Europarecht

Vorlagebeschluss zur Verwendung der Bezeichnung “Weingut”

Aktenzeichen  3 C 5/21

Datum:
10.3.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
EuGH-Vorlage
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2022:100322B3C5.21.0
Normen:
Art 54 Abs 1 UAbs 2 EUV 2019/33
Art 54 Abs 2 S 1 EUV 2019/33
Art 3 Abs 3 EUV 1308/2013
Art 122 Abs 1 EUV 1308/2013
Art 4 Abs 1 Buchst b EUV 1307/2013
§ 38 WeinV
Spruchkörper:
3. Senat

Leitsatz

Die Frage, ob die Weinbereitung – den Anforderungen des Art. 54 Abs. 1 Unterabs. 2 i.V.m. Anhang VI der Delegierten Verordnung (EU) 2019/33 für die Bezeichnung “Weingut” entsprechend – “vollständig in diesem Betrieb erfolgt”, wenn der namensgebende Weinbaubetrieb den Wein aus Trauben von Rebflächen gepachteter Weinberge in einem vom Bewirtschafter für 24 Stunden angemieteten Kelterhaus keltern lässt, bedarf einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union.

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 12. August 2020, Az: 8 A 10213/20, Urteilvorgehend VG Trier, 16. Mai 2019, Az: 2 K 6183/18.TR, Urteilanhängig EuGH, Az: C-354/22

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen zur Auslegung von Art. 54 Abs. 1 Unterabs. 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2019/33 der Kommission vom 17. Oktober 2018 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf Anträge auf Schutz von Ursprungsbezeichnungen, geografischen Angaben und traditionellen Begriffen im Weinsektor, das Einspruchsverfahren, Einschränkungen der Verwendung, Änderungen der Produktspezifikationen, die Löschung des Schutzes sowie die Kennzeichnung und Aufmachung (ABl. 2019 L 9 S. 2), in der aktuellen Fassung der Delegierten Verordnung (EU) 2021/1375 der Kommission vom 11. Juni 2021 (ABl. L 297 S. 16), zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Kann die Weinbereitung vollständig in dem namensgebenden Weinbaubetrieb im Sinne von Art. 54 Abs. 1 Unterabs. 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2019/33 erfolgt sein, wenn die Kelterung in einer für 24 Stunden von einem anderen Weinbaubetrieb angemieteten Kelteranlage stattfindet, die in dieser Zeit ausschließlich dem namensgebenden Weinbaubetrieb zur Verfügung steht?
2. Ist es bejahendenfalls erforderlich, dass die Kelterung durch Mitarbeiter des namensgebenden Weinbaubetriebs durchgeführt oder jedenfalls vor Ort beaufsichtigt wird oder kann die Kelterung auch durch Mitarbeiter des die Kelteranlage vermietenden Weinbaubetriebs nach Weisung des namensgebenden Weinbaubetriebs durchgeführt werden?
3. Darf, wenn die Kelterung auch durch Mitarbeiter des die Kelteranlage vermietenden Weinbaubetriebs durchgeführt werden kann, diesen bei überraschend auftretenden Problemen die Befugnis eingeräumt sein, aufgrund eigenständiger Entscheidung in die Kelterung einzugreifen?
4. Steht es der Zuordnung der Weinbereitung zum namensgebenden Weinbaubetrieb entgegen, wenn der die Kelteranlage vermietende und die Kelterung durchführende Weinbaubetrieb ein Eigeninteresse an der Art und Weise der Durchführung der Kelterung hat, weil in dem ebenfalls mit diesem Betrieb abgeschlossenen Vertrag über die Bewirtschaftung der Rebflächen ein ertrags- und qualitätsabhängiger Zuschlag je Hektoliter Kabinett/Spätlese/Auslese zum flächenbezogenen Bewirtschaftungsentgelt vereinbart ist?

Gründe

I
1
Der Rechtsstreit betrifft die Verwendung der Bezeichnungen “Weingut” und “Gutsabfüllung”. Streitig ist, ob die Kelterung der Trauben in einer vom namensgebenden Weinbaubetrieb für 24 Stunden angemieteten Kelteranlage die unionsrechtliche Anforderung einer “Weinbereitung vollständig in diesem Betrieb” erfüllt.
2
Die Klägerin ist Inhaberin eines Weinbaubetriebs in Zell im Weinbaugebiet Mosel. Sie stellt Wein nicht nur aus den Weintrauben der in ihrem Eigentum stehenden, sondern auch gepachteter Rebflächen her. Von dem etwa 70 km entfernt liegenden Weinbaubetrieb B. in L. hat sie 2,15 ha Rebflächen gepachtet und mit dem Verpächter einen Bewirtschaftungsvertrag geschlossen, aufgrund dessen der Weinberg nach ihren Vorgaben bearbeitet wird. Als Bewirtschaftungsentgelt ist ein flächenbezogener Betrag sowie ein ertrags- und qualitätsabhängiger Zuschlag – gestuft nach Kabinett-, Spätlese- und Ausleseweinen – vorgesehen. Darüber hinaus hat die Klägerin die Kelteranlage des Bewirtschafters jährlich jeweils für die Dauer von 24 Stunden, beginnend mit dem Ernten der Pachtfläche, gemietet. In dieser Zeit steht das Kelterhaus ausschließlich für die Verarbeitung der Trauben der gepachteten Rebflächen zur Verfügung. Die Kelterung wird vom Bewirtschafter nach den önologischen Vorgaben der Klägerin durchgeführt und der Most in ebenfalls angemietete Tanks abgefüllt, die anschließend durch Mitarbeiter der Klägerin abgeholt werden.
3
Nach Auffassung des Beklagten darf die Klägerin für den in den Betriebsräumen des Bewirtschafters in L. gekelterten Wein nicht die Bezeichnungen “Weingut” und “Gutsabfüllung” verwenden. Hierfür müsse die Weinbereitung in einem räumlich und organisatorisch abgrenzbaren eigenen Weingut vorgenommen werden. Dies setze die Eigenständigkeit der Betriebsstätte und den Einsatz von eigenem Personal voraus. Eine lediglich kurzfristige Anmietung der Kelteranlage entspreche diesen Anforderungen nicht.
4
Auf die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage hat das Verwaltungsgericht Trier mit Urteil vom 16. Mai 2019 festgestellt, dass die Klägerin zur Verwendung der Angaben “Weingut A.” und “Gutsabfüllung” berechtigt ist und ihr dies vom Beklagten nicht untersagt werden darf. Maßgeblich hierfür sei nach den Vorgaben der Weinverordnung allein, dass beim Erzeuger die tatsächliche Leitung, die ständige Aufsicht und die ausschließliche Verantwortung für die Weinbereitung liege. Durch den geschlossenen Mietvertrag werde die Kelteranlage dem Betrieb der Klägerin zugeordnet, dies gelte auch bei einer auf 24 Stunden beschränkten Mietdauer. Eine Irreführung liege hierin nicht, weil mit der vertraglichen Gestaltung eine Zuordnung zum Betrieb der Klägerin erreicht werde, die der Verbrauchererwartung Rechnung trage.
5
Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat das Urteil auf die Berufung des Beklagten geändert und die Klage mit dem angegriffenen Berufungsurteil vom 12. August 2020 abgewiesen. Nach Art. 54 Abs. 1 i.V.m. Anhang VI der Delegierten Verordnung (EU) 2019/33 dürfe der Begriff “Weingut” nur verwendet werden, wenn das Weinbauerzeugnis ausschließlich aus Trauben gewonnen werde, die von Rebflächen dieses Betriebs stammten, und die Weinbereitung vollständig in diesem Betrieb erfolge. Entsprechendes gelte nach der Weinverordnung für die Bezeichnung “Gutsabfüllung”. Folglich müsse die Weinbereitung in einem Betrieb stattfinden, der sich nicht lediglich als organisatorische Einheit darstelle, sondern darüber hinaus eine einheitliche Betriebsgesamtheit mit einer dem Weingutsbesitzer dauerhaft zuzuordnenden Betriebsstätte aufweise, und in dem seinem Direktionsrecht unterstehendes, dem Betrieb zugehöriges Personal tätig sei. Eine Aufspaltung einzelner Schritte der Weinbereitung, wie etwa der Kelterung, widerspreche der Leitvorstellung, dass “alles in einer Hand bleibe”. Im Fall der Auslagerung einzelner Tätigkeiten müsse jedenfalls eine Zuordnung der Produktionsmittel, als der vom Verbraucher erwarteten physischen Substanz, mit Bestimmtheit und Dauerhaftigkeit gewährleistet sein.
6
Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Abfüllung könne auf die Weinherstellung nicht übertragen werden. Im Fall der Klägerin seien zudem die vom Gerichtshof der Europäischen Union hierfür benannten Voraussetzungen nicht erfüllt. Der mit dem Weinbaubetrieb B. geschlossene Mietvertrag stelle nicht sicher, dass alle Phasen der Weinherstellung unter Leitung und Verantwortung der gleichen natürlichen oder juristischen Person erfolgten. Vielmehr sei in den Vertragsbestimmungen vorgesehen, dass die Kelterung sowohl in Anwesenheit des Erzeugers als auch des von ihm zur fachlichen Aufsicht bevollmächtigten Bewirtschafters stattfinden könne. Damit sei die Verantwortung für den Keltervorgang alternativ in die Hand des Bewirtschafters gelegt. Angesichts der eigenständigen und von der Klägerin unabhängigen Entscheidungsbefugnisse des Bewirtschafters gewährleiste der Mietvertrag nicht die durchgängige Leitung und Verantwortung durch das Weingut der Klägerin.
7
Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin vor, das Berufungsurteil habe den Gehalt von Art. 54 Abs. 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2019/33 verkannt. Bei der Bezeichnung “Weingut” handle es sich lediglich um eine Betriebsherkunftsangabe. Entscheidend hierfür sei, dass die Weinerzeugung unter der tatsächlichen Leitung und der ausschließlichen Verantwortung eines einzigen Betriebsinhabers erfolge; dieser stehe für die Qualität des Erzeugnisses ein. Wo die Weinbereitung räumlich stattfinde, spiele dagegen keine Rolle. Auch die Anmietung einer Kelteranlage und die Durchführung der Kelterung aufgrund der Weisungen des Weingutinhabers entspreche daher den verlangten Anforderungen. Im Übrigen laufe die Traubenpressung in der Regel vollautomatisch ab und bedürfe keiner weitreichenden Vorgaben während des Pressvorgangs. Es sei daher auch nicht erforderlich, dass sich die Klägerin oder einer ihrer Mitarbeiter neben die vollautomatisch laufende Presse setze. An dieser jahrzehntelang praktizierten Auslegung habe die Einfügung des Wortes “vollständig” nichts geändert. Dass hiermit eine Verschärfung der Voraussetzungen beabsichtigt gewesen sein sollte, könne den Erwägungsgründen nicht entnommen werden. Folgerichtig sei etwa in Österreich die Weinbereitung durch Lohnpressung bezeichnungsunschädlich.
8
Soweit das Berufungsgericht angenommen habe, dass die Klägerin die Verantwortung für den Keltervorgang aus der Hand gegeben habe, beruhe diese Feststellung auf einem Verfahrensmangel. Das Gericht habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt und die angebotene Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung des Bewirtschafters unterlassen. Dieser hätte bestätigen können, dass er Weisungen der Klägerin zur Art und Weise der Kelterung erhalten und auch eingehalten habe. Anlass für einen förmlichen Beweisantrag habe die Klägerin nicht gehabt, da das Berufungsgericht nicht darauf hingewiesen habe, dass es den Sachverhalt anders verstehe, als er vom Verwaltungsgericht nach Anhörung des Bewirtschafters festgestellt worden sei.
9
Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Die Revision verkenne den Begriff des Betriebs. Wenngleich es hierfür eine einheitliche Begriffsbestimmung nicht gebe, sei doch allen Definitionen gemein, dass sowohl eine örtliche als auch eine organisatorisch-technische Komponente verlangt werde. Der Betrieb des Bewirtschafters könne der Klägerin aber nicht zugeordnet werden, vielmehr bediene sie sich zur Weinbereitung des streitgegenständlichen Weins der sächlich-personellen Mittel eines anderen Betriebs. Der Abschluss eines Mietvertrags für die Dauer von nur 24 Stunden laufe in der Sache auf eine Lohnkelterung hinaus. Dies werde auch daran deutlich, dass die Kelterung fremdbestimmt durch den Bewirtschafter durchgeführt werde, der das Risiko hieran trage und – durch das vertraglich vereinbarte Qualitätsentgelt – auch ein Eigeninteresse an der Gestaltung der Kelterung habe. Entgegen der Auffassung der Klägerin hätten sich die unionsrechtlichen Anforderungen durch die Einfügung des Worts “vollständig” verschärft. Die zitierte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sei nicht einschlägig, weil sie nicht die Kelterung, sondern die Abfüllung betreffe. Das Unionsrecht unterscheide aber zwischen Weinbereitung/Herstellung einerseits und Abfüllung/Verpackung andererseits. Auf dem von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensmangel könne das Berufungsurteil jedenfalls nicht beruhen, weil dieser Teil der Urteilsbegründung nur der Ergänzung diene.
II
10
Das Verfahren ist auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV – eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen. Die Auslegung des für den Rechtsstreit entscheidungserheblichen Unionsrechts ist nicht derart offenkundig, dass keinerlei Raum für vernünftige Zweifel verbleibt. Jedenfalls kann nicht davon ausgegangen werden, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union die gleiche Gewissheit bestünde (vgl. zu diesem Erfordernis EuGH, Urteil der Großen Kammer vom 6. Oktober 2021 – C-561/19 [ECLI:EU:C:2021:799], Consorzio – Rn. 40).
11
1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtslage ist derjenige der letzten mündlichen Gerichtsverhandlung. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie zur Kennzeichnung des streitgegenständlichen Weins mit den Angaben “Weingut A.” und “Gutsabfüllung” berechtigt ist und ihr dies vom Beklagten nicht untersagt werden darf. Die Klage ist auf ein künftiges Geschehen gerichtet und zielt in der Sache auf die (vorbeugende) Abwehr einer befürchteten Beanstandung. Wie bei der gegen eine Untersagungsverfügung gerichteten Klage ist der rechtlichen Beurteilung daher die aktuelle Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des erkennenden Senats zugrunde zu legen (vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt einer gegen die Untersagung gerichteten Klage BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 – 3 C 7.14 – BVerwGE 153, 335 Rn. 10).
12
Maßgebend sind damit die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse (ABl. L 347 S. 671), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2021/2117 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 2. Dezember 2021 (ABl. L 435 S. 262), und die zu ihrer Ergänzung erlassene Delegierte Verordnung (EU) 2019/33 der Kommission vom 17. Oktober 2018 (ABl. 2019 L 9 S. 2), in der aktuellen Fassung der Delegierten Verordnung (EU) 2021/1375 vom 11. Juni 2021 (ABl. L 297 S. 16).
13
Nach Art. 122 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 i.V.m. Art. 54 Abs. 1 Unterabs. 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2019/33 dürfen die in Anhang VI aufgeführten Begriffe – und damit in Deutschland auch die Bezeichnung “Weingut” – nur verwendet werden, wenn das Weinbauerzeugnis ausschließlich aus Trauben gewonnen wird, die von Rebflächen dieses Betriebs stammen, und die Weinbereitung vollständig in diesem Betrieb erfolgt. Weitergehende Anforderungen zur Verwendung der Bezeichnung “Weingut” sind im nationalen Recht nicht geregelt (vgl. Art. 54 Abs. 2 Satz 1 sowie Erwägungsgrund 52 der Delegierten Verordnung 2019/33 i.V.m. § 38 Abs. 1 der Weinverordnung in der Neufassung vom 21. April 2009 , zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. Dezember 2021 ). Gemäß § 38 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 der Weinverordnung gelten diese Anforderungen auch für den Gebrauch der Bezeichnung “Gutsabfüllung”.
14
Ob die Weinbereitung “vollständig in diesem Betrieb erfolgt”, wenn der namensgebende Weinbaubetrieb den Wein aus Trauben von Rebflächen gepachteter Weinberge in einem vom Bewirtschafter für 24 Stunden angemieteten Kelterhaus keltern lässt, kann anhand der Regelung und der bislang ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht hinreichend klar beantwortet werden.
15
2. Unsicher erscheint bereits, ob die Anmietung des Kelterhauses eines anderen Weinbaubetriebs für 24 Stunden ausreicht.
16
a) Eine Bestimmung des Begriffs “Betrieb” – der als Bestandteil der Unionsrechtsordnung autonom und in allen Mitgliedstaaten einheitlich ausgelegt werden muss (vgl. EuGH, Beschluss vom 11. Januar 2007 – C-437/05 [ECLI:EU:C:2007:23], Vorel – Rn. 26 m.w.N.) – enthält die Delegierte Verordnung (EU) 2019/33 nicht.
17
Die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013, auf der die Delegierte Verordnung (EU) 2019/33 beruht (vgl. Art. 87 Abs. 2, Art. 109 Abs. 2, Art. 114, Art. 122 der Verordnung Nr. 1308/2013), verweist hierzu in Art. 3 Abs. 3 auf die Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 (ABl. L 347 S. 608). Dort ist in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der “Betrieb” als die Gesamtheit der für landwirtschaftliche Tätigkeiten genutzten und vom Betriebsinhaber verwalteten Einheiten, die sich im Gebiet desselben Mitgliedstaats befinden, definiert. Aus der Vorschrift lässt sich nicht entnehmen, welche Anforderungen an die “Verwaltung” zu stellen sind und ob hierfür ggf. auch eine Anmietung für nur 24 Stunden ausreichen kann.
18
b) Unter welchen Umständen eine nur gepachtete Produktionseinheit einem Betrieb zuzuordnen ist und vom Betriebsinhaber verwaltet wird, ist vom Gerichtshof der Europäischen Union wiederholt erläutert und präzisiert worden. Maßgeblich ist danach insbesondere, ob der Betriebsinhaber über eine hinreichende Selbständigkeit bei der Ausübung seiner Tätigkeit verfügt (EuGH, Urteile vom 14. Oktober 2010 – C-61/09 [ECLI:EU:C:2010:606], Landkreis Bad Dürkheim – Rn. 62 und vom 2. Juli 2015 – C-422/13 [ECLI:EU:C:2015:438], Wree – Rn. 44). Dem Betriebsinhaber muss zwar nicht die uneingeschränkte Verfügungsgewalt zustehen, er hat aber über einen gewissen Handlungsspielraum bei der Durchführung seiner Tätigkeiten zu verfügen (EuGH, Urteil vom 2. Juli 2015 – C-684/13 [ECLI:EU:C:2015:439], Demmer – Rn. 61 f.). Die parallele Ausübung andersartiger Tätigkeiten darf die für die Zuordnung maßgebliche Tätigkeit des Betriebsinhabers durch ihre Intensität, Art, Dauer oder ihren Zeitpunkt nicht zu stark einschränken (EuGH, Urteil vom 2. Juli 2015 – C-684/13, Demmer – Rn. 69 f.). Nur dann kann davon ausgegangen werden, dass er die gepachtete Anlage selbständig betreibt oder verwaltet (EuGH, Urteil vom 15. Januar 1991 – C-341/89 [ECLI:EU:C:1991:11], Ballmann – Rn. 15).
19
Diese Vorgaben sprechen eher gegen die Zuordnung einer nur für 24 Stunden angemieteten Kelteranlage zum Betrieb des namensgebenden Weinbaubetriebs. Die Entscheidungen betrafen zwar regelmäßig landwirtschaftliche Flächen und waren durch die Besonderheiten des Regelungsbereichs der Betriebsprämien und die dort geltenden Besonderheiten geprägt. Soweit ersichtlich, sind die benannten Kriterien aber auch auf andere Anlagen – wie etwa Kuhställe (EuGH, Urteil vom 15. Januar 1991 – C-341/89, Ballmann -) – angewendet worden. Den Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union können daher verallgemeinerungsfähige Kriterien entnommen werden. Andere, gerade für den vorliegenden Kontext einschlägige Maßstäbe sind jedenfalls nicht ersichtlich. In Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass die Kriterien der Begriffsbestimmung auch im vorliegenden Kontext Anwendung finden (vgl. EuGH, Urteil vom 4. September 2019 – C-686/17 [ECLI:EU:C:2019:659], Prime Champ – Rn. 48).
20
c) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, müssen diese Maßstäbe für den Regelungsbereich des Weinrechts streng verstanden werden. Denn die Zuordnung von Weinbauerzeugnissen mit geschützter Ursprungsbezeichnung oder geschützter geografischer Angabe zu einem bestimmten Weinbaubetrieb kann für die Verbraucher die Angabe einer höheren Qualität und für die Erzeuger einen Mehrwert darstellen (Erwägungsgrund 48 der Delegierten Verordnung 2019/33).
21
Auf das Erfordernis einer engen Anbindung der Betriebsstätten an den namensgebenden Weinbaubetrieb deutet auch der Wortlaut des Art. 54 Abs. 1 Unterabs. 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2019/33 hin. Denn dort ist nicht nur vorausgesetzt, dass die Weinbereitung in dem Betrieb des Inhabers erfolgt, sondern dass die Weinherstellung “vollständig” in diesem Betrieb stattfindet. Darin kommt das Erfordernis eines besonders engen Zusammenhangs der Betriebsstätte zum namensgebenden Weinbaubetrieb zum Ausdruck. Dies gilt auch für die englische (“and the winemaking is entirely carried out on that holding”), französische (“et si la vinification est entièrement effectuée dans cette exploitation”) oder italienische (“e la vinificazione è interamente effettuata nell’azienda”) Sprachfassung.
22
Die Entstehungsgeschichte der Regelung weist ebenfalls auf ein enges Verständnis der Zuordnung hin. Während die Anforderung für die Bezeichnung “Weingut” seit der Regelung in Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1608/76 der Kommission vom 4. Juni 1976 (ABl. L 183 S. 1) nur vorausgesetzt hatte, dass “die Weinbereitung in diesem Betrieb erfolgt ist”, hat die durch Art. 57 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 607/2009 der Kommission vom 14. Juli 2009 (ABl. L 193 S. 60) beschlossene Formulierung – jedenfalls im Wortlaut – eine Verschärfung mit sich gebracht. Seitdem muss die Weinbereitung “vollständig” in diesem Betrieb erfolgen; Art. 54 Abs. 1 Unterabs. 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2019/33 führt diese Regelung fort. In der Literatur ist dies dahin gewertet worden, dass die Weinbereitung nicht nur hinsichtlich der Verantwortung, sondern auch in räumlicher Hinsicht “in einer Hand” zu bleiben hat. Die verantwortliche Person müsse nicht nur für die Weinbereitung selbst verantwortlich sein, die Anforderung beziehe sich vielmehr auch auf die Betriebsstätte, in der der Wein bereitet wird (Boch, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: Juli 2021, C 400 WeinG Vor § 22b Rn. 65f ff.; a.A. aber Braun, in: Härtel, Handbuch Weinrecht, 2014, S. 269).
23
Hiermit korrespondiert, dass auch in den Erwägungsgründen nicht mehr darauf abgestellt wird, “dass alle Phasen der Herstellung dieses Weines unter Leitung und Verantwortung der gleichen natürlichen oder juristischen Person erfolgten” (so noch Erwägungsgrund 27 der Verordnung Nr. 997/81 der Kommission vom 26. März 1981, ABl. L 106 S. 1). In Erwägungsgrund 48 der Delegierten Verordnung (EU) 2019/33 findet sich keine entsprechende Bezugnahme auf die für die Weinbereitung verantwortliche Person. Anknüpfungspunkt ist vielmehr allein, dass “alle Schritte” der Weinbereitung in dem angegebenen Betrieb durchgeführt werden. Auch dies deutet auf eine Stärkung der räumlichen Komponente hin.
24
Sinn und Zweck der Regelung scheint damit der Schutz der Kennzeichnung der Weinbaubetriebe, die die Rebflächen selbst bewirtschaften und die Weinbereitung vollständig aus einer Hand gewährleisten, zu sein. Hieran knüpft Erwägungsgrund 48 der Delegierten Verordnung (EU) 2019/33 die Erwartung der Verbraucher, der Wein habe eine höhere Qualität. Sie würden irregeführt, wenn Teile der Weinbereitung in eine dem Betrieb in räumlicher Hinsicht nicht zuzuordnende Stelle ausgelagert würden (vgl. Erwägungsgrund 34 der Delegierten Verordnung 2019/33; zum Erfordernis der Weinverarbeitung “in seinem Betrieb” auch Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: Juli 2021, C 401 WeinV § 38 Rn. 9).
25
d) Die von der Klägerin benannten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Weinrecht tragen zur Klärung der streitigen Frage nicht bei.
26
Dem Urteil vom 18. Oktober 1988 – 311/87 [ECLI:EU:C:1988:483], Goldenes Rheinhessen – lässt sich für die vorliegend relevante Fragestellung keine Aussage entnehmen. Die Entscheidung betraf nur die Abfüllung, nicht aber die Weinbereitung. Zwar kann auch die Abfüllung des trinkfertigen Weins die Qualität des Erzeugnisses beeinträchtigen, wenn sie nicht sachgerecht durchgeführt wird (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Mai 2000 – C-388/95 [ECLI:EU:C:2000:244], Rioja – Rn. 61). Hierfür gelten aber andere Vorschriften.
27
Überdies wiesen die damals maßgeblichen Regelungen (Art. 12 Abs. 2 Buchst. q der Verordnung Nr. 355/79) einen vom heutigen Text abweichenden Inhalt auf. Dies gilt gerade für den von der Klägerin herangezogenen Erwägungsgrund 27 der Verordnung (EWG) Nr. 997/81 (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Oktober 1988 – 311/87, Goldenes Rheinhessen – Rn. 14). Denn die in Bezug genommene Abfüllung eines Weins “unter gleichwertigen Bedingungen” findet sich im Erwägungsgrund 48 der Delegierten Verordnung (EU) 2019/33 nicht mehr. Stattdessen wird nunmehr vorausgesetzt, dass alle Schritte der Weinbereitung in dem angegebenen Betrieb durchgeführt worden sind. Aus den Erwägungsgründen der Delegierten Verordnung (EU) 2019/33 kann überdies entnommen werden, dass die in Art. 54 dieser Verordnung eingeräumte Möglichkeit der Betriebsangabe nicht – wie die Klägerin meint – nur den Hinweis darauf enthält, wer die Leitung und Verantwortung für die Weinherstellung übernommen hat. Für die Verwendung der aufgeführten Begriffe müssen vielmehr auch die aufgeführten weiteren Voraussetzungen erfüllt sein.
28
Die Ausführungen im Urteil vom 29. Juni 1994 – C-403/92 [ECLI:EU:C:1994:269], Château – führen ebenfalls nicht weiter. Nach dieser Entscheidung verlangten die (damaligen) Gemeinschaftsvorschriften zwar nicht, dass die Weinbauern selbst Eigentümer der Weinbereitungsanlagen sind. Diese Aussage betraf aber die Abgrenzung zum Eigentum einer Genossenschaft, die selbst als “Betrieb” fungierte (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 19). Für die vorliegende Fallgestaltung kann dem Urteil keine Aussage entnommen werden, weil die Genossenschaft im damaligen Fall ihre Trauben auf eigenen Rebflächen geerntet und den Wein in eigenen Räumlichkeiten bereitet hatte.
29
Entsprechendes gilt für den Hinweis, der Gerichtshof habe nur zuverlässige Verfahren zur Vermeidung einer Vermischung der Trauben verlangt. Auch insoweit bezogen sich die Ausführungen auf die Besonderheiten der Weinherstellung durch eine Genossenschaft. Aussagen zu der Fallgestaltung des vorliegenden Rechtsstreits sind damit nicht verbunden, weil die Genossenschaft Eigentümerin der Räumlichkeiten war, in denen die Weinbereitung erfolgte. Soweit die Beschwerde schließlich auf die Aussage verweist, für die Bezeichnung “Château” könne die Weinbereitung auch in Anlagen erfolgen, die sich auf Ländereien befinden, zu denen kein Schloss gehöre, fehlt ebenfalls der Bezug zur vorliegenden Konstellation. Auch damit war nur zum Ausdruck gebracht worden, dass die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechende Vorgaben nicht enthielten.
30
e) Nach Auffassung des Senats erscheint daher unsicher, ob nach den dargestellten Maßgaben die Zuordnung einer nur für 24 Stunden angemieteten Kelteranlage zum Betrieb des namensgebenden Weinbaubetriebs angenommen werden kann. Wie der Beklagte betont, sprechen die nur sehr kurzzeitige und punktuelle Inanspruchnahme der angemieteten Kelteranlage gegen eine solche Annahme.
31
Im Hinblick auf die Kohärenz der Vorgaben bestehen aber Zweifel an diesem Ergebnis. Denn wenn die Anpachtung von Rebflächen bezeichnungsunschädlich ist, die in erheblicher Entfernung vom namensgebenden Weinbaubetrieb liegen, erscheint es naheliegend, auch die Kelterung vor Ort durchzuführen, um einen Transport der Trauben zu vermeiden. Damit ist die Frage verbunden, ob der namensgebende Weinbaubetrieb nicht auch die Kelteranlage anmieten kann. Hierfür spricht, dass die gemeinsame Nutzung von Betriebseinrichtungen in der Weinerzeugung durchaus üblich und vielfach auch betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. Warum dann eine Anmietung über den für die konkrete Kelterung erforderlichen Zeitraum hinaus erforderlich sein sollte, ist nicht ersichtlich. Würde die Klägerin für die Kelterung eine mobile Anlage verwenden, käme auch diese nicht länger zum Einsatz.
32
Zu Recht hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass in Österreich durch § 22 Nr. 2 des Bundesgesetzes über den Verkehr mit Wein und Obstwein i.d.F. der Bekanntmachung vom 17. November 2009 (BGBl. I Österreich Nr. 111/2009), zuletzt geändert durch Änderungsgesetz vom 29. Mai 2019 (BGBl. I Österreich Nr. 48/2019), i.V.m. § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die Bezeichnung von Weinen i.d.F. der Bekanntmachung vom 1. April 2011 (BGBl. II Österreich Nr. 111/2011), zuletzt geändert durch Änderungsverordnung vom 23. Juli 2018 (BGBl. II Österreich Nr. 184/2018) “Behandlungen im Lohnverfahren wie Lohnerzeugung, Lohnpressung oder Lohnfiltration” ausdrücklich zugelassen und als bezeichnungsunschädlich erklärt werden. Eine entsprechend strenge Zuordnung der Betriebsstätte zum namensgebenden Weinbaubetrieb scheint damit in Österreich nicht gefordert. Um eine unionsweite Klärung der streitigen Fragen herbeiführen zu können, bedarf es daher einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union.
33
3. Sofern das für 24 Stunden angemietete Kelterhaus dem Betrieb der Klägerin zugeordnet werden kann, stellt sich die zusätzliche Frage, ob die Kelterung durch eigenes Personal der Klägerin durchgeführt oder jedenfalls vor Ort beaufsichtigt werden muss.
34
a) Nach den tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Berufungsurteil (UA S. 18 f.) ist durch den Mietvertrag nicht vorbehaltlos gewährleistet, dass alle Phasen der Herstellung des Weins unter Leitung und Verantwortung der gleichen natürlichen oder juristischen Person erfolgen müssen. Vielmehr sehe der Mietvertrag vor, dass die Kelterung sowohl in Anwesenheit des Erzeugers als auch des von ihm zur fachlichen Aufsicht bevollmächtigten Bewirtschafters erfolgen könne. Damit sei die Verantwortung für den Keltervorgang alternativ in die Hand des Bewirtschafters gelegt. Die fachliche Aufsicht und das Weisungsrecht der Klägerin änderten hieran nichts, weil dem anwesenden Bewirtschafter das Recht eingeräumt sei, jederzeit in die Kelterung einzugreifen. Er könne daher unabhängig von der Klägerin eigenständige Entscheidungen treffen und werde dies bei überraschend auftretenden Problemen auch tun müssen.
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Scheitert das Begehren der Klägerin nicht bereits daran, dass die Kelterung des Weins in einem für 24 Stunden angemieteten Kelterhaus nicht als vollständige Weinbereitung in ihrem Betrieb betrachtet werden kann, muss daher geklärt werden, welche Anforderungen an den Keltervorgang in personeller Hinsicht zu stellen sind. Möglicherweise wäre dann auch der von der Klägerin erhobenen Verfahrensrüge nachzugehen, dass das Berufungsgericht den tatsächlichen Willen der Vertragsparteien und die Handhabung der Klausel in der Praxis nicht weiter aufgeklärt hat.
36
b) Fraglich ist insbesondere, ob die Anwesenheit der Klägerin oder eines ihrer Mitarbeiter während des Keltervorgangs zwingend ist.
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Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union soll die Kennzeichnung gewährleisten, “dass die wesentlichen Phasen der Erzeugung des Weins, also die von der Ernte der Trauben bis zur Weinbereitung, unter der tatsächlichen Leitung, der engen und ständigen Aufsicht und der ausschließlichen Verantwortung eines einzigen Betriebsinhabers erfolgen, dem die Qualität der Erzeugnisse zugeschrieben werden kann” (EuGH, Urteil vom 29. Juni 1994 – C-403/92, Château – Rn. 15).
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Diese Ausführungen mit der Bezugnahme auf eine “tatsächliche” Leitung und “ständige” Aufsicht könnten für das Erfordernis einer zwingenden Anwesenheit und gegen das Ausreichen eines bloßen Weisungsrechts sprechen. Sie knüpfen an die vorangegangene Entscheidung zur Erzeugerabfüllung an, in der es vom Gerichtshof für erforderlich erklärt worden war, dass “die Abfüllung vom Erzeuger selbst […] vorgenommen worden ist” (EuGH, Urteil vom 18. Oktober 1988 – 311/87, Goldenes Rheinhessen – Rn. 15). Bei diesem Verständnis würde der in Art. 54 Abs. 1 Unterabs. 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2019/33 enthaltenen Anforderung dadurch Rechnung getragen, dass ein selbständiger Betrieb der Anlage durch den namensgebenden Weinbaubetrieb gewährleistet wird. Die Inanspruchnahme der Leistungen eines anderen Weinbaubetriebs soll mit dem Erfordernis der vollständigen Weinbereitung im eigenen Betrieb vermieden werden (vgl. Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: Juli 2021, C 401 WeinV § 38 Rn. 6). Ließe man ein bloßes Weisungsrecht ausreichen, wäre auch nicht erkennbar, warum Lohndienstleistung unzulässig sein sollte. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Union für die Abfüllung in einer Zusammenschau mit weiteren Gesichtspunkten angenommen (EuGH, Urteil vom 18. Oktober 1988 – 311/87, Goldenes Rheinhessen – Rn. 17).
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Die genannten Anforderungen der “Château”-Entscheidung könnten indes auch im Sinne einer funktionalen Gleichstellung zu verstehen sein. Sofern der namensgebende Weinbaubetrieb alle für die Kelterung relevanten Parameter vorgibt und die Einhaltung dieser Maßstäbe überwacht, läge ebenfalls eine tatsächliche Leitung und ständige Aufsicht vor. Damit wäre ein Gleichlauf zu den Anforderungen erzielt, die bei der Bewirtschaftung eines gepachteten Weinbergs gestellt werden.
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Es stellt sich außerdem die Frage, ob, wenn die Kelterung auch durch Mitarbeiter des die Kelteranlage vermietenden Weinbaubetriebs durchgeführt werden kann, diesen bei überraschend auftretenden Problemen die Befugnis eingeräumt sein darf, aufgrund eigenständiger Entscheidung in die Kelterung einzugreifen. Die in solchen Fällen durch das Personal des vermietenden Weinbaubetriebs selbständig, also ohne Rückbindung an Entscheidungen des namensgebenden Weinbaubetriebs zu treffenden Entscheidungen, unterbrechen möglicherweise die tatsächliche Leitung und ständige Aufsicht durch das namensgebende Weingut. Bei überraschend auftretenden Problemen müsste andererseits auch eigenes Personal des namensgebenden Betriebs eigenständige Entscheidungen treffen.
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Angesichts dieser Unsicherheit und dem offenbar in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht einheitlichen Verständnis erscheint auch insoweit eine Präzisierung der Vorgaben durch den Gerichtshof der Europäischen Union geboten.
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c) Schließlich bleibt die Frage, ob, sofern die Übernahme der Verantwortung im Wege der Weisung grundsätzlich ausreicht, anderes gelten muss, wenn der die Kelteranlage vermietende und die Kelterung durchführende Weinbaubetrieb ein eigenes Interesse an der Art und Weise der Durchführung der Kelterung hat, weil in dem ebenfalls mit diesem Weinbaubetrieb geschlossenen Vertrag über die Bewirtschaftung der Rebflächen ein ertrags- und qualitätsabhängiger Zuschlag je Hektoliter Kabinett-/Spätlese-/Auslesewein zum flächenbezogenen Bewirtschaftungsentgelt vereinbart ist.
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Führt ein solcher ertrags- und qualitätsabhängiger Zuschlag zu einem eigenen Interesse des Bewirtschafters an der Art und Weise der Durchführung der Kelterung und einem eigenen wirtschaftlichen Risiko, könnte dies der Annahme einer ausschließlichen Verantwortung des namensgebenden Weinbaubetriebs entgegenstehen (vgl. EuGH, Urteile vom 18. Oktober 1988 – 311/87, Goldenes Rheinhessen – Rn. 17 und vom 12. Oktober 2016 – C-340/15 [ECLI:EU:C:2016:746], Nigl – Rn. 28 m.w.N.). Ob der Zuschlag derartige Wirkungen hat oder ob seine Höhe maßgebend von Menge und Qualität der geernteten Trauben und nicht deren Kelterung bestimmt wird, wäre gegebenenfalls von der Tatsacheninstanz zu ermitteln.


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