Europarecht

Tötung von Rindern aufgrund positiven Testergebnisses auf Tuberkulose

Aktenzeichen  20 CS 18.1197

Datum:
19.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 16804
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RL 64/432/EWG Nr. 2.2.5.1 S. 5 Anhang B
VwGO § 146 Abs. 4 S. 6
TierGesG § 37 S. 1 Nr. 5
RindTbV § 4 S. 1 Nr. 1, § 4a S. 1, § 7

 

Leitsatz

1 Die Handhabung eines Tuberkulin-Simultantests mittels einer sog. Stallkanüle dürfte nicht den Anforderungen der Ziff. 2.2.5.1 des Anhangs B der RL 64/432/EWG, geändert durch die VO (EG) Nr. 1226/2002, entsprechen. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein solcher Verstoß ist aber nur dann erheblich, wenn dadurch das Testergebnis verfälscht wird. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 1 S.18.886 2018-05-29 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde (§§ 146, 147 VwGO) bleibt in der Sache ohne Erfolg. Denn die geltend gemachten und dargelegten Beschwerdegründe, auf deren Nachprüfung der Senat im Grundsatz beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führen nicht zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers.
Gegenstand der Beschwerde des Antragstellers sind die in Ziffern I bis V des angefochtenen Bescheides verfügten Anordnungen der Tötung von neun Rindern aus dem Bestand des Antragstellers, die bei einem Tuberkulintest am 15./18. Mai 2018 als „positiv“ bzw. „zweifelhaft“ getestet wurden, sowie dazu ergangene Nebenentscheidungen. Der Antragsteller macht geltend, das Verwaltungsgericht habe den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die gemäß § 37 Satz 1 Nr. 5 TierGesG sofort vollziehbaren Anordnungen in Ziffern I bis V des angefochtenen Bescheides zu Unrecht abgelehnt. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Nachuntersuchung am 15./18. Mai 2018 nicht den fachlichen Anforderungen entsprochen habe, weil keine sterile Kanüle für jedes Tier verwendet worden sei (1.a)), bei der Tuberkulinisierung teilweise Blutgefäße getroffen worden seien (1.b)), die Injektionsstellen nicht ordnungsgemäß gesäubert worden seien (1.c)), die Injektion bei einem Rind an der falschen Stelle durchgeführt worden sei (1.d)) und die kurz vorher stattgefundene Behandlung der betroffenen Rinder gegen Leberegel das Testergebnis beeinflusst habe (1.e)). Des Weiteren habe das Verwaltungsgericht verkannt, dass der Antragsgegner bei der Anordnung der Tötung (auch) der als zweifelhaft getesteten Rinder sein Auswahlermessen fehlerhaft ausgeübt habe (2.). Diese Einwände gegen die erstinstanzliche Entscheidung greifen im Ergebnis nicht durch.
1. Die Anordnung der Tötung der streitgegenständlichen Rinder findet, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt, ihre Rechtsgrundlage hinsichtlich der fünf Rinder, deren Testergebnis bei der ersten Nachuntersuchung am 15./18. Mai 2018 „positiv“ war, in § 4a Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 7 Satz 1 der Verordnung zum Schutz gegen die Tuberkulose des Rindes (Tuberkulose-Verordnung – RindTbV) in der Neufassung vom 12. Juli 2013 (BGBl. 2013 I 2445, 2014 I 47), zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 17. Mai 2017 (BGBl. I 1253). Nach § 4a Satz 1 Nr. 1 RindTbV ist das betroffene Rind, bei dem das Ergebnis der Tuberkulinprobe positiv im Sinne der Nummer 2.2.5.3.1 Buchstabe a oder der Nummer 2.2.5.3.2 Buchstabe a des Anhangs B der Richtlinie 64/432/EWG ist, zu töten sowie anschließend zu untersuchen. Nach § 7 Satz 1 RindTbV ordnet die Behörde die Tötung des betroffenen Rindes an. Bei der Anordnung der Tötung handelt es sich insoweit um eine gebundene Entscheidung, hinsichtlich derer dem Landratsamt keinerlei Ermessen zukommt. Die Voraussetzung eines positiven Testergebnisses im Sinne der genannten Richtlinienvorschriften lag hier ausweislich der im Bescheid wiedergegebenen und in den Akten befindlichen Ergebnisse der Tuberkulinproben auch vor. Die Einwände der Beschwerde gegen die Art und Weise der Durchführung der Tuberkulin-Simultantests am 15./18. Mai 2018 greifen nicht durch.
a) Der Antragsteller rügt zunächst, dass der Tuberkulintest, wie der Antragsgegner bestätigt hat, nicht bei jedem Rind mit einer sterilen Kanüle durchgeführt wurde. Vielmehr wurde eine sog. Stallkanüle verwendet, die nur dann gewechselt wurde, wenn ein Blutstropfen nach Injektion anzeigte, dass ein Blutgefäß getroffen worden war. Dieses Vorbringen führt jedoch nicht zum Erfolg der Beschwerde. Zwar dürfte die Handhabung des Tuberkulin-Simultantests mittels einer sog. Stallkanüle nicht den Anforderungen der in Ziffer 2.2.5.1 des Anhangs B der Richtlinie 64/432/EWG, geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1226/2002 in der Fassung der Berichtigung vom 14. November 2014 (ABl L 329, S. 81) entsprochen haben. In der mit „Vorgehensweise“ überschriebenen Ziffer 2.2.5.1, Satz 5 des Anhangs B der Richtlinie 64/432/EWG ist ausgeführt:
„Dazu kann die kurze, sterile Kanüle (abgeschrägte Seite nach außen) einer graduierten, mit Tuberkulin aufgezogenen Spritze schräg in die tieferen Hautschichten eingeführt werden.“
Zwar spricht nach der Überzeugung des Senats viel dafür, dass die Formulierung „kann … eingeführt werden“, die durch eine Berichtigung der deutschen Textfassung vom 14. November 2014 eingefügt wurde, nicht im Sinne eines Ermessens zu verstehen ist, wie der Antragsgegner meint und wie es das in der deutschen Rechtssprache übliche Verständnis einer solchen Formulierung nahelegen mag. Der Senat hält auch nach der Berichtigung des deutschen Wortlauts an seiner schon zur früheren Fassung geäußerten Rechtsauffassung fest, dass die Verwendung einer sterilen Kanüle für jedes einzelne Tier nicht in das Ermessen des Amtstierarztes gestellt ist (vgl. zur früheren Fassung BayVGH, B.v. 3.7.2014 – 20 CS 14.1031 – juris Rn. 6 ff.; B.v. 8.5.2014 – 20 CS 14.792 – juris Rn. 4; B.v. 8.5.2014 – 20 CS 14.793 – juris Rn. 4; offen gelassen hinsichtlich der aktuellen Fassung BayVGH, U.v. 9.7.2015 – 20 BV 14.1490 – juris Rn. 35). Denn die Formulierung „kann“ bezieht sich von ihrer Stellung im Satzzusammenhang nicht auf die Verwendung einer sterilen Kanüle, sie beschreibt vielmehr die Handlungsweise bei der Durchführung des Tuberkulintests. Für diese Auslegung spricht auch der notwendige Vergleich mit anderen Sprachfassungen (vgl. EuGH, U.v. 22.9.2016 – C-113/15 – juris Rn. 58 m.w.N.). Sowohl der englische („may be used“) als auch der französische Wortlaut („on pourra utiliser“) lassen sich übereinstimmend im Sinne von „könnte … genutzt werden“ übersetzen und lassen damit eher das Verständnis einer Beschreibung der Handlungsweise bei der Durchführung des Tests zu. Noch deutlicher wird dieser Sinngehalt der Bestimmung angesichts des zwingender formulierten niederländischen („wordt … ingebracht“, d.h. „wird … eingeführt“) und italienischen Wortlauts („introdurre“, d.h. „einführen“, also imperativer Infinitiv). Auch die Systematik sowie der Sinn und Zweck sowie auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift sprechen für dieses Auslegungsergebnis. Wie aus den Erwägungsgründen 1, 5 und 6 der Änderungsverordnung (EG) Nr. 1226/2002 vom 8. Juli 2002 hervorgeht, durch welche Anhang B der Richtlinie 64/432/EWG geändert wurde, hat die Kommission mit den Änderungen der Stellungnahme des wissenschaftlichen Veterinärausschusses und des ständigen Ausschusses für Lebensmittelsicherheit Rechnung getragen (BayVGH, B.v. 3.7.2014 – 20 CS 14.1031 – juris Rn. 6 ff.; B.v. 8.5.2014 – 20 CS 14.792 – juris Rn. 4; B.v. 8.5.2014 – 20 CS 14.793 – juris Rn. 4). Dies geschah ausdrücklich, um die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse auf dem Gebiet u.a. der Rindertuberkulose zu berücksichtigen (Erwägungsgrund 1) und zum Zwecke der Überwachung und des Handels innerhalb der Gemeinschaft Testmethoden festzulegen, die der fachlichen Stellungnahme Rechnung tragen (Erwägungsgrund 5). Auch die im angefochtenen Bescheid (S. 7) zitierte Stellungnahme des Friedrich-Löffler-Instituts hält aus fachlichen, namentlich „veterinärhygienischen Gründen einen Wechsel der Kanüle bei jedem Tier für erforderlich, um eine parenterale Verschleppung von Infektionserregern zu unterbinden.“ Dass die somit aus fachlichen Gründen vorgegebene Vorgehensweise mit den auf dem Markt befindlichen Testsystemen schwierig zu bewerkstelligen sein mag, rechtfertigt es nicht, von einer rechtlichen Handlungsvorgabe abzuweichen (BayVGH, B.v. 3.7.2014 – 20 CS 14.1031 – juris Rn. 11; B.v. 8.5.2014 – 20 CS 14.792 – juris Rn. 7; B.v. 8.5.2014 – 20 CS 14.793 – juris Rn. 7).
Der Verstoß gegen die Vorgabe der Nr. 2.2.5.1 Satz 5 des Anhangs B zur Richtlinie 64/432/EWG bei der Testung der betroffenen Rinder führt jedoch nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung nicht zur Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Tötungsanordnung, weil sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit keinen Einfluss auf das Testergebnis hat. Dies kann zwar nicht den Feststellungen im Berufungsurteil des Senats vom 9. Juli 2015 (Az. 20 BV 14.1490) entnommen werden. Denn dort hat der Senat offen gelassen, ob der mit einer sog. „Stallkanüle“ durchgeführte Tuberkulintest gegen Nr. 2.2.5.1 des Anhangs B der RL 64/432/EWG verstößt, weil der dortige Kläger die Ergebnisse der Untersuchung und Nachuntersuchung seiner Rinder nicht in Frage gestellt hatte, soweit diese – bis auf ein getötetes Rind – negative Befunde erbracht hatten und sich die Beteiligten hinsichtlich des zunächst zweifelhaft getesteten und anschließend getöteten Rindes einig waren, dass dieses bei den nach § 4 Satz 1 Nr. 1 a) Rind TbV geforderten und durchgeführten Nachuntersuchungen ebenfalls abschließend negativ getestet worden war (BayVGH, U.v. 9.7.2015 – 20 BV 14.1490 – juris Rn. 35). Das Testergebnis wurde deshalb nicht durch die verwendete Kanüle verfälscht und war damit belastbar. Allein diese Tatsachenfeststellung hat sich das Bundesverwaltungsgericht im Beschluss vom 1. Juni 2016 (Az. 3 B 67.15) im Revisionsverfahren zu Eigen gemacht (BVerwG, B.v. 1.6.2016 – 3 B 67.15 – juris Rn. 12).
Ein Einfluss der Vorgehensweise des Amtsveterinärs bei der vorliegend zu beurteilenden ersten Nachuntersuchung am 15./18. Mai 2018 auf das Testergebnis ist jedoch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, weil das verwendete Tuberkulin steril ist und keine lebenden Erreger enthält, weshalb jedenfalls bei der vorgeschriebenen intrakutanen Injektion, d.h. zwischen die beim Rind relativ dicken Hautschichten, eine Infektion ausgeschlossen ist. Dies hat der Antragsgegner aus fachlicher Sicht vorgetragen (vgl. die Stellungnahme der Landesanwaltschaft Bayern vom 12.6.2018, S. 6/7), ohne dass der Antragsteller dem substantiiert entgegen getreten ist.
b) Das Testergebnis ist auch verwertbar, obwohl bei mehreren Rindern bei der Injektion des Tuberkulins entgegen Nr. 2.2.5.1. Satz 4 Anhang B RL 64/432/EWG Blutgefäße getroffen wurden, was sich nach dem Herausziehen der Kanüle an einem Blutstropfen auf derselben gezeigt hat (vgl. die Tatsachenfeststellung auf S. 7 unten des Bescheides des Antragsgegners). Zwar meint der Antragsteller unter Berufung auf die Eidesstattliche Versicherung der Tierärztin Dr. H. vom 8. Juni 2018, dies sei für das Testergebnis relevant, weil Gefäßverletzungen, die bei der intrakutanen Injektion vermeidbar seien, zu Einblutungen in die Haut und damit zu einer zusätzlichen Schwellung führten, weshalb das Testergebnis verfälscht werde. Die genannte Richtlinienvorschrift ordnet jedoch nicht die Unverwertbarkeit eines Testergebnisses in einem solchen Falle an. Vielmehr gibt sie lediglich vor, dass die Kanüle vor der Testung des nächsten Rindes zu wechseln ist. Dies wurde von dem Amtsveterinär nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Antragsgegners jeweils auch so gehandhabt.
c) Nicht zu folgen ist auch dem Vorbringen der Beschwerde, die Injektionsstellen seien vor der Injektion nicht ordnungsgemäß gesäubert worden, wodurch das Testergebnis verfälscht worden sei. Zwar sieht Ziffer 2.2.5.1 Satz 1 des Anhangs B der Richtlinie 64/432/EWG vor, die Injektionsstellen zu scheren und zu säubern. Aus fachlicher Sicht sind allerdings Desinfektionsmittel, die eine sterile Umgebung schaffen würden, bei der Tuberkulinisierung nicht vorgesehen und aus fachlicher Sicht auch gar nicht zulässig, weil sie das Testergebnis beeinflussen (siehe die Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts sowie des Friedrich-Löffler-Instituts zur Tuberkulin-Injektionsstelle v. 5.2.2015, S. 2 oben). Auch eine sonstige Reinigung der Injektionsstelle ist in der fachlichen Empfehlung nicht zwingend vorgesehen.
d) Ohne Erfolg rügt der Antragsteller ferner, dass die Injektion des Tuberkulins bei einem Rind (Ohrmarkennummer DE 0987957800) nicht in dem Übergangsbereich zwischen dem ersten und dem mittleren Nackendrittel liege, wie dies in der zitierten fachlichen Stellungnahme empfohlen werde. Zwar sieht auch Nummer 2.2.4 Satz 2 des Anhangs B der Richtlinie 64/432/EWG vor, dass die Injektionsstellen im Übergangsbereich zwischen dem ersten und dem mittleren Nackendrittel liegen, und die Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts und des Friedrich-Löffler-Instituts vom 5. Februar 2015 formuliert hierzu (S. 1), dass die Injektionsstelle für das Tuberkulin in dem beschriebenen Bereich liegen „soll“. Wie aus den weiteren Ausführungen in der Empfehlung hervorgeht, ist jedoch der beschriebene Bereich nicht der einzige für die Tuberkulinisierung in Betracht kommende Stelle. Bei der gleichzeitigen Injektion von Rinder- und Geflügeltuberkulin im sog. Simultantest befinden sich die empfohlenen Injektionsstellen nach Nummer 2.2.4 Satz 3 des Anhangs B der Richtlinie 64/432/EWG circa 10 cm vor oder hinter der Schulterblattgräte. In eben diesem Bereich befindet sich die geschorene Stelle bei dem betroffenen Rind (siehe Lichtbild v. 7.6.2018 in der Anlage zum Schriftsatz d. LAB v. 19.6.2018). Mithin wurden die Richtlinienvorgaben insoweit eingehalten.
e) Schließlich rügt der Antragsteller ohne Erfolg, dass eine kurz vor der Nachuntersuchung am 15./18. Mai 2018 durchgeführte Behandlung gegen Leberegel mit dem Präparat „Triclaben“ das Ergebnis des Tuberkulintests in einer Weise beeinflusst habe, welche zur Verfälschung des Testergebnisses geführt habe. Unabhängig von gewissen Unklarheiten, ob und welche der als „positiv“ bzw. „zweifelhaft“ getesteten Rinder überhaupt auf diese Weise behandelt wurden (die Tierärztin Dr. H. spricht in ihrer eidesstattlichen Versicherung von den „20 ältesten Tieren des Bestandes“, ohne jedoch durch Nennung der Ohrmarkennummer eine Identifizierung möglich zu machen), ist ein Einfluss der Leberegelbehandlung auf das Ergebnis des Tuberkulintests deshalb mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, weil der Wirkstoff von den Rindern ausgeschieden wird und Inkompatibilitäten von Triclaben mit dem verwendeten Tuberkulintest nicht bekannt sind. Dies geht aus der fachlich fundierten Stellungnahme der Landesanwaltschaft Bayern vom 12. Juni 2018 (S. 7) hervor, welcher der Antragsteller nichts Substantielles entgegen gesetzt hat. Die vorgelegte tierärztliche Bescheinigung der Frau Dr. H., die die Behandlung mit Triclaben durchgeführt hat, bleibt insoweit zu vage, als dass sie die substantiierte amtsärztliche Einschätzung mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit erschüttern könnte.
Ist somit das Ergebnis der ersten Nachuntersuchung am 15./18. Mai 2018 durch die Einwände des Antragstellers nicht zu erschüttern, hat das Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Tötungsanordnung hinsichtlich der als „positiv“ getesteten Rinder zu Recht abgelehnt.
2. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts bleibt jedoch auch insoweit ohne Erfolg, als die vier als „zweifelhaft“ getesteten Rinder aus seinem Bestand betroffen sind. Neben den gegen die Verwertbarkeit der Nachuntersuchung erhobenen Einwendungen, die im Ergebnis nicht durchgreifen, wendet sich der Antragsteller auch dagegen, dass das Verwaltungsgericht die Ermessensausübung im Bescheid des Antragsgegners hinsichtlich dieser Rinder nicht beanstandet hat. Zum einen habe das Landratsamt keine weitere Nachuntersuchung der betroffenen Rinder in Erwägung gezogen, obwohl diese bereits am 26. Juni 2018 möglich wäre. Zum anderen habe der Antragsgegner nicht berücksichtigt, dass die betroffenen Rinder nach den Gegebenheiten im Betrieb des Antragstellers separiert werden könnten, sodass eine Infektion weiterer Tiere ausgeschlossen sei. Schließlich sei auch kein Ermessen hinsichtlich des Rindes mit der Ohrmarkennummer DE 0940012704 ausgeübt worden, dessen Testergebnis sich im Grenzbereich zwischen „zweifelhaft“ und „negativ“ befunden habe. Diesen Einwänden des Antragstellers ist jedoch nicht zu folgen, weil die Ermessensausübung im angefochtenen Bescheid keine Rechtsfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO aufweist und somit gerichtlicherseits nicht zu beanstanden ist.
a) Hinsichtlich der als „zweifelhaft“ getesteten Rinder beruht die Tötungsanordnung auf §§ 4 Satz 1 Nr. 1 a), 7 Satz 2 RindTbV. Nach § 4 Satz 1 Nr. 1 RindTbV ist, wenn das Ergebnis der Tuberkulinprobe bei einem Rind zweifelhaft im Sinne der Nummer 2.2.5.3.1 Buchstabe b oder der Nummer 2.2.5.3.2 Buchstabe b des Anhangs B der Richtlinie 64/432/EWG ist, das betroffene Rind (a)) zu töten, pathologisch-anatomisch zu untersuchen (…) oder (b)) mittels Tuberkulinprobe frühestens sechs Wochen nach Abschluss der vorangegangenen Tuberkulinprobe erneut zu untersuchen oder (c)) mittels Interferon-Gamma-Freisetzungstest zu untersuchen. Daraus folgt, dass der Antragsgegner hinsichtlich der vier Rinder mit zweifelhaftem Testergebnis ein Auswahlermessen hinsichtlich der anzuordnenden Rechtsfolge hatte. Dieses Ermessen hat der Antragsgegner ausweislich der ausführlichen Begründung im angefochtenen Bescheid (S. 9) erkannt und ordnungsgemäß ausgeübt. Er hat dabei in Erwägung gezogen, dass alternativ zur Anordnung der Tötung der vier betroffenen Rinder eine erneute Untersuchung gemäß § 4 Satz 1 Nr. 1 b) RindTbV sechs Wochen nach der ersten Nachuntersuchung, mithin am 26. Juni 2018 möglich wäre, hat sich aber angesichts des Seuchengeschehens im betroffenen Bestand aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses an der Vermeidung der Verbreitung und der Bekämpfung der Rindertuberkulose und damit auch im wohlverstandenen Interesse des Tierhalters, in dessen Bestand sich weitere 14 bisher nicht infizierte Rinder befinden, für die Anordnung der Tötung entschieden. Dies hat der Antragsgegner auch für den Senat überzeugend mit der raschen Verbreitung der Rindertuberkulose im Bestand des Antragstellers, in welchem außer dem im Februar 2018 getöteten Rind bei der ersten Tuberkuloseuntersuchung am 2./5. Februar 2018 zunächst kein weiteres Tier ein positives oder zweifelhaftes Testergebnis zeigte, sich bei der ersten Nachuntersuchung am 15./18. Mai 2018 dann aber fünf Rinder mit positivem Testergebnis als infiziert herausstellten und weitere vier Rinder als „zweifelhaft“ getestet wurden. Dies lässt den Schluss auf eine schnelle Verbreitung des Erregers zu, welche die Einwände des Antragstellers nachhaltig widerlegt, mit welchen er glaubhaft machen will, das Geschehen „im Griff“ zu haben.
b) Des Weiteren hat sich der Antragsgegner ausweislich der Bescheidsgründe auch mit der Frage befasst, inwieweit eine Separierung der „negativ“ getesteten Rinder als milderes Mittel in Betracht käme, welches gleichwohl den angestrebten Erfolg einer Eindämmung der Seuche nicht gefährden würde. Gleichwohl hat sich der Antragsgegner im Hinblick auf die örtlichen Gegebenheiten im Betrieb und die Betriebsführung durch den Antragsteller, die in der Stellungnahme des Landratsamtes gegenüber dem Verwaltungsgericht vom 29. Mai 2018 (S. 2), sowie im Schriftsatz der Landesanwaltschaft Bayern vom 19. Juni 2018 (S. 3) ausführlich dargelegt sind, für die Anordnung der Tötung auch der „zweifelhaft“ getesteten Tiere entschieden. Dem gegenüber sind die einschlägigen Ausführungen der Tierärztin Dr. H. in ihrer eidesstattlichen Versicherung zu unsubstantiiert, als dass sie die fachliche Einschätzung durch die Amtstierärzte des Landratsamtes ernsthaft erschüttern könnten. Die Anordnung der Tötung ist somit gegenüber den nach der Rindertuberkuloseverordnung gegebenen Alternativen nicht unverhältnismäßig.
c) Der Antragsteller geht auch fehl in der Annahme, ein Ermessensfehler liege zumindest hinsichtlich des im Grenzbereich zwischen „negativ“ und „zweifelhaft“ getesteten Rindes (Ohrmarkennummer DE 0940012704) vor, weil zumindest bei diesem eine weitere Nachuntersuchung als milderes Mittel hätte angeordnet werden müssen. Eine unterschiedliche Behandlung dieses Rindes und der weiteren drei als „zweifelhaft“ getesteten Rinder war von Rechts wegen nicht geboten. Eine „zweifelhafte Reaktion“ liegt nach Nr. 2.2.5.2 des Anhangs B der Richtlinie 64/432/EWG vor, wenn bei der Auswertung 72 Stunden (+/- 4 Stunden) nach der Tuberkulin-Applikation ein Anschwellen der Hautfaltendicke um 2 bis 4 mm und keine klinischen Veränderungen festzustellen sind. Dem gegenüber handelt es sich um eine negative Reaktion, wenn nur ein begrenztes Anschwellen der Hautfaltendicke um nicht mehr als 2 mm und keine klinischen Veränderungen wie verbreitete oder ausgedehnte Ödeme, seriöse Ausschwitzungen, Schorf, Schmerzempfindlichkeit oder Entzündungen der Lymphgefäße in der Umgebung der Infektionsstelle oder der Lymphknoten festzustellen sind. Bei einer Reaktion, die im Grenzbereich dazwischen liegt, dürfte es der fachlichen Beurteilung des Amtstierarztes überlassen bleiben, ob er von einer negativen oder zweifelhaften Reaktion ausgeht. Dass die Einschätzung im vorliegenden Falle offensichtlich fehlerhaft wäre, lässt sich nicht feststellen, zumal bei der Beurteilung auch die tatsächlichen Umstände mit der raschen Ausbreitung der Tuberkulose im Bestand eine Rolle gespielt haben dürften. Für Verfälschungen der Testergebnisse durch unbegründete nachträgliche Korrekturen oder unzutreffende Protokollierung, wie sie die Antragstellerin im Schriftsatz vom 12. Juni 2018, Seite 10 ff., hinsichtlich der Tiere mit den Ohrmarkennummern DE 0945808862 („Perle“) und DE 0940012704 („Afra“) geltend macht, ergeben sich keine Anhaltspunkte. Der Antragsgegner hat im Schriftsatz der Landesanwaltschaft Bayern vom 19. Juni 2018 ausreichend dargelegt, wie es zu den entsprechenden Eintragungen kam. Angesichts dessen sind die von der Antragstellerin in diesem Zusammenhang vorgebrachten Vorwürfe fernliegend.
Abschließend ist die Interessenabwägung des Landratsamtes und des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden. Dem von durchaus achtenswerten Motiven getragenen, nachvollziehbaren privaten Interesse des Antragstellers sowie seiner Schwester, die zumindest teilweise Eigentümerin der Tiere ist, am Erhalt der Tiere stehen die Gefahr einer Weiterverbreitung der Rindertuberkulose im Bestand und damit möglicherweise die künftige Notwendigkeit der Tötung weiterer Tiere einerseits sowie das erhebliche öffentliche Interesse, eine Verbreitung der Seuche über den Bestand hinaus zu verhindern, andererseits gegenüber. Letzteres ist besonders hoch zu gewichten, da es sich bei der Rindertuberkulose um eine Zoonose handelt, die somit auch die Gesundheit und das Leben von Menschen, insbesondere auch des Halters bzw. der Eigentümer der infizierten Tiere, zumindest abstrakt bedroht.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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