mit dem Thermofenster, wie vom Kläger zunächst auf S. 6 der BB auch erkannt, gar nicht befasst. Unabhängig davon teilt der Senat, wie oben unter I.B.1. dargelegt, die Rechtsauffassung des Klägers nicht, wonach die Beklagte zu 1) „primär“ darlegungs- und beweisbelastet sei hinsichtlich der Ausnahme des Art. 5 II lit. a) EG-VO. Es kommt insoweit allenfalls deren sekundäre Darlegungslast in Betracht, die allerdings erst dann zum Tragen kommt, wenn vom Anspruchsteller insgesamt schlüssig zum Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung im verfahrensgegenständlichen Fahrzeug vorgetragen worden ist.
c.) Eine Beweisaufnahme insbesondere in Form der Einholung eines Sachverständigengutachtens war folglich mangels schlüssigen Sachvortrages, aber auch, weil sich der klägerische Vortrag auch insoweit als Vortrag „ins Blaue hinein“ erweist, nicht geboten. Es fehlen hinreichende greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der streitgegenständliche Fahrzeugmotor (der schon gar nicht feststeht) eine von der Beklagten zu1) verbaute, unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines unzulässigen Thermofensters aufweist, so dass der nur teilweise näher konkretisierte Beweisantritt „Sachverständigengutachten“ nicht dem Beweis vorgetragener Tatsachen, sondern der unzulässigen Ausforschung von Tatsachen bestimmt ist.
2. Schädigungsvorsatz
Abgesehen davon hat der Kläger auch weder erstinstanzlich noch in der BB schlüssigen Sachvortrag zum subjektiven Tatbestand des § 826 BGB erbracht.
Dazu wäre jedenfalls eine konkrete Darlegung erforderlich gewesen, warum und welche Organe der Beklagten zu 1) die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Gestalt eines hier schon nicht schlüssig vorgetragenen sog. Thermofensters im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Fahrzeugs (OLG Stuttgart, aaO, Rz. 84) mindestens billigend in Kauf genommen (und nicht auf dessen etwaige Zulässigkeit gemäß Art. 5 II lit. a) EGVO vertraut) haben sollen. Dass die relevanten Umstände erkennbar waren und die Beklagte zu 1) sie hätten kennen können oder kennen müssen, reicht für die Feststellung des Vorsatzes nicht aus, sondern rechtfertigt nur den Vorwurf der Fahrlässigkeit (BGH, Urteil vom 6. November 2015 – V ZR 78/14, Rz. 25). Insoweit dürfte hier – anders als in den VW-Fällen mit einer Abschalteinrichtung, die mittels eines von vorneherein auf Täuschung angelegtem Softwareprogramm erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befindet, und deren Unzulässigkeit somit offensichtlich ist, s.o. – der Streit um Zulässigkeit und Größe eines Thermofensters eher einen Expertenstreit darstellen (vgl. dazu z.B. Führ, NVwZ 2017, 265 sowie die Quellen oben unter I. E.1.a) als eine vorsätzliche „unerlaubte Handlung“ des Herstellers (ebenso z.B. OLG Koblenz, aaO, Rz. 38 ff.; OLG Köln, aaO, Rz. 5; LG Oldenburg, Urteil vom 26.03.2019, Az.: 16 O 1410/18).
Mit seinem unter I. D. 2. näher dargestellten Vortrag genügt der Kläger seiner Darlegungslast nicht, denn der das sog. Thermofenster betreffende Lebenssachverhalt ist mit den den VW-Motor EA 189 betreffenden Dieselfällen nicht vergleichbar und auf Vorsatzebene dort möglicherweise gebotene rechtliche Erwägungen sind nicht „einfach“ übertragbar. Er war folglich auch nicht ausreichend, um der Beklagten zu 1) eine sekundäre Darlegungslast aufzuerlegen.
F. Ansprüche gegen die Beklagte zu 2)
Gewährleistungsrechtliche (und auch deliktische) Ansprüche gegen die Beklagte zu 2), der Verkäuferin des streitgegenständlichen Fahrzeugs, sind nicht ersichtlich, da diese unabhängig von der Frage des Sachmangels, jedenfalls verjährt sind bzw. von einer arglistigen Täuschung oder einer vorsätzlichen sittenwidrigen Täuschung nicht ausgegangen werden kann. Die auf S. 35/36 pauschal erhobene Berufungsrüge erschüttert das Ersturteil nicht, da, wie vom Erstgericht zutreffend auf S. 9 der Urteilsgründe ausgeführt, konkreter und substantiierter Sachvortrag zu einer arglistigen Täuschung seitens der Beklagten zu 2) zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, die zu einer Anfechtung des Kaufvertrages nach § 123 BGB berechtigen, zur Anwendbarkeit des § 438 III BGB auf die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen führen oder deliktische Ansprüche (§ 826 BGB) begründen könnte, fehlt.
Bei der Beklagten zu 2) handelt es sich nicht um die Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs oder des darin verbauten Dieselmotors, sondern lediglich um die Verkäuferin. Dass diese beim Verkauf von einer etwaigen unzulässigen Abschalteinrichtung Kenntnis gehabt hätte, trägt die Klägerin selbst nicht vor. Die Beklagte zu 2) haftet auch nicht nach § 278 BGB für ein etwaiges Fehlverhalten der Beklagten zu 1). Diese ist als Herstellerin des PKW nicht Erfüllungsgehilfin der Verkäuferin, da sich deren Pflichten nicht auf die Herstellung der Kaufsache erstrecken (Palandt/Grüneberg, § 278 BGB, Rn. 13 m.w.N.).
Eine Zurechnung etwaiger (hier schon nicht näher konkretisierter) Kenntnisse der Beklagten zu 1) lässt sich auch nicht damit begründen, dass die Beklagte zu 2) möglicherweise als Vertragshändlerin in deren Vertriebssystem eingebunden war. Eine generelle Wissenszurechnung im Konzern wird von Rechtsprechung und Literatur bisher zu Recht abgelehnt bzw. eine Wissenszurechnung nur in engen Grenzen zugelassen, da ansonsten die rechtliche Selbständigkeit der Unternehmen überspielt würde (vgl. MüKoAktG/Spindler, § 78 AktG, Rn. 99 m.w.N.; MüKoBGB/Schubert, § 166 BGB, Rn. 64 ff. m.w.N.). Vorliegend ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Beklagen als Vertreter füreinander agierten, die Beklagte zu 2) Zugriff auf die betreffenden Informationen zum Motor bei der Beklagten zu 1) gehabt hätte oder eine diesbezügliche Verpflichtung zum Datenaustausch oder zur Dokumentation im Verhältnis der Beklagten zueinander bestünde.
II. Weitere Voraussetzungen von § 522 II Nr. 2 bis 4 ZPO
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, § 522 II Nr. 2 ZPO. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil, § 522 II Nr. 3 ZPO. Letztlich handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung auf der Basis der bisherigen Rechtsprechung des BGH unter tatrichterlicher Würdigung des Vorbringens des Klägers zu angeblich deliktischen Schädigungshandlungen im Zusammenhang mit angeblich unzulässigen Abschalteinrichtungen (ebenso OLG Koblenz, aaO, Rz. 43). Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht geboten, § 522 II Nr. 4 ZPO.
III. Prozessuale Hinweise
1.) Bei dieser Sachlage wird schon aus Kostengründen empfohlen, die Berufung zurückzunehmen. Im Fall der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren vorliegend von 4,0 auf 2,0 Gebühren (Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
2.) Zu diesen Hinweisen kann der Kläger binnen der oben gesetzten Frist Stellung nehmen. Der Senat soll nach der gesetzlichen Regelung die Berufung unverzüglich durch Beschluss zurückweisen, wenn sich Änderungen nicht ergeben. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit einer einmaligen Verlängerung der Frist zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss nur bei Glaubhaftmachung triftiger Gründe – wozu im Allgemeinen nicht eine nur allgemein geltend gemachte Arbeitsüberlastung zählt – gerechnet werden kann (OLG Rostock OLGR 2004, 127ff.).

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