Europarecht

Unzulässige Klage eines untergetauchten Asylbewerbers

Aktenzeichen  Au 6 K 17.30738

Datum:
24.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 9584
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 10 Abs. 1
VwGO § 82 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Das Rechtsschutzinteresse fehlt insbesondere dann, wenn es dem Kläger gar nicht auf die Durchsetzung seiner Rechte ankommt und er am Ausgang des Verfahrens nicht interessiert ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Kläger untergetaucht ist. (Rn. 13 – 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zu den für eine Klage notwendigen Angaben gehört bei natürlichen Personen die Mitteilung der Wohnungsanschrift, also der Adresse, unter welcher die Person tatsächlich erreichbar ist. Die Angabe einer Adresse, über die Zustellungen erfolgen können, genügt ebenso wenig wie die Mitteilung einer E-Mail-Adresse. (Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist unzulässig, da im entscheidungserheblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) kein Rechtsschutzinteresse besteht und der Kläger keine ladungsfähige Anschrift mitgeteilt hat.
1. Der Kläger kann kein Rechtsschutzinteresse geltend machen.
Die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs vom Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses abhängig zu machen, ist Ausdruck des Verbots, das Klagerecht zu missbrauchen. Das Rechtsschutzinteresse fehlt insbesondere dann, wenn es dem Kläger gar nicht auf die Durchsetzung seiner Rechte ankommt und er am Ausgang des Verfahrens nicht interessiert ist (Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl., Vor §§ 40-53 Rn. 21). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Kläger untergetaucht ist. Hierdurch bringt der Kläger zum Ausdruck, dass ihm an einer Sachentscheidung nicht mehr gelegen ist (VG Greifswald, U.v. 27.9.2017 – 6 A 1128/17 As HGW – juris Rn. 25; VG Augsburg, U.v. 25.11.2016 – Au 4 K 15.1656 – juris Rn. 27, 30). Dabei ist unbeachtlich, aus welchen Gründen der Kläger untergetaucht ist (BayVGH, B.v. 6.6.2006 – 24 CE 06.1102 – juris Rn. 14).
Im entscheidungserheblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) ist der Kläger untergetaucht und weder für das Gericht noch für die Behörden noch für seinen Prozessbevollmächtigten erreichbar. Aus der ihm zugewiesenen Unterkunft zog der Kläger spätestens am 15. August 2017 und damit vor über acht Monaten aus. Unter Verstoß gegen seine Pflichten nach § 10 Abs. 1 AsylG teilte er seinen neue Anschrift weder den Behörden noch dem Gericht mit, weswegen er seit dem 29. Januar 2018 zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben ist. Auch sein Bevollmächtigter gab sowohl schriftlich als auch in der mündlichen Verhandlung an, dass er seit längerem keinen Kontakt mehr zum Kläger habe und dessen Aufenthalts- und Wohnort nicht kenne. Auf Nachrichten des Klägerbevollmächtigten an die vom Kläger angegebene E-Mail-Adresse antworte der Kläger nicht. Der Kläger hat damit zu erkennen gegeben, dass er an einem ordnungsgemäßen Gerichtsverfahren kein Interesse (mehr) hat, so dass ihm ein Rechtsschutzinteresse fehlt.
2. Des Weiteren ist die Klage auch deshalb unzulässig, weil es an einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers fehlt.
§ 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO stellt eine zwingende Verfahrensvorschrift dar (BayVGH, B.v. 6.6.2006 – 24 CE 06.1102 – juris Rn. 15). Nach § 82 Abs. 1 VwGO gehört zu den für eine Klage notwendigen Angaben bei natürlichen Personen die Angabe der Wohnungsanschrift. Eine natürliche Person wird daher im Rechtsverkehr durch Namen und Wohnanschrift individualisiert, insbesondere wenn die Person – wie hier der Kläger als Asylbewerber nach § 10 AsylG – zur Mitteilung eines Wohnungswechsels verpflichtet (vgl. BVerwG, U.v. 13.4.1999 – 1 C 24.97 – juris Rn. 28; SächsOVG, B.v. 7.6.2017 – 5 A 363/16.A – juris Rn. 3) und sein Aufenthalt nach § 56 Abs. 1 AsylG noch dazu auf den Bezirk der für ihn zuständigen Ausländerbehörde beschränkt ist, er sich also außerhalb gar nicht aufhalten darf. Wohnanschrift ist aber die Adresse, unter welcher die Person tatsächlich erreichbar ist. Die Angabe einer Adresse, über welche Zustellungen erfolgen können, genügt hierfür nicht (zum Postfach BVerwG, U.v. 13.4.1999 – 1 C 24.97 – juris Rn. 32 ff.), denn das Gericht hat ein öffentliches Interesse an der Kenntnis des tatsächlichen Aufenthalts eines Klägers, insbesondere auch für Vollstreckungen (BVerwG, U.v. 13.4.1999 – 1 C 24.97 – juris Rn. 38).
Im vorliegenden Fall hat der Kläger keine Wohnanschrift mitgeteilt, unter der er tatsächlich zu erreichen ist. Die Mitteilung einer E-Mail-Adresse genügt demgegenüber nicht, wobei der Kläger im Übrigen auch über seine E-Mail-Adresse nicht erreichbar ist.
3. Demnach war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b AsylG abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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