Europarecht

Verfahrenseinstellung durch Revisionsgericht wegen fehlendem Eröffnungsbeschluss auch bei einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch

Aktenzeichen  3 OLG 8 Ss 54/16

Datum:
16.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
StV – 2016, 790
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StPO StPO § 203, § 207, § 328I
StrEG StrEG § 8 Abs.  1 S. 1

 

Leitsatz

1. Das im Rahmen der Revision gegen ein Berufungsurteil auf Sachrüge von Amts wegen zu beachtende Verfahrenshindernis eines fehlenden Eröffnungsbeschlusses hat als sog. Befassungsverbot auch bei einer wirksamen Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch neben einer Verfahrenseinstellung die Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils und des erstinstanzlichen Urteils zur Folge. Eine Zurückverweisung an das Berufungsgericht scheidet aus, weil der Eröffnungsbeschluss durch dieses nicht mehr nachgeholt werden kann (u. a. Anschluss an KG, Beschl. v. 16.03.2015 – 161 Ss 20/15 [bei juris]). (amtlicher Leitsatz)
2. Eine Entschädigungsentscheidung nach § 8 I 1 StrEG ist mangels einer das Verfahren abschließenden Entscheidung nicht veranlasst, solange der zur Verfahrenseinstellung führende fehlende Eröffnungsbeschluss – wenn auch in einem neuen Verfahren – nachgeholt werden kann (Anschluss an OLG Frankfurt, Beschl. v. 03.03.2006 – 3 Ws 61/06 = NStZ-RR 2006, 159). (amtlicher Leitsatz)

Gründe

Die statthafte (§ 333 StPO) und auch im Übrigen zulässige Revision führt zur Einstellung des Verfahrens wegen Bestehens eines Verfahrenshindernisses.
1. Auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts ist von Amts wegen zu prüfen, ob ein Verfahrenshindernis besteht. Dies ist hier der Fall, weil es – wie die GenStA zutreffend feststellt – an einem Eröffnungsbeschluss gemäß den §§ 203, 207 StPO fehlt. Eine solche Wirkung kann auch nicht dem Haftbefehlserlass vom 04.01.2016 beigemessen werden, zumal die Anklageschrift vom 16.12.2015 dem Angekl. unter Einräumung einer Stellungnahmefrist von 3 Wochen erst am 04.01.2016 zugestellt wurde und daher die Einlassungsfrist noch lief.
2. Das von Amts wegen zu beachtende Verfahrenshindernis hat die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Einstellung des Verfahrens zur Folge (vgl. BGH, Beschl. v. 13.03.2014 – 2 StR 516/13 [bei juris] m. w. N.). Mitaufzuheben ist das erstinstanzliche Urteil des AG, weil bereits seinem Erlass das Fehlen des Eröffnungsbeschlusses entgegenstand und das Urteil daher schon durch das Berufungsgericht nach § 328 I StPO hätte aufgehoben werden müssen (vgl. KG, Beschl. v. 16.03.2015 – 161 Ss 20/15 [bei juris]). Eine Zurückverweisung an das LG scheidet aus, weil der Eröffnungsbeschluss durch das Berufungsgericht nicht mehr nachgeholt werden kann (KG a. a. O. m. w. N.).
3. Die Einstellung des Verfahrens hat trotz der wirksamen Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch und der hierdurch eingetretenen (horizontalen) Teilrechtskraft des amtsgerichtlichen Urteils zu erfolgen; denn diese entbindet die Gerichte im Berufungs- und Revisionsverfahren nicht von der Prüfung und Berücksichtigung von Verfahrenshindernissen, die – wie im Falle eines fehlenden Eröffnungsbeschlusses – bereits zu einem sog. Befassungsverbot führen (BGHSt 21, 242 [zum Fall der Revisionsbeschränkung]; KG a. a. O.; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt StPO 59. Aufl. Einl. Rn. 151c m. w. N.). […]
4. Eine Entscheidung über die Frage einer etwaigen Entschädigung des Angekl. für die im Anschluss an eine bis zum 21.01.2016 in anderer Sache vollzogene Strafhaft erlittene Untersuchungshaft gemäß § 8 I 1 StrEG ist nicht veranlasst. Da der zur Einstellung des Verfahrens führende fehlende Eröffnungsbeschluss jedenfalls bis zum Eintritt von Verfolgungsverjährung in einem – wenn auch neuen – Verfahren nachgeholt werden kann, mithin eine Verurteilung des Angekl. weiterhin in Betracht kommt, fehlt es an einer das Verfahren abschließenden Entscheidung i. S. d. genannten Bestimmung (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 03.03.2006 – 3 Ws 61/06 = NStZ-RR 2006, 159; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt § 8 StrEG Rn. 2 m. w. N.).


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